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Die einzigen Einschränkungen, die das Gesetz für die Vereinsfreiheit festgesezt hat, beziehen sich auf politische Vereine.) Solche Vereine müssen zunächst einen Vorstand und eine Sagung haben.

Hierin ist an sich noch keine Einschränkung zu sehen, da im Gesez weder Vorschriften über Bildung und Zusammensetzung des Vorstandes oder über den Inhalt der Sagung gegeben sind, noch auch Vorstand oder Sazung der Bestätigung bedürfen. Überdies ist das Vorhandensein von Vorstand und Sagung nach der Natur des Vereins eigentlich selbstverständlich, da eine dauernde Vereinigung ohne bestimmte Organisation kaum denkbar ist.o) Wohl aber liegt eine Einschränkung in der Bestimmung, daß der Vereinsvorstand binnen einer bestimmten Frist die Sagung, sowie das Verzeichnis der Vorstandsmitglieder bei der zuständigen Polizeibehörde einreichen muß.3) Das Vereinsgesetz hat hier eine wesentliche Erleichterung gegenüber dem bisherigen preußischen Recht gebracht, nach dem ein Verzeichnis sämtlicher Mitglieder eingereicht werden mußte, indes hat die Polizei kraft ihres allgemeinen Ermittlungsrechts auch jezt noch die Befugnis, Auskünfte über die Mitglieder zu verlangen. Immerhin ist dies etwas erheblich anderes, als wenn bisher ein Verein allgemein die Pflicht hatte, sein Mitgliederverzeichnis einzureichen und Auskunft über seine Mitglieder zu erteilen.*)

Folgerichtig muß auch jede Änderung der Satzung bezw. Änderung in der Zusammensetzung des Vorstandes angezeigt werden. Sazung sowie Änderungen müssen in deutscher Sprache eingereicht werden.5) Auch hinsichtlich dieser selbstverständlichen Bestimmung gilt das oben über die deutsche Sprache Gesagte.

Endlich dürfen Personen unter 18 Jahren nicht Mitglieder von politischen Vereinen sein und auch nicht in die Zusammenkünfte solcher Vereine kommen.) Auch hier hat das neue Geset eine Erleichterung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand in Preußen gebracht, nach dem allgemein Frauen, Schüler und Lehrlinge von politischen Vereinen ausgeschlossen waren.7)

Weitere polizeiliche Einschränkungen der Vereinsfreiheit kennt das Reichsvereinsgesetz nicht.

1) vgl. über den Begriff oben S. 99; vgl. die Ausführungen bei Ro men a. a. D. S. 41 ff., indes gelten nach § 4 d. Ges. Personenmehrheiten, die vorübergehend zusammentreten, um Vorbereitungen für bestimmte Wahlen zu den öffentlichen Körperschaften zu treffen, nicht als politische Vereine.

2) So Romen a. a. D. S. 46.

3) § 3 Abs. 2 VereinsG.

4) vgl. Romen a. a. D. S. 48 f.
5) § 3 Abs. 3 u. 4 VereinsG.

6) § 17 a. a. D.

7) vgl. im einzelnen die diesbezüglichen Ausführungen oben S. 100.

Insbesondere ist die nach bisherigem Rechte mögliche Schließung von politischen Vereinen, die sich wiederholt strafbar gemacht hatten, fortgefallen.1) Übrigens kann auch wegen Nichtbefolgung der im vorstehenden erörterten Vorschriften niemals die Auflösung eines politischen Vereins verfügt werden. Es ergibt sich daraus, daß das Vereinsgesetz die Ausübung der Vereinsfreiheit nur in dem unbedingt gebotenen Umfang an Voraussetzungen geknüpft hat,*) und daß der heutige Rechtszustand, mindestens in Preußen, ein erheblich viel freiheitlicherer ist als bisher. Was oben bei der Versammlungsfreiheit über zivilrechtliche und disziplinarische Be= schränkungen gesagt ist, gilt natürlich auch für die Vereinsfreiheit, und ebenso gelten auch für sie die Bestimmungen der Art. 68 RV. u. 111 VU.3)

§ 39.

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit für die Militärpersonen.

"

Schon die Grundrechte hatten weitergehende Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit für Militärpersonen vorgesehen, indem § 31 bestimmt: Die in den §§ 29 u. 30 ent= haltenen Bestimmungen finden auf das Heer und die Kriegsflotte Anwendung, insoweit die militärischen Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen".

Da § 23 des RVereinsG. die reichsgesetzlichen Vorschriften über Vereine und Versammlungen aufrechterhalten hat, so kommen auch weiterhin noch die diesbezüglichen Vorschriften des Militärstrafgesetzbuchs und des Reichsmilitärgesetzes in Anwendung, während Art. 38 VU. obsolet geworden ist. Er bestimmte, daß die bewaffnete Macht) weder in noch außer dem Dienste beratschlagen, oder sich anders als auf Befehl versammeln dürfe. Versammlungen und Vereine der Landwehr zur Beratung militärischer Einrichtungen, Befehle und Anordnungen waren auch dann untersagt, wenn sie nicht zusammenberufen war.5)

Der geltende Rechtszustand für das Heer ist also folgender: Die unbefugte Veranstaltung einer Versammlung von Personen

1) § 16 d. Gef. v. 11. 3. 1850.

2) vgl. Romen a. a. D. S. 42.

3 vgl. die Ausführungen am Schluß des § 37 oben S. 102 f.

4) Dieser Ausdruck umfaßt nicht nur alle Abteilungen des stehenden Heeres und der Landwehr, sondern auch den Landsturm, wenn er aufgeboten ist.

5) Art. 38 Vu.

des Soldatenstandes behufs Beratung über militärische Angelegen= heiten oder Einrichtungen ist verboten und strafbar, ebenso die Teilnahme an einer solchen Versammlung.1) Diese Bestimmung gilt auch für Personen des Beurlaubtenstandes, auch während sie sich nicht im Dienst befinden.")

Die Teilnahme an politischen Vereinen und Versammlungen ist den zum aktiven Heer gehörigen Militärpersonen untersagt.8) Hieraus ergibt sich, daß die Versammlungs- und Vereinsfreiheit für Militärpersonen fast vollständig aufgehoben ist.

Neuntes Kapitel.

Die Freiheit des Eigentums und der Verfügung darüber.

(Art. 8 der Grundrechte.)

§ 40.

Die Unverlegbarkeit des Eigentums.

§ 32 der Grundrechte bestimmt in seinen ersten beiden Abfäßen: „Das Eigentum ist unverleglich.

Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines Gesezes und gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden“.

Der erste Sag dieses Paragraphen ist an und für sich in einem geordneten Staate selbstverständlich. Der Grund, warum er in die Grundrechte aufgenommen wurde, ergibt sich aus dem zweiten Sat. Es sollte nämlich ausgedrückt werden, daß das Eigentum auch gegenüber dem Staate rechtlich geschüßt sein solle, und daher bestimmt der zweite Saß, daß, selbst wenn aus Gründen des öffentlichen Wohles eine Entziehung oder Beschränkung des Privateigentums eintreten sollte, dies nur gegen Entschädigung zulässig sein solle.*)

Denn der Staat soll den Eigentümer nicht nur gegen rechtswidrige Handlungen oder Unterlassungen Dritter schüßen, sondern soll sich auch selbst jedes, nicht durch Gründe des öffentlichen

1) § 101 MStGB. für das Deutsche Reich v. 20. 6. 1872.

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Wohls geforderten Eingriffes in das Eigentum enthalten, und soll, wenn solche Gründe einen Eingriff erheischen, diesen nur gegen Entschädigung vornehmen.1)

Die Frage, was als Eigentum anzusehen und als solches rechtlich zu schüßen ist, läßt sich nur nach dem jeweiligen Stande der Gesetzgebung über das Recht des Eigentums beurteilen, da die Privatrechte nicht über, sondern unter dem Gesetz stehen und daher notwendig von den Bestimmungen des Gesetzgebers ab= hängig sind. Es ist daher sowohl möglich, daß ein bisher anerkanntes Privatrecht durch Gesetz aufgehoben oder beschränkt wird dann hört natürlich der betreffende Staatsschuß und der Entschädigungsanspruch auf, soweit er nicht durch das Geset selbst anerkannt wird als auch, daß von der Gesetzgebung etwas als Recht anerkannt wird, was bis dahin diese Eigenschaft nicht hatte dann erweitert sich insofern die vom Staate zu gewährende Sicherheit.2) Selbstverständlich wollte der § 32 der Grundrechte nicht die in dieser Hinsicht sich erstreckende Gesetz= gebung einschränken.

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Die ersten beiden Säße des § 32 der Grundrechte sind nun ihrem vollen Inhalte nach als Art. 9 in die preuß. Verfassung übergegangen und damit für Preußen verwirklicht.3) Die Verfassungsurkunde ist sogar noch über die Forderungen der Grundrechte hinausgegangen, indem sie bestimmt hat, daß die Entziehung oder Beschränkung des Eigentums nur gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung stattfinden solle.

Der Art. 9 VU. bezieht sich aber, ebenso wie der § 32 der Grundrechte, nur auf Enteignungen zu allgemeinen Zwecken, betrifft also weder die aus dem Nachbarrecht herrührenden Beschränkungen des Grundeigentums, noch auch sonstige Beschränkungen in Ausübung des Eigentumsrechts, die aus Gründen des öffentlichen Wohls oder im Interesse anderer notwendig und daher von der Gesetzgebung angeordnet werden. Solche Beschränkungen oder auch Aufhebungen von Eigentumsrechten können durch das Gesetz sowohl gegen Entschädigung als auch unentgeltlich verfügt werden, und der Verlegte hat dann einen Entschädigungsanspruch nur dann und insoweit, als dies besonders vorgeschrieben ist.")

1) So Schwarz a. a. D. S. 68f.; Rönne a. a. D. Bd. 2 S. 214.

2) So Rönne a. a. O. Bd. 2 S. 215 Anm. 1.

3 übrigens hatte schon das allgem. Landrecht Einleitung §§ 74, 85 diesen

Grundsaß im allgemeinen ausgesprochen.

4) vgl. Rönne a. a. D. S. 217; Arndt a. a. O. S. 84.

Solche Einschränkungen berühren also nicht das Prinzip des § 32 der Grundrechte und ich kann deshalb hier darüber hinweggehen.1)

Desgleichen steht weder § 32 der Grundrechte, noch Art. 9 VU. dem entgegen, daß durch polizeiliche Maßnahmen das Eigen= tum beschränkt oder verlegt wird. Derartige Maßnahmen bilden einen unentbehrlichen und praktisch überaus wichtigen Bestandteil der Aufgaben der Polizei im öffentlichen Leben,2) denn es liegt auf der Hand, daß im Interesse des Gemeinwohls, besonders in Fürsorge für Leben und Gesundheit, die Polizei sehr häufig genötigt sein kann, der freien Benugung des Eigentums Schranken zu sehen. In einem solchen Fall kann aber von einer Beschränkung des verfassungsmäßig gewährleisteten Eigentumsrechts keine Rede sein, weil dies schon an sich dahin beschränkt ist, daß seine Ausübung nicht in einer das Allgemeinwohl schädigenden Weise_erfolgen darf.) Ein grundsätzlicher Entschädigungsanspruch besteht gegenüber einer solchen Anwendung der Staatsgewalt in keiner Weise, nur soweit besondere Rechtsvorschriften einen solchen ausdrücklich anerkennen, kann er geltend gemacht werden.*)

Die Polizei darf jedoch nur in den gesetzlich zugelassenen Fällen und also nur dann in das Eigentum eingreifen, wenn Gefahr in polizeilicher Hinsicht vorliegt, und wenn — beides nach dem vernünftigen Ermessen der Polizeibehörde die Gefahr nicht in anderer Weise beseitigt werden kann.")

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Die eigentlichen Einschränkungen nun, die der Grundsay des § 32 der Grundrechte erleidet die übrigens, wie erwähnt, sowohl die Grundrechte als der Art. 9 VU. selbst schon vorgesehen hatten, bestehen in der Enteignung, d. h. in der Entziehung von Eigentum.

Eine Enteignung ist in zweifacher Weise denkbar, nämlich durch Akte der Gesetzgebung, wie schon oben erwähnt, und durch Akte der Verwaltung. Von der Aufhebung oder Beschränkung des Eigentums durch Akte der Gesetzgebung ist jedoch in der Verfassungsurkunde nirgends die Rede Art. 9 bezieht sich vielmehr nur auf die durch Verwaltungsakte erfolgende Enteignung.")

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1) Zu solchen Beschränkungen gehören z. B. das Schikaneverbot des § 226 BGB., das Notstandsrecht des § 904 BGB. usw.

2) Rönne a a. D. S. 217.

3) Schwarz a. a. D. S. 71; vgl. Stier-Somlo: „Das Eigentum ist begrifflich eine durch die Interessen der Gesamtheit beschränkte Sachherrschaft". (Die Verpflichtung des Eigentümers zur polizeigemäßen Erhaltung des Eigentums.) 4) So Rönne a. a. D. S. 218; Anschüß, Jellinek, Rehm, StierSomlo u. a.; vgl. Könne S. 218 Anni. 1.

5) Arndt a. a. D. S. 84.

6) Es ist klar, daß auch diese Art der Enteignung sich immer auf ein zugrunde liegendes Gesez stüßt.

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