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Gebrüder André, die für meine Arbeit ein lebhaftes und freundschaftliches Interesse gefaßt hatten, mit einer Liberalität aus, auf welche ich nicht gewagt hätte Anspruch zu machen: fie theilten mir im Verlauf der Arbeit immer die Handschriften mit, mit denen ich mich zu beschäftigen hatte und machten es mir möglich meine Darstellung fortwährend auf das unmittelbare Studium der einzelnen Compositionen zu begründen. Ich sage nicht zu Viel, wenn ich mit dem aufrichtigsten Dank bekenne, daß ohne das ehrenvolle Vertrauen und die freundschaftliche Förderung dieser Männer mein Buch das nicht hätte erreichen können, worin ich seinen wesentlichen Vorzug sezen zu können glaube. Da es mir durch eine günstige Fügung außerdem vergönnt worden ist die wichtigsten Werke, welche in der Andréschen Sammlung fehlen, durch die Güte ihrer Besizer in Mozarts eigener Handschrift zu studiren - was nie ohne Genuß und eigenthümliche Belehrung geblieben ist, so darf ich mich des seltenen Glückes rühmen, nicht allein die Compositionen Mozarts mit verhältnißmäßig geringen Ausnahmen vollständig, sondern weitaus die meisten in seiner Handschrift kennen gelernt zu haben.

Sie sehen, lieber Freund, diese Hülfsmittel mußten zu neuen Aufschlüssen, zu vollständigerer und genauerer Einsicht in das bisher zum Theil Bekannte führen; daß ich auch in der Litteratur mich umzusehen bemüht war und den dort zerstreuten Stoff für meine Zwecke zusammenzubringen suchte werden Sie mir schon als Philologen zutrauen. Indessen ist die musikalische Litteratur nicht so leicht zugänglich als die philologische und viele Hülfsmittel, welche dort das Nachsuchen und Forschen erleichtern, fehlen hier gänzlich; ich bin daher weit entfernt zu glauben daß ich mich einer vollständigen Benutzung der Litteratur auch nur angenähert habe. Dies war auch nur nach einer Richtung hin mein Bestreben, soweit es die Ueberlieferung des Thatsächlichen anlangt; denn Alles das was über Mozarts Musik gedacht, geträumt, gefaselt ist kennen lernen oder gar anführen zu wollen ist mir nicht in den Sinn gekommen. Ich hatte völlig genug an dem was mir bei anderer Lec

ture in den Weg gekommen ist, meine Leser werden an dem was beispielsweise angeführt ist ebenfalls genug haben.

Mein erstes Augenmerk war also die sichere Feststellung und urkundliche Begründung des Thatsächlichen und die, soweit es von Interesse sein konnte, vollständige Darlegung desselben. Die schriftliche oder die verbürgte mündliche Ueberlieferung Mozarts und seiner Angehörigen bildet daher die wesentliche Grundlage meiner Darstellung und zwar so daß, wo kein bestimmter Beleg beigebracht ist, die fortlaufende Correspondenz bei Nissen als Quelle anzusehen ist. Da ich aber wünschte Alles das in meinem Buch zu vereinigen, was mir ein bleibendes Interesse zu haben schien, und Nissens Sammlung entbehrlich zu machen für Alle, welche nicht selbständig prüfen und forschen wollen, so habe ich wörtliche Mittheilungen aus den Briefen wo es nur thunlich schien beigegeben, auch nicht versäumt, da ich das in den Briefen enthaltene Material an sehr verschiedenen Stellen und zu sehr verschiedenen Zwecken gebrauchen mußte, die außer der Reihe benußten Briefe anzuführen. Ich habe immer die Briefe nach dem Datum bezeichnet, ohne anzugeben ob der Brief bei Nissen gedruckt ist oder nicht. Dabei muß ich aber bemerken daß meine Angaben überhaupt nicht nach Nissens Buch controlirt werden können, da er die Briefe weder genau noch vollständig hat abdrucken lassen; und um jedes Mißverständniß zu verhüten, will ich noch anführen, daß mir, außer der oben angegebenen Folge gar manche einzelne Briefe von Leopold und Wolfgang Mozart zu Handen gekommen sind, aus denen ich genauer referiren konnte. Denn natürlich habe ich, wo mir das Original zu Gebote stand nur dieses zu Rath gezogen und Nissens Abdruck nur, wo jenes mir fehlte. Sie, lieber Freund, brauche ich nicht zu bitten mir das Vertrauen zu schenken daß ich es mit diesen Dingen genau genommen habe; ich hoffe aber daß meine Arbeit überhaupt dem Leser das Gefühl gebe, daß er sich auf meine Sorgfalt für treue Ueberlieferung verlassen könne. Es versteht sich von selbst, daß ich in Stil und Darstellung der Briefe nicht das Geringste geändert habe; nur in

der Orthographie habe ich mir einige Freiheit genommen um nicht den Leser ohne allen Nußen für die Charakteristik zu stören. Wo andere Quellen benußt werden konnten und mußten als die Briefe, find sie gewissenhaft angegeben.

Ich habe aber außer dem was Mozart unmittelbar angeht auch eine Zeit, die Verhältnisse unter denen er lebte und die Personen, mit denen er in Berührung kam, bestimmter darzustellen gesucht, soweit es eben für seine Entwickelung in Betracht kommt. Hier habe ich den großen Mangel an ausreichenden Nachrichten gar sehr zu beklagen. Wie genau wir auch über manche Partien der Litteratur- und Culturgeschichte in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts unterrichtet sind: über die musikalischen Verhältnisse und Personen erhalten wir wenig Aufschluß, und über die Gegenden, welche für die Geschichte der Musik von dem größten Interesse sind, erfahren wir überhaupt am wenigsten. Ich zweifle nicht, daß der Geschichtsforscher, der sich mit diesen Zeiten besonders beschäftigt, vieles Interessante ausmitteln wird das mir entgangen ist, obgleich ich auch solche über diese Armuth habe klagen hören. Ich habe denn nicht ohne Eifer zusammenzubringen gesucht was mir dienlich schien das Bild lebendiger und anschaulicher zu machen, und nicht versäumt die Quellen und Belege beizubringen, theils um der sicheren Gewißheit willen, theils um denen welche sich dafür interessiren die Wege zu weisen. Ich glaubte noch weiter gehen zu müssen, und habe bei den vielen Personen — meistens Musikern — die erwähnt werden mußten eine kurze Angabe ihrer Lebenszeit, mitunter auch eine summarische Charakteristik hinzugefügt. Die wenigsten meiner Leser werden diese Notizen gegenwärtig haben, die doch wenn das Ganze klar und deutlich sein soll zur Stelle sein müssen; ich wollte ihnen deshalb die Mühe sparen auch nur ein Conversationslexikon zur Hand zu nehmen. Ich habe mich dabei an die gangbaren und in ihrer Art vortrefflichen Tonkünstlerlerica von Gerber und Fétis gehalten; meine eigenen Untersuchungen aber, welche mich in das Detail dieser Zeit einführten, haben mir nicht selten Berich

tigungen der gewöhnlich überlieferten Angaben geboten; ich bemerke das nicht um das Verdienst jener Werke zu schmälern, sondern damit man nicht glaube mich ohne Weiteres aus gangbaren Büchern berichtigen zu können.

Vielleicht lächeln Sie über den Philologen, der sich in seinem Eifer für diese kleinen Beigaben verräth—immerhin, ich halte aufs Handwerk, und gelegentlich wird es Ihnen auch wohl bequem sein. Uebrigens bemerke ich, nicht für Sie, sondern für die, denen Anmerkungen, Excurse, Citate, Verzeichnisse u. s. w. als die grausame Rüstung der Pedanterie Entseßen einflößen, daß sie deshalb das Buch noch nicht wegzulegen brauchen. Ich habe mich bestrebt so zu schreiben, daß der Text ein in sich abgeschloffenes Ganze bildet, der zu seinem Verständniß der Anmerkungen nicht bedarf; und wen nach ihrer Gelehrsamkeit nicht verlangt, der kann sie getrost bei Seite liegen lassen. Dagegen hoffe ich aber daß Sie mir zugestehen werden, daß durch Anwendung philologischer Methode im Ganzen und Einzelnen auch diese Forschung nur gewinnen könne. Am augenfälligsten tritt sie vielleicht bei der chronologischen Bestimmung der einzelnen Werke hervor.

Wir sind in dieser Beziehung bei Mozart im Ganzen gut daran. Vom Jahre 1784 an besigen wir seinen eigenen sorgfältig geführten thematischen Catalog, welchen André im Jahr 1828 herausgegeben hat. Bei früheren Compositionen ist auf dem Autograph in der Regel die Entstehungszeit genau angegeben, und die Reihe der sicher datirten Werke umfaßt die bei weitem größte Anzahl. Aber doch nicht alle; von manchen fehlt das Autograph, und nicht auf allen findet sich ein Datum. Hier waren daher Combinationen, bei denen äußere Gründe bis auf Papier und Handschrift, und innere aus dem Stil und der formellen Behandlung abgeleitete sowie die Auslegung der Zeugnisse ihre Rollen spielen, unvermeidlich. Hofrath André hatte zu seinem Gebrauch einen bis zum Jahr 1784 geführten chronologischen Catalog entworfen, den ich in einer Abschrift benußen konnte. Er enthielt manche mir sehr erwünschte Bemerkung und

Nachweisung und leistete mir überhaupt gute Dienste; eigene Untersuchungen konnte er mir natürlich nicht ersparen. Durch diese bin ich, obgleich ich vorsichtig verfahren bin, fast überall ziemlich aufs Reine gekommen; die Verzeichnisse, welche ich nicht ohne Mühe entworfen habe, empfehlen sich hoffentlich durch übersichtliche Kürze und Zuverlässigkeit. Ganz aufgeben mußte ich es genau anzugeben, was bereits gedruckt ist, wo, wie oft; dies in einiger Vollständigkeit zu ermitteln verlangt Hülfsmittel und Studien, die ich diesen Fragen nicht widmen konnte. Was von der Art angeführt ist, kann nur als vereinzelte, zufällige Angabe gelten.

Doch die Behandlung des Historischen im Einzelnen und Ganzen geht ihren sicheren und gewiesenen Weg. Ihr leztes Ziel ist die Wahrheit, und nur diese zu finden und darzustellen habe ich mich bemüht. Keine Rücksicht auf Andere hak mich bewogen zu verschweigen, was für das Verständniß Mozarts als Mensch und Künstler nothwendig oder wichtig war, ebensowenig habe ich je verschwiegen oder zu verdecken gesucht, was zu seinem Nachtheil sprechen könnte. Das Urtheil über ihn als vollendeten Künstler steht fest und konnte vielleicht nur in Einzelheiten schärfer bestimmt und begründet werden; das Urtheil über den sich bildenden Künstler und über den Menschen kann erst durch das was hier vorgelegt wird sicher gefaßt werden. Allerdings ist es eine Freude für mich, daß in jeder Beziehung die Bewunderung wie die Achtung und Liebe zu Mozart gesteigert. ja zum Theil erst fest begründet wird. Aber um nichts in der Welt möchte ich daß man meine Darstellung Mozarts für eine apologetische ansähe. Nach meiner Ueberzeugung thut man großen Männern Unrecht, wenn man ihre Schwächen beschönigen oder wegläugnen will; man hat Alles gethan, wenn man sie zu verstehen sucht sowie sie

waren.

Bei diesem Bestreben die ganze Individualität Mozarts dem Leser klar und lebendig vor die Seele zu stellen, erschien es auch erwünscht seine körperliche Erscheinung demselben gegenwärtig zu

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