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der öffentlichen Meinung. Das Dreiklaffenwahlrecht ist in unsrer modernen Zeit nicht mehr opportun. v. Zedlis: Aus den Ausführungen des Ministers habe ich entnommen, daß die preußische Regierung die Einführung des Reichstagswahlrechts für Preußen ablehnt, daß sie weiter eine Neueinteilung der Wahlkreise ablehnt und die historischen Rechte der bisherigen Einteilung wahren will, und daß sie endlich an ein Reichstagswahlrecht der Zukunft denkt, das nicht nach unten, sondern nach oben führt, und daß dieses Wahlrecht der Zukunft ein gleiches für Preußen und Deutschland werden soll. Da wir aber dieses Wahlrecht der Zukunft, das nach oben führt, noch nicht haben, so bleibt uns nichts andres übrig, als das bestehende Wahlrecht in Preußen zu erhalten. Das preußische Wahlrecht steht turmhoch über dem Reichswahlrecht, weil hier die Stimmen nicht bloß gezählt, sondern auch gewogen werden. Wir müssen das preußische Gewicht in die Wagschale werfen, damit wir auch im Reiche ein andres Wahlrecht bekommen, damit das Reich zu voller Blüte gelangt. Das ist die Aufgabe des preußischen Staates.

2. April. Zweite Beratung. Träger begründet zwei Anträge der freisinnigen Parteien, durch die A das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht und eine anderweitige Feststellung der Wahlbezirke und der Ge= iamtzahl der Abgeordneten auf Grund der leßten Volkszählung und B im Falle der Ablehnung des ersten Antrags unter Aenderung der Wahlbezirke und der Abgeordnetenzahl die geheime Abstimmung verlangt wird. - Minister v. Bethmann-Hollweg: Dem vernichtenden Urteil des Vorredners über die Vorlage vermag ich mich nicht anzuschließen. Der Abgeordnete soll nicht Vertreter der eignen Intereffen oder der seiner speziellen Wähler sein, sondern ein Vertreter des ganzen Volkes. Gamp: Das Verlangen nach einem einheitlichen Wahlrecht für Preußen und Deutschland ist nicht gerechtfertigt. Die großen sozialpolitischen Erfolge sind nicht durch die liberalen Parteien erreicht, sondern durch die Konservativen. Durch das Reichswahlrecht für den Landtag würden 50 Wahlkreise eine andre Vertretung bekommen, darunter würden 32 Abgeordnete sozialdemokratisch sein, das Zentrum würde sieben Wahlkreise und die Freisinnigen einen Kreis gewinnen. Porsch: Uns geht die Vorlage nicht weit genug. Durch eine Ablehnung würden wir aber weniger cinen Druck auf die Regierung ausüben, uns eine weitergehende Wahlreform vorzulegen, als bei denen Freude bereiten, denen schon diese Vorlage zu weit geht. Der kleinste Sperling in der Hand sollte uns auch jezt lieber sein als die schönste Taube auf dem Dache. — Broemel: Die Vorlage beruht auf der Fiktion, daß bei uns alles zum besten bestellt ist. Das heißt, Vogelstraußpolitik treiben. Die preußische Volksvertretung ist überhaupt keine Volks-vertretung.

Unter Ablehnung von Anträgen auf besondre Erklärungen werden beide Vorlagen nur mit der Aenderung zum zweiten Gesetzentwurfe genehmigt, daß die Gruppen- oder Fristwahl schon bei einer Anzahl von 500 Wahlmännern statt 600, wie vorgeschlagen war, vom Minister des Innern angeordnet werden kann.

3. April. Annahme in dritter Beratung. (Da die Vorlage: eine Aenderung der Verfassung enthält, muß über sie nach 21 Tagen noch einmal abgestimmt werden.)

3. Mai. Genehmigung in der von der Verfassung vorge= schriebnen zweiten Abstimmung.

25. Mai. Zustimmung des Herrenhauses.

16. Juni. Wiederholte Zustimmung des Herrenhauses. (Geseße vom 28. Juni 1906.)

II.

Aenderung der Verfassung in betreff des Unterrichts

wesens.

3. Mai. Erste Beratung eines von Schiffer (natl.) und Genossen eingebrachten Geseßentwurfs wegen Abänderung der Verfassung in den Artikeln 26 und 112, die jeßt lauten: „Artikel 26. Ein besondres Gesez regelt das ganze Unterrichtswesen. Artikel 112. Bis zum Erlaß des in Artikel 26 vorgesehenen Gesezes bewendet es hinsichtlich des Schul- und Unterrichtswesens bei den jezt geltenden gesetzlichen Bestimmungen."

Nach dem mit Rücksicht auf das Volksschulunterhaltungsgeseß eingebrachten Antrage soll Artikel 26 folgende Fassung erhalten: Das Schul- und Unterrichtswesen ist durch Geseß zu regeln. Bis zu einer anderweiten geseßlichen Regelung finden hinsichtlich des Schul- und Unterrichtswesens das jest geltende Recht und die auf Grund desselben von den Behörden erlassenen oder zu erlassenden Vorschriften Anwendung und Artikel 112 aufgehoben werden.

5. Mai. In zweiter Beratung wird der Antrag Schiffer mit einer ge= ringen Aenderung angenommen. Ebenso in dritter Lesung.

28. Mai. Die Vorlage wird in nochmaliger Abstimmung angenommen. 29. Mai und 3. Juli. Zustimmungen des Herrenhauses. (Geseß vom 10. Juli 1906).

III.

Schutz der Verfassung der einzelnen Staaten

des Reichs.

16. Mai. Nachdem der Reichstag die Diätenvorlage endgiltig angenommen hat, wird von der konservativen Landtagsfraktion im Abgeordnetenhause der Antrag eingebracht, die Staatsregierung aufzufordern, im Bundesrate dahin zu wirken, daß Eingriffe in die Verfassungen der Einzelstaaten, insbesondre Preußens, im Wege der Reichsgesetzgebung vermieden, jedenfalls nicht ohne Einvernehmen mit den Einzellandtagen vorgenommen werden.

Der Antrag richtet sich gegen den Paragraphen 5 des Diätengeseßes, der für den Fall von Doppelmandaten bestimmt: „Ein Mitglied des Reichstags darf in seiner Eigenschaft als Mitglied einer andern politischen Körperschaft, wenn beide Körperschaften gleichzeitig versammelt sind, nur für die Lage Vergütung beziehen, für die ihm auf Grund dieses Gesezes ein Abzug von der Ent schädigung gemacht ist oder in den Fällen des Paragraphen 3 Tagegeld nicht

gewährt wird. Auch darf es in dieser Eigenschaft während der Dauer der freien Fahrt auf den Eisenbahnen keine Eisenbahnfuhrkosten annehmen.“

29. Mai. Minister v. Bethmann-Hollweg: Wenn Bundesratsbestim= mungen von den Einzelstaaten abhängig gemacht werden sollten, dürfte man nicht die Begriffe Reichsgewalt und Volksvertretung miteinander verwechseln. In der jezigen Fassung sei der Antrag unannehmbar. Selbstverständlich feien die Minister gern und jederzeit bereit, im Landtage Rede und Antwort zu stehen und mit ihm Fühlung zu nehmen. Ein Losreißen der Minister von den Beziehungen des Reiches sei nicht angängig. Justizminister Beseler weist darauf hin, daß der Staatsrechtslehrer Laband mit seiner Auffassung, die Einzelstaaten hätten das Recht, ihre Bundesratsbevollmächtigten zu instruieren, ziemlich isoliert dastehe. Mit der jezigen Fassung des Antrags werde nichts erreicht. Der Hauptantrag wird angenommen, ohne daß über den Antrag auf Kommissionsberatung abgestimmt wird.

Unterrichtsangelegenheiten.

I.

Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen.

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22. Mai. Zweite Beratung des Abgeordnetenhauses über den am 11. Dezember 1905 an die Kommission gewiesenen Gesezentwurf (siehe Band 2 von 1905, Seite 151). Zunächst wird über die Paragraphen, betreffend die Träger der Schulunterhaltungslast und deren Organisation, beraten. Kultusminister Studt: Nach langer, mühevoller Arbeit ist das Volksschulunterhaltungsgeseß in der Kommission durchberaten worden. Zu dem am meisten umstrittenen Paragraphen 40 ist ein nationalliberaler Antrag eingegangen, der die verschiedne Behandlung der Lehrer und Rektoren auch in der Art ihrer Berufung geboten erachtet, die rückwirkende Kraft aber verweigert. Die Stellungnahme der Regierung findet durch diesen Antrag eine gewisse Würdigung. Daher bin ich bereit, der nationalliberalen Anregung zu folgen, und hoffe, daß eine Verstän= digung auf dieser Grundlage möglich sein wird. Die Regierung ist gern bereit, die Hand zu einer solchen Verständigung zu bieten. Das Gesetzgebungswerk ist von allergrößter Bedeutung, erstrebt es doch eine gerechtere Verteilung der Schullasten, und bringt es doch das Kleinod der Jugenderziehung, an dem die berufnen Organe der Selbstverwaltung großen Anteil haben, auf eine sichere Grundlage. — Der nationalliberale Vermittlungsautrag geht dahin:

1. im Paragraphen 40 den Absaß 6 folgendermaßen zu ändern: „In Stellen, deren Inhabern Leitungsbefugnisse zustehen (Rektoren, Hauptlehrern usw.), sind solche Lehrer zu berufen, die den besondern auf Gefeß oder rechtsgiltigen Verwaltungsanordnungen beruhenden Voraussetzungen entsprechen. Die Beseßung erfolgt durch die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der im Absatz 2 bezeichneten Behörde. Jedoch bewendet es in den einen eignen Schulverband bildenden Gemeinden, in denen bisher die bürger

liche Gemeinde Trägerin der Schullast war, und den Gemeindeorganen ein Recht auf weitergehende Mitwirkung bei der Berufung der Lehrkräfte für Stellen der vorstehend bezeichneten Art zugestanden hat, rücksichtlich der den Gemeindeorganen zustehenden Befugnisse, bei dem bestehenden Recht. Dasselbe findet in den einen eignen Schulverband bildenden und unter Paragraph 9 Absaß 1 fallenden Gutsbezirken, sowie in den unter die Bestimmungen der Paragraphen 33 Absatz 7 und Paragraph 9 Absag 1 fallenden Gesamtschulverbänden rücksichtlich des bisher den Gutsherren zustehenden Rechts auf weiter= gehende Mitwirkung bei der Berufung von Lehrkräften der gedachten Art mit der Maßgabe statt, daß dieses Recht durch den Gutsvorsteher ausgeübt wird. Darüber, ob und in welchem Umfange ein solches Recht besteht, beschließt die Schulaufsichtsbehörde. Gegen deren Beschluß steht den Beteiligten binnen drei Monaten bei dem Kreisausschuß, und sofern eine Stadt beteiligt ist, dem Bezirksausschuß die Klage im Verwaltungsstreitverfahren zu. Hinsichtlich der Bestätigung, der Ausfertigung der Ernennungsurkunde und der Anstellung finden die Bestimmungen in Absatz 3 bis 5 finngemäße Anwendung." 2. im Paragraphen 40 den Eingang des 7. Absages folgendermaßen zu faffen: „Die Ausübung des Wahlrechts, der Berufungs-, Vorschlags- usw. Rechte oder der Anhörung findet nicht statt.“

Hierzu bemerken: Friedberg (natl.): Sollte dieser Antrag abgelehnt werden, so würden wir gegen die Vorlage stimmen. —v. Zedlik (fr.-kons.): Der Antrag biete eine geeignete Grundlage für eine Verständigung. Caffel (fr. Vp.): Wir können uns nicht damit einverstanden erklären, daß einzelne Gemeinden das Berufungsrecht für die Rektoren erhalten, andre nicht, wie es der Antrag will. Wir wollen gleiches Recht für alle und bekämpfen das Gesez, weil die Simultanschule zur Ausnahme gemacht wird, während sie eine gleichberechtigte Form ist. v. Heydebrand (kons.): Wir geben der Vorlage den Vorzug. Ich glaube, in seiner jeßigen Fassung werden wir gegen ihn stimmen; aber er gibt den Weg an, auf dem wir zu einer Verständigung gelangen können. Wir behalten uns volle Freiheit vor, hoffen aber, daß wir auch mit Zustimmung der großen Parteien zum Ziele gelangen werden.

28. Mai. Nach ausführlicher Beratung der einzelnen Paragraphen an den vorhergehenden Tagen wird der umstrittendste, die Lehreranstellung betreffende Paragraph, infolge einer Einigung der Parteien also gefaßt:

Bis zum Erlaß eines allgemeinen Gesezes über die Lehreranstellung finden die folgenden Vorschriften Anwendung:

§ 58. Die Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen werden, vorbehaltlich der Bestimmung des Absages 6, von der Gemeindebehörde aus der Zahl der Befähigten innerhalb einer von der Schulaufsichtsbehörde zu bestimmenden Frist gewählt.

Das Wahlrecht wird ausgeübt: 1. in Städten und solchen Landgemeinden, die Schuldeputationen haben, durch den Gemeindevorstand nach Anhörung der Schuldeputation und der etwa vorhandnen Schultommission, beim Vorhandensein mehrerer Schulkommissionen derer, für deren Schule die Anstellung zunächst erfolgen soll. In den Orten, wo ein kollegialer Gemeindevorstand nicht besteht, wird das Wahlrecht durch die Schuldeputation

ausgeübt; 2. in solchen Gutsbezirken und Gesamtschulverbänden, auf die die Bestimmungen des Paragraphen 8, Absatz 1 und Paragraph 50, Absaz 7 zutreffen, durch den Gutsvorsteher mit Zustimmung des Schulvorstandes; 3. in den übrigen Landgemeinden, Gutsbezirken und Gesamtschulverbänden durch den Schulvorstand.

Die Gewählten bedürfen der Bestätigung durch die Schulaufsichtsbehörde und werden von ihr unter Ausfertigung der Ernennungsurkunde für den Schulverband angestellt. Die Bestätigung darf nur aus erheblichen Gründen versagt werden. Versagt die Schulaufsichtsbehörde die Bestätigung, so fordert sie unter Mitteilung hiervon zu einer anderweiten Wahl binnen einer von ihr zu bestimmenden Frist auf. Das Wahlrecht erlischt für den betreffenden Fall, wenn die Fristen nicht innegehalten werden, oder wenn die Schulaufsichtsbehörde zum zweitenmale die Bestätigung des Gewählten versagt. Die Anstellung erfolgt in diesem Falle unmittelbar durch die Schulaufsichtsbehörde für den Schulverband.

In Stellen, deren Inhabern Leitungsbefugnisse zustehen (Rektoren, Hauptlehrern usw.), sind solche Lehrer zu berufen, die den besondern auf Gesez oder rechtsgiltigen Verwaltungsanordnungen beruhenden Vorausseßungen entsprechen. Hierbei hat eine angemessene Berücksichtigung auch der im Schuldienst außerhalb des Schulverbandes angestellten und bewährten Lehrpersonen, insbesondre von Hauptlehrern und Präparandenlehrern, zu erfolgen.

In der Gesamtabstimmung wird das Geseß mit großer Mehrheit durch die Stimmen der Konservativen, Freikonservativen und Nationalliberalen angenommen.

Kultusminister Studt: Ich kann meinen erneuten tiefempfundenen Dank für die Fertigstellung dieses Einigungswerkes ausdrücken. Es ist heute mehrfach von der Allmacht des Unterrichtsministers gesprochen worden. Ich kann versichern, daß ich mich bei der Ueberfülle von Verantwortung und Arbeit freuen würde, wenn diese Verantwortung und Last dem Unterrichtsminister vermindert werden könnte in einer Weise, wie es sowohl den Interessen der Selbstverwaltung wie der Schule und des Staates Rechnung trägt. Ich habe über diese Auffassung niemals einen Zweifel gelassen. So allmächtig ist übrigens der Minister nicht, wie es dargestellt wird. Das Zuständigkeitsgeseß, das Gesetz über die Schulleistungen und die allgemeinen Vorschriften über das Verwaltungsstreitverfahren geben sehr wohl die Möglichkeit, auch außerhalb der Zuständigkeit der Zentralinstanz gewisse Rechte durchzuseßen, aber die Befugnisse der Zentralinstanz sind seit Generationen nie in einer Weise ausgeübt und ausgebeutet worden, daß dadurch die Interessen der preußischen Volksschule in erheblichem Maße beeinträchtigt worden wären, im Gegenteil, es ist unter gemeinsamer Mitwirkung im allgemeinen mit gutem Erfolge gearbeitet worden, und dies ist auch allseitig anerkannt worden. Die preußische Volksschule steht hoch in der zivilisierten Welt, und so wird es hoffentlich immer bleiben. Der 28. Mai war ein kritischer Tag erster Ordnung, ich darf ihn jezt als einen Tag des Friedens bes

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