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An J. G. Fichte.

Eutin den 27. März.

Ihr lehter Brief, mein verehrter

Freund, hat mich zwar eine Zeit lang in dem Vorsaße: nicht ausser der Fes rienzeit an Sie zu schreiben, den ihr vorlegter in mir veranlaßte, wanken ge macht. Aber endlich entschied der Ent: schluß, das, was ich Ihnen zu sagen wünschte lieber so lange aufzuschieben, bis dasjenige gethan wäre, wozu ich mich nach der Lesung Ihrer Apellation so dringend aufgefordert fühlte. Gestern habe ich die Handschrift einer Abhands lung über die Paradorien der neuesten Philosophie nach Ham: burg zum Druck abgesendet; und heute

schreibe ich Ihnen selbst, nachdem ich seit der Ankunft ihres Pakets fast über nichts Anderes als über Ihre Sa che, die so sehr auch die Meinige ist, gedacht und geschrieben habe.

Während ich in Kiel über das Paradore das Ihre Philosophie für den ratürlichen Verstand hat und haben muß, das aber durch die Halbs philosophie unsrer Dogmatiker und Skeptiker bis zum Ungereimten und Aergerlichen gesteigert wird, nach, sann, und versuchte: ob und was ich zur Erklärung und Verminderung dessel: ben beyzutragen vermöchte, schrieb Jaco bi in Eutin sein unvergleichliches Sendschreiben an Sie in welchem mir jenes Paradoxe auf immer aufge hoben, und dadurch, daß es bis zu seinem letzten Extreme getrieben ist, durch sich selbst Vernichtet scheint. Indem Er, in seinem Briefe, und ich in meiner Abhandlung, es recht eigentlich darauf anzulegen schienen, uns als Philosophen so bestimmt, und so

weit als möglich, von einander att ents fernen: find wir uns beyde auf demje nigen Punkte begegnet, der uns biss her wirklich (aber wenigstens ohne mein Wissen) getrennt hielt, und der uns von nun an auf immer vereinigen wird. Ich bin seit einigen Tagen per: sönlich in Eutin, und es wird mit durch jede Unterredung mit Jacobt einleuchtender, daß ich meinen Stand: punkt zwischen Ihm und Ihnen nehmen müsse, wenn ich Sie, und zử gleich mich selbst, völlig verste: hen soll. Er hat meine Einbildungs kraft, die zum Theil noch immer durch den Buchstaben des kantischen, von mir so lange bewohnten und so mühsam bearbeiteten, Lehrgebäudes ge fesselt war, vollends in Freyheit gescht. Durch Ihn habe ich den Geist Ihrer Philosophie, so wie durch Sie, den Geist der kantischen inniger kennen gelernt; und ich hoffe nun auf der, mir von Ihnen geöfneten Bahn des spekulaté ven Wissens desto freyer und fester forts

zu schreiten, feitdem ich das, was Er sein Nicht wissen nennt, verstehe, und von ganzem Herzen daran Theil nehme.

Auch Sie haben dieses Nicht: wissen, auf welches das ganze wohlvers ftandene System Ihres reinen Wiss sens hinweiset, an vielen Stellen, und besonders in der Abhandlung, die Ihnen die bekannte Beschuldigung des Unglaubens zugezogen hat, ausdrük; lich unter dem Namen des Glaubens und dem Charakter des Elementes aller Gewisheit, behauptet. Daß aber auch das philosophische Wiss sen, bey aller Selbstständigkeit, die es für sich, und durch sich selber hat, gleichwohl, (und zwar eben 'zum Lehuf derselben), jenes, von ihm schlechthin uns abhängigen, Glaubens nicht entbeh ren könne, ist mir durch Jakobi um sehr vieles einleuchtender geworden. Ich weiß nun auch bestimmter, daß die Bez ziehung jenes Glaubens auf dieses Wissen durch kein Philosophiren an sich Selbst, sondern nur durch den Gebrauch),

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den mein Wille von meinem blos na: türlichen, durch mein Philosophiren nur gereinigten Wissen machen soll, möglich ist, und daß das philosophi sche Wissen nur allein durch jene Bes ziehung über den Charakter der blossen Spekulation erhoben, und mit derjenigen reellen Realität verbunden werden kann, ohne welche dasselbe, im Auge des an den Glauben, der das Ele: ment aller Gewisheit ist, festhals tenden Rechtgläubigen, blosse Er: dichtung seyn und bleiben würde.

Daß unsre Philosophie jenen Glauben keineswegs hervorzubrin gen vermöge, gesteht sie schon dadurch ein, daß sie denselben zu ihrer eigenen Möglichkeit vorausseßt, sich nur zur Er klärung desselben anheischig macht, und fich auf diese Erklärung, als auf die einzig mögliche Bewährung des spekulas tiven Wissens vor dem natürlichen gesunden Verstande beruft. Sie erklärt diesen Glauben nur denen, die denselben wirklich haben und behalten;

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