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waren christliche Erwägungen. Diese Gesichtspunkte sind auch in den Botschaften des alten Kaisers betont. Die Gesetzgebung hat allerdings die Ver= heißung, die in ihr lag, Versöhnung der sozialdemokratischen Massen, nicht erfüllt. Wären die Korporationen, auf die die Versicherung gestellt wurde, von christlichem Geiste erfüllt gewesen, dann wäre es wohl anders und beffer gekommen. Man muß die Arbeiterwelt doch immer unterscheiden von der Sozialdemokratie, wenn diese auch immer glauben will, daß sie alle Arbeiter hinter sich hat. Die Sozialdemokraten wollen nicht beruhigen, sie hehen nur auf. Sie haben aber nicht den Mut, zur Tat zu kommen. Was aber war der 21. Januar andres als ein Zurückziehen? Peus (Soz.): Wir alle bedauern die Opfer der russischen Revolution, aber man muß sagen: Leben ist nicht notwendig, aber Freiheit ist notwendig! Kampf bis aufs Messer führt Stöcker schon dreißig Jahre gegen uns; wenn er weiter die Erfolge erzielt wie bisher, können wir ganz zufrieden sein. Wir haben oft genug betont, daß wir in Deutschland unsre Ziele friedlich erreichen werden, es sei denn, daß die Grundrechte des Volkes: das Wahlrecht und das Koalitionsrecht angetastet werden. Wer heute sagt, daß man durch eigne Arbeit reich werde, nicht durch fremde, der ist ein Lügner.

13. Februar. Horn aus Sachsen (Soz.): Man wirft den Sozialdemo= kraten Verhebung vor. Aber der Terrorismus, den zum Beispiel das Zentrum ausübt, hält gar keinen Vergleich aus. Als Staatssekretär des Zukunftsstaats würde Graf Posadowsky weit erfolgreicher wirken, als er heute wirkt. Wie ungenügend unsre Sozialpolitik noch ist, zeigt recht deutlich die vollkommne Schußlosigkeit der Glasarbeiter. Merten (freis. Vp.) tritt für Kinderschuß ein. An den Glasperlen, die für ein Spottgeld gekauft werden, hängen unzählige Kindertränen. Das Kinderschußgesez von 1904 steht nur auf dem Papier. Seine Achillesferse ist der Paragraph 3 mit dem Unterschiede zwischen „eignen“ und „fremden“ Kindern. Bedauerlicherweise hat der Bundesrat für gewisse Industrien die Altersgrenze_herabgesetzt. von Gerlach: Die Regelung der Armenpflege auf dem Lande ist völlig ungenügend. Viele Armenhäuser sind überfüllt. Redner geht näher auf die auf den ostelbischen Gütern gezahlten niedrigen Gehälter und Löhne ein.

Der Gehalt des Staatssekretärs wird endlich bewilligt. Ferner den Reichskanzler ein Ersuchen beschlossen, Erhebungen über die Arbeiterverhältnisse in der Großeisenindustrie, Arbeitszeit, das Ueberschichtenwesen, die Nachtarbeit, die Unfallhäufigkeit und Erkrankungsgefahren, die Durchsuchung der vorhandnen Schußbestimmungen, die Wasch- und Badeeinrichtungen usw. zu vers anlassen.

17. Februar. Zum Etat des Reichsgesundheitsamts wird ein Ers suchen beschlossen, dem Reichstage noch in dieser Session einen Geseßentwurf vorzulegen, durch den der Artikel 10 Absatz 1 des Weingeseßes vom 24. Mai 1901 folgende Faffung erhält: „Bis zur reichsgeseßlichen einheitlichen Regelung der Beaufsichtigung des Verkehrs mit Nahrungs- und Genußmitteln sind einstweilen zur Ausführung des Weingefeßes und zur Ueberwachung des Weinbaues und Weinhandels in jedem Bundesstaate besondre Beamte im Hauptamte für kleinere Bezirke anzustellen. Jede Weinhandlung ist der zuständigen Verwaltungsbehörde anzumelden.“ Ferner wird beschlossen, um baldige Vorlage eines Gefeßentwurfs zu ersuchen, der die Weinkontrolle einheitlich regelt.

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19. Februar. von Gerlach verlangt Besserstellung der Bureaubeamten der Reichsversicherung. Staatssekretär Graf Posadowsfy bezeichnet die soziale Tätigkeit als den Edelstein in der Krone der Verwaltungstätigkeit. Daß eine Reform der Krankenversicherung nötig ist, steht fest. Viele Gründe sprechen aber für den Erlaß eines Notgesetzes. Beim Kapital: Aufsichtsamt für Privatversicherung bespricht Dahlem die Mißwirtschaft in den amerikanischen Lebensversicherungsgesellschaften und regt an, die Gesellschaften zuzwingen, in deutschen Papieren eine Kaution für die Sicherstellung der Ansprüche der deutschen Versicherten zu hinterLegen. Bassermann hält die Klagen über die amerikanischen Gesellschaften für übertrieben und fragt an, ob nach Ansicht der Reichsregierung die englischen Versicherungsgesellschaften bei einem etwaigen Kriege mit England sich weigern würden, die fälligen Gelder an deutsche Versicherte auszuzahlen. Es ist das allerdings kaum glaublich, da es einer großen Kulturnation unwürdig wäre, rein zivilrechtliche Ansprüche in Kriegszeiten nicht anzuerkennen. Staatssekretär Graf Posadowsky erwidert: Ob englische Gesellschaften im Kriegsfalle zur Zahlung verpflichtet sind, ist strittig. Ich glaube, daß die Forderung nicht einklagbar ist. Die Frage hat aber nur akademische Bedeutung, denn nach der Versicherung ihrer Vertretung denken die Gesellschaften nicht an eine Einstellung der Zahlungen.

20. Februar. Zum Extraordinarium des Etats des Reichsamts des Innern wird ein Beitrag des Reichs zu den Kosten des Ausbaues der Hohkönigsburg von 200000 Mark gefordert. Bisher sind bereits 700 000 Mark dafür bewilligt und verbraucht. Ledebour ist dagegen; es sei nicht richtig, daß die Zunahme des Vogesenbesuchs auf die Herstellung dieser Burg zurückzuführen oder daß die Elsaß-Lothringer hierdurch für das Reich zu gewinnen seien. Es handle sich mehr um die Herstellung des Untergrunds zu einer neuen Burg. Die Genehmigung würde geradezu zum Ausbau des Heidelberger Schlosses anreizen. — Staatssekretär Graf Posadowsky: Nach dem Urteil hervorragender Kunstkenner wird die Hohkönigsburg nach ihrer völligen Restauration eine der größten Sehenswürdigkeiten ganz Europas sein. Wie die Marienburg im Often, so wird die Hohkönigsburg in der westlichen Grenzmark, wo noch viele alte französische Traditionen herrschen, ein Wahrzeichen des Deutschtums sein. Man könne doch den Bau nicht halbfertig lassen. Müller aus Sagan ist Gegner alles Restaurierens. Auf keinen Fall dürfen wir Reichsmittel dafür bewilligen, namentlich solange wir ein persönliches Regiment in Deutschland haben. - Ledebour: Daß der Bauherr sein Versprechen, die Mehrkosten aus eigner Tasche zu bestreiten, nicht erfüllt hat, wundert uns weiter nicht.

Wir sind ja in Preußen gewöhnt, daß Versprechen der Könige nicht eingelöst werden. (Ordnungsruf.) Ich erinnere an das nicht eins gelöste Versprechen König Friedrich Wilhelms III., dem Lande eine Verfassung zu geben. Man soll auf die Erfüllung von Versprechen dringen, von wem sie auch kommen mögen. Schlumberger: Der elsaß-lothringische Landesausschuß hat sich beinahe einstimmig für die Restaurierung der Hohkönigsburg ausgesprochen. Möge der Reichstag die Mittel für die Wiederherstellung dieser großartigen Burg bewilligen. - Der Titel wird bewilligt.

Hierauf wird ein Antrag betreffend die Einseßung amtlicher Weinkontrolleure angenommen.

Beratung des Etats des Reichsjustiza mts. Baffermann fragt nach dem Stande der Vorarbeiten des Gesezes zum Schuße der Ansprüche der Bauhandwerker, hält Strafprozeßordnung und Zivilprozeßverfahren für sehr reformbedürftig, verlangt Herauffeßung des Strafalters von 12 auf 14 Jahre und flagt über die Behandlung der Zeugen. Staatssekretär Nieberding sagt jenes Geseß bald zu, die Strafreform werde aber noch einige Jahre in Anspruch nehmen.

24. Februar. Staatssekretär Nieberding erklärt: Nach den Beschlüssen der Kommission für eine Reform der Strafprozeßordnung sollen für Prozeßsachen nicht die Strafkammern in ihrer bisherigen Zusammensetzung bestehn bleiben, sondern dahin erweitert werden, daß auch Laien zur Rechtsprechung mit herangezogen werden. Die Annahme des Antrags betreffend Verweisung von Preßdelikten an die Schwurgerichte könnte die ganze Strafprozeßreform gefährden. Ich werde jedem Versuche, neue Hilfssenate beim Reichsgericht einzurichten, aufs entschiedenste entgegentreten im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und des Ansehens des höchsten Gerichtshofes.

Stadthagen behauptet, die herrschenden Klassen mißbrauchten die Justiz gegen die Bestrebungen der unterdrückten Klassen und suchten ihr böses Gewissen gegen die arbeitende Klaffe auszutoben. Der preußische Justizminister habe im Abgeordnetenhause die Zumutung, auf die Richter einzuwirken, gegen eine bestimmte Klasse vorzugehn, nicht mit Entrüstung zurückgewiesen, sondern versprochen, daß gegen Sozialdemokraten als solche besonders scharf vorge gangen werden foll. Nie in der schlimmsten Reaktionsperiode seien die Richter so tief herabgesezt worden. Nicht mehr als Richterin, als Rächerin fühle sich die Justiz, und damit sei sie schlimmer geworden als der Scharfrichter. Kurz nacheinander sei eine Reihe von Zwangsverfahren gegen die Presse vorgekommen. Müller aus Meiningen bezeichnet diese Angaben als Uebertreibungen.

von Gerlach: Die Fälle des Zeugniszwangs mehren sich ständig. Staatssekretär Nieberding: Der Zeugniszwang ist Sache der Richter. Ich bin aber auch der Ansicht, daß von diesem Mittel sehr vorsichtig Gebrauch gemacht werden müßte.

1. März. Lucas nimmt sich des angegriffnen Richterstandes an. Eine Rede des sozialdemokratischen Redakteurs Stücklen ver

anlaßt den Staatssekretär Nieberding, der angeblichen Parteilichkeit des Richterstandes die Einseitigkeit und den Terrorismus der äußersten Linken gegenüberzustellen und jeden Vorwurf einer Voreingenommenheit seinerseits gegen irgendeine Fraktion energisch abzuweisen. Nieberding tritt auch Angriffen des „Genossen“ Heine auf die deutsche Justiz entgegen. Die vorgebrachten Fälle seien Ausnahmen und ohne Grund verallgemeinert.

2. März. Auf eine Frage von Wallau erwidert der Staatssekretär Nieberding: Die Frage, ob wir dazu kommen werden, besondre Jugendgerichte zu schaffen, oder ob wir die bei andern Staaten bestehenden jezigen Vorschriften in unsre Strafprozeßordnung. übertragen, mit besondrer Anwendung gerade auf die Verhältnisse der Jugendlichen, ist noch nicht entschieden.

3. März. Stadthagen wiederholt und vermehrt seine Angriffe gegen die deutsche und die sächsische Justiz. Seine Vorwürfe werden. vom Staatssekretär Nieberding und dem sächsischen Geheimrat Börner zurückgewiesen.

5. März. Verhandlung über die sozialpolitischen Fortschritte in der Reichspostverwaltung. Singer hat viele Wünsche bezüglich der Behandlung der untern und mittlern Beamten und wendet sich besonders gegen die Portofreiheit fürstlicher Personen.

6. März. Staatssekretär Kraetke erklärt in Beantwortung verschiedner Anfragen, daß die Verwaltung sorgfältig die Gefahren be= obachte, denen die Telephonbeamtinnen bei ihrem Dienst ausgesetzt find. Um besonders die Gefahren der Kurbelströme zu vermindern, seien Bestrebungen im Gange, die Kurbelapparate zu beseitigen. Kraetke teilt ferner mit, daß er nach Prüfung von vorjährigen Beschwerden Singers bedauerliche Ausschreitungen von Vorge= sezten gegenüber Untergebnen festgestellt habe. — Bezüglich der Weigerung der ungarischen Post, Telegramme mit deutscher Städtebezeichnung zu befördern, sagt der Unterstaatssekretär Sydow: Ungarn hat einer Reihe bisher deutsch benannter Orte magharische Namen beigelegt und unsre Bitte, daneben den deutschen Namen zu führen, leider abgeschlagen. Wir sind deshalb im Begriff, für unsre Tele= graphenämter eine Liste der Orte anzufertigen, die einen magyarischen Namen erhalten haben.

10. März. Zum Etat der Reichseisenbahnen wird beschlossen, die Regierungen zu ersuchen, daß sie, nachdem die Hauptbahnen in Elsaß-Lothringen nahezu ausgebaut find, aus den künftigen Betriebsüberschüssen der Reichseisenbahnen einen Beitrag zu der Entwicklung des Kleinbahnwesens in Elsaß-Lothringen durch den ReichsHaushalt dem Lande zur Verfügung stellen, und zwar im angemessenen. Verhältnis zu Zuschußleistungen des Landes selbst.

Bassermann weist auf die Bedeutung des Großschiffahrtsweges bis Basel für den internationalen Güterverkehr hin und bittet um Förderung des nationalen Werkes der Betriebsmittel gemeinschaft, das nicht am Partikularismus der Einzelstaaten scheitern dürfe. Bock aus Gotha: In den Landtagen der kleinen norddeutschen Staaten werden fortwährend Klagen über die fortgesezte Benachteiligung durch die preußische Eisenbahnverwaltung geführt. Preußen verhindre den Bau von Bahnen, die private Gesellschaften ohne Zuschuß auszuführen sich erbieten, und fordre dann selbst horrende Zuschüsse für den Bau dieser Linien. Die zahlreichen preußischen Eisenbahnbeamten, die in den thüringischen Staaten wohnen, müssen ihre Steuern nach Prcußen entrichten. In dem kleinen Herzogtum Gotha macht das die Summe von 60000 Mark aus. Alle Parteien in Thüringen ohne Unterschied sind sich einig in der Verurteilung dieses himmelschreienden Unrechts. Hieber: Die Konferenzen der Eisenbahnminister in Sachen der Betriebsmittelgemeinschaft sind von uns im Süden Bremsertonferenzen" getauft worden. Schon Bismarck hat gesagt: Solange das deutsche Eisenbahnwesen nicht vereinheitlicht ist, bleibt das ein Schuldkonto im Buch des Bundesrats.

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13. März. Beim Etat des Reichsschazamtes wird von einigen Seiten eine vermehrte Ausprägung von Silbermünzen und weitere Ausgabe von Talern verlangt. Staatssekretär von Stengel bemerkt, daß die Bemessung des Bedarfs von Münzen Sache der Reichsbank ist, daß aber eine Vermehrung der Silbermünzen jezt schon möglich sei wegen der Vermehrung der Bevölkerung, auf deren Kopf eine bestimmte Summe festgesetzt sei.

29. März. Beratung des Etats für das Reichskolonialamt. Die Budgetkommission beantragt, diesen Etat abzulehnen und die in ihm geforderten Summen (darunter 25000 Mark Gehalt für einen Unterstaatssekretär) auf den Etat des Auswärtigen Amts zu übertragen. Der Reichskanzler Fürst von Bülow tritt für Ge= nehmigung des Gehalts für einen Staatssekretär des Kolonialamts auf und bemerkt:

Ich glaube, daß Freunde und Feinde unsrer Kolonialpolitik heute wenigstens darin einig sind, daß sie die Bedeutung anerkennen, die die kolonialen Fragen allmählich für unser politisches Leben gewonnen haben, daß sie anerkennen, von welcher Wichtigkeit es für die Reichsfinanzen, für unsre wirtschaftliche Zukunft, für unsre Zukunft, für unsre Stellung in der Welt es ist, ob die kolonialen Geschäfte richtig und zweckmäßig vorgenommen werden oder nicht. Wir können uns der Tatsache nicht verschließen, daß Deutschland eine Kolonialmacht geworden ist und sich den Pflichten und Aufgaben nicht entziehn kann, die daraus für uns entstehn. Das ist der Boden, auf dem wir stehn, und auf diesem Boden haben die Gegner unsrer Kolonialpolitik genau das gleiche Interesse daran wie ihre Freunde, daß die Organisation der Kolonialverwaltung auf der Höhe ihrer Aufgaben steht, und daß nicht aus einer mangel

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