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ist auch nicht die älteste Textform. Der Text auf einem Papyrusblatt, das aus dem 3. Jahrhundert stammen dürfte1, stimmt mit der übrigen griechischen Textüberlieferung überein, für welche alle griechischen Unzial- und fast alle Minuskelhandschriften sprechen, deren Sinn auch die meisten altlateinischen Texte, der Syrus Curetonianus, die armenische Übersetzung und einige griechische Minuskeln bieten, während die Lesart des Syrus Sinaiticus vereinzelt steht, als Verderbnis verständlich ist und im folgenden Text 1, 18-25 ebenso verleugnet wird wie von der übrigen Überlieferung. Die Annahme, die jesaianische und jeremianische Prophezeiung von der Jungfrauengeburt des Messias sei in Jesus nicht erfüllt, hat also in den Urkunden keine Stütze.

Hat aber Johannes wirklich die Rolle des Vorläufers gespielt, von welcher die Propheten schreiben, wenn er vom Kerker aus noch die Frage tut: „Bist du es, der kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?" Warum nicht? Hätte Johannes überhaupt. diese Frage stellen können, wenn er nicht in Jesus den erwarteten Messias erhofft gehabt hätte? Und halten wir uns gegenwärtig, daß nach dem Zusammenhang die Frage gar nicht aus einem Zweifel des Johannes hervorgeht, sondern aus dem Bedürfnis, die zweifelnden Jünger der Wahrheit zu versichern und vor dem Volk das Bekenntnis an Jesus zu bekräftigen2, so kann auch hier nicht ein Beweis vorliegen, daß Jesus die prophetische Bestätigung gebreche.

Strauß und Bruno Bauer haben den Bericht über Jesu Einzug in Jerusalem der zersetzenden Kritik unterzogen, Soltau möchte Mt 26, 15 und 27, 3-10 für unecht erklären, die Nennung des Betrages, den Judas als Verräterlohn empfing. Doch können innere Gründe das Zeugnis des überlieferten Textes nicht umstoßen. Die Beschreibung des Verräterlohnes bei Matthäus entspricht so ganz der Tendenz dieses Evangelisten, daß man diese Nennung nicht als Störung seiner Darstellung empfinden kann. Die Übereinstimmung aller Evangelisten sichert den Bericht über den Einzug in Jerusalem. Diese Fragen entscheiden die allgemeinen Gründe für die Echtheit der biblischen Urkunden und ihre Glaubwürdigkeit. Die Meinung, Christus habe bei diesem Einzug an keinerlei Offenbarung seiner Messianität gedacht, steht doch allzusehr mit der Tatsache im Widerspruch, daß seine Jünger die Erfüllung der Weissagung des Zacharias

1 Grenfell, The Oxyrhynchus Papyri I (1898) 4.

2 Vgl. Keppler, Adventsperikopen 51 ff.

in der Begebenheit sehen, und daß Jesus sicher bald hernach als Messias auftritt.

Die Weissagungen über die geschichtliche Erscheinung des Messias sind in Jesus erfüllt worden. Von ihm gelten folglich die prophetischen Zeugnisse über die Gottheit des Messias.

Es ist die göttliche Offenbarung des Alten Testaments, daß Jesus Christus Gott ist. Aus der Zeitferne der Christus vorangehenden Jahrhunderte hallt schon der Lobgesang auf seine göttliche Würde, das beseligendste Wort, daß die Menschheit sprechen kann. Nur ein Volk stand fest im Glauben an Gott, das, welches die Hoffnung auf den Messias im Herzen trug. Die kommenden Tage blicken auf jene Zeiten, in der Vorausverkündigung ahnen sie Christi Größe, in seiner Erscheinung verstehen sie den Gottessieg in der Geschichte, und in den Tagen, die an die Worte des zweiten Psalmes mahnen, wo so viele sich verschworen haben, die Krone der Gottheit auf dem Haupte des Messias-Jesus zu zertrümmern, hören wir alle mit Zuversicht das prophetische Wort, das wahre Wort, das von Christus geltende Wort und stimmen mit ihm überein:

Herrsche in der Mitte deiner Feinde.

Zweiter Vortrag:

Die Gottheit Jesu und die paulinischen Briefe.

Von den sieben heiligen Schriftstellern, aus deren Händen wir das Neue Testament empfangen haben, sind wir für sechs nur mit recht spärlichen Notizen über ihre Lebensverhältnisse und recht spärlichen Schilderungen ihres Charakters durch geschichtliche Dokumente versehen. Die vorhandenen Angaben lassen ja manches vermuten und erschließen, aber solche Vermutungen und Schlußergebnisse sind nicht geschichtliche Dokumente. Man kann das Leben Jesu, die sittlich christlichen Aufgaben, Ziele und Ordnungen, in welche sie sich so tief versenkten und welche sie so liebevoll niedergeschrieben und mit Begeisterung verkündet haben, wohl zum Maße nehmen, um ihre Gesinnung zu prüfen, ihre Ideale zu erforschen und über ihre Geistesart zu urteilen. Aber auch da haben wir dann mehr unsere Urteile als streng geschichtliche Zeugnisse über ihren Charakter.

Anders steht es mit dem heiligen Apostel Paulus. Seine Briefe und seine in der Apostelgeschichte aufbewahrten Reden lassen uns tiefe Blicke in seinen äußeren Lebensgang und seine geistigen Entwicklungen tun. Mehr als bei den andern Aposteln und Evangelisten fließen ihm subjektive Stimmungen aus der Feder und lassen uns direkt seine Geistesart, den Tiefgang seiner Ideen, die Schärfe seines Verstandes, die edle Richtung seines Willens in historischer Bezeugung erkennen.

Wenn nun im allgemeinen geschichtliche Zeugnisse die Verläßlichkeit ihres Gewährsmannes zur Voraussetzung haben, so gilt dies in erhöhtem Maße, wo eine so bedeutsame Lehre wie die von der wesentlichen Gottheit einer geschichtlich unter den Menschen in menschlicher Natur aufgetretenen Persönlichkeit durch geschichtliches Zeugnis uns vermittelt wird. Eine solche Lehre durch einen nach geschichtlichem Zeugnis geistig hervorragenden Mann überliefert zu erhalten, kann für den Glauben nur günstig sein. Die Frage nach Geist und Charakter des Apostels im Lichte natürlicher historischer

Darstellung ist also im Sinne der Glaubensbegründung zu stellen und das in seinen Schriften vorliegende Material auszunützen. Dazu kommt, daß die Mehrzahl der paulinischen Schriften der frühesten Zeit des neutestamentlichen Schrifttums zugehört, einzelne derselben nur zwei bis drei Jahrzehnte hinter den Kreuzestod Christi fallen und deshalb auch durch ihr Alter den Wert hervorragender Bezeugung des christlichen Glaubensinhalts besitzen.

Wir stellen hier die Fragen: I. Welchen Beruf hat Paulus, uns über Christus Zeugnis zu geben? II. Wie lautet sein Zeugnis für Christus?

I.

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Frenssen, der Dichter des „Hilligenlei“, hat in dem dort eingefügten ,Leben des Heilandes" 1 seine Leser über den Völkerapostel belehrt. Ihm ist Paulus „ein durch und durch kranker Mensch", er war von schweren, nervösen, geistigen Störungen gepeinigt, welche das natürliche Leben als lauter Elend, Ekel und Sterben erscheinen ließen; von Zeit zu Zeit steigerte sich dieser Zustand zu epileptischen Anfällen, während welcher er, bewußtlosen Geistes, Bilder von wunderbarer himmlischer Herrlichkeit und Schönheit sah". Von religiösen Zweifeln über Christus und die etwaige Wahrheit seiner Predigt geplagt, ging er einst dahin; „da kam einer jener schweren körperlichen und seelischen Zustände über ihn: er sah den, der sein Herz in diese Not riẞ, umstrahlt, umglüht mit wunderbarer himmlischer Größe und Schönheit. Von dieser Stunde an war er ein heißer, rastloser Verkünder des schlichten Helden. Er war tapfer und geistreich, von tiefer, heißer, dämonischer Frömmigkeit. Wie ein heiliger Wahn lebte und glühte in ihm sein neuer Glaube und seine Liebe.“

Diese Charakterisierung des Apostels, die aus den Resultaten der modernen Theologie gewonnen sein will, lockt nicht gerade dazu, sich zu Pauli Füßen als sein Schüler zu setzen, selbst nicht, wenn man bedenkt, daß Frenssen allerdings den großen Apostel als einen Mann von großer nationaler und allgemeiner Weltbildung und von scharfem Verstand gelten läßt. Er ist ja doch der Mann, der mit vielen Gebildeten seiner Volksgenossen seiner Zeit einen ganz besonders hohen und wunderbaren Glauben hatte, wie denn jene unruhig hin und her suchende Zeit in phantasievollen Köpfen und frommen Herzen manch wunderliches Weltbild zeugte2.

1 Sonderausgabe, Berlin 1907.

2 Ebd. 90.

Jülicher1 konstatiert, daß man mit großer Wahrscheinlichkeit aus 2 Kor 12, 7-9 geschlossen habe, daß Paulus Epileptiker gewesen sei. Er sei das als Christ geworden und wohl nicht ohne Zusammenhang mit der hochgradigen religiösen Erregtheit, die in zahlreichen Visionen und Offenbarungen bei ihm zur Erscheinung kam. Paulus hat keineswegs durch Gelehrsamkeit imponiert, die paar Zitate aus der klassischen Literatur der Hellenen, die sich in seinen Briefen finden, beweisen noch keine quellenmäßige Bekanntschaft mit solcher Literatur. Dergleichen habe er von der Schule her behalten oder im Verkehr mit anders Gebildeten sich angeeignet. Und durch rhetorische Kunst werde er auch nicht geblendet haben, dessen Gegner, wenn schon zunächst bloß mit Bezug auf einen Fall, ausrufen durften: „Seine Rede ist ein Nichts" (2 Kor 10, 10). Ob unser Apostel die Gabe, die Geister zu erkennen, und die andere, die Menschen zu beherrschen, in besonderem Grade besessen habe, sei nach den Korintherbriefen zweifelhaft. Seinen Gesichten habe er wohl zu reichlich nachgegeben, so daß die Anklage auf Unbeständigkeit gegen ihn nicht bloß erhoben worden sei, sondern auch einiges Recht habe. Die Leidenschaft, die ihn Judaisten und Juden gegenüber zu so bedenklichen Äußerungen fortgerissen habe, die ihn über Freunde, weil sie einmal, vielleicht aus gutem Grunde, seinem Rufe nicht folgten, gleich das schärfste Verdikt fällen läßt, habe ihn sicherlich auch im Verkehr mit widersprechenden Heiden manchmal zu unbesonnenen Worten veranlaßt. Erscheint in diesen Zeilen die Beeigenschaftung des Apostels keineswegs glänzend gefärbt werden zu sollen, so dürfte es nur mehr ins Gewicht fallen, daß ihr Verfasser im Gegensatz zu Frenssen die Bekehrung des Apostels keineswegs der psychischen Verfassung zuschreibt, welche die Leidenszustände in ihm hervorzurufen pflegten, wenn er auch bemerkt, daß die Bekehrungsgeschichte in Apg 9, 1-30 legendären Charakter trage. Und um so mehr müssen die erhebenden Worte ins Gewicht fallen, welche der Verfasser in seiner Darstellung weiterhin Paulus weiht: Er besaß zähe Tapferkeit, unerschütterlichen Glauben an seine Sache und seinen Beruf, zum äußersten bereite Opferfreudigkeit, den allzeit ansteckenden Eifer des Enthusiasten, eine wunderbare Lebendigkeit und Wärme der Rede, schließlich jene rührende Zartheit des Empfindens, lauter Vorzüge, gegen die einzelne Mängel in seinem Auftreten kaum ins Gewicht fallen." „Ungeheure Schwierigkeiten hat er zuerst und

1 Einleitung in das Neue Testament 34.

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