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meine Satz nur Abstraktion ist aus den Vorgängen der Wirklichkeit, also von praktischer Bedeutung, und jene einzelnen Fälle schon in sich schliefst. Allerdings bringt Lessing weiterhin als Beispiel aus Aristoteles (Rhet. II, 20) die Fabel des Stesichoros vom Pferde, welches dem Menschen das Aufsitzen und den Gebrauch des Zaumes gestattete, um sich an dem Hirsch rächen zu können, bei der die „Anwendung" in müfsiger Wiederholung nicht besteht. Diese Fabel (einfach" bei Phaedrus IV, 4, mit der Lehre: impune potius laedi, quam dedi alteri") soll zur zusammengesetzten und dadurch zur Allegorie werden, dafs Stesichoros weiter den Himeräern sagte: οὕτω δὲ καὶ ὑμεῖς ὁρᾶτε μὴ βουλόμενοι τοὺς πολεμίους τιμωρήσασθαι ταὐτὸ πάθητε τῷ ἵππῳ· τὸν μὲν γὰρ zahirov Exete non cet. Aber solche Anwendung" ist ganz anderer Art, als die von der Löwin auf den Verfasser der Athalie; sie ist nicht an Stelle der Lehre erfunden, ist überhaupt nicht aus der Fabel hergeleitet, sondern umgekehrt: die Fabel ist für diese Gelegenheit erfunden, und sie bildet also mit der Anwendung auf diese keine zusammengesetzte Fabel", sondern sie ist Fabel im Dienste der Rede, und allerdings ist bei der Fabel als Redefigur das Allegorische besonders deutlich, weil es seine Bedeutung im Zusammenhang der Rede neben sich findet. Nun erzählt Horaz (ep. 1, 10, 34) dieselbe Fabel:

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Cervus equum pugna melior communibus herbis
Pellebat, donec minor in certamine longo
Imploravit opes hominis frenumque recepit;
Sed postquam victor violens discessit ab hoste,
Non equitem dorso, non frenum depulit ore
fährt dann mit der allgemeinen Nutzanwendung fort:
Sic, qui pauperiem veritus potiore metallis
Libertate caret, dominum vehet improbus atque
Serviet aeternum, quia parvo nesciet uti

und da sollte dasselbe Sprachbild sein Wesen ändern, aufhören allegorisch zu sein? Mit Recht verwarf Herder („Über Bild, Dichtung und Fabel") die Unterscheidung von einfachen und zusammengesetzten Fabeln: „Mufs, wenn die Fabel von mir gefafst werden soll, ich mir bei dem abstrakten Satz derselben nicht sogleich einen bestimmten Fall denken, in welchem er mir wieder erscheine?" „Es giebt also eigentlich keine einfache Fabel; jede ist zusammengesetzt aus dem wirklichen Fall, auf welchen sie angewandt werden soll, und aus dem erdichteten, den eben für ihn der Fabellehrer aussann.“

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Wir können sagen, dafs Lessings Auffassung im übrigen mit der unsrigen wesentlich übereinstimmt. Zwar scheint es nicht so. Richer hatte die Fabel als „,image" bezeichnet, Lessing bestreitet (l. c. p. 413 f.), dafs die Fabel Bild" sei, denn ein Bild zeige nur Einen Moment eines Vorgangs, könne also die Handlung“ der Fabel nicht darstellen; es sei eine untrügliche Probe, dafs eine Fabel schlecht sei, dafs sie den Namen der Fabel gar nicht verdient, wenn ihre vermeinte Handlung sich ganz malen läfst.“ Lessing dachte an ein Bild der Malerei; dafs die Phantasie ein Bild, z. B. eine Metapher, durch Verwendung der Sprachmittel auch entfaltet, ihm, z. B. im Gleichnis, auch Bewegung verleihe oder verleihen könne, würde er nicht bestritten haben. Sieht man genauer hin, so erkennt man, dafs Lessings Verwerfung des Bildes" und Hervorhebung der Handlung" nichts weiter bedeutet, als was wir zusammen das entfaltete Bild genannt haben. Dafs er erstlich in der Fabel das Bild wohl erkennt, sieht man (p. 417), er sagt, deren Lehre sei in ihr weder caché" enthalten noch „deguisé“ („eingekleidet" schon eher), sondern: „der anschauenden Erkenntnis fähig", sie zeige also (p. 418) „eine Folge von Veränderungen, die einen einzigen anschauenden Begriff erwecken." Und wenn er „die Folge von Veränderungen" als Handlung bezeichnet, so meint er doch eine solche, welche eben nicht mehr Handlung ist, sondern Entfaltung. Es ist interessant, zu sehen, wie Lessing diesen Begriff immer schärfer bestimmt, bis er ihn aufhebt. Zuerst (p. 413) fordert er für die Fabel kurzweg „Handlung"; dann aber bestreitet er (p. 418) dem Batteux, dafs zu dieser Handlung auch Wahl und Absicht" gehöre; er unterscheidet sie weiter (p. 421) von der Handlung in der Dichtung, als welche in sich selbst Absichten darlege und durchführe, während die Handlung der Fabel nur die Eine Absicht des Fabulisten erfüllt, uns von einer einzelnen moralischen Wahrheit lebendig zu überzeugen“; und endlich (p. 423) überlegt er, dafs nach dem Sprachgebrauch eine solche Handlung, wie er sie der Fabel zuschreibe, so nicht genannt werde, und so entsagt er dem Worte und findet kein anderes dafür, denn wenn er nun sagt: „der allgemeine Satz wird durch die Fabel auf einen einzelnen Fall zurückgeführt", so sehen wir nicht mehr, wie und wo der Begriff der Fabel-Handlung untergebracht ist. Der Grund hiervon ist klar. Lessing wollte vornehmlich betonen, dafs die Fabel im Gegensatz zur Parabel (p. 424 f.) - ihren Vorgang der Wirklichkeit entnehme, damit sie anschaulich sei; er sah

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nicht, dafs die Kunst, mit der unmittelbaren Wirklichkeit nichts zu thun hat, ihm fehlte hier der Begriff der durch die Phantasie vermittelten Anschauung, eben des Bildes, und indem sich so dem scharfen Denker die Handlung der Fabel in eine blofse Scheinhandlung verflüchtigt, bezeugt er damit, dafs die Figuren der Fabel sich nur innerhalb der Grenzen unseres Bildes bewegen, es ausmalen zu farbiger Darstellung unseres „Satzes".

Es fragt sich weiter, welcher Art die Vorgänge der Wirklichkeit sind, die den Stoff der Fabelbilder geben. Lessing sagt richtig, dafs es Einzelvorgänge sein müssen, da sie nur einen einzigen anschauenden Begriff erwecken", nur Einen Satz in einem Beispiel zur Anschauung bringen wollen. Wo aber werden sie gefunden? Fröhlich („Fabeln von A. E. Fröhlich, Aarau 1829) läfst die Fabel" sprechen:

„Sonne, Monde, Wolken, Lüfte,
Frühlingshügel, Todesgrüfte,

Wald und Strom und Blum' und Düfte
Und der Tiere bunte Scharen:

Alles hör' ich offenbaren,

Und Uraltes neu erwahren.
Und was noch so golden gleifset,
In den Gassen Göttlich!" heifset,
Alles mächtig mit sich reifset:
Derlei vieles hör' ich richten
Und verspotten und zernichten
Ernst und leicht in Tiergeschichten.
Was ich also mir erschauet,
Meinem Freunde sei's vertrauet,
Der sich mit mir auferbauet:
Einsam durch die Au'n zu gehen,

Ihre Bilder zu verstehen,

Und sich selber drin zu sehen.“

Hält man fest, dafs in der Fabel das blofse Bild eines Vorgangs die Kraft des Beispiels üben soll, den Wert eines allgemein Giltigen behaupten, so ist klar, dafs sie ein blofs Zufälliges, ein nur Mögliches nicht darstellen darf, sondern dafs sie geben muls ein Wesentliches, Unumstöfsliches, also das wahrhaft Wirkliche. Die Fabel sagt: Seht, so geht es zu in der Welt! Seht, so mufs man es machen in der Welt! Und dagegen giebt es keinen Widerspruch, denn was die Fabel behauptet, ist seinem Wesen nach

wirklich, was ihr entgegengesetzt werden kann, ist deshalb nur möglich. Die Fabel (Phaedr. I, 15) zeigt, dafs ein armer Esel seinen Saumsattel schleppen mufs, auch wenn er den Herrn wechselt; oder sie warnt (Phaedr. I, 8): Zieh keinem Wolf den Knochen aus dem Schlunde! Giebt es aber nicht auch Herren, deren Sorge es ist, selbst ihren ärmsten Untergebenen Lasten abzunehmen? Kann denn nicht auch ein Böser sich dankbar beweisen? Gewils, so kann es sein; die Regel aber ist es nicht. Man sieht, welche Vorgänge die Fabel für ihre Bilder nicht brauchen kann. Diejenigen nicht, deren Verlauf bestimmt wird durch Wesen, welche dem Walten ihrer Natur die Willkür eines Ich, die Freiheit eigener Entschliefsung entgegensetzen können oder zu können scheinen, die also im eigentlichen Sinne des Wortes Handlung in den Vorgang bringen würden. Der Mensch gehört nicht in die Fabel, denn ihn charakterisiert das Vermögen verschiedener, ja entgegengesetzter Entschliefsungen; nie hört der Wolf auf, Wolf zu sein; ein böser Mensch kann sich ändern, ja es giebt keinen nur bösen Menschen; der Mensch erschafft sich selbst seine Wirklichkeit, ist nur, wie er ist, so lange er will. Wenn also die Fabel dennoch zuweilen Figuren von Menschen in ihr Bild hineinzieht, so sind diese dann durch irgend eine Bestimmtheit ihrer äufseren oder inneren Natur oder der Kultur ihrer Freiheit beraubt und kommen bei dem Fabelvorgang nur nach Malsgabe dieses ihnen aufgedrückten Gepräges in Betracht. Das Gleiche gilt von den göttlichen Wesen, welche mitunter in Fabeln die Rolle personifizierter Begriffe übernehmen. So zeigen uns z. B. die äsopischen Fabeln und Phädrus an Figuren den Greis, den Knaben, das Weib, einen Mohren, Kahlkopf, einen Kranken, Frevler, Geizhals, einen Reichen, Armen, einen Landmann, Hirten, Jäger, Arzt, Koch, Trompeter, Reisenden, Herren, eine Magd, einen Fischer, Vogelsteller, Wahrsager, den Tod, Jupiter, Juno, Herkules, Hermes, einen Satyr, das Schicksal u. s. w., wobei zu bemerken ist, dafs unter dem Namen der Fabel nicht selten Sprachbilder befaist werden, welche genauer als Parabeln oder Allegorieen zu bezeichnen sind. Stehen nun im übrigen die Einzelgestalten der Schöpfung, die leblosen wie die lebenden, der Fabel als Stoff für ihre Vorgänge zur Verfügung, so ist weiter nötig, dafs diese Figuren der Wirklichkeit sich über ihre Formierung zu Figuren eines Bildes ausweisen; die Vorgänge müssen sich aussprechen über ihre sonst unverständliche Verwandlung in menschliche Vorstellungen, und notwendig also reden die Gestalten der Fabel und

Gerber, die Sprache als Kunst. II. Band. 2. Aufl.

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lassen damit dem Hörer keinen Zweifel, dafs er es nur mit einem Bilde zu thun hat. Hören wir z. B. an zwei Fabeln von Fröhlich, wie Strafse; Flufs; Bäume" sich aussprechen: „Die Reisenden": „Gradaus, gradaus immerfort! Ruft dem Flufs die Strafse zu; Schnell geht's so durch tausend Ort' Und zum Ziel fast wie im Nu!" "Langsam nur, und quer und rund, Wandl' ich, ist des Flusses Wort; Kurz ist meine Lebensstund, Und ich möcht' die Welt beschau'n. Staub erjagst im Staub du dir; Mich begrüssen frisch die Au'n, und der Himmel zieht mit mir."" „Ellengröfse": Die Pappel spricht zum Bäumchen: „Was machst du dich so breit mit den geringen Pfläumchen?" Es sagt: „Ich bin erfreut, Dafs ich nicht blofs ein Holz, Nicht eine leere Stange!" ,,Was! ruft die Pappel stolz, Ich bin zwar eine Stange, doch eine lange, lange!" - Besonders geeignet für die Fabel sind die Figuren der Tiere. Bedingt durch die Unveränderlichkeit seiner Natur stellt jedes ihrer Exemplare auch seine Gattung dar und ist so

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fflich als Beispiel zu verwenden; andrerseits bieten die Tiere in ihrem Seelenleben, ihrer Lust und Unlust, ihrem Thun und Treiben, überall, in Scherz und Ernst, die Analoga für menschliche Zustände, so dafs sie als Bilder nur angenommen zu werden brauchen. *)

Wenn freilich übersehen wurde, dafs die Fabel Bild ist, so mufste wohl das Sprechen der Tiere, als der Wirklichkeit nicht

*) In Bezug auf die Unveränderlichkeit der Tiernatur sagt Philemon (Fr. inc. III p. 392 Com. gr. IV. ed. Mein.):

τί ποτε Προμηθεύς, ὃν λέγουσ ̓ ἡμᾶς πλάσαι

καὶ τἄλλα πάντα ζῷα, τοῖς μὲν θηρίοις
ἔδωχ ̓ ἑκάστῳ κατὰ γένος μίαν φύσιν;
ἅπαντες οἱ λέοντες εἰσιν ἄλκιμοι,
δειλοὶ πάλιν ἑξῆς πάντες εἰσὶν οἱ λαγοί.
οὐκ ἔστ ̓ ἀλώπηξ ἡ μὲν εἴρων τῇ φύσει
ἡ δ ̓ αὐθέκαστος, ἀλλ ̓ ἐὰν τρισμυρίας
αλώπεκάς τις συναγάγη, μίαν φύσιν
ἀπαξαπασῶν ὄψεται τρόπον θ ̓ ἕνα,

ἡμῶν δ ̓ ὅσα καὶ τὰ σώματ ̓ ἐστὶ τὸν ἀριθμὸν
καθ ̓ ἑνός, τοσούτους ἐστὶ καὶ τρόπους ἰδεῖν.

In Bezug auf die Analogie der Tiere zu den Menschen sagt Herder (Bild, Dicht. u. Fabel): „Die Ähnlichkeit (der Tiere mit den Menschen), dies durchgängige analogon rationis humanae drängte sich dem Menschen auf, und so war die fabelnde Dichtung dem anschauenden Naturweisen von der Natur selbst vorgezeichnet." „Diese Wahrheit der Analogie, mit der ihr beiwohnenden Lebhaftigkeit und Klarheit, war die Ursache der Fabel."

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