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haften Organisation Mißstände und Schwierigkeiten entstehn, für die in dem letzten Ende das deutsche Volk mit seinem Geld und Gut aufkommen muß. Die gegenwärtige Organisation unsrer Kolonialverwaltung ist unzulänglich. Die Versicherung kann ich mit gutem Gewissen und mit voller Ueberzeugung als einer von denen abgeben, die in erster Linie berufen sind, mit dieser Organisation zu arbeiten. Mein langjähriger treuer und ausgezeichneter Mitarbeiter, der leider zu früh entrissene Staatssekretär Freiherr von Richthofen, dessen Arbeitsfreudigkeit, dessen Geschäftskenntnisse ja auch in diesem hohen Hause immer Anerkennung gefunden haben, ist unter der Bürde zusammengebrochen, die die heutige Organisation auf seine Schultern gelegt hat. Er hat mir wiederholt erklärt, daß er der doppelten Belastung nicht mehr gewachsen sei, er hat die kolonialen Geschäfte den Nagel zu seinem Sarge genannt. Seien Sie versichert, daß weder ich noch irgendeiner meiner künftigen Nachfolger die Einheitlichkeit in der Leitung unsrer auswärtigen Politik durch die Errichtung des Reichskolonialamts auch nur im mindesten Leiden lassen wird. Bebel ist aus politischen Gründen für die Ablehnung. Außer Bassermann (natl.), von Richthofen (fons.), Graf Arnim (Rp.), Lattmann (antis.) sprechen sich Müller und Schrader (Freisinn) für Genehmigung, Spahn (Zentr.) dagegen aus. der Abstimmung zeigt sich das Haus beschlußunfähig.

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Bei

30. März. In wiederholter Abstimmung sind 127 Abgeord= nete für, 110 gegen die Errichtung eines Kolonialamts.

Zum Militäretat beantragen Payer und Müller aus Meiningen:

Den Reichskanzler zu ersuchen, im Anschluß an die vom Reichstag mit Beschluß vom 21. März 1905 geforderte und daher baldigst anzubahnende Reform des Reichs-Militär-Strafgesetzbuches im Interesse der energischen Bekämpfung der Militärmißhandlungen zu veranlassen, daß auch die Bestimmungen über das Beschwerder echt des Soldaten einer neuerlichen gründlichen Revision im Sinne der Erleichterung der Beschwerden des Soldaten gegen mißbräuchliche Anwendung der Dienstgewalt unterzogen werden.

Darüber entspinnt sich eine längere Verhandlung. Der preuBische Kriegsminister von Einem verliest eine Erklärung des Reichskanzlers, dahingehend, daß von einem „Duellunfug" in der Armee wohl nicht mehr die Rede sein könne, und daß es weiter ein grundsägliches Ziel bleiben werde, das Duell zu unterdrücken. Sodann spricht sich der Kriegsminister dahin aus: Es seien für ihn die schwersten Stunden, in denen hier im Hause das Thema der Soldatenmißhandlungen behandelt werde, und er fühle die ganze Demütigung, die in den brutalen Fällen von nicht zu entschuldigendem Vorgehn gegen Untergebne liege. Nach der Statistik sehe es aber schon viel besser aus als früher. Bebel bespricht die Zehn-Mil

Deutscher Geschichtskalender 1906. I.

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lionenspende für unbemittelte Offiziere und die angeblich damit im Zusammenhang stehende Verleihung des Adels an Großbankiers sowie die Verschwendungssucht in Offizierkreisen.

31. März. Nach sehr lebhaften Erörterungen wird obiger Antrag von Bayer und Müller angenommen.

2. April. In der weitern Beratung des Militäretats sagt der Sozialist Ledebour: Die Ausschließlichkeit unsers Offizierkorps hat zu geistiger Berfümmerung der Offiziere und nach Jena geführt. Der Kriegsminister v. Einem bezeichnet lettere Aeußerung als vollkommen verfehlt. Unsre Standesehre besteht in der treuen Erfüllung aller uns auferlegten Verpflichtungen. Der Geist, der uns erfüllt, ist der der Königstreue, Vaterlandsliebe und echter Pflichterfüllung. Beschlossen wird ein Ersuchen an den Reichskanzler, unter Zurückstellung der Forderung für drei weitere in Aussicht genommene Reitschulen auf wenigstens drei Jahre nach Ablauf dieser Frist dem Reichstage über die bei der Reitschule in Paderborn gemachten Erfahrungen Mitteilung zu machen. Ein Beschluß zum Titel „Servis" lautet: „Die Serviszulage wird nur denen am 31. März 1906 in den bezeichneten Städten in etatsmäßigen Stellen stehenden Offizieren und Beamten gewährt, bei denen infolge Fortfalls des Servises der neu bemeffene Gehalt hinter den bisherigen Bezügen an Gehalt und Servis zurückbleibt. Die Serviszulage fällt spätestens mit dem 31. März.“

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4. April. Zum Etat der Zölle, Verbrauchssteuern und Aversen wird die auf 5411, Mill. angesezte Einnahme auf 560700000 Mt. erhöht und das Ersuchen beschlossen:

1. Dem Reichstage noch in der gegenwärtigen Session einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die Zuckersteuer von 14 Mk. auf höchsiens 10 Mk. für den Doppelzentner herabgeseßt wird; 2. bei den handelspolitischen Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika dafür Sorge zu tragen, daß der deutsche Zucker mit dem kubanischen Zucker wie überhaupt mit dem Rohrzucker auf den amerikanischen Märkten gleichgestellt werde.

5. April. Die an den Etat des Reichskanzlers sich knüpfenden Verhandlungen über die Lage des Reichs zu auswärtigen Fragen f. S. 50-55. Damit ist die zweite Beratung des Reichshaushalts beendet.

Dritte Beratung.

23. Mai. Die dritte Beratung führt zu der auf S. 53 näher erwähnten Erörterung über die Beziehungen zum Auslande.

25. Mai. Nach längern Verhandlungen über verschiedne zum Etat des Reichsamts des Innern vorgebrachte Fragen wird be= schlossen:

Den Reichskanzler zu ersuchen, 1. bei den verbündeten Regierungen den Erlaß wirksamer Verordnungen zur Sicherung der Bergarbeiter gegen Explosions- und Feuersgefahr im Wege der Verhandlungen anzuregen; 2. das Reichsversicherungsamt zu veranlassen, Erhebungen über die bestehenden Einrichtungen und Vorschriften zur Verhütung von Feuers- und Explosionsgefahr im Bergbau zu veranstalten und die Knappschafts berufsgenossenschaft zur Aufnahme möglichst wirksamer entsprechender Bestimmungen in die Unfallverhütungsvorschriften anzuhalten.

26. Mai. Beim Etat, für das Reichsmilitärgericht wird ein Antrag auf volle Bewilligung der ersten Rate für Grunderwerb und Entwurf zum Dienstgebäude für das Reichsmilitärgericht ab= gelehnt. Im Etat des Reichsschazamts werden infolge der zu der Reichsfinanzreform gefaßten Beschlüsse die Einnahmen aus den Reichsstempelabgaben um 7340000 Mt. erhöht. Beim Etat für das Reichskolonialamt wird die zu schaffende Stelle eines Staatssekretärs mit 142 gegen 119 Stimmen abgelehnt.

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28. Mai. Da infolge dieses Beschlusses der ganze Etat des Kolonialamts hinfällig geworden ist, der auf die Entstehung eines selbständigen Kolonialamts gerichtet war, so beantragen Gröber und Genossen, die Kolonialabteilung in ihrem bisherigen Umfange wieder dem Auswärtigen Amte zu unterstellen mit einem Direktor an der Spize. (20000 Mk. Gehalt, außerdem zehn vortragende Räte usw.) — Bassermann erklärt hierauf, für die Forts dauer dieses Zustands seien die Nationalliberalen nicht geneigt, die Verantwortung mitzutragen und würden sich daher der Stimme darüber enthalten. Dieser Erklärung schließen sich die Konservativen, die Reichspartei und die Wirtschaftliche Vereinigung an. Spahn rechtfertigt die Haltung der Zentrumspartei: Die Verhandlungen am 26. d. M. hätten die Parteien in ihrer Ablehnung bestärkt. Es sollte ein Handel mit Gut und Blut getrieben werden, von dem auch die Kolonialverwaltung gewußt habe. Im übrigen sei das Kolonialamt einmal abgelehnt und könne im Laufe dieser Legislaturperiode, da der Reichstag jezt vertagt und nicht geschlossen werde, nicht noch einmal gefordert werden. Staatssekretär Graf Posadowsky tritt entschieden der Behauptung entgegen, daß dem Reichstage ein Handel angeboten worden sei. Die Sache liege so, daß, sobald die Bahn gebaut werde, weniger Etappentruppen notwendig seien. Die verbündeten Regierungen ließen sich nur von sachlichen und nicht von taktischen Gründen leiten. Durch die Abstimmung am 26. d. M. seien weder der Reichskanzler noch die Regierungen in der Auffassung erschüttert, daß die Loslösung der Kolonialverwaltung vom Auswärtigen Amte und die Errichtung eines selbständigen Reichskolonialamts unter einem Staatssekretär unbedingt notwendig sei. Die staatsrechtliche Auffassung Spahns teile die Regierung nicht, die Forderung könne im neuen Etat wiederhergestellt werden. Die Freifinnigen erklären, daß sie sich auf den Boden der gegebnen Tatsachen stellen und für den Antrag Gröber stimmen würden. Semler macht darauf Mitteilung von einer Unterhaltung, die er mit dem Erbprinzen Hohenlohe gehabt habe. Danach hätte der Kaiser seine Einwilligung gegeben, die alsbaldige Zurückziehung von . 5000 Mann aus Südwestafrika unter der Bedingung zuzufichern,

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daß die Bahn gebaut werde. Das sei kein Handel treiben, sondern die Folgerungen aus Tatsachen ziehen. Graf Posadowsky weist darauf hin, daß die Mitteilungen Semlers nichts Ueberraschendes hätten, sie seien nur natürlich und entsprächen im wesentlichen der Begründung der Vorlage. Von der sofortigen Zurückziehung von 5000 Mann sei überhaupt nicht die Rede gewesen. In namentlicher Abstimmung wird darauf das Gehalt für den Direktor der Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt mit 117 gegen 64 Stimmen bei 91 Enthaltungen angenommen.

Zum Etat für das südwestafrikanische Schußgebiet wird auf Antrag der Sozialdemokraten beschlossen, den Reichskanzler zu ersuchen, er wolle dafür sorgen, daß in der Kolonie Südwestafrika den Eingebornen ein zu ihrem Lebensunterhalt in selbständigen Wirtschaftsbetrieben ausreichender Landbesiß zugesichert werde, um auf dieser Grundlage die Rückkehr friedlicher Zustände in der Kolonie und die schleunige Zurückziehung der dort bisher zu kriegerischen Operationen erforderlichen Truppen zu ermöglichen. Die Einnahmen aus neuen Steuern im Etat für 1906 werden mit 61660 000 Mt. etatisiert, die Einnahmen aus der Reichspost- und Telegraphenverwaltung um 71/2 Millionen erhöht. Das Etatsgeset wird in der Fassung zweiter Lesung im einzelnen und darauf im ganzen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen.

Feststellung des Etats.

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31. Mai. Im Geseß über den Reichshaushaltsetat für das Rechnungsjahr vom 1. April 1906 bis 31. März 1907 werden Einnahme und Ausgabe auf 2397 324105 Mart festgestellt, und zwar im ordentlichen Etat die Einnahmen auf 2153354678 Mark, die fortdauernden Ausgaben auf 1908097 775 Mark, die einmaligen Ausgaben auf 245 256903 Mark, im außerordentlichen Etat die Einnahmen und Ausgaben auf 243969 427 Mark. (Für April und Mai war der Etat durch Gesetz vom 31. März geregelt.)

II.

Etat für die Schutzgebiete für 1906.

17. März. Zweite Beratung. Die Vorlage war der Budgetkommission überwiesen, die die Etats für Togo, Neuguinea, die Karolinen, Palau, Marianen- und Marschallinseln unverändert, die für Deutschostafrika, Kamerun, Südwestafrika, Samoa und Kiautschou mit einigen Abstrichen zur Annahme empfiehlt. Die Erörterung beginnt mit dem Etat für das oftafrikanische Schußgebiet. Die

Forderung von 243 460 Mark für eine weiße Kompagnie zur Verstärkung der Schußtruppe wird abgelehnt.

Im übrigen entspinnt sich beim Titel des Gehalts für den Gouverneur ein heftiger Streit zwischen Bebel einerseits, Arendt und v. Kardorff_andrerseits über den Dr. Peters. Bebel bezeichnet ihn als einen zuchthausreifen Verbrecher gemeinster Sorte. Arendt meint, wenn die Sache nicht im Reichstag passiert wäre, so gehörte Bebel auf die Anklagebank, von dessen Gewährsmännern in Sachen der Tuckerbriefe er mehr wisse, als Bebel angenehm sein dürfte. v. Kardorff sagt, die Sozialdemokraten sollten doch nicht so tún, als ob sie die Moralität gepachtet hätten. Einen zweiten Streit gibt es bei der Position von 69 200 Mark als Beitrag zu den Regierungsschulen, den die Kommission bewilligt hat. Nun beantragt Bachem die Ablehnung und verlangt Konfessionsschulen. Graf Schwerin-Löwiß schließt sich mit seinen Freunden dem Zentrum an.

19. März. Zum Etat für das Schußgebiet Kamerun schlägt die Kommission vor, die Regierungen zu ersuchen, einen Geseßentwurf vorzulegen, durch den zur Abänderung des Schußgebietsgeseßes von 1900 das Verordnungsrecht eingeengt und die Mitwirkung der Reichsgesetzgebung in der den Verhältnissen der Schußgebiete entsprechenden Weise erweitert wird. Mit zur Beratung gestellt wird eine Petition der Akwaleute. In bezug auf diese beantragt die Kommission:

I. In Ausführung des Schußgebietsgefeßes tunlichst bald durch Kaiserliche Verordnung die erforderlichen Maßregeln dafür zu treffen, daß den Eingebornen der Schußgebiete zunächst auf dem Gebiete des Strafrechts, des Strafprozesses und der Disziplinargewalt erhöhte Rechtsgarantien gewährt werden. II. Schon jezt Anordnungen dahin zu treffen, daß gegenüber in Untersuchungshaft befindlichen Angeschuldigten die Anwendung von körperlichen Züchtigungen, Zwangsarbeit und Kettenhaft regelmäßig ausgeschloffen ist. III. Durch völlig unabhängige, nach Möglichkeit mit Richterqualität befleidete Beamte eine eingehende Untersuchung über die Beschwerdepunkte der Akwaleute durchführen zu lassen und über das Ergebnis der Untersuchung und über die nach Ziffer I demnächst zu schaffenden Schußmaßnahmen der Eingebornen dem Reichstage Mitteilung zu machen.

Ferner ist beantragt, den Reichskanzler zu ersuchen, die Prüfung der Rechte und Pflichten und der bisherigen Tätigkeit des Kamerun bahn-Syndikats der Land- und Bergwerksgesellschaften in Kamerun sowie die Frage, wie die Nachteile der Konzession beseitigt werden können, der für Südwestafrika berufnen Prüfungskommission zu überweisen.

20. März. Alle diese Anträge werden nach längerer Verhandlung angenommen.

23. März. Zum Etat für das Schußgebiet Togo wünscht Ledebour Maßnahmen um der Ausbeutung der Neger auf den Plantagen, besonders durch die Togolandgesellschaft, entgegenzutreten. Vom Etat für das füdwestafrikanische Schußgebiet, der insgesamt 109911500 Mt. anfordert, werden 20382385 Mt. gestrichen,

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