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V.

Aenderung des Strafgesetzbuchs.

14. März. Beratung eines von Chrzanowski und polnischen Genossen gestellten Antrags, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, „dem Reichstage einen Geseßentwurf betreffend die Abänderung des Paragraphen 130 des Strafgesetzbuchs vorzulegen, um der dem Sinne des gedachten Paragraphen widersprechenden Auslegung der Begriffe der Gefährdung des öffentlichen Friedens sowie der Anreizung zu Gewalttätigkeiten seitens des Reichsgerichts Einhalt zu tun“.

Zur Begründung sagt der Antragsteller, jenem Paragraphen sei die weiteste Auslegung gegeben worden, und die drakonischsten Urteile seien auf Grund dieser Auslegung ergangen. Ansichtskarten ohne Text seien als Aufreizung zum Klaffenhaß unter Anklage gestellt worden. Selbst in Liedern und historischen Spielen für Kinder habe man Aufreizung zu Gewalttätigkeiten gesehen. Die Haltung der preußischen Gerichte in politischen Prozessen vermindere das Ansehen des Richterstandes. Selbst das Tragen von Müßen, die seit dreißig Jahren einen Teil der Volkstracht ausmachen, werde als Aufreizung zur Begehung von Gewalttätigkeiten angesehen und unter Anklage gestellt. Eine vollständige Rechtsunsicherheit herrsche. Die Buchhändler wüßten nicht mehr, welche Bücher sie führen dürfen. Die Auslegung, die die Gerichte dem Paragraphen 130 geben, bedeute einen Eingriff in die freie Meinungsäußerung.

Der Antrag wird, unter Streichung der Worte seitens des Reichsgerichts", angenommen.

VI.

Versicherungsvertrag.

22. Januar. Erste Beratung der Entwürfe eines Gesezes über den Versicherungsvertrag, eines zugehörigen Einführungsgesetzes und eines Gesezes, betreffend Aenderung der Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Seeversicherung. Der erstere Entwurf enthält zahlreiche Bestimmungen, durch die die Vertragsfreiheit zugunsten des Versicherungsnehmers eingeschränkt wird, jedoch herrscht sichtlich das Bestreben vor, auch den Interessen des Versicherers nach Möglichkeit gerecht zu werden. Die Zuständigkeit der Versicherungsagenten, auch derer, die nur zur Vermittlung, nicht zum Abschluß von Verträgen bestellt sind, wird genau umschrieben: auf abweichende Vereinbarungen über die Grenzen dieser Vollmacht kann sich der Versicherer nicht berufen, es sei denn, daß der, mit dem der Agent verhandelt hat, sie kannte oder kennen mußte.

Staatssekretär Nieberding: In der Versicherungsgesetzgebung marschiert Deutschland an der Spiße der Kulturstaaten. Die Jahresprämien bei der Feuerversicherung betrugen im Durchschnitt 202 Millionen jährlich, für Hagelversicherung 40 Millionen, für Lebensversicherung 406 Millionen.

Also allein für diese wenigen Versicherungszweige wurden in einem Jahre 648 Millionen eingezahlt, während die direkten Steuern Preußens im Jahre 1904 nur den dritten Teil jener Prämie betrugen. Durch die Feuerversiche= rung wurden 113 Milliarden, durch die Hagelversicherung 3 Milliarden, durch die Lebensversicherung 9 Milliarden Kapitalien sichergestellt, zusammen eine Summe, die siebzehnmal höher ist als die preußische Staatsschuld. Grundlage des Versicherungsvertrags ist und bleibt auch nach diesem Entwurf die Vertragsfreiheit. Man kann den Gesellschaften nicht übelnehmen, wenn sie für Vertragsverlegungen strenge Rechtsfolgen festseßen. Aber die Erfahrung hat gelehrt, daß hier auch übertrieben werden kann. Hier seht die gegenwärtige Vorlage ein und schafft allgemeine Bestimmungen, die von den Gesellschaften auch mit Zustimmung der Versicherten nicht überschritten werden dürfen. Die öffentlichen Zwangsversiche= rungen, wie zum Beispiel die Gebäudeversicherungen der Landschaften, fallen nicht unter diese Vorlage. Die Vorlage schafft kein neues Recht, sondern fodifiziert nur das bestehende und unterstellt diese bisher den Einzelstaaten überlassene Materie der Zuständigkeit des Reichs.

23. Januar. In der Besprechung zeigt sich ein starker Gegensaß der Meinungen.

VII.

Verschärfung des Vogelschutzgesetzes.

28. April. Erste Beratung eines Gesezes, durch das der Paragraph 1 des Vogelschutzgesetzes vom 22. März 1888 verschärft werden soll. Dieser untersagt das Zerstören von Nestern, Töten von Jungen, Feilhalten von Nestern, Eiern und Jungen und gestattet lediglich den Eigentümern von Gebäuden die Beseitigung von Nestern an Häusern und in Höfen sowie das Sammeln und Verkaufen von Eiern von Strandvögeln, Seeschwalben, Möwen und Kiebigen. Die neue Bestimmung soll auch die letztere Ausnahme einschränken. Ferner soll in der Zeit vom 1. März bis zum 15. September das Fangen und die Erlegung von Vögeln sowie der Ankauf, der Verkauf und das Feilbieten, die Vermittlung eines hierdurch verbotnen An- und Verkaufs, die Ein-, Aus- und Durchführ und der Transport von Vögeln der in Europa einheimischen Arten überhaupt untersagt sein. Die Beratung dreht sich hauptsächlich um das Verbot des Fangs von Krammetsvögeln. Mehrere Redner wünschen, daß der Krammetsvogelfang durch Reichsgesez verboten werde. Dagegen weist der Staatssekretär Graf Posadowsky darauf hin, daß die Bestimmungen über die Jagdbarkeit von Tieren Sache der Landesgesetzgebung sei und daß Preußen für das Verbot des Krammetsvogelfangs nicht zu haben sein werde.

Handels- und Gewerbeangelegenheiten.

I.

Aenderung der Gewerbeordnung.

26. Januar. Erste Beratung einer Novelle, durch die Baugewerbetreibenden wegen erwiesener Unzuverlässigkeit der Gewerbebetrieb soll untersagt werden können. Zugleich soll der Behörde eine Handhabe gegeben werden,

dem gewiffenlosen Treiben jener berüchtigten Bauunternehmer zu begegnen, die sich den wohlerworbnen Ansprüchen der von ihnen beschäftigten Bauhandwerker und Arbeiter aus Leichtsinn oder arglistig entziehen. Die Befugnis zur Untersagung des Gewerbebetriebs richtet sich gegen die Personen, die das Gewerbe als Bauunternehmer oder Bauleiter oder die einen einzelnen Zweig des Baugewerbes betreiben. Die Poliere fallen nicht hierunter. Gegenüber manchen Wünschen nach Einführung des Befähigungsnachweises im Baugewerbe vertritt der Staatssekretär Graf v. Posadowsky das Gefeß, da es zum Ausschluß ungeeigneter Personen viel wirksamer sei als der rein formale Befähigungsnachweis, den auch Personen besigen können, die in der unverantwortlichsten und leichtsinnigsten Weise ihre Bauten ausführen.

II.

Ueber die Verhältnisse der technischen Angestellten.

7. März. Erste Lesung eines von nationalliberalen Abgeordneten eingebrachten Gefeßentwurfs wegen Abänderung der Gewerbeordnung bezüglich der Gehaltszahlung an technische Angestellte. Es soll hinter Paragraph 133 a folgender Paragraph eingeschoben werden: Die Zahlung des dem Angestellten zukommenden Gehalts hat am Schluffe jeden Monats zu erfolgen. Eine Bereinbarung, nach der die Zahlung des Gehalts später erfolgen soll, ist nichtig.

Gleichzeitig wird beraten ein von den Nationalliberalen im Verein mit dem Zentrum und der Wirtschaftlichen Vereinigung gestellter Antrag: Den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage baldigst einen Geseßentwurf vorzulegen, durch den 1. die Vorschriften der Gewerbeordnung über das Dienstverhältnis der technischen Angestellten den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs über das Dienstverhältnis der Handlungsgehilfen angepaßt werden, 2. die so verbesserten Vorschriften auf alle technischen Angestellten (insbesondre die in landwirtschaftlichen Nebengewerben) ausgedehnt werden, 3. zugunsten der in Paragraph 133a bezeichneten Personen Vorschriften über angemessene Ruhezeiten geschaffen werden, 4. die Zuständigkeit der Gewerbeund Kaufmannsgerichte auf die technischen Angestellten ausgedehnt wird unter Errichtung besondrer Abteilungen, in denen die Beisiger zur Hälfte technische Angestellte sein müssen.

Baffermann weist auf die mit der Zunahme der Industrie stets wachsende Zahl der technischen Angestellten hin, die mit den Handlungsgehilfen auf gleicher sozialer Stufe stehen. Die Gesezgebung habe für die technischen Angestellten in den lezten Jahren nicht mit der für die Handlungsgehilfen gleichen Schritt gehalten. Es handelt sich u. a. um Techniker, Werkmeister, Gruben- und Fabritbeamte, Werkführer usw. Zunächst verlangen wir auch für diese Beamten monatliche Gehaltszahlung und daß auch in Krankheitsfällen Gehaltszahlung auf die Dauer von sechs Wochen als zwingendes Recht eingeführt wird, und daß drittens die Ausstellung eines Zeugnisses gefordert werden kann. Die Apotheker brauchten nicht besonders berücksichtigt zu werden, da sie bereits dem Handelsgeseßbuche unterstehen. Nach Unterstüßung der Anträge durch Redner von sechs Parteien werden sie an eine besondre Kommission gewiesen.

III.

Statistik des Warenverkehrs.

19. Januar. Erste Beratung eines Gefeßentwurfs wegen Abänderung des Gefeßes betreffend die Statistik des Warenverkehrs des deutschen Zollgebiets mit dem Auslande. Beumer: Der Zweck des Geseßes ist durchaus gut. In der jeßigen Statistik fehlt die des Verkehrs in den Freihäfen. Bezüglich der zwangsweisen Wertangabe ist die Meinung in den Kreisen von Handel und Industrie verschieden. Das Geseß entscheidet sich wegen dieser Meinungsverschiedenheit für das Schäßungsverfahren. — Graf Kanit: Das Gesez bedeutet einen erheblichen Fortschritt in unsrer statistischen Geseßgebung. 22. Januar. Zweite Lesung. 25. Januar. Dritte Lesung.

IV.

Handelsvertrag mit Schweden.

21. Mai. Erste Beratung eines am 10. Mai veröffentlichten, mit Schweden geschlossenen Handelsvertrags, der mit dem Beginne des auf den Austausch der Ratifikationsurkunden folgenden Tages in Kraft treten und bis zum 31. Dezember 1910 wirksam bleiben soll. Seine wichtigste Bestimmung ist die, daß Schweden sich verpflichtet, keinen Ausfuhrzoll auf Eisenerze zu legen.

Von deutscher Seite wird Schweden der Mitgenuß der in den deutschen Handelsverträgen mit andern Ländern gemachten tarifarischen Zugeständnisse eingeräumt. Ferner gibt Deutschland noch einige besondre Konzessionen, indem z. B. für Preißelbeeren und Pflastersteine die Zollfreiheit wiederhergestellt wird, und für hölzerne Fensterrahmen, Türen, Treppen, für Klinken usw. Bollermäßigungen gewährt werden, die jedoch noch immer einen wesentlich stärkern Zollschuß unsrer Waren als vor dem 1. März darstellen. Schweden gewährt außer der Meistbegünstigung eine größere Anzahl wertvoller Zollherabseßurgen, wie für seidne und halbseidne Gewebe und Bänder, für gewisse Papierwaren, für Goldgespinstwaren, für Spielzeug, für Tinten, für Nähnadeln, seine Lederschuhe, lebende Gewächse usw. und bindet für alle wichtigern Artikel der deutschen Ausfuhr seinen Tarif. Die deutschen Handlungsreisenden in Schweden erhalten verschiedne Erleichterungen, insbesondre werden sie von dem lästigen Visierungszwang befreit. Für die Untersuchung der Waren auf Arsenikgehalt werden Normen aufgestellt, die den Beschwerden der deutschen Industrie Rechnung_tragen. Schweden ver pflichtet sich, durch Einrichtung einer Zollauskunftsstelle der bisherigen Unsicherheit in der Zollabfertigung abzuhelfen.

26. Mai. Der Vertrag wird in zweiter und dritter Beratung genehmigt; im Anschluß daran wird beschlossen:

a) Den Reichskanzler zu ersuchen: 1. Bei dem Abschluß neuer Handelsberträge feineswegs in Ermäßigung der Zollsäße des geltenden Generaltarifs zu willigen, die noch unter die bereits in den abgeschlossenen Handelsverträgen zugebilligten Zollherabseßungen herunter gehen, 2. den beim Reichsamt des Innern geschaffnen Wirtschaftlichen Ausschuß zur Vorbereitung von Handelsverträgen" in Zukunft vor dem bindenden Abschluß neuer Handelsverträge

"

einzuberufen und unter Zuziehung von Vertretern der beteiligten Interessenten gutachtlich zu hören, 3. den Wirtschaftlichen Ausschuß“ alsbald zu ergänzen in der Richtung, daß alle Intercffen der deutschen Produktion möglichst gleichmäßig in demselben vertreten sind; b) die Regierungen zu ersuchen, dahin zu wirken, daß zugunsten der heimischen Preißelbeerproduktion sowie der Basaltpflastersteinindustrie ungefäumt Eisenbahnausnahmetarise in den einzelnen Bundesstaaten eingeführt werden.

23. Juni. Verkündigung des Vertrags im Reichsgesetzblatte.

V.

Handelsvertrag mit Abessinien.

20. Februar. Erste und zweite Beratung eines am 7. März 1905 in Addis Abeba zwischen dem außerordentlichen Gesandten Rosen und dem Könige Menelik abgeschlossenen Freundschafts- und Handelsvertrags.

Hiernach sollen die Angehörigen und Schußgenoffen eines jeden der beiden Staaten volle Freiheit des Aufenthalts, der Reise, des Handels und des Gewerbes in den Gebieten des andern Staats genießen. Wenn sie sich in dem Gebiet des andern Staats aufhalten, wird ihnen Sicherheit der Person und des Eigentums zugesichert. Beide Staaten gewähren ihren Angehörigen alle Rechte, Vorteile und Privilegien, die sie den Angehörigen eines dritten Staats, besonders bezüglich der Zölle, der innern Abgaben und der Gerichtsbarkeit, zugestanden haben oder in Zukunft zugestehen werden. Den Deutschen soll das Recht zustehen, die in Abessinien befindlichen Telegraphenlinien, Posteinrichtungen und alle sonstigen Verkehrsmittel zu denselben Bedingungen und Gebührensäßen wie die Einheimischen eines dritten Staats, zu benüßen. Jeder der beiden vertragschließenden Teile kann im Lande des andern Teils beglaubigte Vertreter bestellen, die an solchen Pläßen residieren sollen, wo Handels- und sonstige Interessen ihre Anwesenheit nötig oder wünschenswert erscheinen lassen, die dabei aber auch das Recht haben, jeden Teil des Landes zu jeder Zeit aufzusuchen. Der Vertrag soll zehn Jahre nach seiner Ratifitation in Geltung bleiben und mit einjähriger Kündigung immer ein Jahr weiter bestehen.

Der Vertrag wird ohne Widerspruch genehmigt.

22. Februar. Dritte Lesung.

16. Mai. Die Urkunde der kaiserlichen Ratifikation dieses am 16. Juni in Kraft tretenden Vertrags wird dem Könige Menelek II. mitgeteilt.

25. Mai. Verkündigung des Vertrags im Reichsgesetzblatte.

VI.

Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten von Nordamerika.

22. Februar. Beratung eines Gesezentwurfs, durch den der Bundesrat ermächtigt wird, den deutschen Vertragstarif den Ver

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