Obrazy na stronie
PDF
ePub

Die Gottheit Jesu im Zeugnis der Heiligen Schrift.

Drei Vorträge,

gehalten von

Dr Simon Weber,

ord. Professor an der Universität Freiburg i. Br.

Erster Vortrag:

Die Gottheit Jesu in der alttestamentlichen

Offenbarungsgeschichte.

Das Alte Testament steht zum Neuen in einem Verhältnis ähnlich dem des Keimes zu seiner Entwicklung, der Anlage zur vollkommenen Ausbildung. Zwischen dem Alten und Neuen Testament kann infolgedessen in Hinsicht auf den dauernden wesentlichen Inhalt kein Widerspruch obwalten. Wir müssen zwischen beiden eine solche Harmonie voraussetzen, daß wir die Fülle des Neuen mit dem Grundstock im Alten zu einer einheitlichen Ideenwelt verweben können. Auf diesem Verhältnis beruht das Recht der Forderung, daß wir Jesu Gottheit aus den traditionellen Weissagungen des Alten Testaments beweisen sollen. Die Forderung stellt der Ungläubige, um aus der Unmöglichkeit der Erfüllung die Göttlichkeit der Offenbarung zusamt der Gottheit Christi zu leugnen; die Forderung stellt der Gläubige, in der Überzeugung, daß über die Zentraltatsachen der christlichen Erlösungsreligion schon die Vorzeit die Strahlen ihrer Morgenröte gesandt habe. Auch wir stellen diese Forderung. Aber indem wir ihre Erfüllung erwarten, sind wir uns bewußt, daß die genannte Verhältnisbestimmung zwischen dem Alten und Neuen Testament auch die Erwartungen des Forschers begrenzt. Wir werden uns im Alten Testament, zumal in der älteren Epoche, vielfach mit Andeutungen und Umrissen begnügen müssen, wo das Neue eine ganz klare Sprache spricht und mit warmer lebendiger Farbe das ganze entwickelte Leben zeichnet.

Wir müssen von vornherein voraussetzen, daß diese Lehre im Alten Testament nicht abgeleugnet erscheint; wir werden ferner auf positive Ansätze hoffen, die bei konsequenter Auslegung die Gottheit des Erlösers bekunden; wir werden es selbst nicht überraschend finden, wenn die Göttlichkeit des Erlösers direkt ausgesprochen wird, allerdings ohne daß wir aus der Idee der Offenbarung eine solche klare, umfassende Aussprache von vornherein als notwendig folgern könnten.

Als Tatsache der vollzogenen Menschwerdung und Erlösung steht der Neue Bund noch immer hoch über dem Alten, auch wenn die Hoffnung auf den Erlöser in ihrer Befestigung und Vertiefung das alttestamentliche Volk schon vor Christus der trinitarischen Gotteserkenntnis des Neuen Bundes nahe brachte.

Bei Durchführung des Nachweises der Gottheit Christi im Alten Testament haben wir gleichsam einen doppelten Gegenstand, die alttestamentliche Lehre von der Natur des erhofften Messias einerseits und Jesus in seiner geschichtlichen Erscheinung anderseits.

Zu einem alttestamentlichen Beweis der Gottheit Jesu genügt es nicht, die Spuren, Andeutungen und Aussprüche zu sammeln, welche auf die göttliche Natur des erhofften Messias indirekt und direkt hindeuten. Es muß auch sichergestellt werden, daß diese Andeutungen und Aussprüche unmittelbar auf die Person des geschichtlichen Jesus bezogen werden müssen.

So gliedert sich unsere Aufgabe in die zwei Teile:

I. Haben die in der geschichtlichen Offenbarung des Alten Testaments ergangenen Messiasverheißungen die Gottheit des Erlösers irgendwie gelehrt? Inhalt der Messiasbotschaft.

II. Welche Kriterien haben wir dafür, daß diese Verheißungen als göttliche auf Jesus Christus bezogen werden müssen? — Wert der Messiasbotschaft.

I.

Die Prophezeiungen über den Messias lassen sich in zwei Gruppen scheiden, in die Weissagungen über das messianische Werk und in die über die messianische Person.

Muß aber, wer über das Werk des Messias uns Aufschluß gibt, nicht auch von seiner Person handeln, so daß hier ein Unterschied ohne Bedeutung ist?

Das Erlösungswerk, welches die Aufgabe des Messias bildete, die Wiederherstellung und Vollendung des durch den Sündenfall dem Menschengeschlechte verloren gegangenen Heils und Gottesreichs, ist in all seinen Momenten ein Werk freier Erbarmung Gottes. Daher kann nicht ohne weiteres aus dem Werk der Erlösung auf die Person des Erlösers ein Schluß gezogen werden. Bloß daraus, daß das Werk der Wiederherstellung des gefallenen Menschengeschlechts ein göttliches ist, kann nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß auch die Person des Messias göttlich sei'. Der möglichen Wege der

1 Heinrich, Dogmatik VII 210.

Erlösung waren viele; auch sofern ihre Wirkung eine reine Tat göttlichen Erbarmens ist, lassen sich Wege für die Verwirklichung der Bedingungen der göttlichen Erbarmung und die Mitteilung ihrer Segnung an die einzelnen Menschen denken, welche die Menschwerdung einer göttlichen Person nicht in sich schließen. Es wäre für Gott möglich gewesen, durch einen rein menschlichen bzw. rein kreatürlichen Messias das Werk seiner Erbarmung unter den Menschen zu vollbringen.

Anders ist es aber, wenn in den alttestamentlichen Verheißungen das Erlösungswerk nicht nur in Hinsicht auf seine letzten Wurzeln in der göttlichen Liebe und Erbarmung, sondern in Hinsicht auf seinen äußeren, geschichtlichen Vollzug formal als Tat eines unter den Menschen auftretenden Retters mit göttlichen Prädikaten bedacht wird, und wenn diese Prädikate nicht nur eine moralische Wertung, sondern die physische oder metaphysische Beeigenschaftung des Erlösungswerks zum Ausdruck bringen.

Wer nach Spuren der Gottheit Christi im Alten Testament fragt, wird deshalb allerdings auch nach den Prädikaten des Erlösungswerks sehen, aber nur, sofern sie immanente Merkmale desselben benennen.

Das Werk des Erlösers wird nach dem Alten Testament als ein prophetisches, priesterliches und königliches vollendet. Je mehr das prophetische Amt als reine Vermittlungstätigkeit erscheint, desto schwieriger ist es, aus seinen Eigenschaften auf die göttliche Natur des Inhabers zu schließen.

In dogmatischer Richtigkeit, apologetisch betrachtet immerhin nur mit einiger Wahrscheinlichkeit, kann man aus der einzigartigen Fülle der Weisheit, des Lichtes, der Erkenntnis und Wissenschaft, welche das Alte Testament als dauernden Besitz des Messias bezeichnet, auf seine Göttlichkeit schließen; denn dieser Besitz überragt alles Menschliche und wird auch im Alten Testament durchaus als übernatürlich, übermenschlich, himmlisch groß und gottverwandt behandelt. So mag hier auf jene Stellen verwiesen sein, in denen der Messias als der Herzenskenner verkündigt wird, der nicht nach dem äußeren Scheine richtet1, als höchste Weisheitsmacht, von der gilt: Er erfüllt die ganze Erde mit der Weisheit des Herrn 2, von dem es heißen kann: „Siehe, ich habe dich gesetzt zum Licht der Völker, daß du mein Heil seiest bis an das Ende der Erde" 3, endlich als

[blocks in formation]
« PoprzedniaDalej »