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nicht so sehr unter dem Druck der Sozialdemokratie eingebracht, als weil sie an den staatlichen Einrichtungen Desterreichs verzweifeln mußte.

14. März. Bei der fortgeseßten Beratung der Wahlreform= vorlage stellt der Ministerpräsident v. Gautsch fest, daß sämtliche Redner die Notwendigkeit der Wahlreform anerkannt und grundsäßlich dem Grundgedanken der Regierungsvorlage zugestimmt hätten. Er tritt ferner dem Vorwurf entgegen, daß die konservativen Elemente durch die Wahlreform aus den Parlamenten verdrängt werden sollten; in der Wahlkreiseinteilung sei dagegen Vorsorge getroffen. Durch die vorgeschlagne Aenderung im Sinne der Entlastung des Reichsrats würde der nationale Kampf statt einer Stätte deren viele haben, wo die Möglichkeit der Vermittlung schwieriger wäre als im Reichsrate. v. Gautsch widerspricht der Behauptung, daß die Wahlreform im Interesse der sozialdemokratischen Partei eingebracht worden sei, und betont, daß die Regierung keine Verbindung mit der sozialdemokratischen Partei unterhalte. Redner tritt sodann der Behauptung bezüglich einer Verkürzung der Rechte der slawischen Völker entgegen und erklärt, die Vorlage, die die Zahl der Mandate erhöhe, könne kein schreiendes Unrecht an den nichtdeutschen Völkern bedeuten. Er sehe keine Schwächung Oesterreichs durch diese Reform voraus, er sehe vielmehr Millionen, die bisher von Unmut erfüllt waren, enger an die Interessen des Vaterlandes geknüpft, er sehe das Parlament neu gegründet auf der Grundlage des gleichen Rechts und gerüstet gegen die Stürme der Zukunft und könne daher mit Beruhigung sagen: „Wer für das neue Wahlrecht stimmt, stimmt für Neubegründung unsrer parlamenta= rischen Einrichtungen." Uebrigens sei die Regierung gern bereit, den berechtigten Wünschen der Deutschen betreffend die Mandatszuteilung entgegenzukommen. Die Verständigung mit den Tschechen sei von so grundlegender Bedeutung für ganz Desterreich, daß alle andern Streitfragen in den Hintergrund treten müßten.

15. März. Kramar sagt, die Tschechen seien gegen jede Verfälschung der Wahlreform und träten für sie selbstlos einzig im Intereffe des Volkes ein. Die Folge der Wahlreform werde eine Verfassungsreform in nationaler Richtung in Verbindung mit einer Dezentralisation sein müssen. Die Tschechen wollten friedlich mit den andern Völkern leben, würden sich aber niemals eine Ungerechtigkeit gefallen und sich nicht den Stempel der Minderwertigkeit aufdrücken lassen. Abrahamovitsch erwartet von der Wahlreform feine Befferung der parlamentarischen Lage. Das Charakteristische an der Vorlage fei, daß diese Frage aus Angst vor dem Terrorismus ins Rollen gekommen sei. Es wird ein Antrag eingebracht, der darauf hinausläuft, Galizien im wesentlichen eine staatsrechtliche Stellung ähnlich der zu geben, wie sie KroatienSlawonien gegenüber dem eigentlichen Ungarn besißt.

21. März. Bärnreither hält eine Wahlreform für unmöglich, solange nicht die Nationalitätenfrage gelöst sei. Redner verweist auf die Wirkungen

und den Aufschwung, den das Deutsche Reich seit Einführung des allgemeinen Wahlrechts genommen habe, betont aber, daß das Deutsche Reich ein nationaleinheitlicher Staat sei, und daß dort der Bundesrat vas Gegengewicht gegen die Volksvertretung bilde. In Desterreich handle es sich nicht um die Schaffung eines Volksstaates, sondern eines Völkerstaates. Die Deutschen müßten darüber wachen, daß sie nicht für die heute im Gange befindliche Politik die Zeche bezahlten.

22. März. Wolff hält die Vorlage für eine Gefahr für den Staat. Ebenhoch hält diese Gefahren für ausgeschlossen, wenn die Deutschen allen Nationen gegenüber Gerechtigkeit übten und untereinander einig seien.

23. März. Graf Stuergkh bezeichnet die Wahlreform der Regierung als den schwersten Schlag, der seit Beginn der verfassungsmäßigen Zustände gegen das Deutschtum Desterreichs geführt wurde. Diese Aktion bedeute die dauernde Unterjochung der Deutschen im Parlament unter die slawisch- radikale Mehrheit. Das fünftige demokratisierte Parlament werde sich auch sehr schwierig gegenüber den Forderungen der Heeresverwaltung zeigen, und die Wahlreform sei eine Gefahr für die jeßigen Bündnisse des Reichs. Er müsse über die Köpfe der zisleithanischen Regierung hinweg an den Minister des kaiserlichen Hauses und des Aeußern die Frage richten, ob er sich der ungeheuern Gefahren bewußt sei, die für die wesentlichen Interessen der Dynastie und der Monarchie durch die Vorlage der Regierung heraufbeschworen würden, und wenn ja, was Graf Goluchowski zur Abwehr dieser Gefahren zu tun gedenke. Das ganze verbündete Ausland habe ein Recht auf die Beantwortung dieser Frage. Hiernach wird die Wahlreformvorlage an einen Ausschuß ge= wiesen.

IV.

Ministerium Prinz Hohenlohe.

3. Mai. Das Wiener Amtsblatt veröffentlicht die Enthebung des Ministerpräsidenten Freiherrn v. Gautsch und des Ministers des Innern Grafen Bylandt-Rheidt von ihren Posten und die Ernennung des Prinzen Konrad zu Hohenlohe zum Ministerpräsidenten unter Betrauung mit der Leitung des Ministeriums des Jnnern. Der Prinz ist am 16. Dezember 1863 zu Wien geboren als ältester Sohn des verstorbnen Obersthofmeisters des Kaisers, Prinzen Konstantin, und steht seit achtzehn Jahren im Verwaltungsdienste.

V.

Reichsrat zur Zeit des Ministeriums Hohenlohe.

1.

Programmerklärung.

15. Mai. Jm Abgeordnetenhause betont der Ministerpräsideut Prinz zu Hohenlohe, den ersten Punkt seines Regierungsprogramms

bilde die von allen Völkern Desterreichs mit Spannung erwartete Wahlreform, durch die dem Grundsaße Geltung verschafft werden solle, daß gleichen Pflichten gleiche Rechte gegenüberstehn. Das öfter= reichische Staatsbewußtsein und der österreichische Parlamentarismus sollten dadurch eine mächtige Belebung erfahren. Wenn gefürchtet werde, daß es fünftig im Hause für die staatserhaltenden Elemente keinen Raum mehr geben werde, so hoffe er, daß durch die Gleichheit aller im Staate sich alle Elemente in staatsfreundliche verwandeln werden. Die Regierung werde alles aufbieten, um dem Hause die rasche Lösung der Wahlreform zu erleichtern, die nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden werde, und gegen die jeder Widerstand vergeblich sei, weil in ihr die Staatsnotwendigkeit und das öffentliche Rechtsbewußtsein miteinander zu einem gemeinsamen Ziele verbunden seien. Die Regierung will durch die Wahlreform die nationalen Parteien nicht zurückdrängen, sondern sie werde bemüht sein, jedem die Mitarbeit daran zu ermöglichen. Sie hoffe auf Entgegenkommen von seiten der Parteien, zumal da die Opfer, die sie zu bringen haben würden, ihren nationalen Interessen keinen Abbruch brächten. Die Wahlreform sei nicht nur eine Forderung der Gerechtigkeit gegen die untern Volksschichten, nicht nur ein Erforder= nis des Parlamentarismns, sie solle auch das nationale Friedenswerk in Oesterreich begründen oder wesentlich dazu beitragen. Sei es einmal gelungen, auf dem Gebiete des Wahlrechts die Einigung der nationalen Parteien zu erzielen, so sei die Hoffnung gestattet, daß diese Verständigung auch auf allen andern vom nationalen Gesichtspunkte beeinflußten Gebieten möglich sein werde; darum werde die Regierung alles daran seßen, dieser Reform zum Siege zu verhelfen.

Auf das Verhältnis zu Ungarn übergehend, sagt der Ministerpräsident, er glaube, die Wiederherstellung des parlamenta= rischen Verhältnisses zu Ungarn sei mit Sympathie zu begrüßen. Er glaube, es wäre für beide Reichsteile von segensreichsten Folgen, wenn die Ungewißheit und Unsicherheit in den gegenseitigen Beziehungen verschwände und an Stelle der fortwährenden Verordnungen eine dauernde Ordnung träte. In dieser Beziehung bestehe zwischen beiden Regierungen eine Uebereinstimmung. Er sei fest überzeugt, daß, wenn beiderseits der Weg zum Ausgleich mit Loyalität und ernstem Willen beschritten werde, der Erfolg nicht ausbleiben werde. Es wäre ein Segen für Desterreich und Ungarn, an Stelle des bisherigen Zustandes ein vertrauensvolles, vor perio= dischen Erschütterungen gesichertes Verhältnis zu schaffen, nur müsse die Verständigung auf der ganzen Linie erfolgen, denn einseitige Aenderungen des Bestehenden zuungunsten Desterreichs seien gänzlich ausgeschlossen.

16. Mai. Im Herrenhause gibt der Ministerpräsident eine ähnliche Erklärung ab. Er tritt namentlich dem Vorwurf entgegen, daß er es bei der Wahlreform auf Verdrängung des Großgrundbesizes aus dem öffentlichen Leben abgesehen habe, und erklärt, das weitere Verbleiben des Großgrundbesißes hänge wesentlich von ihm selbst ab. Die Regierung sei nicht nur verpflichtet, auf die großen Zeitströmungen zu achten. Sie sei vielmehr ihnen gegen= über verantwortlich. Durch die Wahlreform werde dem Gebote der sozialen und politischen Gerechtigkeit entsprochen; gleichzeitig bahne die Wahlreform die Ausgleichung zwischen den nationalen Parteien über ihre politischen Mißverständnisse an. Jeder österreichische Patriot müsse alles daran seßen und dürfe nichts unversucht lassen, wenn auch nur in weiter Ferne die Möglichkeit der Milderung nationaler Gegenfäße winke.

18. Mai. Das Abgeordnetenhaus berät über die Programmerklärungen des Ministeriums.

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Placek erklärt, der Ministerpräsident werde das allgemeine, gleiche Wahlrecht ohne besondre Kompromiffe und ohne politische Trinkgelder durchführen können, wenn es ihm ernstlich darum zu tun sei. Choc (Tscheche) meint, aus der Programmrede des Ministerpräsidenten gehe hervor, daß der neue Kurs deutsch sein werde. Dafür sei bezeichnend, daß der deutsche Kaiser troß der Proteste der ungarischen Preffe nach Wien komme, um das Regime des Verwandten seines gewefnen Reichskanzlers zu stärken. Die Slawen müßten vorsichtig sein, damit der Schade, den der Besuch des deutschen Kaisers in Wien ihnen zufügen könne, nicht größer sei als der zweifelhafte Vorteil, den die Stadt Prag vom Besuch des Kaisers von Desterreich erhoffe.

22. Mai. (Forts.) Der Ministerpräsident betont, daß der Wahlreformgedanke bereits große Fortschritte gemacht habe und sich stets tiefer in das öffentliche Rechtsbewußtsein eingrabe. Sei es einmal gelungen, durch die im Einvernehmen mit den Parteien geschaffne Wahlreform das nationale Kräfteverhältnis auf der Grundlage der Gerechtigkeit und der vollsten politischen Gleichstellung zu sichern, welch tiefgehender Wandel werde dann in allen bisherigen nationalen Reibungskonflikten eintreten! Wäre die Einigung auf dem Wege des Kompromisses nicht erzielbar, so sei die Regierung fest entschloffen, mit selbständgen Vorschlägen hervorzutreten. Graf Dzieduszycki sagt: Die Haltung des Polenklubs gegenüber der neuen Kegierung werde davon abhängen, wie sie sich den Bedürfnissen Galiziens und des Polenvolts gegenüber in ihren Handlungen erweisen werde. Stein fordert die Festlegung der deutschen Staatssprache, sagt, die jeßigen trostlosen Verhältnisse entsprängen dem Mangel an einer führenden Regierung und eines selbstbewußten Parlaments und schließt mit einem Willkommengruß der Aildeutschen an den demnächst in Wien eintreffenden deutschen Kaiser.

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25. Mai. (Forts.) Stransky (Tscheche) führt aus, die Tschechen stünden nach wie vor entschieden auf dem Standpunkte des allgemeinen, gleichen Wahlrechts. In der Regierungsvorlage aber handle es sich um Schaffung eines Wahlprivilegs für die Deutschen. Die schönen Worte des Ministerpräsidenten genügten den Tschechen nicht. Sie könnten so lange der Regierung nicht anders denn als Gegner gegenüberstehn, als die wichtigsten Forderungen des tschechischen Volkes ignoriert würden.

2.

Wahlreform.

26. Mai. Im Wahlreformausschusse des Abgeordnetenhauses gibt der Ministerpräsident eine Reihe von Anregungen, die er für geeignet halte, eine Vermittlung der verschiednen Meinungen anzubahnen.

Nach diesen Vorschlägen wird die Gesamtzahl der Abgeordneten gegenüber der Gautschschen Vorlage um 40 vermehrt. Von diesen Mandaten fallen auf Galizien 14, Niederösterreich 9, Böhmen 2 deutsche und 2 tschechische, Mähren und Schlesien je 1 deutsches und 1 tschechisches, Bukowina je 1 deutsches, rumänisches und ruthenisches, Oberösterreich 2, Tirol je 1 deutsches und 1 italienisches, schließlich je eins auf Salzburg und Triest; das leßtere ist ein italienisches. Verschiedne Vorschläge bezüglich Galiziens betreffen Aenderung der Landgemeinden sowie der staatlichen Mandate und den Schuß der Minderheiten.

3.

Verwahrung gegen Angarns Vorgehen in betreff des Zolltarifs.

30. Mai. Infolge der Mitteilung des Präsidenten des Abgeordnetenhauses, daß keine Sizung stattfinde, versammeln sich etwa fünfundsiebzig Abgeordnete verschiedner Parteien unter Vorsiß von Prade zu einer Besprechung, um gegen das geschäftsordnungswidrige Absagen der Sizung zu protestieren. Prade drückt sein Bedauern aus über den Rücktritt des Prinzen Hohenlohe, auf den so große Hoffnungen gesezt worden seien, und der zum erstenmale ungarischen Uebergriffen entgegengetreten sei. In einer Konferenz der Obmänner der Parteien wird beschlossen, morgen eine Sißung abzuhalten. Die deutsche Fortschrittspartei und der Zentrumsklub sprechen ihr Bedauern über den Rücktritt des Prinzen Hohenlohe und ihre Genugtuung über dessen Haltung gegenüber Ungarn aus. Der Zentrumsklub bezeichnet es als Pflicht aller Parteien, sich unter Zurückstellung alles Trennenden zur gemeinsamen Abwehr der Macht, Ansehen und Wohlfahrt der Monarchie bedrohenden Forderungen Ungarns zusammenzuschließen. Die Obmännerkonferenz beschließt folgenden Dringlichkeitsantrag im Abgeordnetenhause:

Das Abgeordnetenhaus legt auf das entschiedenste Verwahrung dagegen ein, daß der durch die rechtskräftige Veröffentlichung des gemeinsamen Zoll tarifs mit schweren wirtschaftlichen Opfern unsrer Reichshälfte erkaufte geltende Rechtszustand durch das Vorgehn der ungarischen Regierung ohne Zustimmung des Reichsrats geändert werde, und spricht die bestimmte Erwartung aus, daß es dem Reichsrat durch die Vertagung in dieser kritischen Zeit nicht

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