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gabe beurteilt werden kann, bedarf keines Beweises. Für Eröffnungen von solcher Wichtigkeit ist die schriftliche Form die durch den diplomatischen Gebrauch konsekrierte. Die formelle und materielle Unzulänglichkeit der im Laufe des vorigen Jahres von Herrn Delcassé durch Eure Durchlaucht und durch Herrn Bihourd hierher übermittelten Andeutungen und Fingerzeige ist eine Tatsache, über die keiner der beiden Teile sich nachträglich hinwegsehen kann. Ob bei diesen Andeutungen ein Wink mehr oder weniger gegeben wurde, ist ein unerheblicher Umstand, der keine Remedur schafft für den von Grund aus unvollständigen Charakter des Ganzen. Die Veröffentlichung im „Journal officiel“ könne die direkte Mitteilung nicht ersehen, denn beide Arten der Bekanntgabe hätten einen grundverschiednen Charakter: die direkte Mitteilung ist nicht ein bloßer Akt der Höflichkeit, sondern die französische Regierung hätte sich zugleich den Adressaten gegenüber bereit erklärt, über deren Interessen, falls sie diese berührt glaubten, in Erörterungen einzutreten. Die Veröffentlichung im französischen Amtsblatte hingegen stellt die unbefragten Mitinteressenten einfach vor die vollendete Tatsache. Die Anerkennung des deutschen Standpunktes erfolgt durch Herrn Rouvier in dem Exposé vom 21. Juni, dem der Text des französisch-englischen Marokkoabkommens beigefügt ist.

Ueber das in Fez von Herrn René Taillandier, dem französischen Gesandten, entwickelte Reformprogramm bringen zwei Berichte aus Fez vom 7. März und 30. Mai reichhaltiges Material bei. In dem erstern meldet der Konsul Vassel über das der Notabelnversammlung vorgetragne französische Militärprogramm:

Die Gesamtstärke des Heeres habe der französische Gesandte nicht genau beziffert. Er fordre für jedes Bataillon 500 Mann marokkanischer Soldaten unter einem französischen Kommandeur und einem französischen Vizekommandeur, fünf französische Offiziere und zehn algerische Unteroffiziere. Das Bataillon solle in zwei Einheiten zerfallen. Er verlange für Tanger, Ujda, Ayun - Sidi - Melluk je drei Bataillone, für die Küstenstädte je zwei Bataillone und für Fez und Marrakesch eine „hinlängliche“ Anzahl. Ferner fordre er Artillerie mit einer großen Anzahl Instrukteure.

Zur finanziellen Lage habe der Gesandte ausgeführt: Marokko habe die Anleihe bis auf einen kleinen Rest aufgebraucht. Seine laufenden Einkünfte seien beschränkt auf vierzig Prozent Zolleinnahmen und die Mustafadat. Es werde nicht vermeiden können, eine neue Anleihe aufzunehmen.

Ferner schlage der Gesandte vor: Organisierung eines Zollkontrolldienstes in den Häfen und an der Küste, Verfolgung der Konterbande auch innerhalb des Zollgebiets.

Sodann habe der Gesandte gesagt, die Landungs- und Ladeverhältnisse der Häfen bedürften der Reform. Eine fremde Gesellschaft bearbeite das Pro

jekt, den Leichterdienst in eigne Hand zu nehmen, darauf solle der Mathzen nicht hineinfallen. Das Geschäft pflegten Regierungen selber in der Hand zu behalten. Nur müsse man dann Kais und Krane anlegen. Dafür verlange der Gesandte Konzessionen an Franzosen. Auch deutete er an, daß die Hafenkapitäne Fachleute, und zwar nur Franzosen sein dürften.

Nach einem Berichte des Grafen Tattenbach habe der französische Gesandte erklärt: Trete die Regierung nicht mit der Tat an eine Besserung der Zustände heran, und müsse er, der französische Gesandte, ohne Erfolg abreisen, so werde sich Frankreich gedrängt sehen, diese Reformen auf eigne Hand zu bewerkstelligen, und werde Dinge tun müssen, die ihm heute nicht lieb seien. Graf Tattenbach berichtet weiter: „Das Gewicht dieser Drohung ist verschärft durch den Hinweis darauf, daß die mit für Algerien unerträglichen Behelligungen verknüpften Kämpfe bei Ujda die Gefahr des Aufstandes von Fez zwar abgezogen hätten, der Aufstand aber bei gewaltsamem französischen Vorgehen wieder auf Fez zurückgeworfen werden würde. Von diesem Hintergrunde erscheint der Rat zu den Reformen tatsächlich als ein Zwang hierzu." Das Militärprogramm charakterisiert Graf Tattenbach nach Aufzählung verschiedner Details wie folgt: „Es sollen also nach den Vorschlägen des Gesandten sämtliche Bataillonschefs Franzosen, sämtliche Kompagniechefs und Unteroffiziere Algerier sein. Es liegt auf der Hand, daß in der vorgeschlagnen Organisation die Förderung rein französischer Interessen ihren unverblümten Ausdruck findet." Dasselbe gilt bezüglich der Gründung von Polizeitruppen in den Küstenstädteu. Darin sei der erste Ansaß zum contrôleur civil nach tunesischem Muster gegeben.

Aus einem Berichte vom 6. Juni geht hervor, daß der fran= zösische Gesandte die Reformvorschläge nur mündlich vorgetragen und wiederholte Bitten um schriftliche Einbringung abgelehnt hat. Am 28. Mai übersendet die marokkanische Regierung dem fran= zösischen Gesandten eine Note, die die französischen Vorschläge ablehnt und die Einladung zu einer Konferenz ankündigt. In den vorhergehenden Tagen wurden, wie der deutsche Gesandte am 27. Mai berichtet, französischerseits die stärksten Anstrengungen gemacht, um die Absendung der Note zu verhindern. Insbesondre hat Herr Saint René dem Sultan sagen lassen, Frankreich werde an einer Konferenz nicht teilnehmen; sollte es aber doch zu einer Konferenz kommen, so würden die an der Konferenz beteiligten Mächte jedenfalls Frankreich das Mandat erteilen, die französischen Reformpläne allein durchzuführen. Auf eine Frage des Sultans erklärte hierzu der deutsche Gesandte, Herr Saint René habe keinerlei Berechtigung, über die Haltung der andern Mächte auf einer künftigen Konferenz Erklärungen abzugeben. Insbesondre

fehle ihm diese Berechtigung bezüglich der Haltung der deutschen Regierung.

Nachdem sodann die marokkanische Regierung die Konferenz vorgeschlagen hat, ergeht am 5. Juni ein Runderlaß des Reichskanzlers, der für den Konferenzgedanken nachdrücklich eintritt. Der deutsche Rechtsstandpunkt wird wie folgt dargelegt: „Da die Reformen voraussichtlich nur unter Anlehnung an die Signatarmächte erfolgen können, so ist die Möglichkeit ihrer Durchführung beschränkt durch die Bestimmungen der Madrider Konvention, insbesondre durch den Artikel 17, wonach jeder Signatarmacht in Marokko das Recht auf Behandlung als meistbegünstigte Nation zusteht, und somit keiner Macht eine bevorzugte Behandlung eingeräumt werden darf. Das geplante Reformwerk würde daher nur mit Zustimmung aller Signatarmächte zustande kommen können. Aus diesen Erwägungen hat die Kaiserliche Regierung die Einladung Marokkos angenommen. Sollte die Konferenz an der Weigerung einzelner Signatarmächte scheitern, so würde die Folge sein, daß der bisherige Vertragszustand unverändert aufrecht erhalten bliebe. Hieran würde auch nichts geändert werden, wenn einige Signatarmächte erklären sollten, daß sie mit den für Marokko in Aussicht genommnen Maßregeln einverstanden seien, oder daß fie daran kein Interesse nähmen. Denn es würde nach den obigen Ausführungen der Widerspruch einer einzigen Signatarmacht ge= nügen, um der Einräumung irgend welcher Sonderrechte, die mit dem Meistbegünstigungsrechte der andern Mächte unvereinbar sind, den Rechtsboden zu entziehen." Nach weiterer Begründung des deutschen Standpunktes schließt der Erlaß: „Ein Gewährenlassen der französischen Aktion gegen Marokko hieße also nichts andres, als die den Signatarmächten durch die Madrider Konvention verbürgten Rechte preisgeben, während ein Einspruch gegen diese Aktion sich lediglich als eine Verteidigung des bestehenden Rechtszustandes darstellt."

II.

Konferenz in Algeciras.

17. Januar. Die infolge der deutsch-französischen Einigung vom 8. Juli und 28. September 1905 vom Sultan Mulay Abdul Afis von Marokko berufne internationale Konferenz tritt zusammen in der zur spanischen Provinz Sevilla gehörenden, gegenüber von Gibraltar liegenden kleinen Hafenstadt Algeciras (Al Gezira al Khadra oder das grüne Eiland), die ihren arabischen Namen von den Zeiten der maurischen Eroberung her trägt. Zweck der Kon

ferenz ist eine Beratung über die den Ausgleich von Interessen europäischer Mächte betreffende Frage über Verhältnisse Marokkos. Vertreten sind alle sechs europäischen Großmächte, Belgien, Niederlande, Portugal, Schweden, Spanien, Nordamerika, Marokko, also alle Mächte, die im Jahre 1880 an der internationalen Konferenz in Madrid teilgenommen haben. (Obige deutsch-französische Abreden fiehe in Bd. 2 von 1905, S. 98 u. 100.)

1.

Eröffnung.

Der zum Vorfizenden gewählte erste Vertreter Spaniens, der spanische Minister des Aeußern Herzog von Almodovar, hält folgende Ansprache:

Durch die Festsetzung des Programms, das unsern Beratungen als Grundlage dienen soll, haben die Mächte deutlich ihr Interesse daran gezeigt, daß Ordnung, Friede und Wohlfahrt in Marokko herrschen. Die Mächte stimmen ebenso in der Erkenntnis überein, daß dieses kostbare Ziel nur durch die Einführung von Reformen in Marokko erreicht werden kann, Reformen, die beruhen auf dem dreifachen Grundsaße der Souveränität des Sultans, der Integrität seiner Staaten und der Gleichheit der Behandlung in kommerzieller Beziehung, das heißt der „offnen Tür“. Als der Sultan und die Mächte das Programm annahmen, legten sie sich jedoch nicht die Aufgabe bei, einen vollständigen Plan für die Umwandlung der Verwaltung Marokkos vorzuzeichnen; es würde sich vielmehr darum handeln, gemeinsam die Mittel zur Anwendung der Maßregeln zu beraten, die sich schon jezt als die dringendsten und leichtesten erzeigen. Das Vertrauen, das wir alle zu dem zivilisatorischen Einfluß des Friedens und des Handels hegen, berechtigt uns zu der Hoffnung, daß diese Maßregeln noch wirksamer sein würden, wenn da, wo die Konferenz es für ausführbar hält, Polizeikorps organisiert sein werden. Wenn der Waffenschmuggel unterdrückt sein wird, wenn die Hilfsquellen für die öffentlichen Ausgaben und für die Ausrüstung der Häfen gesichert sein werden, wenn die Ruhe wiederhergestellt und wenn die wirtschaftlichen Geschäfte erleichtert sein werden, dann wird die bessere Würdigung der Wohltaten des Friedens und der Arbeit durch die marokkanische Bevölkerung es dem Sultan gestatten, seinem Reiche den Wünschen aller entsprechende Aussichten auf Wohlfahrt und Gedeihen zu eröffnen. Gegenseitige Achtung der gegenseitigen Intereffen und der aufrichtige Wunsch, die gegenseitigen Interessen

in Einklang zu bringen, müssen mit den Grundsäßen der Souveränität des Sultans und der Integrität seines Reichs unsre Richtschnur auf die Konferenz sein. Wenn solche Gesinnungen uns nicht durch unsre eigne Geistesrichtung und durch den Geist, der unsre Regierungen beseelt, eingeflößt wären, so würden sie uns schon diftiert durch die erwartungsvolle Haltung der ganzen Welt, die eintrachtsvolle Lösungen erwartet, die den immer mehr wachsenden Bestrebungen nach allgemeiner Festigkeit entsprechen.

Namens Frankreichs erklärt der Gesandte Reboil, namens des Deutschen Reichs erklärt der Gesandte von Radowiß das Einverständnis mit den in der Eröffnungsrede angedeuteten drei Hauptpunkten des Programms.

2.

Frage des Schmuggels von Waffen.

18. Januar. Die Frage wird von seiten Frankreichs aufgeworfen.

Die Gouverneure Algeriens haben wiederholt auf die Notwendigkeit, den Waffenschmuggel in Marokko zu unterdrücken, hingewiesen. Die Unterdrückung dieses Schmuggels ist ebenso für Marokko wie für Algerien eine wesentliche Frage. Die nach Marokko eingeführten Waffen werden von den an der algerischen Grenze ansässigen Stämmen angekauft und gelangen in großer Masse nach Algerien, wo sie einen viel höhern Preis erzielen als in Marokko. Dieser Schmuggel wird in Marokko auf verschiedne Arten betrieben, sei es in von Booten eingeführten Kisten, die so gezeichnet find, als ob sie Lebensmittel enthielten, sei es von Flibustiern. Handelshäuser in Marseille und an andern Pläzen Europas unternehmen solche Waffensendungen in der Art wirklicher Handelsoperationen. Seit 1902 hat die Einfuhr von Waffen in Marokko bedeutend zugenommen, ebenso der Verkauf von Waffen im Innern Algeriens.

24. Januar. Die Konferenz genehmigt ein aus fünfzehn Artikeln bestehendes Reglement, dessen Tendenz dahin geht, bei entschiedner Bekämpfung des Schmuggels die Schiffahrtsinteressen nach Möglichkeit zu schonen. Als Grundlage für das Strafmaß ist die englische Gesetzgebung gewählt. Auf Wunsch der spanischen Bevollmächtigten wird eine Klausel eingeschaltet, durch die die Ueberwachung des Waffenschmuggels auf den Grenzpresidios der Sahara Spanien überlassen wird.

13. Februar. Die Konferenz genehmigt den Wunsch des Sultans von Marokko, daß Waffen, deren Einschmuggelung versucht worden ist, nach ihrer Beschlagnahme nicht vernichtet, sondern nach Möglichkeit zur Bewaffnung der marokkanischen Truppen verwandt oder, falls dies nicht geschieht, nach dem Auslande hin zugunsten des scherifischen Schazes verkauft werden sollen.

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