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kaum erlaubt: weil es doch nur Chimåren werden könnten, die in einem bekannten lande keinem glaublich vorkåmen. Die Rabinnen und Mahometaner beschreiben fölche große Vögel und Fische, daß man ihre lächerliche Phantasie mehr, als die Misgeburten derselben bewundert. Aus weit entle= genen Ländern läßt sich zuweilen etwas Wunderbares entlehnen: man muß aber wohl zusehen, daß man nichts Ungereimtes mit einstreue, was unglaublich ist. Siam und Peru, Ceylon und Japan, sind schon mit solchen lügenhaften Wundern angefüllet worden: daß die Einwohner dieser Länder große Ursache håtten, uns mit den Chinesern für einåugigte zu halten; weil wir solche Narrenpossen von ihren Ländern schreiben und glauben. Das beste und vernünftigste Wun derbare ist, wenn man auch bey Thieren und leblosen Dingen, nur die Wunder der Natur recht nachahmet, und allezeit dasjenige wählt, was die Natur am vortrefflichsten gemacht hat. Es kömmt hier alles auf gute Beschreibungen recht außerordentlich schöner, großer, erschrecklicher und schlechter Sachen an: denn die mittelmäßigen werden nichts Wunderwürdiges abgeben. Beschreibt man eine Gegend, einen Garten, ein Gebäude, einen Wald, einen Berg, eine Höle, eine Heerde Vieh, eine Jagd u. d. m. so muß dieses alles, nach der Absicht des Poeten, in seiner Vollkommenheit geschildert werden. Nur die edelsten Dinge muß man der Phantasie des Lesers vormalen, um dieselbe zu gewinnen.

30. S. Zuweilen treibt man in Oden und Heldengedichten die hyperbolischen Ausdrückungen so hoch, indem man von leblosen oder unvernünftigen Dingen redet, daß es recht wunderbar klinget. Deswegen aber will ich nicht sagen, daß ein Poet immer mit Gold und Perlen, Rubinen und Diamanten um sich werfen; lauter Adler und Löwen, Panther und Tyger bey sich führen, lauter Jasmin, Nelken und Rosen ftreuen, lauter Ambrosin und Nektar auftragen, oder sonst alle Kostbarkeiten Indiens verschwenden solle. Diesen Misbrauch hat Benj. Neukirch in dem Gedichte schon lächerlich gemacht, welches im Vorberichte zu der überfek

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ten horarischen Dichtkunst großentheils eingerücket worden. Imgleichen lese man ven deutschen Antilongin nàch, den Herr M. Schwabe aus dem Englischen überseßet, und mit Exempeln aus unsern Poeten erläutert hat. Davon wird aber in dem Hauptstücke von den verblümten Ausdrückungen mehr vorkommen. Die ovidianischen und åsopischen Fabeln könnten auch einigermaßen hieher gezogen werden, weil jene den Ursprung vieler Thiere und Blumen u. s. w. anzeigen; diese aber viel Wunderbares von solchen Geschöpfen erzählen. Allein weil hiervon schon oben gehandelt worden, so ist eine Wiederholung hier unnöthig. Ob man aber auf der Schaubühne Drachen, Löwen, Båren, und andre Thiere vorstellen dörfe, oder solle, davon lese man den Zuschauer im I. und II. Theile nach, der die Opern mit diesen lächerlichen Dingen, an verschiedenen Orten verspottet hat.

31. §. Die Gestirne sind endlich noch übrig, von denen die Poeten auch viel seltsames und ungemeines zu erzählen pflegen. Die Kometen, die sich sehen lassen, haben bey ihnen gemeiniglich eine böse Bedeutung, und einen wunderbaren Einfluß. Die Sonn- und Mondfinsternisse werden von den Alten sehr schrecklich beschrieben; ja die Ungewitter, Erdbeben, Schiffbrüche und Sturmwinde, machen auch einen großen Theil des Wunderbaren in ihren Schriften aus. Was die ersten Stücke anlangt, so muß man freylich die Alten entschuldigen; wenn sie sich aus den himmlischen Zeichen zu viel gemachet haben. Man verstund dazumal die Naturlehre sehr schlecht: allein ießo würde es eine Schande für den Poeten seyn, wenn er uns viel von dem Einflusse des Himmels reden, und seine Leser mit langen Beschreibungen eines Nordlichts, fallenden Sterns, oder einer Sonn- und Mondfinsterniß, aufhalten wollte. Auch klingt die gewöhnliche Opersprache sehr lächerlich, wenn es immer heißt: die Sterne, der Himmel, und seine Lichter hätten dieses oder jenes gethan: es wåre denn, daß man darunter das Verhångniß oder die Vorsehung verstehen könnte. Die Leute in Gestirne zu verwandeln, das geht heute zu Tage nicht mehr an,

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nachdem der ganze Himmel so genau überzählet ist, daß man keinen etwas großen Stern finden kann, der nicht schon vorhin bekannt gewesen wäre: es müßte denn zum Scherze seyn, wie Pope in seinem Lockenraube, Belindens Haar zum Ster ne werden lassen. Erschiene aber irgend ein neuer Stern, so könnte freylich ein Poet dichten, daß dieses oder jenes dazu Gelegenheit gegeben hätte.

32. §. Die leßtern Stücke aber, die oben erwähnet worden, kann ein Dichter mit gutem Fortgange brauchen. Ungewöhnliche Witterungen, Schiffbrüche, fruchtbare und unfruchtbare Jahre, pestilenzialische Seuchen, Feuersbrünste, Verheerungen des Krieges, hohe Gebirge, schöne Thaler voller Dörfer und Heerden, u. d. gl. find freylich sehr wun derbar, wenn sie nur natürlich beschrieben werden. Das ist aber die Kunst! In Opizens Vesuv und Zlatna, imgleichen in seinem Trostgedichte von Widerwärtigkeit des Krieges, stehen ganz unvergleichliche Erempel davon. Auch Dach und Flemming sind große Meister darinn gewesen, die man sicher nachahmen kann. Von den alten, ist Homer sonderlich darinn zu loben, daß er auch den natürlichsten Dingen, durch seine Beschreibungen ein wunderbares Ansehen zu geben gewußt: worinn Virgil und Ovid ihm ziemlich gut nachgefolget sind. Diesen Meistern muß man die Kunst ablernen. Ich weis wohl, das man von dieser Materie noch viel subtiler auseinander gewickelte Regeln geben kann; wenn man seinen Kopf anstrengen, und eine Menge alter und neuer, guter und böser Stellen aus den Dichtern beurtheilen will. Einige haben dadurch meine Meister werden wollen, nachdem ich ihnen die Bahn gebrochen hatte. Allein was haben sie damit gefruchtet? Aus ihrer Schule des Wunderbaren sind die seltsamsten und ungereimtesten Erfindungen entstanden. Ich habe meine Regeln kurz gemacht, wie es sich in ein Buch für Anfänger schicket, die man nicht mit unnüßen Subtilitåten verwirren muß. Wer die Alten fleißig dabey liest, und sonst einen guten Kopf hat, wird nichts mehr brauchen, und sich überall klüglich zu verhalten wissen.

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Das VI. Hauptstück.

Von der Wahrscheinlichkeit
in der Poesie.

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1. §.

us dem vorigen Hauptstücke wird man zur Gnůge ersehen haben, daß das Wunderbare in der Dichtkunst

nicht ohne Unterscheid statt findet: es muß auch glaublich herauskommen, und zu dem Ende, weder unmöglich noch widersinnisch aussehen. Daher kömmt es denn, daß man auch im Dichten eine Wahrscheinlichkeit beobachten muß: ohne welche eine Fabel, Beschreibung, oder was es sonst ist, nur ungereimt und lächerlich seyn würde. Ich verstehe nämlich durch die poetische Wahrscheinlichkeit nichts anders, als die Aehnlichkeit des Erdichteren, mir dem, was wirklich zu geschehen pflegt; oder die Uebereinstimmung der Fabel mit der Natur. Horaz hat gleich im Anfange feiner Dichtkunst die Thorheit eines Malers verspottet, der in einem Gemälde einen Menschenkopf auf einen Pferdehals sehen, einen Vogelkropf mit bunten Federn hinzufügen, und den Leib aus Gliedmaßen verschiedener anderer Thiere zusammen flicken wollte. Die Ursache dieser seiner Regel aber ist keine andre, als, weil solch ein Bild wider alle Wahrscheinlichkeit laufen würde. Es thut auch der Einwurf dieser Vorschrift keinen Eintrag, den er sich im Namen gewisser poetischen Freygeister machet:

Pictoribus atque Poëtis

Quidlibet audendi femper fuit æqua poteftas.

Denn, wie schon oben in den Anmerkungen der Uebersetzung dieser Stelle erinnert worden, so beantwortet er denselben gleich darauf so: daß er die Freyheit im Dichten in gebührende Gränzen einschränket.

Scimus,

Scimus, et hanc veniam petimusque damusque viciffim: Sed non ut placidis coëant immitia; non ut Serpentes ovibus geminentur, tigribus agni.

Was heißt das anders gesagt, als daß ein Poet in seinen Fabeln, beständig die Regeln der Wahrscheinlichkeit vor Augen haben müsse? Eben das prägt er uns im folgen

den ein:

Ficta voluptatis caufa, fint proxima veris.

Nec quodcunque volet pofcat fibi fabula credi.

2. §. Vielleicht denkt jemand, dieses sey demjenigen zurider, was in dem Hauptstücke von der Fabel schon gesagt worden. Wir theilten da die Fabeln in glaubliche, unglaubliche und vermischte ein, und rechneten zu den unglaublichen die meisten åsopischen : wo nåmlich die unvernünftigen Thiere redend eingeführet werden. Soll nun die Wahrscheinlichkeit in allen Gedichten herrschen, so wird man etwa sprechen: so müssen ja alle diese thierische Begebenheiten ganz verworfen und aus der Poesie verbannet werden. Allein man muß hier die poetische Wahrscheinlichkeit, in eine unbedingte und eine bedingte Wahrscheinlichkeit abtheilen. Jene findet sich freylich in den åsopischen Fabeln nicht: wenn Bäume und Thiere als vers nünftige Menschen handelnd eingeführet werden. Nach dem gemeinen Laufe der Natur pflegt solches nicht zu geschehen; daher pflegt man auch Kindern bey Erzählung solcher Fabeln vorher zu sagen: sie hätten sich damals zugetragen, als die Thiere noch reden konnten. Dadurch gesteht man ihnen zu, daß solche Begebenheiten freylich, nach der ißigen Be schaffenheit der Thiere, keinen Schein der Möglichkeit an fich hätten.

3. S. Deswegen aber kann man doch diesen Fabeln die bedingte Wahrscheinlichkeit nicht absprechen, die unter gewissen Umständen dennoch statt hat, wenn gleich so schlechterdings keine vorhanden wåre. Daß z. E. die Bäume sich einen König wählen können, das ist an sich selbst, in dieser Welt, weder möglich noch wahrscheinlich: gleichwohl macht N 4

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