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Zweifel darüber obwalten, dafs die Gegenstände des Triviums, Grammatik, Rhetorik und Dialektik, damit gemeint sind. In welcher Weise aber diese Disziplinen getrieben, welche Lehrbücher dafür zu Grunde gelegt wurden, in welchem Alter die Schüler an sie herantraten, wie lange Zeit sie in der Regel gebrauchten, um ihrer mächtig zu werden darüber und über verwandte Fragen fehlt es an jeglicher Auskunft. Die Unterrichtssprache war natürlich die lateinische, und zwar genau so gut und so schlecht, wie sie in den mittelalterlichen Schulen üblich war. Lesen und Schreiben wurde wie überall zugleich mit den Anfangsgründen des Latein gelernt1.

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Neben den Wissenschaften des Triviums war es besonders die Musik, die in den klerikalen Schulen des Mittelalters eifrig geübt wurde, meist wohl nur praktisch, um die kirchlichen Gesänge der Jugend geläufig zu machen. Die Theorie der Tonkunst, die Lehre von der Harmonie, von der Komposition und dergl. gehörte dem Quadrivium an2. Aber gerade die praktische Übung des Kirchengesanges war für die Kirche von der grössesten Wichtigkeit. Ohne Gesang hätten die täglichen Horen und die Gottesdienste der Sonn- und Festtage, hätten die Prozessionen und die Feiern zu Ehren der Heiligen ihrer herrlichsten Zierde entbehrt. Auch in Braunschweig wurde auf die musikalische Schulung der Jugend ein grofses Gewicht gelegt. Dem Scholastikus zu St. Blasien machen die Stiftsstatuten die Überwachung des Chors zur ernsten Pflicht, und dem Magister Engelbert war es 1251 gewaltig verübelt worden, dafs er die disciplina chori vernachlässigt und seine Scholaren von den kirchlichen Gottesdiensten fern zu halten gewagt hatte. Es wird unter den geistlichen Herren nicht an solchen gefehlt haben, denen ein guter Sänger unter den Knaben wertvoller als ein guter Grammatiker war.

Die Einförmigkeit des Schullebens wurde überall in den Stiftsund Klosterschulen sehr oft durch kirchliche Feiern, zuweilen auch durch Feste von recht weltlichem Charakter unterbrochen. Namentlich war es das Bischofsfest, das mit seinem Mummenschanz und seinen possenhaften Aufzügen zu der sonst herrschenden Strenge und Enthaltsam1 Vergl. Kaemmel, Gesch. d. deutschen Schulw. S. 177, und besonders Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 67 ff.

2 Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 140 ff.

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keit einen sonderbaren Gegensatz bildete 1. Auch in Braunschweig war dieses Fest schon früh im Schwange. Bereits das Ottonische Stadtrecht von 1227 nimmt, wie bereits erwähnt wurde, darauf Rücksicht und sucht einem übermässigen Aufwande dabei hindernd entgegenzutreten. Zwar wird die Schule, in der zu jener Zeit der Knabenbischof gekoren wurde, in der Urkunde nicht ausdrücklich genannt, doch kann bei der ganzen Stellung der verschiedenen Anstalten gar kein Zweifel darüber sein, dafs hier allein von der Stiftsschule in der Burg die Rede ist, zumal sie als die einzige dasteht, bei der auch sonst noch das in Rede stehende Schulfest urkundlich erwähnt wird.

Den Anlass zu solcher Erwähnung boten die wüsten Ausschreitungen, zu denen im Laufe der Zeit die ursprüngliche Harmlosigkeit des Festes entartet war. Am Vorabend des St. Nikolaustages (6. Dezember) trieb ein Schüler, der vermummt und wie ein Junker Liederlich gekleidet war, in dem Gotteshause allerlei ungehörige Possen. War dieser mit seinem Unfug zu Ende, so begann das eigentliche Bischofsspiel. Schon vorher hatten die Schüler aus ihrer Mitte einen zum Bischof, einen anderen zum Abt gewählt. Im vollen Prälatenornat, bekleidet mit Infula und Hirtenstab, ahmten dieselben unter dem Gelächter der Anwesenden die heiligen Gebräuche nach und spendeten den Segen, als wären sie wirkliche Würdenträger der Kirche. Auch die Einwohnerschaft nahm teil an der Festlichkeit, und haufenweise lief das Volk zusammen, wenn der Knabenbischof an der Spitze einer

Prozession mit Wachskerzen und seidenen Bannern durch die Strafsen zog. Selbst von den Kanonikern mochten nicht wenige mit Behagen auf ein Gebaren schauen, das wie ein tolles Satyrspiel in den Ernst

1 C. Schmidt in dem Art. »Narrenfest<< in Herzogs Theol. Encyklop. X2, 425 f.; Kaemmel, Gesch. d. deutschen Schulw. S. 201 ff.; Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 225 ff.

2 Vergl. oben S. XVIII, Anm. 2. Auch in Helmstedt sicherte sich die städtische Behörde einen Einfluss auf die Wahl des Schülerbischofs, vergl. die be treffende Bestimmung aus den Stadtstatuten bei Knoch, Stadtschule zu Helmstedt S. 16: De scolre ne solen hir nenen bischop kiesen ane des rades willen." 3 S. 10 35: >>consueverunt constituere quendam larvatum in similitudinem ribaldi«. Dafs »ribaldus« nicht Popanz (Dürre, Gelehrtenschulen S. 9), sondern soviel wie Lüderjahn, Wüstling, insbesondere liederlicher Kriegsknecht bedeutet, zeigt Du Cange, Gloss. s. v. »ribaldus«; vergl. franz. ribaud, engl. ribald. Über die Ableitung vergl. Diez, Etymol. Wörterb. 13, 348. Das Wort stammt von ahd. hriba, mhd. rîba, und dem Suff. bald, also »scortorum amans<<.

des kirchlichen Lebens hineintrat. In zügellosen Spottversen (ritmizationes) wurden dabei die Vorgesetzten und sonstige angesehene Personen dem Gelächter preisgegeben, und festliche Schmäuse, zu denen die canonici novitii die Kosten bezahlten, gaben den Anlass zu Trunkenheit und Völlerei. Bis nach Weihnachten zog sich der Unfug hinaus und fand erst an dem Tage des Evangelisten Johannes (27. Dezbr.) und an dem der Unschuldigen Kindlein (28. Dezbr.) seinen Abschlufs1. Und wie im Winter das Bischofsfest, so rief im Sommer die Feier des St. Ulrichstages (4. Juli) schlimme Ungehörigkeiten hervor. In gemeinsamem Zuge führten alsdann die beiden Stiftsschulen mit grofsem Gepränge den sogenannten Pfaffenbaum (Papenboem) durch die Stadt. Die Anfertigung dieser Standarte, an der Fahnen mit dem herzoglichen Wappen flatterten, störte schon lange Zeit vorher die Regelmässigkeit des Unterrichts 2.

Im Anfang des 15. Jahrhundert hatten die Mifsbräuche bei dem Bischofsspiel und bei dem Umzuge des St. Ulrichstages einen so unerträglichen Charakter angenommen, dafs das Kapitel zu St. Blasien sich veranlafst sah mit Ernst dagegen einzuschreiten. Am Montag nach Reminiscere (21. Februar) 1407 untersagte es die Feier der beiden Feste für alle Zeiten und wies die bislang dafür aufgewendeten Geldmittel anderweitigen Bestimmungen zu. Und so grofs war das Gewicht, das die geistlichen Herren auf die Durchführung ihres Verbots legten, so grofs die Furcht vor einer Wiederkehr des Unfugs, dafs sie von Papst Gregor XII eine Bestätigung ihrer Verordnung erwirkten. Die Bulle desselben d. d. Senis Idibus Decembribus pontif. a. primo (13. Dezember 1307) ist unter 4 (S. 9 ff.) zum Abdruck gebracht. 1 Ganz ähnlich verlief die Feier in Hamburg. Vergl. Meyer, Gesch. d. Hamburger Schulw. S. 15. 197 f., 203 f. Vergl. auch Leverkus, Urkundenbuch des Bistums Lübeck I (1856), S. 782.

2 Die Veranlassung zu der Feier des St. Ulrichstages ist nicht bekannt. Wie es scheint, sollte das fürstliche Wappen am Pfaffenbaum die Schulen als fürstliche Anstalten bezeichnen Vergl. Herm. Boten im Schichtbuch (Hänselmann, Chron. II, 321), wo von den beiden Kapiteln gelegentlich ihrer Weigerung das Halten von Privat- und Schreibschulen zu gestatten gesagt wird: „Wente se dar vele rechticheyt to hadden, dat se dat vordedingen konden myt orem papenbôme, den de twey schole alle seven jare in der stad ummevorden myt banren, darinne stunt de wapen der fursten to Brunswick.“ Die Angabe Botens, dafs der Umzug mit dem Pfaffenbaum nur je im siebenten Jahre stattgefunden habe, scheint auf einem Irrtume zu beruhen. Die unter 4 mitgeteilte Urkunde setzt S. 12 eine alljährlich wiederkehrende Feier des St. Ulrichstages voraus.

Wenige Jahre nachdem zu St. Blasien die zügellosen Festlichkeiten der Schuljugend verboten waren, traten zu den drei klerikalen Lehranstalten noch zwei lateinische Stadtschulen hinzu, von denen die eine an die Kirche des heiligen Martin, die andere an die der heiligen Katharina sich anlehnte. Beide standen unter dem Patronate des Rats. Die Altstadt und der Hagen, wo sie belegen waren, bildeten die beiden angesehensten von den fünf Weichbilden der Stadt1.

Derartige städtische Gelehrtenschulen waren nicht neu. Schon seit dem 13. Jahrhundert waren sie in wachsender Anzahl ins Leben getreten, vielfach in Städten, die sich mit der Hansastadt Braunschweig an Macht und Ansehen nicht zu messen vermochten 2. Selbst das kleine Städtchen Helmstedt war schon seit 1248 (1253) mit einer solchen Lehranstalt versehen 3. Überall hatte sich die Stiftung der städtischen Schulen unter dem Einspruche der geistlichen Herren, denen die an den betreffenden Orten vorhandenen Stifts- und Klosterschulen gehörten, vollzogen, und meist war es den Bürgern erst nach hartem Kampfe gelungen den Widerstand der Prälaten zu überwinden.

Die Beweggründe zu dem Kampfe um die Begründung der städtischen Schulen unterliegen vielfach noch einer irrtümlichen Auffassung. Man habe, so meint man, Anstofs genommen an der sittlichen Verwahrlosung der Geistlichkeit, habe für die Jugend bessere Lehrer, nutzbringendere Stoffe, höhere Ziele und eine gesundere Methode gewünscht. Der Angelpunkt des ganzen Streites sei eben

1 Die fünf Weichbilder der Stadt, Altstadt, Hagen, Neustadt, Altewik und Sack, waren ursprünglich selbständige Gemeinwesen und wurden jedes durch einen besonderen Rat geleitet. Zuerst nur nach aufsen durch gemeinsame Verteidigung der Ringmauer geeint, verschmolzen sie erst sehr allmählich zu einem einzigen Gemeinwesen. Der Rat der Gesamtstadt hiefs zum Unterschiede von den Räten der einzelnen Weichbilde der »gemeine Rat«. Jedes Weichbild hatte seine besondere Kirche. Die der Altstadt war dem h. Martin, die des Hagen der h. Katharina, die der Neustadt dem h. Andreas, die der Altenwik dem h. Magnus, die des Sack dem h. Ulrich geweiht. Letztere lag auf dem jetzigen Kohlmarkte und wurde 1544 ihrer Baufälligkeit wegen abgebrochen. Der Gemeinde wurde dafür die Kirche des Brüdernklosters zugewiesen. Aufser den genannten 5 Pfarrkirchen bestanden noch zwei andere Pfarrkirchen mit sehr kleinen Gemeinden, die St. Petri- und die St. Michaeliskirche. Näheres bei Dürre, Stadt Braunschweig S. 295 ff., 445 ff. Vergl. die Übersicht bei Kaemmel, Gesch. d. deutschen Schulw. S. 65-95 und besonders bei Meister, Schulstreit des Mittelalters S. 31f.

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3 Knoch, Stadtschule zu Helmstedt S. 13 f., und wegen des Jahres der Gründung ebendas. S. 16, Anm.

nichts anderes als der Widerspruch des Laientums gegen einen moralisch entarteten, den Bedürfnissen des praktischen Lebens entfremdeten, bildungsfeindlichen Klerus gewesen1.

Von einer derartigen Opposition des Bürgerstandes gegen die Geistlichkeit und gegen die innere Organisation ihrer Schulen wissen die zeitgenössischen Quellen nichts zu berichten. Überall, wo in den Städten um die Schulen gekämpft wird, treten vorwiegend nur äusserliche Motive hervor. Der Klerus ist der Begründung neuer Lehranstalten neben den seinigen entgegen, weil seine Privilegien dadurch geschädigt, seine Einnahmen geschmälert werden. Die Bürger aber verlangen für ihre Kleinen meist eine gröfsere Bequemlichkeit oder Sicherheit des Schulweges, vor allem auch das Recht einen unwissenden und die Jugend mifshandelnden Schulmeister strafen und fortschicken zu können. Dazu gesellte sich der Wunsch, wie in den Stifts- und Klosterkirchen, so auch in den städtischen Gotteshäusern den Kultus durch den Gesang eines Schülerchors verherrlicht zu sehen, nicht zum wenigsten auch das stolze Bestreben, wie auf allen Gebieten des bürgerlichen Gemeinwesens, so auch auf dem der Jugendbildung von fremden Einflüssen, seien sie geistlicher oder weltlicher Art, unabhängig zu sein. Wie wenig aber dabei ein Gegensatz gegen die innere Organisation der kirchlichen Schulen in Frage kam, zeigt ein Blick auf die städtischen Anstalten selbst. Zucht und Methode, Schulbücher und Lehrplan sind dieselben wie sie in jenen sich finden; auch in dem Lehrerpersonal ist ein Unterschied nicht zu bemerken. Dazu kommt, dafs es in der Regel gerade die höchsten Beamten der Kirche, dafs Päpste und Bischöfe es waren, durch deren Privilegien den städtischen Obrigkeiten die Begründung eigener Schulen gelang.

In Braunschweig waren die Beweggründe, welche in der Bürgerschaft den Wunsch nach Errichtung eigener Lehranstalten wachriefen, im wesentlichen dieselben wie sie auch an anderen Orten sich geltend gemacht hatten. Die Schule der Benediktiner lag am fernsten Südostrande, die des Cyriacusstiftes gar aufserhalb

1 So Schmidt-Lange, Gesch. d. Pädag. II, 312; Dürre, Gelehrtenschulen S. 17; Stadt Braunschweig S. 573; Sack, Schulen S. 87. Auch Kaemmel, Gesch. d. deutschen Schulw. S. 56 trägt ähnliche Anschauungen vor, die er jedoch S. 63 abschwächt. Das Richtige bei Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 248 f.; Meister, Schulstreit im Mittelalter S. 19ff.

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