Π überhaupt sehr gesellig, so bezeigte sie sich doch gegen ihre häufigen Liebhaber so schuchtern: daß viele, aus Verdruß über ihre vergebliche Mühe, sie verließen, und ihre Liebe andern zuwandten, wo sie besser aufgenommen wurden. Menalkas war indessen nicht nur ent schlossen, einen Eidam zu wählen, der die Gewohnheiten des Haus ses unverleklich beybehalten sollte; sondern hatte auch einen Abend, als er im Felde gewesen, eine Pfeife von alter Art, von einem Waldgotte bekommen: mit dem ausdrucklichen Befehle, seine Toch= ter niemanden zu geben, der nicht eben so drauf spielen könnte, als er ihn darauf spielen gehöret. "Als die Zeit der Verheirathung herbeygekommen war, machte er seinen Entschluß bekannt, dadurch er die benachbarte Jugend einlud, einen Versuch auf diesem Instrumente zu thun; mit dem Verspre chen: daß der Ueberwinder seine Tochter bekommen sollte, und unter der Bedingung; daß die Ueberwundenen sich einer willkührlichen Strafe unterwerfen sollten. Wer sich nun dadurch nicht abschrecken ließ, sondern eine hohe Meynung von seinen Vorzügen hatte, der erschien an dem bestimmten Tage, in einem Aufzuge und Puke, der seinem Sinne gemäß war. Der Kampfplak war eine beblumte Wiese, durch welche ein heller Bach mit krummen Wendungen hin und her murmelte. Die Schäfer machten einen großen Kreis, um die kampfenden Liebhaber: und auf einer Stelle darinn, saß auf einer kleinen Rasenbank, unter einem Schwiebogen von blühendem Rosendorn, und Königskerzen, der Vater des Magdchens, und zu seiner Rechten die Schöne selbst, mit Rosen und Liljen gekränzet. Sie hatte einen weiten Rock von schlechtem grünem Zeuge an, und hielt den Schäferstab in einer, die wunderliche Pfeife aber in der andern Hand. Der erste, der sich ihr näherte, war ein angenehmer und artig erzogener Jungling, der sich aber reicher gekleidet hatte, als es in Arkadien jemals erhöret worden. Er hatte einen Cramosinfarbnen Rock an, der zwar nach Schäferart gemacht, aber so sehr gesticket, und mit Edelgesteinen besekt war, daß die Zuschauer, von dem Glanze geblendet, vor allen Zierrathen, den Schnitt des Kleides nicht gewahr wurden. Sein Haupt war mit einem Federhute bes decket, und sein Schäferstab glänzte von Golde und Silber. Er trat auf eine sehr höfliche Art zu der Schönen, und sprach: Madame, sie brauchen keinen Spiegel, sich auf heute zu putzen: sie kons nen ihre Schönheit schon aus der Menge ihrer Eroberungen feben. * Amaryllis hatte eine so artige Schmaucheley noch nie mals gehdret; daher wußte sie ihm nichts zu antworten; sondern gab * Fontenelle. Von Idyllen, oder Schäfergedichten. 601 gab ihm die Pfeife hin. Er sekte dieselbe an den Mund, und hub an, mit so vielen Bebungen, Läufern und Trillern zu spielen, daß die Schäfer und Schäferinnen, die sich paarweise zum Tanze gestel. let hatten, seinem Liede nicht folgen konnten; weil sie zu solchen ordentlichen und abgemessenen Schritten, als er erforderte, niemals angeführet waren. Menalkas befahl, ihm seine köstlichen Kleider auszuziehen, ihn in ein dunkelbraun Sewand zu kleiden, und ihn auf Jahr und Tag ins Thal zu den Schafen zu schicken. Derdere, der da erschien, sah ganz anders aus. Er hatte einen Rock von rauchen Ziegenfellen an. Sein Haar war verwirrt, sein Bart ungepukt; von Person war er grob, von Sitten tolpisch. Er trat ganz frech zu der Nymphe, und sagte: Er håtte seine Låmmer geherzet, und seine jungen Böckchen geküsset; er hoffete aber eine zu küssen, die viel sanfter wåre. * Die Schöne errothete vor Schamhaftigkeit und Verdruß, und that einen Seufzer wider ihn, als sie ihm die Pfeife hingab, Er riß sie ihr aus der Hand, konnte aber schwerlich einen Ton zuwege bringen; sein Klang war so rauh und kreischend, daß alle Schäfer riefen: Er verstunde keine Musik. So fort ward ihm befohlen, in die felsichten Theile Arkadiens zu gehen, und die Ziegen zu huten, auch Lebenslang keine Pfeife mehr anzurühren. Der dritte, der sich näherte, kam in sehr engen und unbequemen Kleidern, so, daß er nicht ohne Muhe einherzutreten schien. Er trat zu der Schäferinn mit tiefsinnigen Blicken, und sprach nach einem kurzen Stillschweigen: Göttliche Amaryllis! ihr tragt eure Rosen, nicht eure Schonheit zu vermehren, sondern dieselben zu beschamen. ** Da sie nun nicht verstund, was er damit haben wollte, so uberreichte sie ihm stillschweigend das Instrument. Sein Spielen war so verworren, und so gekunstelt, daß die Schafer stockstill stunden, und ganz erstarret und erstaunet waren. Er entschuldigte sich damit, daß dieß die vollkommenste Musik von dem größten Tonkunstler aus Hesperien wäre. Menalkas trug mit ihm, als einem Fremden, ein Mitleiden, und übergab ihn einem alten Schafer, dem er befahl, ihm bequemere Kleider zu schaffen, und ihn deutlich reden zu lehren. Der vierte, der hinzu trat, war der junge Amyntas, der schduste von allen arkadischen Schäfern, den auch Amaryllis schon heimlich liebte. Er trug diesen Tag dieselbe Farbe, als die Schäferinn, nach der er seufzete. Er trat zwar mit ungezwungenen, doch blöden Schritten zu ihr. Als er ihr naher kam, errothete sie, und als sie ihm die gefährliche Pfeife gab, so zitterten sie beyde: aber keiner Pp 5 konnte konnte ein Wort sprechen. Nachdem er endlich zu den Göttern ge seufzet, so blies er in solchen wohlklingenden Tonen; daß, ob sie gleich etwas wild und unregelmäßig waren, sie dennoch alle Herzen mit Vergnügen erfüllten. Die Schäfer fingen sogleich an zu tanzen, und die Alten bezeugten, daß sie oftmals bey Nacht dergleichen Musik gehöret hätten, die, wie sie glaubten, von irgend einem Feldgotte gemacht worden. Der ehrliche alte Mann sprang von seinem Size auf, und übergab ihm, nachdem er ihn umarmet, seine Tochter, bey allgemeinem Freudengeschreye. * Theokritus. ** Tasso. Mitten in dieser Freude, wurden sie durch eine wunderbare Erscheinung erschrecket. Ein Mann, in einem blauen Mantel, dessen Haupt mit Binsen und Riedgras gekrönet war, sprang mitten in den Kreis. Er hatte eine Angelruthe in der Hand, und einen Korb auf dem Rücken. Ein magerer armseliger Kerl, in nassen Kleidern, trug einige Austern vor ihm her. Auf die Frage, volt wannen er kåne, und wer er wåre? sprach er: er kame, die Amaryllis, von den Gefilden an das Seeufer einzuladen. Sein Vermögen bestunde in Meerkålbern, und er wäre mit den Nereiden und Najaden bekannt. Bist du mit den Najaden bekannt: so gehe auch wieder hin zu ihnen! sprach Menalkas zu ihm. Die Schafer rafften ihn sogleich, als einen Feind Arkadiens auf, und schmissen ihn in den Fluß, wo er untergieng, und niemals wieder zum Vorscheine kam. Amyntas und Amaryllis führten ein langes und glückseliges Leben, und beherrschten die arkadischen Thåler. Ihre Nachkommen find sehr alt geworden; und haben in 2000 Jahren nur viere derfelben gehabt. Ihr erster Erbe hieß Theokritus; der seine Herrschaft dem Virgil überließ. Diesem folgte sein Sohn Spencer; und Spens cern folgte sein ältester Sohn Philipps. Ich habe oben im 16 §. vergessen, unter den Verfassern lateinischer Eklogen den Pet.Lotichius, und den Joh. Stige. lius zu nennen: die doch gewiß gelesen zu werden verdienen; ob sie gleich in Elegien noch stärker gewesen sind. Des Des 1. Abschnitts X. Hauptstick. VonTragödien,oderTrauerspielen. 1. §. 1 ie vorzeiten die ganze Poesie mit der Musik vereinbaret gewesen: also hat auch die Tragödie ihren Ursprung aus gewissen Liedern, die dem Bacchus zu Ehren gesungen worden. Es traten an Festtagen etliche Sånger zusammen, die ein ganzes Chor ausmachten, diese spielten, tanzten und sungen nach Art der heidnischen Religion, dem Weingotte dadurch seinen Gottesdienst zu leisten. Wie sie aber gemeiniglich, sowohl als die Zuhörer, ein Rauschchen hatten: also waren auch ihre Lieder so ernsthaft nicht; sondern es liefen allerley Possen mit unter. Jemehr man sich in solchen Gesängen übte, und je weiter mans darinn brachte: desto lieber hörte man auch solchen Sångern zu. Daher kam es nun, daß sich ihre Zahl vermehrte; und daß es eine Kotte der andern zuvor zu thun suchte. Sie giengen wohl gar einen Wettstreit darüber ein, und der Preis war nach der alten Art schon groß genug, wenn man dem besten Sånger einen Bock zum Gewinnste zuerkannte. Ein Bock heißt auf griechisch Teayos, und ein Lied wdh; daher komme das Wort Tragödie, ein Bockiied: wie solches theils Aristoteles in seiner Poetik, theils Horaz in seiner Dichtkunst bezeuget, wenn er den Thespis so beschreibt: Carmine qui tragico vilem certavit ob Hircum. 2. §. Man ward aber des beständigen Singens mit der Zeit überdrußig, und sehnte sich nach einer Veränderung. Thespis, der mit seinen Sångern in Griechenland von einem Orte zum andern herumzog, erdachte etwas neues; als er die Lieder in Theile absonderte, und zwischen zweyen und zweyen allemal eine Person auftreten ließ, die etwas ungesungen erzäh 1 erzählen mußte. Mehrerer Bequemlichkeit halber machte er seinen Wagen zur Schaubuhne; indem er Breter darüber legte, und seine Leute droben singen und spielen ließ: damit sie desto besser zu sehen und zu hören seyn möchten. Damit man aber dieselben nicht erkennen könnte: so salbte er ihnen die Gesichter mit Hefen, welche ihnen anstatt der Larven dienen mußten. Um dieser Veränderung halber wird Thespis für den Erfinder der Tragédie gehalten. Ignotum tragicæ genus inveniffe Camenx Quæ canerent agerentque peruncti fæcibus ora. Allein das war in der That noch ein schlechter Anfang dazu. Aeschylus, ein neuerer Poet, sah wohl, daß auch die Erzåhlungen einzelner Personen, die man zwischen die lieder einschaltete, noch nicht so angenehm waren; als wenn ein paar Personen mit einander sprächen: darinn sich mehr Mannigfaltigkeit und Veränderung würde anbringen lassen. Und da ihm solches nach Wunsche ausschlug; so dachte er auch auf mehrere Zierrathe seiner Tragödien. Er erfand die Larven, gab seinen Leuten ehrbare Kleidungen, und bauete sich eine bessere Schaubuhne: ja, welches das merkwürdigste war, so machte Aeschylus, daß die Gespräche seiner auftretenden Personen mit einander zusammen hingen. Kurz, er erfand zuerst die Idee der Hauptperson in einem solchen Spiele: welches vorher nur ein verwirrtes Wesen, ohne Verknúpfung und Ordnung, gewesen war. Das bezeuget abermal Aristoteles im IV. Capitel seiner Poetik, und Horaz in folgenden Worten: : Poft hunc perfonæ & palla repertor honestæ 3. S. Dieser lehte Vers zeigt noch an, daß man auch um diese Zeit die erhabene Schreibart in die Tragsdie eingeführet habe: denn vorher war ihr Vortrag voller Zoten und gemeinen Possen gewesen; so, wie auch ihr Inhalt ganz satirisch |