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ländischen Gesinnung willen vor Allen würdig ist, das Banner voran zu tragen.

Früh schon zog dieser größte deutsche Lyriker des Mittelalters die Aufmerksamkeit unserer Gelehrten auf sich, und wie dauernd er sie zu fesseln wusste, beweist die ansehnliche Reihe der ihm gewidmeten Ausgaben, Erläuterungsschriften und Abhandlungen, von denen hier bloß die erste und die jüngste, die herrliche Schilderung Uhland's (Stuttgart 1822) und das Leben Walther's von Max Rieger (Gießen 1863: diese besonders wegen der gewissenhaften, sorgfältigen Forschung) rühmend hervorgehoben werden sollen. Gleichwohl ist Walther nicht so bekannt, als er es zu sein verdient. Zwar sein Name ist keinem Gebildeten mehr fremd, aber seine Lieder haben gewiss nur Wenige gelesen, und dann zumeist nur in Übersetzungen, aus denen ein richtiges Bild von Walther's Kunst nimmermehr gewonnen werden kann. Verlockendes für einen im Altdeutschen nicht vollkommen Bewanderten hatten die beiden Ausgaben des Urtextes freilich nichts an sich, weder die mit fast nur historischen und kritischen Anmerkungen dürftig ausgestattete Lachmann'sche (Berlin 1827, 1843, 1853) und noch weniger die unlängst erschienene von W. Wackernagel und M. Rieger (Gießen 1862), die lediglich Schulzwecken dienen will und daher, außer einer sehr gelehrten Einleitung, nicht éin Wort der Erläuterung enthält.

Aus diesem Grunde wird sich eine Ausgabe des Originals, die durch einen ausführlichen Commentar das zu leisten sucht, was die beiden Vorgängerinnen beharrlich von sich gewiesen haben, wohl hervorwagen dürfen. Den Plan dazu hatte ich schon vor Jahren gefasst und auch ohne die Veranlassung, die ihn nun gereift, würde ich über kurz oder lang zur Ausführung geschritten sein. Eine solche Ausgabe bedarf keiner Entschuldigung oder gar Rechtfertigung: sie ist einfach ein Bedürfniss, dessen Befriedigung das deutsche Volk zu fordern ein Recht hat.

Alle Welt ist einig darin, daß die mittelhochdeutsche Lyrik, in weit höherem Maße als jede andere Dichtart, dem Verständniss des heutigen Lesers die größten Schwierigkeiten

darbietet. Man hat es hier nicht wie in der Epik mit gegebenen Thatsachen, mit einer Reihe stetig fortschreitender und sich entwickelnder Begebenheiten, sondern mit einem bunten Wechsel individueller Stimmungen und Empfindungen zu thun, aus einer Zeit überdies, die der Denk-, Gefühlsund Sprechweise der Gegenwart viel zu ferne steht, als daß sie ohne eindringendes Studium überall erfasst und begriffen werden könnte. Bei poetischen Werken dieser Art sind daher commentierte Ausgaben geradezu unentbehrlich. Sie zu liefern ist Sache der Fachgelehrten. Wer sie sich, unter diesem oder jenem Vorwand, dennoch ersparen zu dürfen glaubt, zeigt nur, daß ihm die eigene Bequemlichkeit mehr gilt, als die Förderung der Erkenntniss. Diese auf jede Weise in den weitesten Kreisen zu verbreiten, ist kein Preisgeben, sondern eine hohe und würdige Aufgabe der Wissenschaft.

Über Einrichtung und Beschaffenheit solcher Commentare, über die Art und den Umfang der zu gebenden sprachlichen und sachlichen Erläuterungen werden die Ansichten allerdings vielfach auseinander gehen. Aber wer nichts wagt, gewinnt nichts; gesetzt auch, daß der erste Versuch noch unvollkommen bleibt, so wird es uns mit der Zeit, bei fortgesetzter Übung und gutem Willen, schon gelingen, das richtige Maß hierin zu treffen. Welchen Weg ich bei diesem ersten Wurfe einzuschlagen hatte, war ich keinen Augenblick im Zweifel. Da unsere Sammlung sich zum Ziele gesetzt hat, die Theilnahme der Gebildeten für die mittelhochdeutsche Literatur zu gewinnen, genauere Kenntniss der alten Sprache aber nur bei den Wenigsten vorausgesetzt werden kann, so musste vor Allem auf jene weit überwiegende Zahl von Lesern Rücksicht genommen werden, « die vom Altdeutschen gar nichts verstehen». Dem gemäß habe ich meine Ausgabe eingerichtet, so praktisch und dem Verständnisse diensam, als mir nur möglich war, und dabei alles sorgfältig zu vermeiden gesucht, was an die dem Laien unverständliche Geheimsprache der Schule erinnern könnte. Die Erklärung durfte sich also nicht auf die seltenen, in unserer Schriftsprache unüblichen Worte und auf die Ausdrücke beschränken, die, zwar noch gebräuch

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lich, ihre Bedeutung verändert haben, sondern musste auf jede ungewöhnliche Wortform ausgedehnt werden. Öfter vorkommende Wörter und Formen sind in der Regel nur einmal, bei ihrem ersten Auftreten im Buche, erklärt. Um jedoch den Leser in den Stand zu setzen, die Stelle zu finden, wo das geschehen ist, wurde ein besonderes Register aller erklärten Wörter beigefügt.

Nicht immer sind es nur die Ausdrücke, mit denen das Verständniss zu ringen hat. Es geschieht, in der Lyrik zumal, häufig, daß jedes Wort eines Satzes klar und deutlich ist und doch der Sinn dunkel bleibt, der nur längerem Nachdenken und genauer grammatischer Kenntniss sich erschließt. Bei allen solchen Stellen und überhaupt schwierigeren Satzbildungen wurde von dem wirksamsten Mittel der Erklärung, von der Umschreibung, reichlicher Gebrauch gemacht.

Außer diesen Anmerkungen, die zur Bequemlichkeit des Lesers unmittelbar unter den Text sind gesetzt worden, gehen den einzelnen Gedichten Inhaltsangaben voraus, die namentlich bei den Minneliedern, wo der Gedankenzusammenhang nicht immer sogleich deutlich zu Tage tritt, unerläßlich scheinen. Bei den Sprüchen ist dies weniger der Fall; um so nothwendiger waren hier sachliche Bemerkungen und Aufschlüsse über die Zeitbestimmung und die historischen Beziehungen.

Noch ein Übriges glaubte ich thun zu müssen. Da zum richtigen Verstehen richtiges Lesen und Betonen weit wichtiger ist, als man insgemein glaubt, so schien es mir zweckmäßig, über die Aussprache und über die Art, mittelhochdeutsche Liederverse richtig zu lesen, kurze Anleitungen beizugeben.

In der äußern Anordnung der Gedichte bin ich von meinen Vorgängern darin abgewichen, daß ich die Lieder und Sprüche, strenger als bisher, geschieden und zwischen beide Abtheilungen in die Mitte den Leich gestellt habe. Diese Anordnung hat sich vor andern schon deshalb empfohlen, weil die Lieder, mit geringen Ausnahmen, Liebeslieder, die Sprüche dagegen fast durchwegs lehrhaften und politischen Inhalts sind. Von den Liebesliedern gehört ein Theil jedesfalls in des Dichters früheste Zeit, darum haben sie auch ein Recht, an der

Spitze zu stehen. Die zuerst von G. A. Weiske (im Weimarischen Jahrbuch, 1, 357 ff.) theoretisch aufgestellte, später von W. Wackernagel praktisch durchgeführte Anordnung der Liebeslieder, die von der Ansicht ausgeht, sie seien ausschließlich an zwei Personen, an ein Mädchen niedern Standes und an eine Frau von vornehmer Geburt, gerichtet, scheint mir ohne alle thatsächliche Begründung und lässt sich mit dem dreißigjährigen rastlosen Wanderleben Walther's schlechterdings nicht in Einklang bringen. Ich habe daher die Lieder innerhalb dieser Abtheilung nach meinem Gutdünken geordnet.

Bei den Sprüchen richtete sich die Anordnung nach dem Alter der Töne und erst innerhalb dieser nach der sichern oder muthmaßlichen Entstehungszeit jedes einzelnen Spruches. Zu einer strengen Durchführung der chronologischen Reihenfolge ohne Rücksicht auf die Töne, wie Simrock sie versucht hat, konnte auch ich mich nicht entschließen, da der hiedurch etwa zu erreichende Gewinn mit dem Nachtheil, der aus dem Zerreißen der Töne entspringt, in keinem Verhältniss zu stehen scheint. Wer die historischen Gedichte nach ihrer Zeitfolge zu lesen vorzieht, findet dazu in dem S. 310 gegebenen Verzeichniss den nöthigen Behelf.

Zum Schlusse sei mir gestattet, ein Wort des Dankes auszusprechen für die manigfache Förderung, die mir die Arbeiten meiner Vorgänger gewährt haben. Sie zu benützen hatte ich mit dem Rechte auch die Pflicht. Die Art, wie ich dies gethan, wird selbständiges Urtheil und sorgsame Prüfung nirgends vermissen lassen. Daß ich den von Lachmann und Wackernagel aufgestellten Texten nicht blindlings gefolgt bin, bedarf wohl kaum der Versicherung und wird von Kundigen nicht übersehen werden. Eine Aufzählung und Rechtfertigung der von mir für nothwendig erachteten Textverbesserungen und Anderes wird seiner Zeit in meiner «Germania» gegeben werden; dort wollen meine Freunde auch ihrerseits den kritischen Apparat, wozu hier der Ort nicht ist, niederlegen.

WIEN, 20. Juni 1864.

FRANZ PFEIFFER.

EINLEITUNG.

In der Reihe lebendiger Dichtercharaktere, welche aus dem deutschen Mittelalter hervorgegangen sind, nimmt Walther von der Vogelweide eine der ersten, unter den Liederdichtern die oberste Stelle ein. Diesen hohen Rang haben ihm schon seine Zeitgenossen freudigen Herzens eingeräumt : bereitwillig und neidlos reichten sie ihm den dichterischen Ehrenkranz dar, indem sie ihn, nach dem Tode Reinmar's des Alten, als den würdigsten erklärten, Anführer und Bannerträger der Sängerschaar zu sein. So Gottfried von Straßburg, er selbst der Ersten Einer, in jener wundervollen Stelle des Tristan (s. Massmann's Ausgabe, 121, 33 ff.), wo er das Verstummen der Nachtigall von Hagenau beklagt und also fortfährt: sô gebet uns etelichen rât:

wer leitet nu die lieben schar,
wer wîset diz gesinde?

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1 etelichen, irgend einen. 2 die lieben schar, die anmuthige Schaar der Nachtigallen Minnesänger. 3 wisen, leiten, führen. daz gesinde, die Genossenschaft (der Sänger). 4. 5 ich hoffe diejenige, welche das Banner tragen soll, wohl zu finden. - 9 mit hoher stimme, mit einer Stimme, die aus andern mächtig hervortönt. schellen, tönen, schallen. 10 waz wunders, wie viel Wunderbares. stellen, anstellen, verrichten.

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