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1907, zusammenstellen zu lassen, die vom kirchlichen Lehramt als falsch verworfen wurden. Die meisten dieser Irrtümer sind in Schriften von Alfred Loisy enthalten; vor allem kommen in Betracht „L'évangile et l'Église“ (3o éd., Paris 1904)1 und „Autour d'un petit livre“ (2o éd., Paris 1903)2. An den Syllabus schließt sich an die Enzyklika vom 8. September 1907, die in zusammenhängender Darstellung die Neuerungen der Jetztzeit verurteilt.

5. Welchen Eindruck haben die feierlichen päpstlichen Erlasse gemacht?

a) Betrachten wir zuerst die akatholische Welt! Man sollte glauben, daß die akatholische Welt Grund hätte, an Syllabus und Enzyklika vorbeizugehen. Denn die päpstlichen Erlasse sind nur für Katholiken bestimmt; wer also nicht Mitglied der katholischen Kirche ist, hat keine Veranlassung, päpstliche Schreiben zu beachten. Dieses Verfahren wird auf akatholischer Seite auch angewendet, und diese Akatholiken sind in ihrem Recht. Jedoch finden wir auch das Gegenteil: auf akatholischer Seite ist dem Syllabus und der Enzyklika eine außergewöhnliche Beachtung zuteil geworden. Wir haben hier im Auge den Widerspruch, der sich dort hat vernehmen lassen, und zwar von seiten solcher, die am Christentum festhalten wollen, tatsächlich aber nur den Namen beibehalten, da sie dasselbe nicht als eine Offenbarung übernatürlichen Charakters betrachten. Das, was sie als Christentum ausgeben, ist in Wirklichkeit eine Naturreligion theistischen Charakters, insbesondere wird Christus nur als Mensch, wenn auch als ein ganz hervorragender, aufgefaßt. Vertreter dieser Richtung haben mit allen Kräften gegen Syllabus und Enzyklika Stellung genommen. Der Grund ihrer Erbitterung ist leicht zu begreifen. Ihre Grundsätze sind verurteilt, und zwar nicht in der Weise, daß gesagt ist, diese und jene Prinzipien paßten nicht zu den Grundanschauungen der katholischen Religion, sondern es sind jene Prinzipien als objektiv falsch bezeichnet. Jenen gegenüber, welche den historischen Charakter der Bibel, vor allem der Evan

1

Autorisierte Übersetzung nach der 2. Aufl. des Originals von Joh. GrièreBecker unter dem Titel: Evangelium und Kirche von Alfred Loisy. München 1904.

2 Den Nachweis im einzelnen, wo die verworfenen Sätze sich finden, gibt Loisy selbst in der Schrift: Simples réflexions sur le décret du Saint-Office „Lamentabili sane exitu" et sur l'Encyclique „Pascendi dominici gregis". Chez l'auteur. Ceffonds, près Moutier-en-Der 1908. Über den traurigen Zustand der Theologie in Frankreich gibt Aufschluß: La crise du Clergé par Albert Houtin, 2e éd., Paris 1908.

gelien und insbesondere des Johannesevangeliums, verwerfen und Christus nur für einen Menschen erklären, betonen Syllabus und Enzyklika die Glaubwürdigkeit und die Wahrheit derjenigen Bücher und Abschnitte, die historisch sein wollen im engeren Sinne; insbesondere betonen sie die Gottheit Christi.

Psychologisch ist daher der Widerspruch, den Syllabus und Enzyklika hier erfahren haben, sehr gut begreiflich. Denn jeder Mensch steht unter dem Zauber der eigenen Idee und empfindet es als eine Kränkung, wenn das, was er für wahr hält und zu dessen geistigen Besitz er sich vielleicht erst unter Anwendung großer Mühe emporgearbeitet hat, kurzerhand für Irrtum erklärt wird. Diese Wahrnehmung machen wir auch bei den Vertretern der beschriebenen Richtung. Ihre Empfindlichkeit muß um so mehr gereizt sein, als die Annulierung ihrer vermeintlichen Rechtstitel im Gebiete der Wissenschaft nicht etwa durch eine Privatperson erfolgte, sondern durch eine Persönlichkeit, welche über die größte moralische Macht verfügt, die auf dem Erdenrunde existiert. Denn mag jemand diesem oder jenem Bekenntnisse angehören, mag er konfessionslos oder Atheist sein, niemals wird er leugnen können, daß jene Stelle, welche in der Kulturwelt die höchste moralische Macht besitzt, entfaltet und ausübt, eben das Papsttum ist. Ein Wort von dieser Stelle aus gesprochen findet Widerhall in der gesamten Kulturwelt, mag sein Echo ein liebliches sein oder dem Donner gleichen, der ein starkes Gewitter einleitet.

b) Auf katholischer Seite können wir eine dreifache Stellungnahme unterscheiden: Syllabus und Enzyklika fanden freudige Aufnahme, resignierte Aufnahme, Widerspruch.

Freudige Aufnahme fanden die päpstlichen Schreiben bei allen jenen Katholiken, die unbedingt und immer der höchsten kirchlichen Autorität vertrauen. Zweifellos bilden diese Katholiken weitaus die größte Mehrzahl der Bekenner katholischen Glaubens.

Resignierte Aufnahme und Widerspruch fanden Syllabus und Enzyklika bei jenen Katholiken, welche glaubten, fürchten zu müssen, daß die beiden Erlasse sich dem Fortschritt der Kultur und Wissenschaft, vor allem der Bibelforschung hindernd entgegenstellen bzw. entgegenstellen könnten. Eine derartige Furcht ist durchaus unbegründet. Daß das kirchliche Lehramt den Fortschritt in der Erforschung der Heiligen Schrift nicht hindern will, zeigen die Entscheidungen, welche die Bibelkommission getroffen hat. Es sei erwähnt die Entscheidung über den Pentateuch. Sie läßt jeder Forschung freie Bahn, welche sich zu den Prinzipien der übernatürlichen Offen

388 Erster Vortrag.

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Syllabus und Enzyklika Pius' X. und die Bibel.

barung, zu der Theologie als Offenbarungswissenschaft, zu deren Voraussetzungen (Axiomata, Postulate, Theoremata) nicht in Gegensatz stellt. Daher bleibt es auch in Zukunft möglich, daß von den Theologen über ein und dieselbe biblische Frage verschiedene Lösungen versucht werden. Jede derselben bleibt von seiten des kirchlichen Lehramtes unbeanstandet, sofern sie gegen die Voraussetzungen der Theologie als der Offenbarungswissenschaft nicht verstößt.

Der Widerspruch, den Syllabus und Enzyklika auf katholischer Seite gefunden haben, beruht noch auf einem andern Grunde. Es wurde und es wird nicht genügend beachtet, daß die als irrig bezeichneten Ansichten über die Heilige Schrift eine lange Entwicklung gehabt haben, die in wesentlichen Teilen auf Grundsätzen basiert, welche der katholischen Glaubenslehre feindlich gegenübersteht. Aus unserer Darlegung ergibt sich daher folgender Schluß:

Die Bibelfrage unserer Zeit, die in Syllabus und Enzyklika behandelt ist, stellt sich nicht als eine Erscheinung dar, die plötzlich aufgetreten ist, sondern sie ist das Produkt einer langen Entwicklung.

Die Erschütterung, welche sie auf katholischer Seite, namentlich in Frankreich und in Italien, hervorgerufen hat, ist dadurch entstanden, daß katholischen Theologen der Entwicklungsgang der modernen Exegese fremd war und sie ganz unvermittelt mit einer Geistesrichtung bekannt wurden, die sie wegen Mangels an historischer und sprachlicher Durchbildung nicht richtig beurteilen konnten.

Auch die moderne Forschung rationalistischer Art bietet in Einzelheiten manches, das dem gläubigen Christen zu einem tieferen Eindringen in den Gehalt der Heiligen Schrift dienlich sein kann, wenn auch die prinzipielle Auffassung von der Heiligen Schrift dadurch nicht verändert wird.

Die Kundgebungen der höchsten kirchlichen Autorität schützen das hergebrachte Glaubensgut, das in der schriftlich niedergelegten übernatürlichen Offenbarung enthalten ist, und fordern daher nicht allein äußere, sondern auch innere Zustimmung und Unterwerfung (Motu proprio von Papst Pius X. vom 18. November 1907: Praestantia Scripturae Sacrae).

Zweiter Vortrag:

Wie sorgt die Enzyklika gegen den Modernismus für die Reinerhaltung der christlich-kirchlichen

Lehre?

Von Professor Dr Karl Braig.

Entferne nicht und verrücke nicht gegen deinen Anwohner hin die Grenzen, welche die Altvorderen gezogen haben um deinen Besitz, der dir von dem Herrn deinem Gotte kommt in dem Lande, welches dein Eigentum geworden." Dt 19, 14.

Trügerische Wage ist ein Greuel vor dem Herrn; richtiges Gewicht ist sein Wohlgefallen.“ Spr 11, 1.

Anfangs Juli 1908 konnte man in der Tagespresse die kurze Nachricht finden: Die Werke Zolas, mit Ausnahme eines einzigen, sind von dem Ministerium des Innern für ganz Japan verboten worden. Das Buch, das von dem Verbote nicht betroffen worden, war nicht genannt. Dafür war der Grund der Verfügung angegeben. Zola sollte nicht mehr in Japan gelesen werden, weil die Schriften des französischen Naturalisten dazu angetan seien, die öffentliche Ordnung zu untergraben.

Eine Bestätigung der Zeitungsmeldung ist mir nicht zu Gesicht gekommen. War sie zutreffend, dann war und ist die Nachricht überaus bemerkenswert. Die Großmacht im Osten Asiens, von der gerühmt wird, daß sie in wenigen Jahrzehnten den Fortschritt, die Errungenschaften, die Kultur Gesamteuropas nach ihrem vollen Umfang und bis auf die Einzelheiten sich zugeeignet habe, die heidnische Großmacht, die, eine hochbedeutsame Wendung in der Weltgeschichte, die Weltmacht Rußland in einem furchtbaren Krieg überwunden hat zu Land und zu Wasser, hat doch Bedenken getragen, die „christliche Bildung der Besiegten und ihrer Verbündeten in allen Punkten zu übernehmen.

Emil Zola, der Schilderer des Niedrigen in der Welt, des Gemeinen in der Menschennatur, ist der „Künstler des Realismus“. Er weiß die Wirklichkeit des menschlichen Sinnes und Wahnsinnes, des allzu menschlichen Trachtens und Wirkens, Gierens und Genießens, kurz des menschlichen „Sichauslebens" derart unverhüllt, derart unverfälscht zu malen, daß der Glanz des Ideales nicht bloß geschwärzt, daß nicht bloß alles Reine besudelt, daß vielmehr jede Rede von Hohem und Heiligem dem Hohne des Teufelsspottes geopfert scheint. Zola nun, den alle Welt" in Frankreich und in der tonangebenden Gesellschaft Rußlands, den man in sehr weiten Kreisen des „gebildeten“ Europa preist, erhebt, vergöttert die Romane von Emil Zola sind kein geeignetes Bildungsmittel für die Heiden im Lande der aufgehenden Sonne. Das Ministerium des Innern in Japan hat die Schriften Zolas ,,wegen Untergrabung der öffentlichen Ordnung" auf seinen Index. der verbotenen Bücher gesetzt1.

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Zwar ist nicht gehört worden, daß Zolas Werke direkt wegen glaubensfeindlichen“ und „sittengefährdenden" Inhaltes der leselustigen, bildungsdurstigen Jugend Japans untersagt worden wären. Wohl aber ist eine Glaubensüberzeugung der japanischen Regierung zum Ausdrucke gekommen, der Glaube nämlich, daß ohne ein Maß öffentlicher Gesittung die öffentliche Ordnung nicht bestehen, nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Sitte sowie deren wesenhafte Grundlage, die Sittlichkeit des natürlichen Fühlens, Wertens und Handelns den

1 Hingewiesen sei auf die vernichtende Kritik, die Ferdinand Brunetière dem literarischen „Dilettantismus", wozu die Leistungen des rohen Naturalismus auch eines Emil Zola gehören, angedeihen läßt. Die These des ebenso geistvollen als scharfsinnigen Mannes lautet: „C'est justement le dilettantisme qui n'est qu'une incapacité de prendre un parti; un affaiblissement de la volonté, quand il n'est pas un obscurcissement du sens moral; et dans la supposition la plus favorable une tendance éminemment immorale à faire de la beauté des choses la mesure de leur valeur absolue" (Discours de Combat I 84: L'art et la morale). Hochbedeutsam ist die Tatsache, daß auf dem ersten internationalen Kongreß für die Reform der sittlichen Erziehung in London (2. August 1908) Japan mit England, Amerika, der Schweiz und Deutschland (Katholiken und positive Protestanten) entschieden für die Verbindung der Moral mit der Religion eintrat, wogegen Frankreich und die deutsche Gesellschaft für ethische Kultur ebenso entschieden die religionslose Moral in der Schule verlangten. Der japanische Abgesandte, Professor Inouye aus Tokio, gab die Erklärung ab: Er sei gekommen, die Meinung in Europa zu zerstören, als ob Japan einen religionslosen Moralunterricht erteile; vielmehr sei die Grundlage aller Moralunterweisung im Reiche des Mikado das, was praktisch die Nationalreligion fordere, die Ehrfurcht vor den Ahnen, vor Kaiser und Staat (vgl. Kölnische Volkszeitung Nr 901 vom 19. Oktober 1908).

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