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I.

In der Betrachtung, mit welcher Gottfried seine Erzählung von Tristan eröffnet, berührt er zuerst das Verhältniss des Dichters zur Lesewelt und zur Kritik. Nur im dankbaren Angedenken findet das Verdienst seine Dauer, und Unrecht ist es, das Verdienst nicht wohlwollend zu schätzen. Mehr als die Tadelsucht, die selbst dem begehrten Werke entgegentritt, ziemt Lob und Hingabe. Das abwägende Urtheil ist von Werth, aber nur durch Anerkennung gedeiht die Kunst. Der Vergessenheit fällt anheim, was nicht Anerkennung findet. Absprechende oder beschönigende Beurtheilung schadet mehr als sie nützt, und gehässige Verkleinerungssucht ertödtet vollends die Gabe des Urtheils. Wohl dem, der in solch schwieriger Lage zur Bedeutung gelangt ist! Ich will, fährt der Dichter auf seine Person übergehend fort, bei meiner Lebensreife und Erfahrung nicht müßig bleiben. Der Welt, aber nur der edeln, nicht der leichtlebigen Welt zu Liebe habe ich mir eine Aufgabe gestellt: ich will mit einer Erzählung denen, welche der Kummer der Liebe bedrückt, Zerstreuung und Erleichterung gewähren. Zwar heißt es, daß die Vertiefung in einen Liebesroman den Kummer mehren helfe. Jedoch in diesem Weh liegt so viel Herzensfreude, daß ein edeles Herz nicht darauf verzichten mag. Wer rein und edel liebt, der wünscht sich solche Dichtung. Und diesen Genuß will ich den Liebenden bieten in meiner Erzählung von Tristan und Isolt. Es gibt Erzählungen von Tristan, die nicht die rechten sind, ich aber habe die rechte gefunden, ich folge dem Thomas von Britannie. Dieser Roman soll edele Herzen erfreuen und veredeln und ihnen ein leuchtendes Vorbild sein. Diese Liebenden haben mit den Freuden der Liebe auch der Liebe Leid gekostet, ja selbst um der Liebe willen den Tod erlitten. Darum leben sie fort in unserer Erinnerung.

(1) Gedæhte man ir ze guote niht,
von den der werlde guot geschiht,
so wære ez allez alse niht,

swaz guotes in der werlt geschiht.

-

1-4 Auf die stilistischen Eigenthümlichkeiten in den Eingangsstrophen soll zuerst aufmerksam gemacht werden: 1 niht Negation; 3 niht subst. nichts. 2 werlt stf., Menschheit; 4 werlt, Erde. 1 ze guote (von quot stn.), im Guten, in Güte, mit Wohlwollen [vgl. zu Gute thun, halten]; 2 guot stn., Gutes. 3 alse (also als) adv. Partikel, wie. 4 swaz (= so waz), wenn etwas, correlativ nhd. was: was, wie viel auch des Guten.

Der guote man, swaz der in guot
und niwan der werlt ze guote tuot,
swer daz iht anders wan in guot
vernemen wil, der missetuot.
Ich hoere es velschen harte vil,
daz man doch gerne haben wil:
dâ ist des lützelen ze vil,

dâ wil man, des man niht enwil.

Ez zimet dem man ze lobene wol,
des er iedoch bedürfen sol,
und lâze ez ime gevallen wol,

die wîle ez ime gevallen sol.

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5-8: 5 in guot (in guote), in Güte, subjectiv: in guter Absicht; 7 in guot, objectiv und elliptisch: in Güte gethan, für etwas Gutes. 6 tuon transitiv, schaffen, wirken; 8 tuon in Zusammensetzung missetuon intrans., übel thun, unrecht handeln. Die Bildung misse- liebt Gottfried. 5 der guote man, der wackere, verdienstvolle Mensch, nicht, wie unser: guter Mann, auf die Herzensgüte zu beziehen. Solche Vorausstellungen des Subjects, welches das Demonstrativ im Nebensatz wieder aufnimmt, finden sich im Tristan sehr häufig, vgl. z. B. 33. 39. 103. 111. 1383. 6 niwan (níwan einsilbig) adv. (daneben níuwan, niwán) nur. ze guote unserm: zu Gute, zum Besten. 7 swer (s. zu V. 4) correl., wer. iht anders (adv. gen.), in irgendeiner Weise sonst. wan adv. außer, als. 8 vernemen stv., auf-, hinnehmen, anerkennen.

9-12 10 wil in Verbindung mit haben; 12 wil selbständig. 9 es gen. neutr. von ez, nhd. ersetzt durch den Gen. von daz: dessen, abhängig von vil. - velschen swv., für valsch, schlecht erklären, ganz wie unser: schlecht machen, herb und ungerecht kritisieren. harte adv. zur Verstärkung von Adject. und Adverb., gar, sehr. - vil, im Mhd. nicht adjectivisch, sondern immer substantivischer Singular. 10 dâ demonstr. pron. adv., im Mhd. immer örtlich (vgl. 303). đâ―dâ, hier

- da.

11 lützel adj., hier subst. neutr., klein, wenig. 12 des gen. abh. von niht.-en- proclitische Negationspartikel. Zwei Negationen (niht und en-) verstärken einander, heben sich nicht auf. - Der Wortlaut der 3. Strophe ist klar, aber die beiden letzten Zeilen lassen verschiedene Deutung zu. Auch das ersehnte Werk verschont die Kritik nicht. Hier ist des Unbedeutenden zu viel, urtheilen die einen, d. h. da hat der Dichter zu viel Mühe auf einen interesselosen Gegenstand gewandt; oder heißt es: auch das kurze Gedicht ist ihnen zu lang? - 12 auf der andern Seite will man (der eine), was man (der andere) nicht will; oder soll gesagt werden: heute ist der Geschmack so, morgen anders? oder endlich sind hier versteckt die sittlich bedenklichen Stoffe gemeint? man begehrt sie im Grunde des Herzens, gibt sich aber den Anschein, sie verwerflich zu finden. Kämen die Worte aus eines heutigen Dichters Munde, so würde man ebenfalls zu rathen haben.

13-16: 13 wol adv., gar wohl, sine dubio; 15 wol adv., direct zu gevallen gehörig, bene. 14 sol muß; 16 sol auxiliar= wird, mag. 15 ime, ihm reflexiv sich; 16 ime rein demonstrativ = ihm. - 13 zimet 3. pers. præs. von zemen stv. ziemen swv., geziemen (obgleich diese Worte eine mehr ethische Bedeutung gewonnen haben), anstehen, schön stehen; vgl. 711. 14 iedoch adv., nicht: jedoch, sondern: doch, ja doch, doch einmal. 15 lâze conj., elliptisch lâze er, möge er lassen. 16 die wile adv. acc., die Zeit, dieweil, so lange. Einem literarischen Bedürfnisse freundlich entgegenzukommen, ist anständig; man soll sich ein neues Werk so lange gefallen lassen, als es angeht; d. h. so lange, als es nicht durch ein neueres abgelöst und überboten wird.

=

(2)

Tiur' unde wert ist mir der man,
der guot und übel betrahten kan,
der mich und iegelîchen man

nâch sînem werde erkennen kan.

Er' unde lop diu schephent list,

dâ list ze lobe geschaffen ist:
swâ er mit lobe geblüemet ist,
dâ blüejet aller slahte list.

Reht' als daz dinc zę unruoche gât,
daz lobes noch êre niene hât,
als liebet daz, daz êre hât
und sînes lobes niht irre gât.

Ir ist sô vil, die des nu pflegent,
daz sî daz guote z' übele wegent,
daz übel wider ze guote wegent:
die pflegent niht, si widerpflegent.

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17-20: 17 man subst. nom.; 19 man halb pronominal und acc. iegelichen man, jeglichen Mann, jeden Mann, jedermann.

20 werde von wert stn. (nhd. stm.) dacht) erwägen.

-

17 wert adj.; 18 betrahten swv., mit trahte (Be

21-24: 21 list acc.; 24 list nom. 21 diu pl. neutr. bezogen auf die Subst. verschiedener Geschlechter; vgl. 34. schephen swv. schaffen, schöpferisch hervorbringen. -list stm. nur selten im Sinne von unserm: List stf. (vgl. 2032 u. zu 13742), Klugheit, Weisheit, insbesondere: Kunst, Kunstbetrieb (die Zusammensetzungen mit list brauchen nicht alle angeführt zu werden). 22 da hier relativ: wo, wenn, sobald, vorausgesetzt daß. list ist hier wohl innerlich zu fassen: Kunstbegabung. ze lobe, auf lobenswerthe Weise. Wenn wirkliches Talent von der Natur beschieden ist, dann regt die Anerkennung zu dichterischer Production an. — 23 swâ (= só wâ) correl., wenn wo=nhd. wo. er (nicht er', ére) d. h. list. -24 slaht, auch slahte stf., Art; aller slahte (gen. sing.) jede Art; auf aller liegt ein Nachdruck. Der Dichter will die Einschränkung in V. 22 auf ein weites Gebiet ausdehnen. Wenn das Talent mit Lob geblümt, wie mit Blumen geschmückt wird, dann ist eine allgemeine Kunstblüte möglich.

25-28: 25 als hier relativ; reht' als, ganz in derselben Weise wie. dinc stn. öfters durch das Synonym: Sache zu übertragen. unruoch stm., Vernachlässigung (wie 4002), dann Gleichgültigkeit. ze unruoche gân, zur Bedeutungslosigkeit gelangen, vergessen werden. 26 niene doppelte Negation (ob aus niht und ne oder aus nie und ne noch fraglich), entspricht ziemlich unserm nicht localen: nirgends. 27 als also, ganz so, ebenso. lieben swv. intrans. (ahd. liobém), belieben, behagen, gefallen; vgl. das andere lieben in V. 174. irre (hier wohl adverbial) gân eines dinges, eines Dinges verlustig gehen, es (wie durch irre gehen) verfehlen, verlieren.

пи

29-32: 29 pflegen trans.; 32 pflegen in Zusammensetzung und intrans. 29 ir ist vil s. zu V. 9, nhd.: ihrer sind viel oder viele. adv., nun, jetzt, in unsern Tagen. pflegen stv. mit gen., etwas betreiben, darauf aus sein. 30. 31 wegen stv. abwägen. Gemeint sind die absprechenden und unterschätzenden, auf der andern Seite die allzu milden und überschätzenden Beurtheiler. 32 pflegen intrans. hier in etwas speciellerer Bedeutung als in V. 29: pflegen, Fürsorge haben. — widerpflegen, das Gegentheil von pflegen, entgegenwirken. Solche ungerechte und unzuverlässige Beurtheiler meinen es nicht wohl mit der Kunst, sie verderben sie. «Der treibt's nicht wohl, der hintertreibt.» Hermann Kurtz.

Chunst unde nâhe sehender sin,
iu schinen under in,

swie wol diu

geherbérget danne nît zuo z'in,
er leschet kúnst únde sin.

Hei, tugent, wie smal sint dîne stege,
wie kumberlich sint dîne wege!
die dîne stege, die dîne wege,
wol ime, der si wege und stege!

(3) Trîb' ich die zît vergebene hin,

sô zîtec ich ze lebene bin,

sone váre ich in der werlt sus hin
niht so gewerldet, alse ich bin.

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33-36: 33 sin nom.; 36 sin acc. 34 in dat. pl. reflexiv: sich.; 35 in demonstrativ. 33 chunst kunst stf., Können und Wissen, entspricht hier unserm: Kunst im Sinne von: Kunstübung. nâhe adv., in der Nähe, genau. nâhe sehender sin, genau zusehender, aufmerksamer Sinn, strenge Kritik; vgl. nâhe merkende spehe 6510.34 swie (so wie), adv. correl., wie auch. schinen conj. praes. von schinen stv., scheinen, sich zeigen. under in, untereinander. Kunst und Kritik vertragen sich wohl miteinander. 35 herbergen swv., Wohnung nehmen, sich gesellen. ge- ist hier wie so oft in Gottfried's Sprache Verstärkung des einfachen Zeitworts, hier mit der bestimmten Function von: mit (vgl. cum, con-), zusammen, doch kann auch ge- die Function des Perfects oder besser des Aorists haben: hat sich gesellt; s. zu 145. danne adv., dann, alsdann, aber dann; im Reime (manne) 11618. nit stm., Verkleinerungssucht, kritische Schelsucht; oder sollte an den Brotneid zu denken sein? zuo z' (in), verstärkte Praeposition. 36 leschen swv., löschen, vertilgen, zerstören. kunst hier im andern Sinne als V. 33, nämlich: Verständniss. sin stm., ein Lieblingswort Gottfried's; sin, wie unser: Sinn vieldeutig, ist öfters durch Synonymen wie Verstand, Inhalt u. dgl. zu geben. sin hier die Fähigkeit der Beurtheilung. Wird die Kritik persönlich, dann ist sie keine Kritik mehr.

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37-40: 37 stege pl. von stec, Steg, wenn nicht im Gegensatz zu stege in V. 39 zugleich ein Wortspiel gesucht ist: stege pl. von stege stf. (sonst auch swf.), Stiege, Treppe, steile Bahn; 40 stege conj. praes. von stegen swv., einen Steg bereiten, dann bildl.: erstreben. 38. 39 wege pl. von

wec; wege in V. 38 vielleicht auch zugleich pl. von wege stf., Bahn (allerdings seltenes Wort); 40 wege conj. praes. von wegen swv., einen Weg bereiten, zugleich ist wege Conj. von wegen wie V. 30. 31, abwägen, schätzen. Nicht éine Bedeutung ist in diesen Fällen anzunehmen, sondern die Worte haben bei unserm Dichter wirklich den Doppelsinn; es sind eben Wortspiele, die wir leider nicht nachahmen können. 37 hei interj. hat nicht immer die Bedeutung des fröhlichen Aufjauchzens, sondern auch die der Klage=ach. tugent stf., vieldeutiges Wort, Tüchtigkeit, Vollkommenheit. Eine Reminiscenz an Matth. 7, 14 ist hier wohl anzunehmen. 38 kumberlich adj. (kümmerlich), kummervoll, beschwerlich. Zur Vollkommenheit, zur Größe zu gelangen, ist schwer und nur wenigen vergönnt. -39 die dîne: im Mhd. vor dem Possessivpron. auch der Artikel. Glücklich der, welcher zu den Auserkorenen, allgemein Anerkannten gehört.

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41-44: 41 hin gehört zu tribe: hintreiben, hinleben, verbringen; 43 hin nicht zu váre zu ziehen (hinfahren, hinleben), sondern ist mit sus (synonym von số, vgl. 670) éin Begriff; sus hin fernerhin, sodann, wie in V. 4393. 6303. 41 Dieser Vers benutzt als Anfang des Schwanks vom Häslein, Hagen's Gesammtabenteuer Nr. XXI. - zît in der Regel wie nhd. stf.; vgl. zu 18892. vergebene adv. hat wie das nhd.: umsonst die dop

Ich hân mir eine unmüezekeit
der werlt ze liebe vür geleit
und edelen herzen z'einer hage,
den herzen, den ich herze trage,
der werlde, in die mîn herze siht.
ich meine ir aller werlde niht
als die, von der ich hœre sagen,
diu dehéine swære müge getragen
und niwan in fröuden welle sweben:
die lâze ouch got mit fröuden leben!

Dèr werde und diseme lebene
enkumt mîn rede niht ebene:
ir leben und mînez zweient sich.
ein ander werlt die meine ich,
diu sament in einem herzen treit
ir süeze sûr, ir liebez leit,
ir herzeliep, ir senede nôt,

ir liebez leben, ir leiden tôt,

ir lieben tôt, ir leidez leben:
dèm lebene sî mîn leben ergeben,

dèr werde wil ich gewerldet wesen,

mit ir verderben oder genesen.

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pelte Bedeutung frustra (nhd. vergebens) und gratis; hier frustra, ohne etwas zu schaffen; vgl. zu 12398. 42 zîtec adj., zeitig, reif. so relat., wie sehr. - 43 sone so-ne enclit. Negation. varen stv., gehen, leben. -43 gewerldet, eine Gottfriedische Bildung wie noch in V. 65, ähnlich wie: geschult; etwa: welterfüllt.

45 unmüezekeit stf., Unmuße, Arbeit, Aufgabe. 46 vür legen, vorsetzen, auferlegen. 47 hage stf., Behagen, Freude. 48 herze tragen mit dat., einem Herz, Neigung entgegentragen, für einen Neigung hegen, ebenso muot tr. 3404; vgl. zu 773. 50 ihrer aller Welt, die allgemeine Welt meine ich nicht; werde ist wohl nicht der werlde gen. sing. abh. von niht (alsdann nichts), sondern entweder die werlde plur. acc., wie werlt öfter gebraucht wird, oder die werlde sing. acc., Nebenform von werlt: s. zu 10868. 51 als also, wie zum Beispiel. die ich nur von Hörensagen, nicht aus eigener Erfahrung kenne. 52 dehein, daneben einsilbig kein, adj. pron. lat. ullus, irgendein oder kein; hier: kein. swære stf., Beschwerde, Kummer. getragen stv., verstärktes tragen, er54 schalkhafte Bemerkung: diese Leichtlebigen und Vergnügungssüchtigen sind zwar nicht nach meinem Geschmacke, aber meinethalben: möge es ihnen nur immer gut gehen.

tragen.

56 rede stf. ist hier wohl noch nicht bestimmt die dichterische Rede, die Erzählung, sondern im Allgemeinen die Sache, die in Rede steht, das Vorhaben. ebene adv., bequem, passend, gelegen. 57 zweien Swv., trennen [noch in: entzweien]. 59 sament (Nebenform samet s. zu 3170) adv., zusammen. — 60 derselbe Vers in Rudolf's von Ems Barlaam V. 5156 (130,16). süeze süezez. - sûr adj. subst. stn., das Saure, Bittere. 61 herzeliep stn., Herzensfreude, wie in V. 185. 232 dem herzeleit entgegengesetzt. senede part. senende; s. nôt, Sehnsucht, Liebesnoth. 65 gewerldet muß hier den Begriff haben: der Welt zugesellt, darum dabei der Dativ. wesen stv., sein. -66 genesen stv., am Leben bleiben.

-

-

derben oder genesen unserm: leben oder sterben.

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ver

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