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Nach mühevollen Arbeiten ist die internationale Konferenz nunmehr, wie es scheint, zu einer Verständigung über die ihr unterbreiteten Fragen gelangt. Von diesem vorläufigen Abschluß aus werfen wir einen Rückblick auf den bisher durchlaufnen Weg.

Für die Beurteilung der jüngsten Phase der marokkanischen Angelegenheit ist die dieser Tage aufgefrischte Erinnerung an Vorgänge, die fünfzig Jahre zurückliegen, deshalb nicht unwesentlich, weil sie zeigt, daß französische Bestrebungen, in Marokko festen Fuß zu fassen, bereits unmittelbar nach dem Krimkriege deutlich hervorgetreten sind und damals nur an dem Einspruch Lord Palmerstons scheiterten, der in einem Schreiben an Lord Clarendon der Meinung Ausdruck gab, daß die Eroberung Marokios schon das geheime Ziel Ludwig Philipps gewesen sei. Lord Palmerston bekämpfte die auf Marokko bezüglichen Absichten Napoleons III., weil er darin eine Schädigung britischer Interessen erblickte. Nahezu ein halbes Jahrhundert hatten diese Pläne geruht, bis die französischen Wünsche in dem französisch-englischen Abkommen vom 8. April 1904 ihr vorläufige Erfüllung fanden.

In den dem Abschluß dieses Abkommens vorangegangenen Jahrzehnten hatte aber auch Deutschland seine Interessen in Marokko entwickelt, und zwar haben die deutschen Interessen stetig an Wichtigkeit gewonnen, ohne daß dadurch die historischen Ansprüche Spaniens noch auch die besondern Bedürfnisse Frankreichs, die sich aus der algerischen Grenznachbarschaft ergeben, beeinträchtigt worden wären. Unfre Diplomatie hat der Ausdehnung deutscher wirtschaftlicher Interessen in Marokko selbstverständlich nicht entgegengewirkt, diese aber auch niemals gegen die alten historischen Hoffnungen Spaniens oder gegen die von Frankreich zur Sicherung seiner Grenzintereffen und zur Förderung seines Handels für nötig befundnen Auseinanderseßungen mit Marokko ausgespielt. Niemals hatte sie Frankreich in marokkanischen Fragen ignoriert. Um so mehr mußte es auffallen, daß von der französischen Politik der Versuch unternommen wurde, Deutschland einfach beiseite zu schieben, auffallen auch aus dem Grunde, weil von deutscher Seite unwiderlegliche Beweise für die Geneigtheit vorlagen, die kolonialpolitischen Bestrebungen Frankreichs nicht nur nicht zu durchkreuzen, sondern sie zu unterstüßen.

Als Delcassé sich anschickte, die alten Pläne der fünfziger Jahre in die Wirklichkeit zu übersehen, fand er bei England das von Napoleon vermißte Entgegenkommen, er übersah aber geflissentlich zwei andre in der Zwischenzeit eingetretne wesentliche Veränderungen in der Situation. Erstlich war das Deutsche Reich seitdem in die Reihe der Kolonialmächte eingetreten und durch die Entwicklung seiner überseeischen Interessen auch in außereuropäischen Fragen ein Faktor geworden, der in dem alten Deutschen Bunde und dem damaligen Preußen keinen vergleichbaren Vorgänger hatte; sodann war durch die Madrider Konvention von 1880 der internationale Charakter des marokkanischen Problems völkerrechtlich statuiert worden und Deutschland als Signatarmacht daran beteiligt. Der ziffermäßige Wert der aufgeteimten und weiter gewachsnen Handelsintereffen konnte hierbei nicht entscheiden. Es galt, dem Versuch der Ignorierung deutscher Interessen entgegenzutreten und ihre Gleichberechtigung in der wirtschaftlichen Entwicklung Marokkos zu sichern. Judem England nach der Uebereinkunft mit Frankreich vom April 1904 auf Gleichberechtigung verzichtete, tat es dies lediglich für sich selbst; für andre Teilhaber der Madrider Konvention konnten aus der Entschließung Englands keine Schlußfolgerungen gezogen werden. Die Leitung der französischen Politik aber zog, ohne sich mit Deutschland ins Benehmen zu seßen, demnach will

kürlich solche Schlußfolgerungen und schuf hierdurch selbst die Grundlage für den Einspruch Deutschlands.

Dieser Einspruch richtete sich nicht, wie fälschlicherweise behauptet worden ist, gegen die englisch-französische Verständigung, sondern gegen die Art, wie Frankreich an die Verwirklichung seiner Pläne ging. Die wirklichen Absichten des damaligen französischen Ministers traten klar zutage, als der französische Gesandte in Fez, St. René Taillandier, den Sultan von Marokko zur Unterzeichnung eines Vertrages zu bewegen suchte, durch den der Sultan das Schicksal seines Landes tatsächlich in die Hände Frantreichs gelegt hätte. Der Plan ging augenscheinlich dahin, durch eine auf solche Art bewirkte Selbstentäußerung des scherifischen Herrschers an die Stelle der bis dahin giltigen internationalen Basis der marokkanischen Frage eine ausschließlich marokkanisch-französische Grundlage zu seßen.

Bevor die Bahn für eine Verständigung mit Frankreich freigemacht werden konnte, waren große Schwierigkeiten zu überwinden. Im Frühjahr 1905 hatte sich eine Konstellation herausgebildet, die ernster war, als in der Oeffentlichkeit bekannt geworden. Die deutsche Diplomatie mußte eine entschiedne Haltung einnehmen, um keinen Zweifel darüber zu lassen, daß wir unsre Rechte und Interessen unter keinen Umständen verlegen und uns in diesem unserm Entschluß auch durch Drohungen mit einer gegen uns gerichteten Koalition nicht erschüttern lassen würden. Der Ernst der Lage kam unter dem nachhaltigen Eindruck des Kaiserbesuches in Tanger überall zum Bewußtsein. Die Reaktion gegen eine den Frieden Europas gefährdende Lösung der Marokkofrage unter Ausschaltung Deutschlands führte in Frankreich zu dem Anfang Juni erfolgten Rücktritt des Ministers Delcassé. Dieser Wechsel eröffnete die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen den Rechten und Intereffen Deutschlands einerseits und den Ansprüchen Frankreichs andrerseits. Die Verständigung konnte jedoch nicht auf dem Wege eines deutsch-französischen Sonderabkommens gesucht werden, da Deutschland hierbei in denselben Widerspruch zur Madrider Konvention geraten wäre, den es in Frankreichs Vorgehen festgestellt hatte.

Als geeignetstes Mittel für die Herbeiführung einer Verständigung erschien der deutschen Politik die Einberufung einer neuen Marokkokonferenz, ein Gedanke, der sich aus den Grundlagen der deutschen Aktion folgerichtig ergab. Wir hoffen aufrichtig, daß die Beunruhigung, die ohne Verschulden Deutschlands entstanden war und längere Zeit auf die internationale Lage störend einwirkte, nunmehr allgemeinem Vertrauen und der Zuversicht in eine gesegnete Friedensarbeit weichen wird.

II.

Verhältnis zu Großbritannien.

6. Januar. In München tagt eine Versammlung von mehreren tausend Personen, um eine Kundgebung für die freundschaft= lichen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reiche und England zu veranstalten. Zu der Versammlung ist auch der englische Gesandte Tower erschienen. Acht Redner betonen die Notwendigkeit freundschaftlicher Beziehungen vom kulturellen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, politischen, kommerziellen und Arbeiterstandpunkte aus. Zuletzt wird beschlossen:

Die Versammlung erwidert mit lebhafter Freude die Kundgebungen freundschaftlicher Gesinnung, mit denen unlängst eine Reihe der ausgezeichnetsten Männer Großbritanniens einer um sich greifenden Entfremdung der britischen und deutschen Nation entgegengetreten sind. Die Versammlung wünscht auf das entschiedenste zu befunden, daß weder in politischen noch in wirtschaftlichen Fragen ein ernsthafter Grund für eine Gegnerschaft der beiden Völker besteht, sie erblickt vielmehr sowohl in ihrer Stammesverwandtschaft und alten Kulturgemeinschaft, wie in den nahen geistigen und wirtschaftlichen Beziehungen der Gegenwart die triftigsten Gründe für die Fortdauer und Pflege herzlicher Freundschaft. Die Versammlung verurteilt auf das schärfste das heßerische Treiben unverantwort= licher Persönlichkeiten, die Unfrieden zwischen den beiden Völkern zu säen suchen. Die Versammlung hofft, daß auf beiden Seiten ruhige Weberlegung die in lezter Zeit entstandnen Mißverständnisse rasch beseitigen wird und daß auch in Zukunft wie in alter Zeit beide Nationen vertrauensvoll zusammenwirken werden, zu beiderseitigem Nußen und im Dienste des Fortschrittes der gesamten menschlichen Kultur.

13. Januar. Bei dem Grafen Harry Keßler geht folgendes Telegramm des Reichskanzlers Fürsten von Bülow ein: „Die Kundgebungen hervorragender Vertreter deutscher und englischer Kunst und Wissenschaft können nur dazu beitragen, die Beziehungen zwischen Deutschland und England zu verbessern. Ich heiße sie mit großer Befriedigung willkommen und danke Ihnen aufrichtig für Ihre Mitteilung." Mit dieser Kundgebung ist ein an die englische Presse gerichteter Brief gemeint, in dem gesagt ist:

Der hochentwickelte Sinn für Verantwortlichkeit, den die englische Presse in der Vergangenheit übereinstimmend an den Tag legte, ermutigt uns, gegen die Behauptungen zu appellieren, die mit wachsender Häufigkeit in ihre Spalten gebracht werden und durch die Deutschland böswillige Pläne gegen England zugeschrieben werden. Auf diese Weise werden Empfindungen verbreitet, die im Falle der Not denjenigen, die für den Frieden zwischen den beiden Ländern verantwortlich sind, ihre Aufgabe erschweren und vielleicht unmöglich machen würden. Wir, die wir auf den Gebieten der Wissenschaft, Literatur, Kunst und der höhern Berufe tätig sind, empfinden besonders stark die auf diese Weise ins Leben gerufne Bedrohung der europäischen Zivilisation. Wir bedauern die Form, in der gewisse Blätter in Deutschland wie auch in andern Ländern des Kontinents und Amerikas ihrem Empfinden während des leßten Krieges in Südafrika Luft machten. Wir behaupten jedoch, daß diese Angriffe keineswegs die Folge eines tief gewurzelten Hasses waren und daß augenblicklich in Deutschland keine Mißstimmung gegenüber England besteht, abgesehen von der Mißstimmung, die von Zeit zu Zeit durch solche Aeußerungen englischer Männer und Zeitungen von Anschen hervorgerufen wird, die wir als entstellende Darstellungen der deutschen Ziele empfinden. Wir können konstatieren, daß niemand von uns jemals ernstlich einen Angriff auf England besprechen oder von irgendeinem Manne oder Teile des deutschen beachtenswerten Publikums billigen hörte, troßdem wir in räumlich weit getrennten Teilen Deutschlands Icben und uns in Sphären der deutschen Gesellschaft und des deutschen Parteiwesens bewegen, die voneinander verschieden sind. Die Flottenpolitik der Regierung, ob sie Billigung findet oder nicht, wird

allenthalben in Deutschland als Mittel aufgefaßt und deutlich erkannt, einzig und allein das zu schaffen, was die Regierung als einen ausreichenden Schuß für die wachsende Masse der deutschen Schiffahrt betrachtet, sicherlich aber nicht als ein Mittel, mutwillig in irgendeinen Kampf zur See einzutreten. Wir sind aufrichtig überzeugt davon, daß kein Schritt, den die deutsche Regierung möglicherweise tun würde, und daß kein Empfinden, das das deutsche Volk hegen könnte, jemals die Freundschaft zwischen beiden Nationen wirklich bedrohen kann, wenn sich nur dieser Nebel des Vorurteils zerteilen ließe.

Der Aufruf ist unterschrieben u. a. von: Ansorge. Auwers. v. Bergmann. Bode. Brentano. Dehmel. Eucken. Haeckel. Harnack. Graf Harrach. Gerhard Hauptmann. Paul Heyse. Adolf Hildebrand. Graf Kalckreuth. Joseph Joachim. May Klinger. Graf Harry Keßler. Robert Koch. Max Liebermann. Sombart. Olshausen. Richard Strauß. v. Uhde. Siegfried Wagner. Waldcher. v. Wilamowig-Moellendorff.

14. Januar. Im Lyceumklub zu Berlin findet eine Kundgebung für freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und England statt, die sich als eine Antwort auf das German Dinner des Londoner Lyceumklubs darstellt. Zuerst spricht der englische Botschafter Sir Frank Lascelles. Er habe die Einladung um so bereitwilliger angenommen, als er dadurch Anlaß nehmen konnte, seine Sympathie mit dem Zwecke der Versammlung auszudrücken. Er könne eigentlich wenig andres tun, als die vom Botschafter Grafen Wolff - Metternich im Londoner Lyceumklub am 2. Dezember gehaltene Rede wiederzugeben. Mit Befriedigung be= grüße er den Ausspruch des Grafen, daß es keine Gründe zu Zwiftigkeiten zwischen beiden Nationen gebe. Auch sei viel weniger Mißstimmung vorhanden gewesen, als ein gewisser Teil der Presse auf beiden Seiten dies hingestellt hätte. Die Tatsache, daß in Berlin ein Lyceumklub gegründet worden sei, sei an sich ein Beweis gegen den Gedanken einer Feindschaft. Die Damen hätten die Macht, auf ihre Landsleute in dem Sinne einzuwirken, daß Freundschaft mit einem Lande nicht notwendig Feindschaft mit einem andern Lande bedeuten müsse. Frau v. Siemens gedenkt in ihrer Ansprache der erhabnen Tochter Englands, der Kaiserin Friedrich, des Vorbildes in den künstlerischen und humanitären Bestrebungen der gebildeten Frauen, und schließt mit einem Hoch auf den König und die Königin von England. - Hiernach toastet der Bischof of Southwark auf den Lyceumklub; Prinz Schönaich - Carolath spricht in ähnlichem Sinne. - Professor Harnack sagt: Es gebe in Europa nicht zwei Nationen, die so eng miteinander verknüpft seien, wie die deutsche mit der englischen; es sei fast wie in einer guten Ehe, man könne nicht aufrechnen, was man einander schuldig sei. Er geht auf das gemeinsame Arbeiten in Philosophie und Naturwissenschaften ein und nennt Darwin und Helmholz, Carlyle und Ranke. Durch Geben und Nehmen in der Wissenschaft seien

beide Völker eine geistige Einheit, und die Wissenschaft bedeute den Frieden. Gegenüber den neuen Formen, die das Zusammendrängen der Völker geschaffen habe, komme man mit den alten Maßstäben nicht mehr aus. Es ist eine Pflicht der neuen Zeit, durch einen kräftigen Altruismus diesen neuen Aufgaben gerecht zu werden. Die Geschichte mache gegenwärtig einen Ruck vorwärts in der Verbrüderung der Völker, und die Wissenschaft könne dazu helfen, indem sie die Völker einander besser kennen lehre, und indem sie als der beste Feind des Chauvinismus vereinigend wirke.

In Köln findet unter der Teilnahme von Vertretern von 32 Handelskammern Rheinland- Westfalens und von Vertretern der Wissenschaft eine öffentliche Kundgebung zur Förderung guten Einvernehmens zwischen Deutschland und England unter dem Vorsiz des Präsidenten der Kölner Handelskammer, Geh. Kommerzienrats Michels, statt. Kardinal Fischer betont, es gelte den Frieden zu fördern im Interesse beider Nationen und der ganzen Menschheit. Der englische Konsul Niessen hebt hervor, beide Nationen hätten sich nie bekriegt, wohl aber oft gemeinsam gekämpft. Das Herrenhausmitglied Graf Hoensbroech führt aus, kein englischer Seekadett glaube, daß die deutsche Flotte die englische bedrohe; beide Völker sollten in neun Jahren die Hundertjahrfeier der Schlacht bei Waterloo brüderlich miteinander begehen.

16. Januar. Die Handelskammer von Berlin veranstaltet ein Festmahl, das bestimmt ist, dem Wunsche Ausdruck zu verleihen, gute Beziehungen zwischen den deutschen und den britischen Handelskreisen zu erhalten und zu befestigen. Es haben sich annähernd zweihundert Teilnehmer eingefunden. Der Botschafter Großbritanniens Sir Frank Lascelles ist mit den Mitgliedern der Botschaft erschienen; ferner wohnen als Gäste aus Großbritannien der Vizepräsident der Londoner Handeskanımer Charleton, der Bischof of Southwark Talbot, Sir Thomas Barclay und Vertreter der englischen Presse bei. Der Geheime Kommerzienrat Herz begrüßt die Versammlung, indem er auf den Zweck dieser Veranstaltung, eine Annäherung zwischen den beiden Nationen, die uralte Freunde seien, zu fördern hinweist.

Der Botschafter Sir Frank Lascelles sagt u. a.:

Meiner Meinung nach erwartet man zu viel, wenn man glaubt, daß die Mißverständnisse, auf die die vermeintliche Mißstimmung zwischen beiden Ländern zurückzuführen ist, sofort verschwinden können. Aber bedeutsame Versammlungen, die seit kurzem in ganz Deutschland stattgefunden haben und noch weiter stattfinden, werden viel dazu beitragen, die Luft zu reinigen. Andrerseits wird man sie sehr sorgfältig begutachten, und vielleicht werden sie in manchen Kreisen falsch verstanden und dahin ausgelegt werden, daß Freundschaft zwischen unsern beiden Ländern Feindschaften zu

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