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ihre Verstellung zu großem Erstaunen der Brüder unter allgemeiner Heiterkeit auf.

Diesem kläglichen Tert gegenüber zeigt Mozart zunächst dadurch seine Ueberlegenheit daß der Adel und die Feinheit, die wir in seinen späteren Werken bewundern, wodurch er alles, was mit ihm in Berührung kommt, in eine höhere Sphäre erhebt, schon hier sich unverkennbar geltend machen. Die eigentliche Spaßmacherei ist meistens auf den Dialog beschränkt, in den Arien ist eine um etwas höhere Stimmung; auch in den Finales find allerdings fast alle Situationen recht sehr burlesk, aber sie sind doch ziemlich knapp gehalten und ohne viel Detail schlechter Späße, so daß der musikalische Charakter, welchen der Componist ihnen aufprägte, der vorwiegende ist. Ebenso entschieden tritt das Talent der musikalischen Charakteristik schon in dieser Knabenarbeit hervor, sowohl in der Auffaffung der Situationen als der Personen. Freilich ist hier vom Dichter so wenig als irgend möglich vorgearbeitet, und Alles was in dieser Beziehung geleistet ist kann man als das reine Verdienst des Componisten betrachten.

Beide vorher bezeichneten Vorzüge sind aufs glänzendste in der Person des Polidoro bewährt. Dieser, ein Einfaltspinsel und Poltron, der von seinem Bruder geprügelt, von allen aufs plumpste gehänselt wird, war für Caribaldi geschrieben, der eine schöne Stimme von einem süßen und rührenden Ausdruck hatte, aber einförmig in den Coloraturen, in welchen er nur natürliche Anlage zeigte, und im Spiel ein ungeschickter Nachahmer Caratolis war2. Mozart hat daher bei

2) Sonnenfels sagt (ges. Schr. V S. 296): „Der Musikseßer welcher von der angenehmen Stimme dieses Sängers Vortheil ziehen will, wird sich, wie ich dafür halte, sehr in Acht nehmen für ihn Allegro zu schreis ben".

seiner Charakteristik dem Gefühl der Liebe, das den armen Tropf über sich selbst hinaushebt, einen einfachen und edlen Ausdruck gegeben, ohne das komische Element ganz zu unterdrücken. Seine erste Arie, in welcher er den Eindruck schildert den Rosine auf ihn gemacht hat3, ist wohl die Krone der ganzen Oper. Der Ausdruck der Empfindung ist sehr einfach und edel, das Knabenhafte ist zur Naivetät eines Jünglings, der sich seiner Gefühle selbst noch nicht bewußt ist, die Furchtsamkeit zur Weichheit einer noch nicht gereiften Seele veredelt, mit einer Wahrheit des Ausdrucks, daß man ganz erstaunt fragen möchte, woher denn der Knabe die psychischen Erfahrungen habe. Man kann der Stimmung nach die Arie mit denen des Cherubin im Figaro vergleichen, nur daß der Page ungleich mehr Lebhaftigkeit und Geist als Polidoro zeigt. Uebrigens ist diese Arie durch die Schönheit der Melodie und Harmonie, welche in einem ungetrübten Flusse dahinströmen, ohne alle Spur von Conventionellem und Zopfartigem, durch die Symmetrie der einzelnen Theile und ihre Abrundung zu einem Ganzen, durch die innere Einheit der Stimmung vollständig Mozartsch und würde in seinen spätesten Opern einen würdigen Plaß einnehmen. Auch die Instrumentation ist, ob

3) Der Tert lautet:

Cosa ha mai la donna in dosso,

che mi piace tanto, tanto?
Se la guardo, in ei m' incanto,

se la tocco, mi fà rosso,

e che caldo ella mi fà!

Il malanno che li porti

quel, che sprezzan le consorti,
carezzarla, cocolarla,

una moglie poveretta,
una moglie benedetta

anche à me per carità.

wohl sehr einfach, in einer ganz entsprechenden Weise behandelt. Die erste Violine führt durchstehend die Melodie der Singstimme, hie und da etwas verziert, die zweite hält eine einfache Begleitungsfigur fest, die Bässe spielen pizzicato. Zwei Bratschen und Fagotts, meistens mit einander correspondirend, schattiren gewissermaßen die einfache Skizze, während zwei Oboen die Lichter aufseßen; die Hörner, welche nur in langgehaltenen Tönen angewendet sind, halten das Ganze zusammen. Die geschickte Verwendung dieser einfachen Mittel bringt ein gewisses Clairobscur hervor, welches von der schönsten und treffendsten Wirkung ist. Dramatisch lebendiger ist seine Arie im zweiten Act. Rosine, von Cassandro beleidigt, bricht in Thränen aus, da wendet er sich an sie mit Zärtlichkeit

Sposa cara, sposa bella,
per pietà, deh, non piangete !

und entrüstet an Cassandro

E se voi bevuto avete,
poveretto andate in letto
ne la state à molestar.
Piano, piano, ch' io burlavo,
state in la che vi son schiavo.
Quanto à me, tutto v'è lecito,
bastonatemi, accopatemi,

ma mia moglie, non Signor,
non l'avete da toccar.

Das wahre Gefühl der Liebe und das gewaltsame Zusammennehmen um die Furcht vor dem Bruder zu bemeistern sind lebendig charakterisirt, auch im Wechsel der Tactart und des Tempo, wie der Instrumentation; doch hat der bewegte Theil dieser Arie mehr den gewöhnlichen Buffocharakter.

Neben Polidoro zeichnet sich Rosine1 aus, und zwar

4) Sie war offenbar für die Baglioni bestimmt deren Stimme

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wiederum, was nicht bedeutungslos ist, besonders in den Arien, wo sie ihrem wirklichen Charakter gemäß einfach und wahr ihre Gefühle ausspricht. Gleich die erste Arie ist frisch und lebendig und durchaus graziös, selbst in den Passagen so natürlich und anmuthig, daß sie auch heute noch nicht veraltet klingen. Von der zweiten Arie ist besonders der erste Theil (Andante, un poco adagio) sehr schön, und die getragene Hauptmelodie kann durch Würde und Gefühl wohl an den Charakter der Gräfin im Figaro erinnern. Der Tert hat hier zu einer Malerei Veranlassung gegeben, indem nicht nur das susurrar durch eine entsprechende Figur in den Geigen ausgedrückt wird, sondern eine Solooboe auch die Rolle des Echo durch Wiederholung der lezten Töne jeder Phrase übernimmt, wobei sie sich auch in die Passagen auf ragionar einzuschmiegen weiß. Diese Tändelei ist aber so natürlich und bescheiden ausgeführt, daß sie den anmuthigen und innigen Charakter des Sazes nicht im Geringsten beeinträchtigt, der auch durch die Instrumentation sehr gehoben wird. Der

Silberklang war, so geläufig, als man es nur fordern kann und schön verflöfset"; fie sang „nicht verwegen aber richtig; ihre Geberde war, wenn sie wollte, anständig, frei"; Sonnenfels gef. Schr. V S. 300.

5) Colla bocca e non col core

tutti sanno inamorar,

ma chi vuol fede ed amore,

da me venga ad imparar;
che si può senza rossore
gradir tutti ed un solo amar.
6) Senti l'eco, ove t'aggiri,
susurrar tra fiori e fronde,
ma se gridi, o se sospiri,
quello sol l'eco risponde,
che ti sente à ragionar.

7) Außer dem Saitenquartett und der Solooboe sind zwei Corni inglesi und zwei Corni di caccia angewendet.

zweite Theil (Allegro grazioso 3⁄4) kommt, obgleich er leicht und munter ist, dem ersten an Eigenthümlichkeit und Bedeutung nicht gleich. Die dritte Arie, im zweiten Act, eine Cavatine, ist wieder durch das einfache innige Gefühl, welches sich in einer schönen getragenen Melodie ausspricht, sehr ausgezeichnet; die Anlage und Durchführung des ganzen Musikstückes hat, auch in der Begleitung, bei aller Einfachheit doch einen ganz eigenthümlichen Charakter, den wir schon als den bestimmt Mozartschen bezeichnen dürfen. Ueberhaupt zeigen die besprochenen Stücke eine völlige Reife, eine ausgebildete Individualität, welche über die bloße Fertigkeit und Geschicklichkeit in der Technik weit hinausgehen. In geringerem Maße gilt dies von der vierten Arie, ebenfalls im zweiten Act, welche Rosine in dem angenommenen Charakter als finta semplice singt und beweist, daß ein Frauenzimmer mit einem Liebhaber unmöglich zufrieden sein könne. Sie ist ganz munter und frisch, auch fehlt es nicht an einzelnen anmuthigen, ganz Mozartschen Wendungen; allein im Ganzen ist sie wenig hervorstechend.

Diesen beiden Hauptpersonen steht die dritte, Caffandro, der erste Baßbuffo, nicht ganz ebenbürtig gegenüber. Seine Partie ist mit Geschick und Sinn für die eigenthümlichen Züge eines italiänischen Buffo behandelt, es fehlt nicht an dem raschen parlando, an gut angebrachten Pausen, starken Contrasten und ähnlichen hergebrachten Effecten, allein eine eigenthümliche Erfindung in komischen Zügen tritt selten

8) „Caratoli ist wenig Sänger mehr, aber desto mehr Schauspieler und weiß gewissermaßen den Gesang entbehrlich zu machen; seine Nollen find die Alten“ sagt Sonnenfels (ges. Schr. V S. 291), der ihm nur Nebertreibung zu Gunsten des Haufens vorwirft. Aehnlich urtheilt Burney Reise I S. 63. Müller zuverl. Nachr. I S. 73. Er starb 67 Jahr alt in Wien 1772 (ebend. II S. 132).

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