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Vorwort.

Nach einer leider nur zu langen Unterbrechung erscheint hiemit des zweiten Theiles erste Hälfte, welche die Geschichte der Lehre von der Person Chrifti v. 3. 381 bis zur Reformation fortführt, also einen Zeitraum von mehr als tausend Jahren umfaßt. Der Schluß des Buches soll, so Gott will, binnen Jahresfrist in den Händen der Leser · sein. Haben sich mir gleich auch bei diesem Theil der Geschichte die Grundgedanken meiner früheren Auffassung bei fortgesetter Forschung bestätigt, so ist doch im Einzelnen so Vieles verbessert und ergänzt, daß das Werk ein neues ist. Die Methode anlangend, so suchte ich auch hier die Christologie der einzelnen Hauptlehrer im Zusammenhange ihres ganzen Denksystems zu präcis geschichtlicher Anschauung zu bringen, die christologischen Richtungen aber sich aus dem Ganzen der dogmen= geschichtlichen Bewegung so hervorheben zu lassen, daß deutlich würde, wie jede Zeit in ihrer Christologie sich spiegele und umgekehrt, damit der christologische Theil der Dogmengeschichte und das Ganze sich gegen= seitig erhellen.

Unter den manchen Arbeitern auf diesem Gebiete, denen ich zu Dank verpflichtet bin, muß ich in besondern Ehren des ausgezeichneten Forschers Heinr. Ritters und seiner Geschichte der christlichen Philosophie gedenken, eines Werkes, das sich auch um die Theologie wesent= liche Verdienste erworben hat. Obwohl es nach seinem Plan die Chritologie unmittelbar nicht behandelt, so ist doch besonders seine Darstellung der natürlichen Theologie der Scholastik für mich fruchtbar und anregend gewesen.

Auf fast allen ökumenischen Concilien bis ans Ende des siebenten Jahrhunderts steht die Christologie im Vordergrund. Die Gestalt, die

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sie damals annahm, ist bis zur Reformation die herrschende gewesen. Die Genesis dieser Gestalt (der die Christologie der vier ersten Jahrhunderte theilweise überlegen ist) ihre vollständige Durchführung und Selbstentfaltung, sowie die Selbstkritik die in ihrer Geschichte bis zum sechzehnten Jahrhundert ligt, bildet den Inhalt dieser Abtheilung. Wenn dem reformatorischen Fortschritte, welcher den Dualismus der Naturen in Christus bestreitet und der durch den Unterschied vermittelten Einheit der wirklich gottmenschlichen Person sich kräftig zuwendet, die Jesuiten sich sofort entgegengesezt haben, so bekundeten sie damit ein von ihrem Standpunkt aus richtiges Vorgefühl großer Gefahren für ihre gesammte Weltanschauung. Nicht minder aber beweisen auch die jest in der römischen Kirche neu entbrannten christologischen Kämpfe, daß eine Theologie welche die Gottesthat der Reformation umgeht, wenn sie nicht eine schlafende sein will, nur hinter der Reformation stehen bleiben kann und sich in die mittelalterlichen Gegensäge nach jedem Beschwichtigungsversuche wieder auflösen muß.

Daß auch die alte lutherische Christologie noch nicht vollkommen ist und einer verbessernden Fortbildung bedarf, läugnet kein Urtheilsfähiger. Aber auch die Ueberzeugung wird immer mehr die Arbeiter auf diesem Gebiete leiten müssen, daß durch Palliative und Stüzen von aussen her nichts Lebenskräftiges, der christlichen Kirche Würdiges geschafft wird, sondern daß es darauf ankömmt, den Bildungstrieb der Reformation, der sich im sechzehnten Jahrhundert nur mit dem kleineren Theil seiner Kraft der Behandlung der Christologie zu= wandte, mit seiner nicht rastenden schöpferischen Kraft auf unser Dogma einwirken zu lassen. Der Mittelpunkt um den die Kämpfe der Gegenwart sich bewegen, ist wieder Er selbst, der in der ewigen Glorie des Sieges über ihnen steht, aber auch, seiner evangelischen Kirche stets nahe mit seinem Geiste, ihr gelingen lassen wird, was er ihr auftrug: seine gottmenschliche Persönlichkeit in verjüngter Kraft, Reinheit und Klarheit dem Geist und Gemüthe der Christenheit nahe zu bringen.

Göttingen, den 29. September 1853.

Dr. Dorner.

Die zweite Periode

von 381 bis um 1800

schreitet zwar rüstig zu der Arbeit, die beiden Seiten der Person Christi, welche die bisherige firchliche Entwicklung möglichst vollständig gesezt hatte, nun auch in eine lebendige Einheit zusammen zu schauen. Aber das konnte offenbar nur unvollkommen gelingen, so lange das Wesen der göttlichen und der menschlichen Natur in ihrem Verhältniß zu einander nicht bestimmt oder gar unrichtig gedacht war; so daß mithin als die nächste Aufgabe auch für die Christologie die Erkenntniß des Wesens Gottes und des Menschen zu bezeichnen ist, zu der auch wirklich die Kirche in unserer Periode hingedrängt wurde.

Vom Ziele aus angesehen steht also das christologische Dogma auf eine Zeit lang nicht mehr in erster, sondern zweiter Reihe; sein Fortschritt ist abhängig von andern Dogmen, auf welche zwar der bisherige gesicherte Ertrag der Christologie nie aufhört befruchtend einzuwirken, welche aber vor Allem selbst zu bestimmterer Gestalt gediehen sein müssen, bevor sie im Stande sind, erwiedernd deren Fortschritte zu dienen. Damit ist zugleich gesagt, daß die kirchlichen Bestimmungen in christologischer Hinsicht, welche gleichwohl sich immerfort mehren, insofern doch nur einen provisorischen Charakter haben können, als es von dem Resultate des dogmenbildenden Processes, zu welchem sich nun die Kirche zu wenden hat, abhangen muß, inwieweit jene frühern schon in die Anfänge jenes Processes fallenden Festsegungen nicht blos die negative Bedeutung der Ausscheidung von Unwahrem behalten

Dorner, Christologie. II. 2te Aufl.

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sollen, sondern auch als treue und genügende Bekenntnisse der Wahrheit gelten können, die der Glaube an den Gottmenschen in sich schließt.

Mit dieser gleichsam zuwartenden Stellung, in welche hienach auf längere Zeit unser Dogma einzutreten hat, scheint nun freilich im Widerspruch, daß eine so rastlose Thätigkeit für dasselbe sich immer neu entzündet, daß bis ins siebente Jahrhundert herab die größesten schismatischen und politischen Bewegungen sich an dieses Dogma anschließen, und die Conciliengeschichte bis 681 sich fast allein um dasselbe bewegt. Allein hätte auch der dogmatische Proceß in diesen Jahrhunderten einen reineren Verlauf gehabt, als er hatte, so darf doch nicht übersehen werden, daß in diesen Jahrhunderten noch die griechische Kirche es ist, welche die dogmatische Initiative übt, wenn auch nicht die Entscheidung gibt, während im Abendland doch frühe Anderes sich ankündigt. Die griechische Kirche fällt aber vornemlich auch deßhalb in solche Convulsionen und Kämpfe, von denen das Abendland ziemlich frei blieb, weil sie in der Christologie gleichsam ihre ganze Dogmatik hat und nach ihrer bis jezt bewahrten Art die andern Dogmen, die Anthropologie, die Gotteslehre und die Lehre von der Erlösung nicht zu selbständiger Entfaltung will gelangen lassen, sondern den Gang des Abendlandes fast nur in Form christologischer Forschungen über göttliche und menschliche Natur selbständig zu begleiten weiß, dieses aber auch mit allen Kräften zu thun sucht.

Steht uns nun aber fest, daß vor jedem wesentlichen christologischen Fortschritt der Kirche eine tiefere Erkenntniß vom Wesen Gottes und des Menschen gegeben sein mußte, so fragt sich: welches von diesen beiden war das Erste, das an die Neihe kam? Eine Zeit lang gewann es den Anschein, als ob der dogmabildende Trieb sich von der Christologie und Trinitätslehre hinweg zunächst der Anthropologie zuwenden wollte, und zwar gleichzeitig im Morgenland in der antiochenischen Schule, im Abendland in Augustin und Pelagius. Aber im Orient, der so lange Leben in ihm war, lieber trinitarisch und christologisch speculirte, wollte sich der Gegensag gegen die antiochenische Anthropologie nicht einfinden, der trog der vielen trefflichen Gedanken dieser

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