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wo er seinen Brief schrieb, noch kein bischöfliches Amt gab. Baur 1) glaubte den Brief wirklich in dieser Weise auffassen und annehmen zu sollen, dass in ihm noch ganz dieselbe kirchliche Verfassung zu Tage trete, wie in dem Clemensbrief. Einige, wie Kist 2) und Zahn 3) meinten, wenigstens in der Gemeinde von Philippi werde damals der Episkopat noch nicht bestanden haben. Die Auffassung liegt nahe, sobald man von blossen Gelegenheitsschriften zu reichliche Aufschlüsse über Dinge erwartet, über die sie nicht nothwendig zu reden hatten, und die einschlägigen Theile des Briefes für sich allein in Betracht zieht. Und doch ist sie nicht haltbar. Da der Brief ohne Zweifel später entstand, als die Ignatiusbriefe, die er bereits kennt, so gehört er selbstverständlich einer Zeit an, in der der Episkopat nicht mehr etwas noch Unbekanntes war. Die Gegner der Ignatiusbriefe sind heutzutage am wenigsten gewillt, einen früheren Stand der kirchlichen Verfassung in ihm ausgedrückt zu finden, und sie verweisen namentlich auf die Ueberschrift des Briefes, in der Polykarp, ohne sich Bischof zu nennen, doch unverkennbar sich als Bischof von den Presbytern unterscheidet *). So richtig aber dieses ist, so ist andererseits doch nicht zu leugnen, dass der Brief, abgesehen von jenem Punkt, ganz den Eindruck macht, als ob zu seiner Zeit der

1) Ueber den Ursprung des Episkopats a. a. O. S. 79.

2) Ueber den Ursprung der bischöflichen Gewalt in der christlichen Kirche, in der Zeitschr. für die histor. Theologie 1832, H. II S. 81. Holländisch erschien die Abhandlung zuerst 1830 in dem zweiten Theil der Zeitschrift: Archief voor Kerkelijke geschiedenis, inzonderheid van Nederland, p. 1-61. Der Verfasser lässt den Episkopat in Syrien zuerst aufkommen und meint, die ignatianischen Briefe lassen ihren Verfasser, wenn nicht als den ersten Gründer dieser Gewalt, doch wenigstens als denjenigen erscheinen, der besonders mitgewirkt habe, dieselbe in den kleinasiatischen und allmälig in den griechischen und westlichen Gemeinden zu verbreiten; ein Hauptmittel zu dieser Verbreitung sei die in den Ignatiusbriefen erwähnte, zur Begrüssung des Bischofs von Antiochien veranstaltete Zusammenkunft der Abgesandten der kleinasiatischen Gemeinden in Smyrna gewesen. Vgl. S. 81–83.

3) Ignatius v. A. S. 297.

4) Hilgenfeld, Apost. Väter S. 273. Zeitschr. f. wiss. Th. 1874 S. 107 f.

Episkopat, sei es im allgemeinen, sei es wenigstens in Philippi, noch nicht existirt habe. Die Schrift ist somit ein sprechender Beweis, wie trügerisch der Massstab ist, der in unserer Frage angelegt wird, wenn die Ignatiusbriefe ohne weiteres desswegen in eine spätere Zeit verwiesen werden, weil sie bezüglich der Kirchenverfassung eine höhere Stufe der Entwicklung zu repräsentiren scheinen als gewisse andere Schriften. Denn sie entstand, wie in der Gegenwart allgemein angenommen wird, thatsächlich nach den Ignatiusbriefen; nach der in ihr sich abspiegelnden Kirchenverfassung aber sollte sie diesen vorangehen. Die fraglichen Schriften stehen daher der Echtheit der Ignatiusbriefe an sich noch nicht im Wege, und diess um so weniger, als die Art und Weise, wie sie sich über die kirchliche Verfassung ausdrücken, eine befriedigende Erklärung zulässt.

Gehen wir zunächst auf den Polykarpbrief noch weiter ein, so wird er allerdings heutzutage nicht mehr zum Beweis angerufen, dass zu seiner Zeit der Episkopat noch gar nicht existirt habe, da Polykarp wenigstens sich selbst als Bischof zu erkennen gibt. Dagegen könnte er immerhin noch insoweit als Zeugniss gegen die Echtheit der Ignatiusbriefe geltend gemacht werden, als er den Episkopat nocht nicht als eine allgemeine kirchliche Einrichtung kenne wie diese, da für die Gemeinde von Philippi, an die er gerichtet ist, kein Bischof erwähnt werde 1). Der Schluss wäre indessen schwerlich begründet. Wenn der Episkopat zur Zeit des Polykarpbriefes nach dem Zeugniss der Ignatiusbriefe in Kleinasien schon allenthalben zurechtbestand, so ist es weniger wahrscheinlich, dass er in dem benachbarten Macedonien gefehlt habe, als dass vielmehr des Bischofs von Philippi aus irgend einem anderen Grunde nicht gedacht wurde, und ein solches Schweigen ist ja nicht unbegreiflich. Man hat schon früher nicht mit Unrecht darauf hingewiesen, dass die Presbyter und Diakonen nicht bloss schlechtweg genannt, sondern ernstlich an ihre Pflichten erinnert und zu einem ihres Berufes würdigen Verhalten ermahnt

1) So Ritschl, Altkathol. Kirche 2. A. S. 402 f. Wie wir oben S. 45 gesehen, hat auch Zahn die Sache so aufgefasst, ohne freilich die Echtheit der Ignatiusbriefe zu bestreiten.

werden, und dass es unangemessen und allem Zartgefühl zuwider gewesen wäre, wenn Polykarp dem Bischof von Smyrna eine ähnliche Predigt hätte halten wollen 1), und die Erklärung muss als um so annehmbarer erscheinen, wenn man das jugendliche Alter in Betracht zieht, das der Bischof von Smyrna hatte, als er den Brief schrieb. Einzuwenden wäre nur etwa das eine, dass einmal auch vom Gehorsam gegen die Presbyter und Diakonen die Rede ist. Allein auch dieser Punkt ist, die Sache näher betrachtet, von keinem Belang. Er hätte eine Bedeutung nur dann, wenn die Aufforderung zum Gehorsam an die ganze Gemeinde gerichtet wäre. Das ist aber eben nicht der Fall. Die Ermahnung ergeht nur an einen besonderen Theil der Gemeinde, an die Jugend, und da sich sehr wohl denken lässt, warum gerade dieser Classe der Gehorsam gegen die Presbyter und insbesondere die Diakonen eingeschärft wurde 2), so ist der Einwand hinfällig. Es lässt sich ferner denken, dass des Bischofs von Philippi desswegen in dem Schreiben nicht besonders gedacht wurde, weil er der Ueberbringer des Briefes war und der Brief nicht so fast an ihn als an die Gemeinde gerichtet war 3), und diese Erklärung dürfte sogar den Vorzug vor jener verdienen. Wie man aber die Erscheinung beurtheilen mag: in allen Fällen steht es fest, das der Episkopat zur Zeit des Briefes bereits vorhanden war, und ist es wahrscheinlich, dass bereits auch die Gemeinde von Philippi einen Bischof hatte. Im Pastor Hermä sollen zwei Stellen darthun, dass noch ein Presbytercollegium die Kirchen verwaltet habe, Vis. II c. 4, 3, wo von πρεσβύτεροι προϊστάμενοι τῆς ἐκκλησίας der Reichshauptstadt die Rede ist, und Vis. III c. 5, 1, wo ȧñóστoλo καὶ ἐπίσκοποι καὶ διδάσκαλοι και διάκονοι aufgeführt werden. Allein was jene Stelle anlangt, so wird unmittelbar vorher Clemens in einer Weise erwähnt, dass er nur als der Bischof dieses Namens zu fassen ist. Denn er wird nicht bloss von

1) Rothe, Anfänge der christlichen Kirche S. 410. Vgl. Zeitschr. f. wiss. Th. 1874 S. 107 f.

2) Vgl. Rothe a. a. O. S. 411 f.

3) Vgl. Brüll, der erste Brief des Clemens von Rom 1883 S. 41, und Theol. Qu.Schrift 1876 S. 454 Anm. 1.

den Presbytern unterschieden, sondern auch als diesen übergeordnet dargestellt, da er als der Repräsentant der römischen Kirche im Verkehr mit den übrigen Kirchen erscheint. Die Stelle kann also nicht ernstlich als Zeuge für die Presbyterialverfassung der Kirche in Betracht kommen. In der zweiten Stelle handelt es sich hauptsächlich um die Bedeutung der didάonado. Dieselben werden in der Schrift noch dreimal in Verbindung mit den Aposteln erwähnt, und da in diesen Fällen der Ausdruck dahin näher bestimmt wird, dass er im eigentlichen Sinn von Lehrern oder von Glaubensboten zu verstehen ist, die nicht zugleich Apostel waren, so fragt es sich, ob er an jener Stelle nicht ebenfalls in jenem Sinne zu nehmen ist, obwohl seine Stellung zwischen лíoxолоt und dtáxovot die Bedeutung von лрεоẞúτεро nahе legt. Wenn man den Sprachgebrauch des Autors berücksichtigt, scheint die Frage bejaht werden zu sollen 1). Allein dagegen erheben sich doch verschiedene Bedenken. Der Sprachgebrauch ist zu wenig bestimmt und ausgebildet, um jene Deutung sicher zu stellen. Vor allem ist zu erwägen, dass die todoxaλot an den drei anderen Stellen niemals wie hier absolute, sondern stets mit einer näheren Bestimmung stehen, das eine Mal (Sim. IX c. 15, 4) mit dem Beisatz τοῦ κηρύγματος τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ, die anderen Male (Sim. IX c. 16, 5; c. 25, 2) mit der Apposition ci xnpútavτES τὸ ὄνομα τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ, bezw. οἱ κηρύξαντες εἰς ὅλον τὸν κόσμον καὶ οἱ διδάξαντες σεμνῶς καὶ ἁγνῶς τὸν λόγον τοῦ κυρίου, und dieser Umstand ist desswegen nicht gleichgiltig, weil der Beisatz regelmässig auftritt, während bei der Zusammengehörigkeit der Stellen sein Fehlen wenigstens das eine oder andere Mal sich erwarten liesse. Daraus dürfte hervorgehen, dass das Wort für sich allein den fraglichen Begriff noch nicht sicher genug ausdrückt und darum unter Umständen eine andere Deutung zulässt. Sodann fällt die Stellung des Wortes ins Gewicht. In den fraglichen drei Stellen schliessen sich die dtSάoxaλo unmittelbar an die Apostel an, gleichsam als deren

1) Ich habe in meinen Patr. apost. selbst dieser Deutung den Vorzug gegeben.

Gehilfen im Werke der Glaubensverbreitung. Hier aber sind sie von den Aposteln getrennt, sie stehen zwischen den лíσxоTOL und díaxovot, und bei diesem Sachverhalt ist es schwerlich ganz ungerechtfertigt, wenn sie näher als Presbyter gefasst werden 1). Die Stelle zeugt somit nicht gegen, sondern für den Bestand der Episkopalverfassung zur Zeit des Hirten. Freilich kann unsere Deutung keine volle Sicherheit beanspruchen. Das ist indessen auch gar nicht nothwendig. Für unseren Zweck genügt die Möglichkeit und eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Den Gegnern liegt es vielmehr ob, eigentliche Beweise zu erbringen, und zu diesen kommt es nicht, selbst wenn die entgegengesetzte Auffassung den Vorzug verdienen sollte. Die Stelle ist nicht bestimmt genug, um in dieser wichtigen Frage eine grössere Bedeutung beanspruchen zu können. Wenn die Bischöfe von den Presbytern in ihr auch nicht unterschieden sein sollten, so ist der bezügliche Unterschied doch nicht ausgeschlossen, da die Möglichkeit nicht zu bestreiten ist, dass wir es hier wie anderwärts unbeschadet der Verschiedenheit der Aemter nur mit einem unbestimmten und allgemeinen Ausdruck zu thun haben. Zudem sind wir über die Zeit des Hirten selbst nicht völlig im Reinen. Ich bin zwar selbst geneigt, den Ursprung der Schrift mit dem Muratorischen Fragment in die Zeit des P. Pius I zu verlegen. Aber andererseits ist doch nicht zu leugnen, dass manche Punkte für einen früheren Ursprung sprechen, und wenn das chronologische Verhältniss des Hirten des Hermas und der Ignatiusbriefe wegen des fraglichen Momentes wirklich nur im Sinne der Priorität des ersteren aufzufassen sein sollte, so müsste bei allseitiger und ruhiger Erwägung der Dinge eben jene Schrift auf Grund ihres Selbstzeugnisses in eine frühere Zeit versetzt werden. Denn wie hoch man auch den Werth des Zeugnisses des Muratorischen Fragmentes anschlagen mag: die Zeugnisse für die Echtheit der Ignatiusbriefe wiegen noch bedeutend schwerer. Indessen sind wir noch keineswegs genöthigt, das Verhältniss der beiden Schriften in jener Weise zu regeln. Wir können bei dem Ur

1) Vgl. Brüll, Der Hirte des Hermas 1882 S. 47 f. Funk, Echtheit der ignatianischen Briefe.

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