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ausschließt; er versäumt im Kinde die Bildung der Grundkraft, die Erziehung des Willens und Charakters.

Welches Urteil fällt die Geschichte über die christliche Erziehungslehre?

Seine universale erzieherische und zivilisatorische Fähigkeit hat die christliche Pädagogik denn auch in einer tausendjährigen Geschichte erwiesen, indem es tatsächlich allen Völkern aller Länder und Zeiten und allen Bildungsgraden genügte: dem Griechen war es griechisch, dem Römer römisch, dem Germanen germanisch, in gleicher Weise angepaẞt dem Semiten, wie dem Chamiten und Japhetiten. Und während alle religiösen und philosophischen Systeme mit der Geschichte alterten und hinsanken, steht das Christentum ungeschwächt und unüberholt da. Ferner haben alle außerchristlichen Religionen ähnlich den philosophischen Systemen bloß Kraft gezeigt, im besten Falle wenige, eine kleine Schule zu befriedigen; die große Masse wurde nicht durchgeistigt. Eine wahrhaft sittliche Veredelung war und ist außerhalb des Christentums höchst beschränkt, während dieses seine veredelnde, alle Hindernisse besiegende Kraft in universaler Weise glänzend quantitativ und qualitativ, nach Umfang und Intensität erprobt hat.

Die christliche Erziehung hat in langen Jahrhunderten eine Kulturarbeit von unvergänglichem und unvergleichlichem Werte vollbracht. Ihr ideal-realer Wert ist nachgewiesen in der Heranbildung eines jeglichen Volkes, dem die Sonne des Christentums aufgegangen ist. Das Kind und die Jugend fernhalten von den Reichtümern der christlichen Wahrheit und Gnade und rein humanitär und naturalistisch erziehen, ist darum ein Frevel an der Kinderwelt, der zum Himmel schreit.

Dritter Vortrag:

Christus als Lebenspender.

,In ihm war das Leben."

Jo 1, 4; 5, 26.

In ihm war das Leben." So berichtet einer, der nicht nur von oben her ein Licht durch den Geist Gottes empfing, sondern der zugleich in vertrautem persönlichem Umgange mit dem Lebenspender die Wahrheit jenes Satzes an sich erfahren und an allen jenen beobachtet hatte, deren Leben sich mit dem Leben Jesu berührte: es ist Johannes, der Evangelist. Unter der überwältigenden Einwirkung, welche Christi Persönlichkeit auf den Kreis seiner Jüngerschaft und auf alle, die mit empfänglichem Herzen ihm nähertraten, ausübte, beugen sie sich mit freudiger Hingabe unter dessen hoheitsvolle Erscheinung, geben ihre Seelen ihm rückhaltlos hin in freier, begeisterter und verehrender Liebe. Wir können es verfolgen, wie die Jünger begannen, in Christi Umgang andere Menschen zu werden; wir können sie von Tag zu Tag geistig wachsen sehen. Allmählich durchdringt sie der wärmende Strahl seines Lebens, ihre Seelen erschließen sich, ihr Benehmen wird milder, ihr Leben selbstloser; sie sind andere Menschen geworden und wissen selbst nicht, wie. Sie gehorchen einem inneren Drang und tun Gutes, wie sie es am Meister sehen. Es hat etwas Ergreifendes, wie vor allem Johannes von der Macht des Einflusses Christi redet: „Der in ihm bleibt, der sündigt nicht“, ruft er aus. Die Sünde verstummte in Christi Gegenwart, ihre Wurzeln trockneten ein, die sinnliche Regung erlosch, ihre Macht war gebrochen. Den Satz: In ihm war das Leben", stellt der Apostel gleich in den Eingang seines Evangeliums, um in diesem einen Gedanken alles, was er vom Wirken Jesu nach außen verkündigen wollte, zusammenzufassen. Leben zu spenden war höchstes Ziel und inhaltreichste Aufgabe seines Erscheinens in der Welt. Der Erlöser hatte sich der Menschheit mit der Botschaft vorgestellt: „Ich bin die Wahrheit", und er brachte vom Himmel die religiöse Wahrheit,

ein Gut und Gnadengeschenk von unvergleichlichem Werte. Er stellte sich ferner der Welt als sicherer Führer zum ewigen Ziele vor: „Ich bin der Weg." Zuletzt spricht er mit gesteigerter Autorität: „Ich bin das Leben", um damit den Höhepunkt der Erlösung anzudeuten. Das bloße Wissen von Christus kann leicht verwelken und ohne Frucht abfallen; nur das bleibt, was der lebendige Christus in uns als Leben setzt. Darum bringt der dritte Ruf das Höchste, was der Erlöser der Welt hinterlassen konnte. Für uns ruht der Wert des Lebens Jesu in der Gewißheit, daß sein Leben uns zum Leben geworden, und so bildet der dritte Ruf: Ich bin das Leben, den Inbegriff und Höhepunkt der ganzen Erlösung. Er eröffnet neben der Quelle der Wahrheit die Lebensquelle, von welcher für alle Zeiten ein Lebensstrom ausgeht, wie ein Lichtstrom von ihr als der Wahrheitsquelle ausgeht. Die Erkenntnis der Wahrheit verbürgt an sich noch nicht das Leben, und das Evangelium Christi will auch nicht eine bloße Weltansicht bleiben, sondern vollste und tiefste Lebensbefriedigung schaffen. Und der Zug nach Leben ruht wie der Drang nach Licht unvertilgbar in der Seele, so zwar, daß selbst in der freiwilligen Lebensverneinung der Mensch noch nach Leben auszugreifen vermeint. Der Mensch oder genauer die Seele will leben, und weil sie leben will, verlangt sie selbst im unerlösten Zustande nach der Quelle des Lebens vergleichbar der Flamme, die nicht nach unten, sondern nach oben strebt. Denn der Mensch ist von Haus aus auf Gottesgemeinschaft angelegt und kann nur in dieser die Vollendung seines Wesens, sein Heil und Leben finden. Als Bild Gottes ist der Mensch Geist von Gottes Geist und erschaffen auf Christus hin (ais Xploτóv), welcher das wesenhafte Abbild Gottes ist. Der Mensch trägt in sich ein Gottesbewußtsein, eine stetige Richtung seines Seelenlebens auf Gott hin, hat somit in sich eine Stätte, die ein Tempel des Gottesgeistes werden soll, also auch werden kann. Gott ist aber nicht ein Abstraktes, sondern eine absolute Persönlichkeit, in welcher der Mensch die Quelle seines Lebens erkennt. Er fühlt es: In Gott ist der Urquell des Lichtes und Lebens, der Inbegriff alles Glückes. Der Mensch als ein losgeschlagener Funke des göttlichen Wesens kann nur in der Rückkehr zu ihm wahres Leben und wahre Seligkeit finden. Es wohnt dem Menschen, ihm selbst oft unbewußt, eine Sehnsucht nach seinem Ursprunge, nach seiner

1 Gn 1, 27. Lk 3, 28. Apg 17, 28.

2 Kol 1, 16. Röm 11, 36.

Jesus Christus. Vorträge.

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Urheimat inne. Aus diesem Zuge der Zusammengehörigkeit von Gott und Mensch entspringt die Lebenssehnsucht und das himmlische Heimweh. Die Seele sucht über dem Staube der Erde ein höheres Leben in Gott. Im Gebet, im Kultus und Sakrament finden sie die Sprossen der Leiter, die sie himmelwärts tragen. Im Wandel nach Gottes Willen beweist sie dem Ewigen ihre Liebe.

„Ich bin die Stimme des Rufenden in der Wüste."1 In diesem Bekenntnis des Täufers liegt ein Bild des Menschen: es ist die Stimme der tiefsten Sehnsucht nach Wahrheit, Leben und Seligkeit. Nicht die Welt antwortet auf diesen Ruf, sondern nur der Eine, der, da in ihm das göttliche Leben selber war, der Welt zuruft: „Ich bin das Leben." Schon die einfachste und natürlichste Bewegung des Menschen strebt dem Leben zu; ebenso geht die Bewegung der Seele nach dem übernatürlichen Leben und dem wahren Lebensgrunde und Lebensziele.

Das Thema, das mir hier gestellt ist, erscheint als eine Lebensfrage im eigentlichen Sinne des Wortes. Es ist die Frage aller Fragen. Denn es handelt sich um unser ewiges Sein oder Nichtsein. Worin besteht aber das Leben, von dem wir hier handeln? Wo ist sein Ursprung, was wirkt es, welches sind die Wege und Mittel zu ihm? Sehen wir zu.

1. Leben ein bedeutsames Wort, ein Wort, das eine ganze. Welt, ja eine Doppelwelt, Zeit und Ewigkeit, Himmel und Erde umschließt. Aber was ist das Wesen dieses Lebens, das der Herr in so feierlicher Weise verkündigt, in dem er sich der Welt als das Leben vorstellt? Er spricht es augenscheinlich in einem Gegensatze aus, und dieser Gegensatz kann nur ein Scheinleben oder gar der Tod sein. Das Wort Leben erinnert uns zunächst an das natürliche Leben, das uns ein Schöpferakt verliehen hat. Wollte Jesus von diesem reden? Aber das zu erringen und uns zu schenken, war er nicht in die Welt gekommen. Sein Wort weist vielmehr über die Natur und die Naturseite, auch über die natürlich-geistigen Anlagen des Menschen hinaus.

In sich selbst trägt Christus ein göttliches Leben, oder vielmehr er ist dieses göttliche Leben, und er erweist sich als die lebensetzende und lebenerhaltende Macht, die in einer besondern Weise auf das natürliche Leben einwirkt, ein neues Leben zu dem natürlichen hinzufügt, ein Leben freier Gnade, das der göttlichen Idee vom

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Leben entspricht. Dieses Leben ist ein Dasein in Schuldlosigkeit, Heiligkeit und Gottgefälligkeit, was nur durch einen neuen Schöpfungsakt, nämlich den der Erlösung, erreicht werden kann. Denn der Seele ist neben dem innerweltlichen und zeitlichen ein überweltliches und überzeitliches Ziel gesteckt, das nur zu erreichen ist, wenn dem natürlich-geistigen Leben ein übernatürlich-geistliches eingepflanzt wird. Den Inhalt dieses Lebens bilden nicht die Beziehungen des Menschen zur sinnlichen, sondern zur übersinnlichen Welt. Dieses eigentümliche Seelenleben also, dessen Ursprung Christus, dessen Prinzip der Heilige Geist ist, hat der Herr im Auge, wenn er spricht: „Ich bin das Leben." Die Seele ist das Organ und die Trägerin des natürlich-geistigen, aber ebenso des übernatürlich-geistlichen Lebens, und sie empfängt das volle, wahre Leben nur in innigster Verbindung mit der Person Jesu. Denn Beziehungen der Seele zu Gott, zur jenseitigen Welt bilden den Zweck, den Inhalt und Reichtum des neuen, der Seele eingepflanzten Lebens. Im natürlichen Zustand des Menschen zeigen sich in allen Beziehungen Gegensätze dieser Lebensidee, und die Offenbarung belehrt uns, daß diese Gegensätze ihre Quelle und ihren Ausgangspunkt in der Ursünde des Geschlechtes haben. In Christus erschien die Wiederherstellung des ursprünglichen geistlichen Lebens des Menschen, und zwar bezieht sich diese Wiederherstellung auf alle Momente, welche im natürlichen Menschen Gegensätze gegen die Idee des Lebens bilden. Christus erschien als ein Licht, das aus dem himmlischen Gebiete herab den Menschen leuchtete1 und ihnen die sittliche Ordnung und den Willen Gottes wieder klar machte; er verkündigte den göttlichen Entschluß zur Befreiung der Menschheit von Sünde und Schuld2, den er seinerseits in seinem stellvertretenden Tode erfüllte3. Wer ihn mit Sinnesänderung und mit Vertrauen auf Gottes Gnade als den von Gott gesandten Heiland aufnimmt, wird des Erlösungsverdienstes teilhaft und tritt so in die neue Lebensbeziehung zu Gott. Dies ist der Höhepunkt und die Vollendung der subjektiven Erlösung, nämlich das neue Leben in Christus. Dieses ist überhaupt das Höchste und zuletzt einzige, was wir von Gott erflehen und erhoffen können, und das Leben Jesu hat für den Menschen nur insofern Bedeutung, als es uns zum Leben ward. Was hilft sonst die Erkenntnis? Sie steigert nur das Bewußtsein von unserem geistigen Elend, wenn dem Worte der Wahrheit nicht das Leben folgt. In Christus ist

1 Jo 3, 19.

2 Jo 3, 14 ff.

3 Phil 2, 8. Röm 5, 6 ff.

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