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nahme gegenüber den neuen Steuervorschlägen geeignet ist, in den weitesten Kreisen, und zwar gerade unter den besten, Reichsverdrossenheit zu erzeugen. Die Zustimmung der Regierung zur Reichserbschaftssteuer ist ein Einbruch in die direkte Steuerbefugnis der Einzelstaaten, sie erschüttert den föderativen Charakter des Reiches, eine Reichsverdrossenheit ist also vollkommen begründet. Die Reichserbschaftssteuer ist eine Vermögenssteuer der allerschlimmsten Art, und zwar um so mehr, als wir schon eine Vermögenssteuer, die Ergänzungssteuer haben, und die Regierung diese Steuer wohl noch weiter ausbauen wird. Das Vorgehen der Regierungen ist eine Verbeugung gegen die Irrlehre des Radifalismus, daß die indirekten Steuern die Massen besonders belasten. Diese unsinnige Theorie hat Fürst Bismarck schon widerlegt. — Minister v. Rheinbaben: Zweifellos sind die Steuern im Osten sehr hoch, zum Teil besorgniserregend, und werden zum großen Teil im Interesse der großen Städte und des Westens aufgebracht. Aber der Staat ist demgegenüber nicht untätig geblieben. Während wir aus Ostpreußen nur vier Millionen Einkommensteuer beziehen, zahlen wir dorthin sechs Millionen für das Schulwefen. An dem Grundgedanken der Verfassung, daß die Gemeinde die Trägerin der Volksschullasten sein muß, werden wir unbedingt festhalten müssen. v. Burgsdorff: Die Gerichtsentscheidungen müssen im Lande verstanden werden, die angewande Jurisprudenz darf nicht in Widerspruch stehen mit der praktischen Politik. Das internationale Judentum hat an die deutsche Sozialdemokratie das Ferment der Dekomposition der Völker abgegeben. Wenn wir es da unterlassen, alle vorbeugenden Hilfsmittel anzuwenden, fönnte einst wohl hier die Exekutionsinstanz versagen wie in Rußland. — Herzog zu Trachenberg fordert auf, daß man Mittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie namhaft mache. Eine Aenderung des Vereinsgefeßes wäre im Zeitalter des Telegraphen und der Großbetriebe vollkommen unwirksam. Also bleibt für uns nichts andres übrig, als der Appell zum Zusammenschluß der bürgerlichen Parteien. Wo sie sich zusammenschließen, haben sie immer noch die Majorität gegenüber der Sozialdemokratie. Minister Studt bestreitet die Aeußerung, daß die Gemeinden in bezug auf das Volksschulwesen nur Pflichten, aber keine Rechte hätten. Der Volksschulunterhaltungsgeseßentwurf bringe sogar eine erhebliche Erweiterung des Selbstverwaltungsrechts.

29. März. Beim Etat der Eisenbahnverwaltung erklärt der Ministerialdirektor Stieger, daß falls kein Einverständnis mit den übrigen Staaten erzielt wird, Preußen allein die Personentarifreform durchzuführen bereit sei. - Beim Etat der direkten Steuern sprechen sich mehrere Redner gegen die hohe Belastung

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des Ostens aus. — v. Buch wendet sich gegen die Reichserv@aftssteuer aus prinzipiellen Gründen. Mit der immer stärkern Heranziehung der Wohlhabenden komme man zu einer Vermögenskonfiskation. Ein Scheitern der Reichsfinanzreform sei immer noch am besten, selbst wenn infolgedessen die Matrikularbeiträge und die Einkommensteuer erhöht werden müßten. — Minister v. Rheinbaben: Scheitert die Reichsfinanzreform, so muß die Einkommensteuer um 50 bis 60 v. H. erhöht werden. Das würde wohl sehr lange Geier geben. Schlimmer als Preußen würden die thüringischen Staaten daran sein. Deshalb halte er die Erbschaftssteuer für das kleinere Uebel. Graf Mirbach: Die Reichsfinanzreform widerspreche der königlichen Botschaft von 1881.

30. März. Beratung des Etats der Justizverwaltung. Oberbürgermeister Adickes aus Frankfurt a. M. bespricht die im Reiche geplanten Justizreformen. Der vorliegende Etat sieht wieder eine Vermehrung der Richterstellen um 215 und der Bureaubeamten um 310 vor. Man muß sich fragen, ob denn unsre Einrichtungen gute sind, wenn allmählich so viel neue Richter gebraucht werden. Diese Frage muß ich verneincn. Wir haben allein etwa 5000 rechtsprechende Richter, die Zunahme seit 1882 beträgt nicht weniger als 1648. Entsprechen nun die Ergebnisse diesem Aufwand an Kraft? Nein, das Vertrauen in die Rechtspflege ist im Schwinden begriffen. Ich frage, ob nicht ein gut Teil Schuld daran auch in der Organisation liegt. Es ist selbstverständlich, daß unter der Zunahme der Richter die Qualität leidet, daß das Maß der Mittelmäßigkeit da ein großes ist. Prozentual beträgt die Zahl der Richter bei uns zehumal so viel wie in England; der Staatsanwalt ist in England unbekannt. - Oberlandesgerichtspräsident Hamm: Ein Vergleich zwischen England und Preußen ist hier nicht möglich. Das Vertrauen zur Rechtspflege ist höchstens bei der Sozialdemokratie verloren. Für die Reinheit der Rechtspflege läßt sich allerdings noch manches tun, die Zuständigkeit der Amtsgerichte läßt sich erweitern. Wir leiden an einer zu großen Zahl von Instanzen. Minister Beseler: Das Recht habe sich in England aus Verhältnissen entwickelt, die ganz anders geartet seien als die deutschen. Im übrigen gehörten diese Fragen in den Reichstag.

Zum Kultusetat bittet Graf York, die Versuche mit den Reformgymnasien nicht allzusehr, auszudehmen und warnt vor einer Abbröckelung der humanistischen Bildung. Gegen Materialismus und Radikalismus gebe eine naturwissenschaftliche Bildung keinen Halt. Minister Studt erwidert, daß die Reform des höhern Unterrichtswesens von 1900 im allgemeinen günstig gewirkt habe. Das humanistische Gymnasium werde auch fünftig allen berechtigten Anforderungen genügen. Geh. Rat Reinhardt führt aus, daß es sich bei den Reformgymnasien nur um einen Versuch handle, die Schüler zeigten aber auch auf diesen Anstalten große Liebe zu den alten Sprachen. Den Schülern müßten auch die Augen über andre Dinge geöffnet werden. Kardinal-Fürstbischof Kopp: Den Reformgymnasien gönne ich Luft und Licht zu freier

Entwicklung, ich stimme aber auch in den Warnungsruf ein, an der Grundlage des humanistischen Gymnasiums nicht zu rütteln.

31. März. Generalfeldmarschall Graf Häfeler bittet um Einrichtung von obligatorischen Fortbildungsschulen für das platte Land auf gesetzlicher Grundlage. Minister Studt erwidert, die Voraussetzung für die Schaffung von Fortbildungsschulen in dem gewünschten Umfange würde die Schaffung eines neuen Aufbaues auf die Volksschule sein. Einstweilen müsse man auf die Beteiligung der Bevölkerung an der Förderung des Fortbildungsschulwesens rechnen.

Im Etatsgeseße vom 31. März werden Einnahme und Ausgabe auf 2910344396 Mark, und zwar die fortdauernden Ausgaben auf 2673 400 752 Mark, die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben auf 236943 644 Mark festgestellt.

II.

Lotterieverträge mit einigen kleinern Staaten.

15. Januar. Einmalige Beratung der Verträge, die zwischen Preußen einerseits und der hessisch-thüringischen Lotteriegemeinschaft sowie Reuß j. L. andrerseits abgeschlossen sind. Zu jener Gemeinschaft gehören Hessen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, Altenburg, Koburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Sonders hausen und Rudolstadt, Reuß ä. L., Schaumburg-Lippe und Lippe. Alle diese Länder haben sich verpflichtet, mit dem Ablaufe der im Frühjahre 1906 zur Ausspielung gelangenden siebenten Lotterie jener Gemeinschaft den Betrieb einzustellen. Von da an darf nur noch die preußische Lotterie in diesen Ländern gespielt werden, mit Ausnahme von Lotterien, die vorübergehenden Zwecken dienen, oder Lotterien zur Ausspielung von Kunst- und Industrieerzeugnissen, Waren, wenn das Spielkapital den Betrag von 100 000 Mark für die einzelne Lotterie, bei Reuß j. L. nicht 25000 Mark übersteigt; hier dürfen Lotterien nur für Krankenpflege und zur Wiederherstellung historischer Baudenkmäler des Landes veranstaltet werden. Die Verträge sehen die Abfindungssummen fest, die von der preußischen Regierung zu zahlen sind.

24. Januar. Zustimmung des Herrenhauses.

28. April. Die Staatsverträge vom 30. Mai und 17. Juni 1905 werden im Gesezblatte verkündigt.

III.

Regelung der Lotterieverhältnisse mit Braunschweig

und Bremen.

4. Juli. Bei der einmaligen Beratung erklärt der Minister v. Rheinbaben, daß sich der Absaß der Lose in der vorlegten Lotterie so weit gesteigert habe, daß sämtliche Lose abgesezt wurden, und in dieser Lotterie die Wünsche der Kollekteure nicht hätten befriedigt werden können. Redner wendet sich sodann gegen die schwindelhaften Serienlotterien, gegen die mit aller Schärfe

vorgegangen werden würde; reichten die bestehenden Geseze nicht aus, so müßten eben neue gesetzgeberische Maßnahmen erfolgen, entweder von seiten Preußens oder von seiten des Reichs. Arendt empfiehlt die Einführung einer Reichslotterie, solange noch die Möglichkeit dazu vorhanden sei.

IV.

Wohnungsgeldzuschüsse an die unmittelbaren
Staatsbeamten.

16. Januar. Erste Beratung eines Geseßentwurfs zur Abänderung des Gefeßes, betreffend die Gewährung von Wohnungsgeldzuschüssen an die unmittelbaren Staatsbeamten, vom 12. Mai 1878. Hiernach erhalten die Unterbeamten an Wohnungsgeldzuschuß pro Jahr vom 1. April 1906 in Berlin 360, Servisklaffe I 270, II 216, III 162, IV 108 Mart. Gegenüber dem alten Gefeße bedeutet dies eine Erhöhung von 50 Prozent. Die Regierung ist zu dieser Erhöhung geschritten, weil die Mietspreise für kleine Wohnungen seit dreißig Jahren eine beträchtliche Steigerung erfahren haben. Die Unterbeamten sollen nicht mehr genötigt sein, troß der inzwischen erfolgten Aufbefferung ihrer Gehälter einen unverhältnismäßig großen Bruchteil ihres Gesamtdiensteinkommens zur Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses zu verwenden. Der Mehraufwand beläuft sich auf 8402 298 Mark.

1. und 3. Februar. Zweite und dritte Lesung. (Gefeß vom 4. April 1906.)

V.

Kreis- und Provinzialabgabengesetz.

19. Februar. Zweite Beratung. Durch die Vorlage werden die Kreise berechtigt, zur Deckung ihrer Ausgaben nach den Bestimmungen des Gesezes Gebühren, Beiträge, indirekte und direkte Steuern zu erheben. Für die Chauffeegelder und andre Verkehrsabgaben, die Jagdscheinabgaben, die Betriebs-, Warenhaussteuer für Rechnung der Kreise bleibt es bei den bestehenden Bestimmungen. Der Kreistag soll nach den Beschlüssen der Kommission befugt sein, auf den Erwerb von Grundstücken und auf den Erwerb der Erlaubnis zum Betrieb der Gastwirtschaft und des Kleinhandels mit Branntwein oder Spiritus indirekte Steuern zu erheben. Die Kommission hat in der Vorlage eine Reihe von Aenderungen vorgenommen, insbesondre den Kreisen die Befugnis gegeben, indirekte Steuern für die Konzession der Gastund Schankwirtschaften und des Kleinhandels mit Branntwein zu erheben. Paragraph 6, der dem Kreistage die Befugnis gibt, als indirekte Steuern zu erheben die Umsatzsteuer, die Steuer für die Konzession bei Gast- und Schankwirtschaften und die Hundesteuer wird, mit dem Zusage angenommen, daß bei der Umsatzsteuer der Erwerb durch Erbgang, Vermächtnis und Altenteilvertrag zwischen Verwandten auf- und absteigender Linie sowie durch Enteignung freigelassen wird. — Paragraph 8 sieht vor, daß der Kreistag mittels Erlaffes einer Steuerordnung beschließen könne, die Verteilung der direkten Kreissteuern nach Maßgabe des gemeinen Wertes vorzunehmen.

23. Februar. Der hauptsächlich strittige Paragraph 8 über die Wertsteuer findet in einer Form Annahme, mit dem sich auch die Regierung einigermaßen einverstanden erklärt.

31. März. Die Vorlage wird vom Herrenhause in der vom Abgeordnetenhause beschlossenen Fassung angenommen. (Gesez vom 23. April 1906.)

VI.

Aenderung des Kommunalabgabengesetzes.

21. März. Erste Beratung eines von v. Zedlig, Linz, Graf von der Groeben beantragten Gefeßentwurfs wegen Abänderung des Paragraphen 53 des Kommunalabgabengeseßes von 1893.

Paragraph 53 bestimmt jezt, daß wenn einer Gemeinde durch den in einer andern Gemeinde stattfindenden Betrieb von Berg-, Hütten- oder Salzwerken, Fabriken oder Eisenbahnen erhebliche Mehrausgaben für die Zwede des öffentlichen Volksschulwesens oder der öffentlichen Armenpflege erwachsen und dadurch eine Ueberbürdung der Steuerpflichtigen herbeigeführt werden kann, die Gemeinde von der Betriebsgemeinde einen angemessenen Zuschuß verlangen kann, der jedoch nicht mehr als die Hälfte der gesamten in der Betriebsgemeinde von den betreffenden Betrieben zu erhebenden direkten Gemeinde steuern betragen darf. Liegt der Betrieb in einem Gutsbezirk, so darf der von dem betreffenden Gewerbetreibenden zu fordernde Zuschuß den vollen Saß der Gewerbesteuer nicht übersteigen.

Der Antrag will zu den genannten Betrieben noch die Steinbrüche und Ziegeleien hinzufügen und die Worte für Zwecke... öffentlichen Armenpflege" streichen; der Zuschuß soll ferner gegeben werden, wenn „eine unbillige Mehrbelastung“ (nicht nur eine Üeberbürdung) der Steuerpflichtigen herbeigeführt wird, und er soll nicht mehr als die gesamten direkten Gemeindesteuern der Betriebe betragen; in einem Gutsbezirk soll er den vollen Staats- und staatlich veranlagten Realsteuersaß nicht übersteigen. Ueber den Zuschuß entscheidet nach den geltenden Geseßen der Kreisausschuß, wogegen die Berufung im Verwaltungsstreitverfahren zugelassen ist. Der Antrag will die Beschwerde an den Provinzialrat geben.

14. Mai. Zweite Beratung. Auf Antrag der Kommission wird eine Fassung beschlossen, die einen Zuschuß der Betriebsgemeinde zu den Volksschullasten, Armenpflege einer Gemeinde vorfieht, sofern der Gemeinde durch industrielle Betriebe in einer andern Gemeinde eine unbillige Mehrbelastung erwächst. Sodann wird angenommen ein Antrag auf Einführung des Verwaltungsstreitverfahrens an Stelle des Beschlußverfahrens und ein Antrag auf eine baldige Reform des Kommunalabgabengesetzes.

15. Mai. In dritter Beratung wird die Vorlage nach den Beschlüssen in zweiter Lesung genehmigt.

29. Mai. Zustimmung des Herrenhauses. (Geseß vom 24. Juli 1906.)

VII.

Anlegung von Sparkassenbeständen in Inhaber

papieren.

23. Januar. Das Herrenhaus berät zuerst diese Vorlage. In ihrer Begründung wird darauf hingewiesen, daß in deu für den

Deutscher Geschichtskalender 1906. I.

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