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Das VII. Hauptstück.
Von poctischen Wörtern.

I. S.

ir haben oben gewiesen, daß ein Dichter seine Nachahmung durch eine harmonische und wohlklingende

Rede ins Werk richte. Die Rede nun ist ein Ausdruck unserer Gedanken, der durch Wörter geschicht, welche entweder einzeln, oder mit andern zusammengenommen, ihre Bedeutungen haben. Diese lettern bekommen den Namen der Redensarten, und davon wird in dem folgenden Hauptstücke gehandelt werden. Hier will ich nur von der ersten Gattung handeln, und theils ihren mannigfaltigen Unterscheid, theils ihren vernünftigen Gebrauch in der Poesie zeigen.

2. S. Fürs erste ist es bekannt, daß die Sprachverständigen, sowohl in der deutschen Sprache, als in der lateinischen, achterley Gattungen von Wörtern bemerket haben, die zur Ausdrückung und Verbindung unsrer Gedanken nöthig find. Wir haben Nennwörter, womit wir theils die Sachen, theils ihre Eigenschaften anzeigen, z. E. Kopf, Hand, Buch; gelehrt, geschickt, gründlich, u. d. gl. Wir haben Fürs wörter, die anstatt der vorigen gebraucht werden können, um gewisse Wiederholungen zu ersparen. 3. E. Jch, du, er; der, die, das; dieser, diese, dieses, u. s. w. Wir haben Zeitwörter, um das Thun oder Leiden gewisser Dinge zu bedeuten als schreiben, lesen, hören, lernen, u. d. gl. und die werden wiederum in ihre Classen abgetheilet. Wir haben Mittelwörter, die von den vorigen etwas, und von den Nennwörtern auch etwas an sich haben, und also zwischen beyden das Mittel halten. Z. E. Das Wort verworfener deutet erstlich auf ein vergangenes Leiden, das einer Sache, die verworfen worden, wiederfahren; hernach aber auch Crit. Dichtk.

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bie

die Eigenschaft, z. E. eines schlechten Reimes: ein verwor fener Reim. Wir haben ferner Nebenwörter, dadurch die Bedeutungen der Hauptwörter entweder eingeschrånket oder vergrößert, oder sonst auf gewisse Weise bestimmet werden: als z. E. wohl schreiben, recht reimen, schön denken, stark rühren. Wir haben Vorwörter, welche man bey den Nenn- und Fürwörtern nöthig hat, ihre Verhältnisse unter einander anzuzeigen: als, von Rom, nach Paris; bey uns, zu ihm, über die Wolken, im Staube, unter dem Pöbel. Wir haben Verbindungswörter, die den Zusammenhang unsrer Begriffe anzeigen, als da find: und, auch, aber, denn, weil, dafern, u. d. gl. Endlich haben wir auch Zwischenwörter, die oft zum Ausdrucke gewisser Gemüthsbewegungen und anderer kleiner Umstände dienen, die zu den vorigen nicht gebracht werden können. Als: Ach! O! Weh! Hey! Sa, Sa! St! Wohlan! lustig! u. d. m.

3. §. Aller dieser Gattungen von Wörtern kann ein Poet eben so wenig, als die Geschichtschreiber und Redner entbehren. Ohne Zeichen kann er seine Gedanken nicht ausdrücken; und keine Art derselben ist bequemer, als die obigen Arten der Wörter. Allein er bedienet sich oftmals gewisser Freyheiten, die in andern Schriften nicht erlaubt seyn würden. Ich würde hier Regeln und Erempel davon geben müssen, wenn sich solches nicht bequemer bey den folgenden Abtheilungen der Wörter thun ließe. Man kann nämlich dieselben überhaupt, entweder als veraltete, oder als übliche, oder als neugemachte Wörter ansehen, und dabey fragen: welche von diesen eigentlich für einen Poeten gehören? Die andern Unterschiede der Wörter, z. E. einheimische und ausländische, niedrige und hohe, ehrbare und schändliche, matte und nachdrückliche, sollen auch an ihrem Orte beyläufig berühret

werden.

4. §. Was die altfrånkischen Wörter betrifft, so finden wir sie in den Schriften, die vor und um die Wiederherstellung der Wissenschaften, jà bis auf Opitzens Zeiten, ver

fertiget

fertiget worden. Man darf nur den Reineke Fuchs, Theuerdank, Hans Sachsen, Ringwalden, und den Froschmauseler nachsehen: so wird man die Proben ganz häufig finden. 3. E. im Theuerdank steht gleich von Anfang beschaffen für geschaffen, (nach welcher Form auch unsere Canzellisten noch beschehen für geschehen, zu sehen pflegen,) Gemahel für Gemahlinn, Künigein für Königinn, Be filh für Befehle, bester für bestattet, von nabenden für nahe, einhelligklich für einhällig, endrschütter für be schüßet, abgan für abgehen, morgenich für morgende, Faulkeit für Faulheit, Ruck für Rücken, oft und dick für vielmals, Gehueren für Geweihe oder Gehörne eines Hirsches; benuegich für vergnügt, öffen für eröffnen, kecklichen für beherzt 2c. Doch genug, denn sonst müßte ich ein ganzes Wörterbuch machen. Wer mehrere wissen will, kann sich in Herrn Wachters und Frischens deutschen Wörterbüchern, oder auch in Leibnizens und Eckards Collectaneis Etymologicis, nicht weniger in den kritischen Beyträgen hin und wieder umsehen. Man sieht es wohl, daß in einigen diesen Wörtern die Rechtschreibung altfränkisch ist; von einigen auch ganz und gar ungewöhnlich geworden. Zuweilen ist auch wohl das Geschlecht verändert, als wenn z. Erempel im Theuerdank steht, das Jeiaid; anstatt daß wir iho die Jagd sagen. Wenn man nun aber in noch ältere Zeiten zurücke geht, so findet man gar unverständliche Wörter, die man auch im Zusammenhange nicht errathen kann. Was heißt z. E. in folgenden Zeilen das lehte Wort?

Vnnd mit ganzen trewen Warnen
Ihr müßt die Königinn erarnen.

Theuerd.

Unzählicher anderer, die im Orrfried, Willeram, Stris ker, Winsbek und dergleichen alten Schriften vorkommen, zu geschweigen; die man in Schilters Werke nachfehen kann.

5. §. Hier fragt sichs nun, ob ein Poet sich solcher alter Wörter bedienen könne? Von der leßten Art kann man

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wohl

wohl kein Bedenken tragen, mit Nein zu antworten. Denn was einen unverständlich machet, das muß man mit Fleiß vermeiden. Von den ersten aber ist es ebenfalls nicht anders. Durch die seltsame Figur, die solche Wörter igo in unsern Augen machen, würde ein Gedicht nur lächerlich werden; oder, wenn sie oft vorkámen, so würde ein Vers nur rauh und grob davon aussehen. Diejenigen von unsern Dichtern, verdienen also eben sowohl getadelt zu werdek, die sich solcher verlegener Wörter bedienen; als die lateinischen Poeten, die sich aus dem Plautus, Pacuvius, Lucretius, u. a. d. die seltsamsten Wörter aussuchen, ihre Gedichte Damit auszupußen: worüber Accurfius fie in einem eigenen Gespräche verspottet hat, darinn er einen Ofcier und einen Volscier redend eingeführet hat. Ich habe einen Geistlichen gekannt, der sich aus D. Luthers Schriften die alleråltesten Wörter und Redensarten anmerkte, und seine Predigten damit ausstaffirte. Seine Meynung war dabey, sich als Luthers eifrigen Schüler zu bezeigen: aber, eine so seltsame Nachahmung, machte ihn nicht nur unverständlich, sondern auch lächerlich. Einem Poeten würde es nicht besser gehen, wenn er dergleichen thun wollte: es wäre denn, daß er mit Fleiß die Schreibart der Alten, in einem sogenannten Knittelreime, nachahmen wollte; da es denn nicht nur erlaubt, sondern auch eine Schönheit seyn würde, alles recht altfränkisch zu machen.

6. §. So viel ist indessen gewiß, daß man in gewissen alten Büchern zuweilen Wörter findet, die sich auch zu unsern Zeiten noch sehr wohl brauchen lassen: obwohl sie seit funfzig oder hundert Jahren aus der Mode gekommen. 3. E. Das Wort Geschwader, Escadron, ist heutiges Tages fast nicht mehr zu hören; gleichwohl haben wir kein bessers an dessen Stelle erfunden; man wollte denn Schwadronen sagen. Nun haben zwar gewisse neuere, jenes Wort von einer Schiffsflotte zu brauchen angefangen, aber mit schlechtem Benfalle, weil es sich dazu nicht schickt. Das Wort Bublschaft ist noch von Opißen und Flemmingen

gebraucht

L

gebraucht worden, dasjenige anzuzeigen, was die Franzosen Maitreffe, und die Halbdeutschen eine Courtefie nennen. Die Verliebungen, les Amours, ist gleichfalls ein Wort, welches wir nicht besser auszudrücken im Stande sind: ich finde es aber in einem Buche von 1648. gebrauchet. Wenn sich nun ein Poet dieser und dergleichen Wörter mit Verstande und måßig bedienet, so kann man ihn nicht tadeln; sondern hat vielmehr Ursache, ihm verbunden zu seyn, daß er ein geschicktes Wort aus dem Staube der Vergessenheit wieder hervorgezogen hat, darein es ohn alle seine Schuld gerathen war. Virgil hat es oft so gemacht.

7. S. Wegen der üblichen Wörter, scheint es bey einem Poeten keine Schwierigkeit zu haben; allein man kann doch verschiedene gute Anmerkungen darüber machen: denn nicht alles, was üblich ist, ist von gleichem Schrote und Korne. Zum ersten sind dieselben entweder gemein, so, daß sie auch den einfältigsten Leuten geläufig find: oder fie sind ungemein und seltsam; weil sie nur unter den Gelehrten zu Hause sind, oder in ihren Büchern vorkommen, Ein Poet hat nach Anleitung des ersten Hauptstückes die Absicht, sich durch eine edle Art des Ausdruckes in Hochachtung zu sehen, und gleichfam die Sprache der Götter zu reden. Daher muß er denn nicht die allergemeinsten, sondern die ungemeinsten Wörter brauchen; zumal wenn er in seinem eigenen Namen schreibt. Wenn z. E. gemeine Leute sagen: Der Kopf thut mir wehe: so spricht etwa der Poet: Lin Schmerz durch, dringt mein Haupt. Jenes hört man täglich, darum klingt es nicht edel: dieses hört man selten; darum ist es edler und erhabener. Dieses sollten sich alle die niedertråchs tigen Versmacher gesagt seyn lassen, die sich mit ihren pöbelhaften Reimen bis in die Sprache der Diener und Mägde herunter lassen. Sie wollen deutlich und lustig schreiben ; aber ihre Hippokrene führt ein schlammigtes Wasser bey sich, welches oft gar stinkend ist. Indessen muß man durch die edlen Worte und Ausdrücke, nicht ein hochtrabendes und auf Stelzen gehendes Wesen verstehen. Vicle wissen hier keinen

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