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Vorbericht.

ch habe es für dienlich erachtet, an statt einer Einleitung zu meiner deutschen Poefie, Horazens treffliches Gedicht zu übersehen; worinnen diefer große Kenner und Meister der Poesie von der Dichtkunst. gehandelt hat: ungeachtet es eigentlich nur in Form eines Schreibens, an ein vornehmes Geschlecht der Pisonen, abgefaffet ist.

Die Menge schlimmer Poeten mochte zu dieses Dichters Zeiten in Rom noch sehr groß seyn. Siehe den 108 v. des I. Br. II. B. Ein jeder, der nicht faul war, stümpelte etwas zusammen, das zwar ein ziemlich richtiges Sylbenmaaß hatte; aber weder durch seinen sinnreichen und feurigen Inhalt von dem Geiste, noch durch die ordentliche Einrichtung von dem Urtheile, noch endlich durch die regelmäßige Schreibart von der Kunst seincs Meisters ein Zeugniß ablegte. Gleichwohl wollten alle diese Versmacher Poeten heißen: ja einige davon, die durch ihre Geschwindigkeit im Dichten, und durch den Beyfall des Póbels verleitet waren, unterstunden sich gar, den großen Geistern, die sich dazumal am römischen Hofe aufhielten, den Preis streitig zu machen. Die Schriften unfers Horaz zeigen an hundert Stellen unzähliche Spuren davon: und sogar Virgil, so wenig er sonst zur Satire ge= neigt war, hat sich nicht enthalten können, auf einen Bav und Måv, als auf ein paar eingebildete Poeten, zu sticheln.

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Horaz,

Horaz, einer der aufgeklärtesten Köpfe seiner Zeit, kommte aus einem gerechten Eifer für den guten Geschmack, den Stolz solcher Stümper nicht leiden: zumal, da er sehen mußte, daß der große Haufe seiner Mitbürger von diesen unzeitigen Sylbenhenkern ganz eingenommen war. Denn die Römer waren auch zu Augusts Zeiten lange so gescheid noch nicht, als vormals die Athenienser in Griechenland gewesen waren. Die freyen Künste hatten in Italien spåt zu blühen angefangen, und der gute Geschmack war damals noch lange nicht allgemein geworden: Manentque adhuc veftigia ruris, hieß es auch in diesem Stücke. Nach Regeln von Dingen zu urtheilen, das ist ohnedieß kein Werk für unstudirte Leute, ja nicht einmal für Halbgelehrte: und daher kam es, daß Horaz theils feinen Römern eine Anleitung geben wollte, wie sie die Schriften ihrer Poeten recht prüfen könnten; theils auch der großen Anzahl der damaligen Versmacher die Augen zu öffnen suchte, damit sie nicht ferner, aus blinder Eigenliebe, ihre Misgeburten für Meisterstücke ausgeben möchten.

In dieser Absicht nun, trug er aus den griechischen Scri benten, die vor ihm davon geschrieben hatten, die vornehmsten Hauptregeln zusammen, und verfertigte ein herrliches Gedicht daraus. Er richtete solches an die Pisonen, das ist an den Vater Piso, der mit dem Drusus Libo im 738sten Jahre der Stadt Rom, als Horaz 51 Jahre alt war, Bürgermeister geworden; und an dessen beyde Söhne. Dieser Piso war ein Liebhaber und großer Kenner der Poesie, und sein åltester Sohn mochte selbst viel Lust und Naturell dazu haben, wie aus dem Gedichte sattsam erhellen wird. Solchen ansehnlichen Leuten nun, die am kaiserlichen Hofe in großen Gnaden stunden, wollte Horaz eine Richtschnur in die Hand geben, darnach sie sich in Beurtheilung aller Gedichte achten könnten: zu gleicher Zeit aber wollte er den guten Geschmack des Hofes, in ganz Rom und Italien ausbreiten; nachdem er sich selbst, durch unabläßigen Fleiß in griechischen Büchern, sonderlich durch Lesung der kritischen Schriften des Aristoteles,

Krito, Zeno, Demokritus und Neoptolemus von
Paros, in den Regeln desselben recht fest gesehet hatte.

Indessen muß niemand denken, daß hier der Poet ein vollständiges systematisches Werk habe machen wollen. Die größten Bewunderer desselben gestehen: daß es ohne alle Ordnung geschrieben sen, ja daß es bey weitem nicht alle Regeln in sich fasse, die zur Poesie gehören. Der Verfasser hat sich an keinen Zwang einer philofophischen Einrichtung binden wols len; sondern als ein Poet, nach Veranlassung seiner Einfälle, bald diese, bald jene poetische Regel in einer edlen Schreibart versweise ausgedrückt, und mit Erempeln guter und schlechter Poeten erläutert. Aber alles, was er sagt, ist höchst vernünftig: und man kann sich von seinen Vorschriften kein Haar breit entfernen, ohne zugleich von der Wahrheit, Natur und gefunden Vernunft abzuweichen. Die unordentliche Vermischung seiner Regeln dienet nur dazu, daß durch diese Mannigfaltigkeit und unvermuthete Abwechselung der Sachen, der Leser destomehr belustiget und eingenommen wird.

Es ist diese horazische Dichtkunst bereits ins englische von dem Graf Roscommon gebracht, der sie unter dem Titel Horace's Treatife concerning the Art of Poetry, drucken lassen. Französisch hat sie Dacier mit allen übrigen Gedichten desselben ans Licht gestellet; und auch nach ihm hat dieses Sanadon gethan. Bey uns ist sie schon von dem berühm ten Herrn von Eckardt ins Deutsche übersetzt worden, und in den poetischen Nebenstunden, die er unter den Buchstaben H. A. E: G. v. D. herausgegeben, anzutreffen. * Ob ich es nun besser oder schlimmer getroffen habe, als diese gelehrten Månner, das mag der geneigte Leser selbst beurtheilen. Ich hatte die eckardische Uebersehung mehr als einmal durchgelesen, als ich schlüßig ward, mich selbst einmal an eben dieselbe Arbeit zu wagen: ich bildete mir aber nicht ein, daß es mir so viel Mühe kosten würde, als ich hernach in der That gewahr

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Auch der berühmte Herr M. Lange in Lübek hat nach der Zeit, als die meine schon fertig und gedruckt war,

ward.

eine gleiche Arbeit ans Licht gestellet,
der ich ihren Werth im geringsten
nicht abspreche.

ward. Die nachdrückliche Wortfügung der lateinischen Sprache, der zuweilen abgebrochene Ausdruck des Horaz, nebst vielerley Kunstwörtern und Alterthümern, die sich so schwer deutsch geben lassen; dieses alles, sage ich, machte mir die Arbeit so sauer, daß ich fie beynahe wieder håtte liegen lassen, als ich schon den dritten Theil davon fertig hatte. Doch nach Jahresfrist griff ich sie von neuem an, und brachte endlich das ganze Gedicht in den Stand, darinu ich es hier ans Licht stelle.

Ich rühme mich nicht, daß ich es von Zeile zu Zeile, vielweniger von Wort zu Wort gegeben hätte; denn beydes ist zum theil unnöthig, theils auch, aus obenerwähnten Ursachen, unmöglich gewefen. Aus fünfhundert lateinischen Versen habe ich mich genöthiget gesehen, fast siebenhundert deutsche zu machen; wiewohl ich die Regel stets vor Augen hatte: Ein Ueberseßer müsse kein Paraphrast oder Ausleger werden. Habe ich aber nur in hauptsächlichen Dingen nichts versehen, oder geändert: so wird mans verhoffentlich so genau nicht nehmen, wenn gleich der völlige Nachdruck aller horazischen Sylben und Buchstaben nicht erreichet worden. Ein profaischer Ueberseher muß es hierinn genauer nehmen: einem poetischen aber muß man, in Ansehung des Zwanges, dem er unterworfen ist, schon eine kleine Abweichung zu gute halten; wenn er nur diesen Mangel durch eine angenehme und leichtfließende Schreibart ersehet.

Dieses ist nun eine von den vornehmsten Absichten gewesen, die ich mir in diesem Gedichte vorgefehet habe. Ich wollte Horazen gern so übersehen, daß man ihn ohne Anstoß, und wo möglich, mit Vergnügen in unsrer Sprache lesen könnte. Diesen Zweck aber würde ich nicht erhalten haben, wenn ich kein Bedenken getragen hätte, die Richtigkeit unsrer deutschen Wortfügung, nebst der Reinigkeit im Sylbenmaaße und in den Reimen, aus den Augen zu sehen. Das Gehör unsrer Landesleute ist im Absehen auf diese äußerliche Stücke überaus zärtlich. Kein Mensch liest iho mehr Lohensteins Gedichte: das macht, sie sind, bey so vielen gelehrten Sachen, viel zu hart und zu rauh. Selbst Hofmannswaldau ist nicht mehr

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