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anderweit vorzutragen und daß daher diejenigen Stellen dieser drei Titel, welche dergleichen Abweichungen enthalten, vor der Hand noch nicht sollen zur Anwendung gebracht werden.

Es ist dann aber weiter bestimmt:

Wir verstehen hierunter jedoch nur solche Vorschriften des Allgemeinen Landrechtes, welche das gerade Gegentheil eines klaren und unstreitig recipirt gewesenen Römischen oder anderen fremden Gesezes enthalten; keinesweges aber solche Stellen, welche bloß den bisher üblichen Meinungen einiger Rechtslehrer widersprechen, oder einer gewissen Erklärungsart dieses oder jenes Römischen oder anderen fremden Gefeßes den Vorzug beilegen, oder gar nur bisher schon zweifelhaft gewesene Rechtsfragen bestimmen; allermaßen Wir ausdrücklich wollen, daß Vorschriften dieser letteren Art sogleich nach dem 1. Juni 1794. in die volle geseßliche Kraft eintreten follen.

Es kommt nach dieser Vorschrift des unstreitig für die Kurmark gültigen Publications-Patentes wesentlich nur darauf an, ob die Bestimmung im §. 15. Thl. II. Tit. 3. des A. L.-R.:

Auch Geschwister ersten Grades müssen ihren Geschwistern, die sich selbst zu ernähren ganz unfähig sind, den nothdürftigen Unterhalt reichen;

das gerade Gegentheil eines klaren, in der Kurmark unstreitig recipirt gewesenen Römischen oder anderen fremden Gesezes enthält? Implorant findet einen solchen Gegensaß in sofern, als nach dem Römischen und gemeinen Rechte, welches zur Zeit der Emanation des Allgemeinen Landrechtes in dieser Provinz Geltung hatte, keine Verpflichtung der Geschwister eristirt haben soll, sich gegenseitig zu unterstüßen.

Es könnte hiernach schon in Frage kommen, ob jener §. 15. zu den suspendirten Vorschriften zu rechnen sein möchte, weil sich daraus, daß das vor Emanation des Allgemeinen Landrechtes bisher bestandene Recht eine derartige Vorschrift über die Alimentationspflicht der Geschwister gar nicht enthalten hat, immer noch nicht sagen läßt, daß der §. 15. das gerade Gegentheil eines klaren Gesezes vorschreibt; er bestimmt nur etwas Neues, was bis dahin unbestimmt gewesen. Es ergeben aber auch gerade die vom Imploranten allegirten Rechtslehrer, daß nach Römischem Rechte die Frage, ob Geschwister sich gegenseitig zu unterstüßen verpflichtet. find, keinesweges so ganz klar und völlig unbestritten gewesen ist, wie die Bestimmung in dem Publications-Patente vorausseßt. Dr. Müller im Archiv für civilistische Praxis, Bd. 13. S. 234.; v. Holzschuher, Theorie und Casuistik des gemeinen Civilrechtes, Bd. 1. Abth. 2. Cap. 3. §. 9. Nr. 11. S. 571.; und v. Vangerow, Lehrbuch der Pandecten, Bd. 1. §. 260. Anmerk. 2. und außer diesen noch andere Schriftsteller erörtern jene Frage ausführlich und verneinen die Zwangspflicht der Geschwister, sich gegenseitig zu alimentiren; aus ihren Erörterungen geht aber auch gerade ganz unzweideutig hervor, daß jene Frage keinesweges unstreitig gewesen; dieselben richten sich mehr oder weniger wider die von Thibaut in seinen Versuchen Bd. 1. Abthl. 12. S. 233. aufgestellte entgegengeseßte Ansicht und insbesondere erklärt der vom Imploranten in Bezug genommene Profeffor v. Vangerow a. a. D. es für eine noch heute zum Theil bestrittene Frage. Im Uebrigen mag auf die umständlichere Ausführung in dem Erkenntnisse des Ober-Tribunals vom 10. November 1856. (Entscheid. Bd. 34. S. 254. ff.) verwiesen werden. Es ist dort die Frage über die Alimentationspflicht der Geschwister als controvers be

zeichnet, wenngleich schließlich auf Grund der Erörterungen neuerer Zeit als Resultat angenommen worden, daß es im gemeinen Rechte an einer haltbaren Rechtsnorm für jene Zwangspflicht der Geschwister fehle.

Auch die Gesetz- Revisoren erkennen im Pens. XV. zu §. 11. folg. Thl. II. Tit. 3. des A. L.-R. jene Frage als eine bei Emanation des Allgemeinen Landrechtes streitig gewesene an. Sie bemerken, daß die gemeinrechtlichen Juristen in Ermangelung ausdrücklicher Stellen des Römischen Rechtes darüber uneinig seien, ob die Alimentationspflicht auch unter Seitenverwandten stattfinde und bemerken dann weiter, daß bei der Redaction Monita hinsichtlich des Umfanges erhoben worden. In Uebereinstimmung hiermit sagt auch Scholz v. Hermensdorff in seinem Provinzialrechte der Kurmark: Stände behaupteten, daß sowohl im Römischen Rechte, als im Allgemeinen nach Märkischer Observanz, den Geschwistern keine Verpflichtung obliege, ihre verarmten Geschwister zu alimentiren. Indeß das Römische Recht hat diese Frage nicht ganz ausdrücklich entschieden und dieselbe ist daher unter den Rechtslehrern sehr streitig. - Glück, Erläuterung der Pandecten Bd. 28. S. 236. bis 251.

Es muß deshalb, in Ermangelung provinzieller Bestimmungen, die Vorschrift des Allgemeinen Landrechtes um so mehr eintreten, als viele der berühmtesten Rechtslehrer älterer und neuerer Zeit der Meinung sind, daß den Geschwistern diese Verpflichtung zur Alimentation allerdings obliegt.

Hiermit steht auch die vorhin erwähnte Entscheidung des Ober-Tribunals vom 10. November 1856. nicht im Widerspruche. Es ist dort zwar angenommen, daß nach Römischem Rechte eine gegenseitige Alimentationspflicht der Geschwister, bei richtiger Auffassung, nicht anzuerkennen und

die Bestimmung im §. 15. Thl. II. Tit. 3. des A. L.-N. als eine abweichende Vorschrift zu den suspendirten zu rechnen sei; indeß betrifft diese Ausführung nur das Herzogthum Westphalen und für dieses enthält das Patent über Einführung des Allgemeinen Landrechtes daselbst eine wesentlich andere Bestimmung: Es heißt nämlich in dem Patente vom 21. Juni 1825. im §. 4. (G.-S. von 1825. S. 154.) — ganz allgemein:

Folgende Theile des Allgemeinen Landrechtes bleiben jedoch vor der Hand von der Anwendung ausgeschlossen:

3. Die vollständigen drei ersten Titel des zweiten Theiles: von der Ehe, von den wechselseitigen Rechten und Pflichten der Eltern und Kinder, von den Rechten und Pflichten der übrigen Mitglieder einer Familie, nebst allen darauf sich beziehenden späteren Vorschriften. In Absicht der vorstehend benannten Gegenstände bleiben die jezt bestehenden gemeinen Rechte und die darauf sich beziehenden Landes - Ordnungen noch vor der Hand gültig, bis neue geseßliche Bestimmungen ergangen sein werden.

Die wesentliche Verschiedenheit dieser Bestimmung von jener des Publications-Patentes vom 5. Februar 1794. leuchtet ein. Denn während hier die drei ersten Titel Thl. II. des A. L.-R. ganz allgemein und unbedingt suspendirt sind, und es überall nur auf die Vorschriften der gemeinen Rechte und eine Entscheidung der mancherlei Controversen ankommt, ist nach dem Publications-Patente immer noch zu untersuchen, ob die Vorschriften der beregten drei Titel das gerade Gegentheil eines klaren und unstreitig recipirt gewesenen Römischen Rechtes enthält; wo dieses anzunehmen ist, wird die Vermuthung entscheiden müssen, daß die Vorschrift des Allgemeinen Landrechtes nur etwas hat festseben

wollen, was bis dahin unentschieden oder streitig gewesen ist und es wird dann eine solche Vorschrift nicht zu den suspendirten gezählt werden können. Das findet nun, wie gezeigt, bezüglich des §. 15. 1. c. hier in der Kurmark statt. In dem Erkenntnisse vom 10. November 1856. ist, wie schon angedeutet, die Frage über die Alimentationspflicht der Geschwister, nach Römischem Rechte, als eine unter den Rechtslehrern streitige anerkannt und selbstständig, den begründeteren Ausführungen der neueren Rechtslehrer entsprechend, verneint. Ist somit die Zweifelhaftig keit der Frage nicht geleugnet, so steht jene Entscheidung auch der Annahme des Appellations-Richters nicht entgegen, daß in der Kurmark Brandenburg nach der Nr. VII. des PublicationsPatentes die Vorschrift des §. 15. Thl. II. Tit. 3. des A. L.-R. zu den suspendirten nicht zu rechnen ist, und damit erscheint denn auch der Vorwurf der Nichtigkeitsbeschwerde unbegründet.

No 32.

Rechtliche Natur eines Communalweges.

Gehört ein Communalweg, weil er zugleich ein öffentlicher Weg ist, zu dem Corporationsvermögen, so daß ein einzelnes Mitglied der Gemeinde im eigenen Interesse ein Recht an demselben im Wege des Processes nicht verfolgen kann?

A. L.-R. THI. II. Tit. 7. §. 37. Nr. 1.; Tit. 15. §. I. Thl. I.; Tit. 17. §§. 4. 50.; Thl. II. Tit. 6. §. 72.; Tit. 8. §§. 139. 140. 159.

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