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ansehnlichen Berührungspunkte vorfänden, doch aus jenen allein nicht mit Sicherheit schließen, daß auf der einen Seite ein unhistorisches Lehrbild gegeben sein müsse. Man könnte immerhin noch annehmen, daß die beiderseits mitgetheilten Reden die zwei Seiten der historischen Lehrthätigkeit Jesu darstellen, daß von dem historischen Gesammtbilde seiner Lehrthätigkeit bei den Synoptt. die eine, bei Johannes die andere Seite dargelegt sei. Es ist nämlich nicht wahr, daß sich die Eigenheiten des zweifachen Lehrbildes in einem und demselben historischen Individuum nothwendig ausschließen, daß sie bei einer und derselben Person nicht neben einander gedacht werden können. Ein göttlicher Lehrer, der sich oft und viel mit sittlichen Wahrheiten befaßte, der oftmals religiöse und sittliche Irrthümer, Vorurtheile und Mißbräuche tadelte 2c., konnte doch auch wieder oft und viel von seiner Persönlichkeit, von seiner Beziehung zur Gottheit und von seinem Verhältnisse zum Menschengeschlechte sprechen, und wenn seine Vorträge an das Volk sich öfters in populäre, leicht verständliche Formen kleideten, so läßt es sich hinwiederum denken, daß er bei dem Vortrage tieferer Lehren und unter andern Umständen auch eine verschiedene, nicht so leicht verständliche Darstellungsweise befolgte. Würden sich in den Johann. und synoptt. Reden dogmatische und ethische Widersprüche entgegenstehen, dann ließen sie sich allerdings nicht auf Ein historisches Individuum zurückführen; aber die beiderseits mitgetheilten Reden enthalten solche Widersprüche nicht.

Sehen wir aber die beiderseitigen Reden genauer an, so begegnen uns neben den vorherrschenden Differenzen außer den gemeinsam referirten Sprüchen des Herrn noch sehr beachtenswerthe Aehnlichkeiten; der Herr spricht bei Johannes zuweilen wieder in der Weise, wie er bei den Synoptt. vorherrschend gezeichnet ist, und umgekehrt finden wir bei den Synoptt. zuweilen wieder die Lehrart des Johanneischen Christus. Die verschiedenen Arten der Lehrthätigkeit Jesu, welche bei den Synoptt. und Johannes sich entgegenstehen, wenn man den vorherrschenden Charakter ihres Lehrbildes ins Auge faßt, finden sich also beiderseits auch neben einander gestellt und verbunden, und diese Verbindung in den verschiedenen Schriften ist ein Bes weis für die historische Treue des beiderseits gegebenen Lehrbils des; Johannes legt durch theilweise Uebereinstimmung der von ihm mitgetheilten Reden und Aussprüche Jesu mit den synoptt.

Vorträgen ein Zeugniß für die Ursprünglichkeit der lettern ab, und die Synoptt. zeugen durch ihre Annäherungen an die Johann. Reden für die historische Wahrheit des Johann. Lehrbildes; was wir also an sich für möglich halten zu müssen glaubten, daß nämlich die beiderseits mitgetheilten Reden, nach ihren Verschie denheiten angesehen, die beiden Seiten des historischen Gesammtbildes der Lehrthätigkeit Jesu darstellen möchten, wird von den Evangg. selbst bestätiget. Auch bei Johannes, wie bei den Synoptt., stellt sich Jesus den religiösen Irrthümern, der menschlichen Verkehrtheit und Bosheit entgegen; vgl. Joh. 2, 16.; 4, 22 ff. 48.; 5, 38 ff.; 7, 19. 28.; 8, 15. 23. 34 ff.; 9, 41.; 10, 25 f. 2c.; es haben ferner die längern bildlichen Reden bei Johannes 10, 1 ff.; 15, 1 ff. der Form nach sehr viele Aehnlichkeit mit den Gleichnißreden bei den Synoptikern. Entgegen spricht Jesus bei den Synoptt. auch ganz in der Weise von sich und seinem Verhältnisse zum Vater, wie wir es bei Johannes gewöhnlich finden; ganz auffallend übereinstimmend ist die Stelle Matth. 11, 27. (fut. 10, 22.): παντα μοι παρεδόθη ύπο του πατρος μου· και ουδεις επιγνώσκει τον υἱον, ει μη ὁ πατηρ ουδε viov, τον πατερα τις επιγνώσκει, ει μη ὁ υἱος και ᾧ αν βουληται ὁ υἱος αποκαλυψαι· — mer erfennt hier nid)t gang bie Sprade des Johann. Christus und ist nicht sogleich zu dem Zugeständnisse bereit, daß derjenige Lehrer, aus dessen Munde diese Worte ge= flossen sind, auch die längern Johann. Reden und Aussprüche desselben oder ähnlichen Inhaltes gesprochen habe! man vgl. Joh. 3, 35.; 5, 22.; 17, 2.; — 6, 46.; 7, 28. 29.; 14, 6.; ferner sind zu beachten die Stellen Matth. 26, 64. (S. 16, 27.; 24, 30.) und 28, 20.; vgl. Joh. 6, 62. und 14, 16. Auch enthalten die synoppt. Evangg. Aussprüche Jesu, welche ganz die Dunkelheit, das Frappante, den Schein des Paradoren in vielen Johann. Lehrstücken theilen; vgl. Matth. 8, 22.; 10, 34 ff.; 12, 46. — 48.; 13, 12. 13.; 18, 3.-7.10. 18. 19.; 19, 11. 12.; 20, 16.; 21, 21.; 22, 32.42.-45. 2c.

Wenn nun die beiderseitigen Reden, während sie ihrem vorherrschenden Charakter nach auseinander treten, doch durch ansehnliche Züge sich wieder nähern, wenn sie in sich selbst das Zeugniß tragen, daß sie einen gleichen Ursprung haben und also, nach ihren Verschiedenheiten ins Auge gefaßt, als die zwei Seiten des historischen Gesammtbildes der Lehrthätigkeit Jesu betrachtet

sein wollen, so ist jetzt zu erörtern, worin der Grund davon liege, daß im vierten Evang. vorzugsweise die eine Seite der Lehrthätigkeit Jesu dargestellt ist, daß der Evangelist diese Art von Reden vorzugsweise mittheilt, welche sich auf die höhere Natur Christi, auf sein Verhältniß zum Vater 2c. beziehen. Es wurde schon bemerkt, daß der Evangelist in seiner Schrift einen besondern Zweck verfolgt, welcher die Aufnahme einer bestimmten Art didaktischen Stoffes forderte, eine Auswahl solcher Reden, welche seinem Zwecke am meisten angemessen zu sein schienen (§. 3). Allein man muß seine Zweckbestimmung auch wieder von dem vorher aufgefaßten Lehrstoffe abhängig denken oder annehmen, daß der Lehrstoff, welchen sich der Evangelist vorzugsweise angeeignet hatte und welcher längst seinen Geist beschäftigte, die besondere Zweckbestimmung herbeiführte. Es fragt sich also, woher es komme, daß Johannes vorzugsweise eine Art von Reden Jesu aufgefaßt und aufbewahrt habe, hauptsächlich solche Vorträge, deren Grundideen dem metaphysischen Gebiete angehören. Auch hier muß man wieder seine Individulität in Betracht ziehen; diese erklärt den fraglichen Gegenstand hinlänglich. Seine natürliche Begabung richtete seine Aufmerksamkeit insbesondere auf diejenigen Reden seines Meisters, welche einen erhabenen Inhalt hatten; die Vorträge, welche sich auf die überirdische Natur des Herrn, auf seine himmlische Abkunft, auf sein metaphysisches Verhältniß zum Vater und zur Menschheit bezogen, mußten seinen kontemplativen und spekulativen Geist besonders ans ziehen und anhaltend beschäftigen. Wenn er nun während seis nes Umganges mit dem Herrn vorzugsweise solche Vorträge sich angeeignet hatte und mit diesen sich fortwährend betrachtend beschäftigte, so wurde ihr Inhalt seinem Geiste immer mehr aufgeschlossen, so daß er mit vollster Klarheit in Jesu den Gottess sohn und das Princip des neuen Lebens für die Menschheit er kannte. Aus diesem Bewußtsein heraus, das die Vorträge des Herrn in Verbindung mit seiner ganzen Wirksamkeit zur Grundlage hatte, firirte er den Zweck seiner Evangelienschrift, und als er einmal diesen festgesetzt hatte, so wurde der aufbewahrte Redestoff noch genauer in Beziehung auf den firirten Zweck angesehen, und die weniger diesem Zwecke dienenden Reden, welche er sich außer den direkt dahin bezüglichen aufgemerkt haben mochte, von seiner Schrift ausgeschlossen.

Hat aber der Evanglist während seines Umganges mit dem Herrn eine Art der Vorträge Jesu vorzugsweise sich angeeignet und sodann bei der Abfassung des Evang. den Redestoff noch mit besonderer Auswahl aufgenommen, so muß man es als eine ganz natürliche Erscheinung ansehen, daß in den Lehrstücken des vierten Evang. dieselben Gedanken so oft wiederkehren, und es kann diese Gleichförmigkeit keinen Anstoß erregen. Die Gleich förmigkeit des Ausdruckes bei der Wiederkehr derselben Gedanken ist nicht größer, als sie überhaupt vorzukommen pflegt, wenn ein Lehrer denselben Lehrgegenstand zu wiederholten Malen vorträgt; es ist auch zu beachten, daß gerade bei der Behandlung metaphysischer Wahrheiten die Ausdrücke gemeiniglich sich firiren.

Was die von der bestreitenden Kritik gerügte Dunkelheit der Aussprüche und Reden Jesu anbelangt, so läßt sich diese Lehrweise immer hinlänglich rechtfertigen, und die Mißverständnisse der Zuhörer, welche als Merkmale der Fiktion der Johann. Lehrvorträge angeführt werden, existiren theils nicht, d. i. die betreffenden Erwiederungen der Zuhörer enthalten keine Mißvers ständnisse, theils sind sie zwar vorhanden, aber Jesus sucht sie, so wie die Nichtverständnisse, zu heben und aufzuhellen. Würde sich der Herr nach dem im vierten Evang. dargestellten Lehrvers fahren wirklich als einen unpraktischen, ungeschickten Lehrer ers weisen, der in der Person Jesu nicht eristirt haben könnte, so müßte man sich über eine solche Zeichnung, die nach freiem Plane von dem Evangelisten entworfen sein sollte, gar sehr wundern, wenn er der bestreitenden Kritik zufolge doch den Zweck verfolgte, die Lehrweisheit Jesu ans Licht zu stellen; da hätte er doch eins sehen müssen, daß er, während er ihn einerseits zu Ansehen zu bringen suchte, dasselbe ihm anderseits wieder entzöge. Allein jenes Urtheil über das Lehrverfahren Jesu in den betreffenden Abschnitten ist durchaus falsch; der Herr befolgt bei genauerer Bes trachtung eine den Zuhörern ganz angemessene, psychologisch wohl berechnete Lehrweise. Es finden sich im vierten Evang. allerdings solche Aussprüche vor, die zu dunkel und räthselhaft sind, als daß sie von den Zuhörern sogleich und richtig verstanden werden konnten; dahin gehört z. B. der Ausspruch 2, 20. Sehen wir aber auf den einen Theil der Zuhörer, auf die dem Herrn feinds lichen Juden, so rechtfertigt sich die Dunkelheit dieses Ausspruches aus dem Bewußtsein Jesu, daß ihm diese Leute jezt unter keiner

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Bedingung, mag er Wunder verrichten oder ihnen die Wahrheit Lehrend verkündigen, Glauben schenken würden; er weiset sie deßhalb mit prophetischen Worten auf ein künftiges Ereigniß hin, dessen wirklicher Eintritt ihnen seine Vorhersage erst aufklären, das aber in Verbindung mit der Vorausverkündigung sie auch zur Besinnung und zum Bewußtsein ihrer Schuld bringen sollte, die sie jetzt durch ihren Widerstand gegen die göttliche Dekonomie sich contrahiren. Auch dem andern Theile der Zuhörer, den Jüngern Jesu, ist die Dunkelheit des Ausspruches angemessen; ihre Geistesbeschaffenheit machte es nothwendig, daß Jesus anfangs nur in dunkeln Andeutungen von seinem Tode sprach, um vorerst nur Ahnungen von seinem künftigen Schicksale bei ihnen zu erwecken; eine bestimmte Erklärung konnten sie noch nicht ers tragen, weil die Idee von einem irdischen Messiasreiche sie bes herrschte; sie würde die noch unvorbereiteten Jünger abgestoßen haben. Betrachten wir die längern Vorträge Jesu an die Juden und an das Volk, so läßt sich nicht finden, daß sie die Fassungskraft der Hörenden durchaus übersteigen, daß sie ihnen gänzlich unverständlich sind; vielmehr verstehen sie wenigstens den nächsten Sinn seiner Worte wohl, aber sie wollen die Wahrheit und Möglichkeit seiner Lehren und Verheißungen nicht anerkennen, weil ihr Gemüth und Wille der Wahrheit fremd ist, wie Jesus 5, 40. selbst ausspricht. Ihre Erwiederungen drücken nicht ein gänzliches Nichtverständniß oder ein falsches Verständniß aus, sondern Mangel an Glauben und Vertrauen, f. 6, 20. 53. 61.; wenn also Jesus im weitern Fortgange seiner Rede ihre Erwies derungen nicht berichtiget, so kommt es daher, weil sie keiner Berichtigung bedürfen. Die tiefere Einführung in den Sinn der Lehre Jesu wird durch ihren Unglauben verhindert; da sie dass jenige, was sie verstanden haben, nicht anerkennen, so kann der Herr nicht zu einer weitern Erklärung fortschreiten; ganz ihrem geistigen Zustande gemäß beharrt er nur auf den schon ausges sprochenen Säßen, wiederholt sie mit noch größerem Nachdruck, damit die Wahrheit, die sie verstoßen, sich ihrem Gefühle als ein strafendes Gericht ankündiget. In der Schlußbetrachtung des Evangelisten K. 12, 37 ff. wird nicht darüber geklagt, daß Jesus falsch oder gar nicht verstanden worden sei; die Klage bezieht sich auf das der Wahrheit widerstrebende Gemüth und auf den bösen Willen, der Evangelist hat also selbst nicht das

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