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Einleitung.

Die Anfänge der ritterlichen Lyrik im zwölften Jahrhundert weisen uns nach dem südöstlichen Deutschland, nach Oesterreich, wo seit dem elften Jahrhundert eine rege Thätigkeit im Betriebe deutscher Poesie herrschte. Diese älteste Liederdichtung von volksthümlicher Einfachheit trägt noch häufig ein episches Gewand; die Erzählung tritt an die Stelle der persönlichen Empfindung, die Gefühle werden mehr angedeutet als ausgeführt. Was ihr an Kunst abgeht, ersetzt sie reichlich durch Natürlichkeit und Frische; sie bedarf noch nicht gesuchter Wendungen, weil das später tausendmal gesagte hier zum erstenmale seinen Ausdruck fand, weil es noch nicht galt durch Originalität der Einkleidung einen Gedanken neu erscheinen zu lassen. Von Oesterreich drang die Poesie in das benachbarte Baiern, auch hier ihren einfachen Charakter nicht verleugnend. Im Gegensatze zu dieser schlichten deutschen volksthümlichen Lyrik begegnet ihr, vom Niederrhein kommend, im letzten Viertel des zwölften Jahrhunderts eine auf wesentlich anderer Grundlage beruhende, angeregt durch die früher und reicher entwickelte französische, in Deutschland eingeführt durch Heinrich von Veldeke, der seiner Heimath nach den natürlichen Vermittler deutscher und romanischer Elemente bildet. Wie in der Epik, so verdrängt auch in der Lyrik der französische Geschmack sehr rasch den einheimischen, die raffinierte Künstlichkeit der Formen und eines ausgebildeten höfischen Frauendienstes die ältere Einfachheit, Deutschland mit scheinbarer Fülle überschüttend, aber innerlich die Poesie kaum gehaltvoller machend. Unmittelbares Nachahmen provenzalischer und französischer Muster währte zwar nur kurze Zeit; aber mittelbar blieb der Stempel der romanischen Kunstlyrik im eigentlichen Minneliede der deutschen Lyrik aufgeprägt. An Tiefe und Innigkeit des Gemüthes steht die letztere vor ihrem Vorbilde ebenso wie an Vertiefung der Gedanken die Epik; doch nur

wenige Dichter verstanden es, eine dichterische Persönlichkeit zu bewahren und nicht im Strome allgemeinster Empfindungen aufgehen zu lassen. Die grosse Masse der lyrischen Sänger seit dem Ende des zwölften bis in den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts beherrscht zwar die von den Meistern geschaffene Form und die Sprache in einer Weise wie seitdem kaum wieder die lyrische Kunst der Deutschen gethan; im Inhalt aber gleichen die meisten einander so sehr, dass, wenn uns nicht die Namen überliefert wären, wir in den wenigsten Fällen im Stande sein würden, das Eigenthum auszusondern. Wenn in vorliegender Sammlung die Eintönigkeit nicht so bemerklich wird, so hat das seinen Grund darin, dass des allzu farblosen nur wenig aufgenommen wurde. Ohne diesen günstigeren Eindruck als ein Verdienst der Auswahl bezeichnen zu wollen, darf er doch zur Rechtfertigung des Gedankens, eine Auswahl aus den deutschen Liederdichtern des Mittelalters zu geben, etwas beitragen.

Drei Abschnitte in der Geschichte der mittelhochdeutschen Lyrik können wir unterscheiden: der erste, bis etwa 1190 reichend, zeigt auf der einen Seite die volksthümlichen Anfänge derselben und auf der andern den Einfluss, den dann die romanische Kunstlyrik ausübte. Der zweite beginnt da wo die unmittelbare Nachahmung der letzteren aufhört; in ihm erreicht die deutsche Lyrik gleichzeitig mit der Epik ihre höchste Vollendung nach Inhalt und Form, geniesst die Gunst der Fürsten und Herren und der grösste Theil ihrer Träger gehört dem ritterlichen Stande an. Der dritte, dem Herbste vergleichbar, wird durch das Zurücktreten des ritterlichen, das Hervortreten des bürgerlichen Standes, das Ueberwiegen des lehrhaften Elementes, der Spruchpoesie, bezeichnet und verläuft in den eigentlichen Meistergesang, der bis zum Schlusse des Mittelalters und darüber hinaus sein Leben fristet.

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Den Mittelpunkt der deutschen wie jeder andern Lyrik bildet das Verhältniss der Geschlechter, das im Liebesliede seinen Ausdruck findet. Nach ihm sind unsere mhd. Liederdichter vorzugsweise minnesinger, minnesenger genannt, und der Ausdruck minneliet, minnewîse oder minnesanc1 darf daher auf den grössten Theil der Lieder dieser Sammlung angewendet werden. Der Name meistersane bezeichnet ursprünglich bloss vortrefflichen Gesang, ohne den Gegensatz, den wir heute zwischen Minnesängern und Meistersängern machen.

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Ein ziemlich durchgehender Zug des Minneliedes ist es, dass der Dichter mit einer Naturschilderung, der Lust des Sommers oder dem

118, 89. 57, 19. 225, 699. 3 57, 10.

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* 42, 121.

578, 13.

Leide des Winters, anhebt und an sie seine Gefühle knüpft. Mögen nun dieselben ein Abbild der Jahreszeit darstellen oder mit ihr im Widerspruche stehen, immer bildet diese Anknüpfung eine ungesuchte Vermittelung der äussern und innern Welt, wenngleich ihr häufiges Vorkommen etwas Ermüdendes haben kann. Die Art und Weise, wie der Liebende seinen Gefühlen Worte leiht, ist selbstverständlich ungemein manichfaltig; doch ist auf einen charakteristischen Unterschied der älteren und späteren Lyrik hinzuweisen. In jener finden wir noch das natürliche Verhältniss der Geschlechter: die Liebende blickt zu dem geliebten Manne als zu einem höheren Wesen empor, um dessen Huld sie bittet, während er ihrer Liebe trotzig entfliehen will. Sie ist ihm in Treue unterthan, wünscht seine Liebe allein zu besitzen und klagt dass er um einer andern willen sie vernachlässige. Dem Geschiedenen ruft sie sehnsüchtig nach; das Weib ist es, das nach der Liebe des Mannes sich sehnt, der wie ein Falke von ihr gehegt und gepflegt ihr treulos entflogen. 12 Wenn der jüngste Dichter unserer Sammlung dasselbe Bild anwendet, so gewinnt es etwas Komisches hier die Liebende den Wunsch aussprechen zu hören, sie möchte statt des entflogenen Falken wenigstens einen Blaufuss, eine geringere Falkenart, haben.

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Der Einfluss der französischen Lyrik gestaltete jenes Verhältniss zwischen Mann und Frau wesentlich anders. Da lässt die Frau sich um ihre Huld bitten und wehrt den Mann ab, der zu hohen Lohn für seinen Dienst begehrt; 14 da beginnt das immer wiederkehrende Flehen um Gnade, um eine kleinere oder grössere Gunst; von nun an finden wir jene oft edle und herrliche, oft aber überschwängliche Verehrung der Frauen im allgemeinen wie im einzelnen. Am schönsten hat wohl Walther die Frauen und zumal die deutschen Frauen gepriesen; in allegorisches Gewand hüllt ein ungenannter Dichter die Frauentugenden ein. Dass die Geliebte die schönste in allen Landen, 17 ist ein begreiflich oft wiederkehrender Gedanke. Aber nicht die Schönheit allein, auch die Anmuth (liebe) wird hervorgehoben 18 und Anmuth und Schönheit daher streitend eingeführt. 19 Der Markgraf von Hohenburg weiss, dass es schönere Weiber als seine Dame gibt; aber er kann nur die Vereinigung von Schönheit und Herzensgüte wirklich lieben. 20 Ja Heinrich von Rugge sagt, man solle nach der Schönheit von Frauen nicht fragen, wenn sie nur gut seien. Was jedes Geschlecht an dem

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1198, 23. 39. 298.
17 72, 103.

2019, 17.

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1698, 617.

121, 35.

1821, 610.

andern als die wünschenswerthesten Eigenschaften schätzt, lässt Walther im Gespräche einen Ritter und eine Dame entwickeln, 22 und Frauenlob lehrt eine Frau, wie sie selbst und wie der Mann sein müsse, den sie lieben solle. 23

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Wie von Zauber wähnt der Liebende sich umfangen; 24 die ihn umgebende Welt erscheint ihm verwandelt und er selbst im Besitze übernatürlicher Kräfte. 25 In der Gegenwart der Geliebten ist er verstummt, während er sonst um Worte nicht verlegen. Sie ist sein Hort," sein Gold, seine Edelsteine; 28 der Wind, der von ihr herweht, entzückt ihn. 29 Er beneidet den Anger, auf dem ihre zarten Füsse gewandelt, 30 und das Kind, das sie vor seinen Augen geherzt, zieht er an sich heran und küsst es an dieselbe Stelle, wo sie es geküsst. 31 Wenn sie es verlangt, singt er, 32 und weil ihre Huld ihm fehlt, ist er verstummt. Noch ein halber Knabe, ehe er weiss was Minne ist, liebt er sie; 34 35 von klein auf hat er ihr treu gedient; aber seine Treue hilft ihm nicht,3 er muss ohne Lohn dienen, 37 und wird nicht ablassen, auch wenn er darüber stürbe, und wünscht, dass man auf seinem Grabsteine lese wie treu er gewesen: 98 seine Hoffnung ist, dass sein Sohn, schöner als er, ihn an der Geliebten räche. 39 Vergebens versuchte er ihr zu entfliehen, über Länder und Meere, sie hielt ihn fest und zog ihn immer wieder zurück. 1o In Zweifel versunken misst er den Halm, an ihm sein 'sie liebt, sie liebt nicht, sie liebt' abzuzählen und Hoffnung daraus zu schöpfen. Die Natur ruft er zu Hülfe, den Mai, die Sommerwonne, den Klee, die Sonne, und klagt ihnen die Grausamkeit der Geliebten; aber wenn sie ihm helfen wollen, da bangt er, sie möchte es nicht ertragen, und fleht um Schonung für sie. Ja er droht ihr, Recht beim Könige, Kaiser und Pabste zu suchen, lässt sich aber leicht durch sie besänftigen. 43 Auch würde es ihm ja nichts nützen, seine Sache vor Gericht zu bringen, da er ihren Namen nicht nennen darf. In Träumen malt er sich sein Glück, wie ein Rosenbaum mit zwei blühenden Aesten ihn umfieng, und deutet den Traum auf Erfüllung seiner Wünsche. 45 Diese sind bescheidenster und kühnster Art. Ein Winken und heimliches Sehen, wenn die Nähe anderer nicht mehr gestattet, beglückt schon; 46 ein Gruss von ihr macht ihn froh. Er bittet um ein 'ja' statt des beständigen hartnäckigen 'nein', und wünscht, wo am Frühling alle Welt sich freue, dass auch ihm ein

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2221, 661. 2879, 188. 24 14, 281.

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2838, 201. 2927, 258 80 32, 34.

3466, 19.

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3514, 250.

39 14, 19.

4034,

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46 98, 71.

47 14, 280.

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fröidelîn zu Theil werde. Seine Sorge würde entschwinden, wenn sie ihm ein Küssen leihen wollte; 19 mit einem Kusse möchte er sich an ihrem Mündlein rächen und dazu sprechen das habe dir für deine Röthe', 50 und verspricht, wenn es ihm gelungen ein Küsschen zu stehlen, es gewissenhaft wieder an den Platz, wo er es genommen, hintragen zu wollen. 51 Aber noch höher versteigen die Wünsche sich: wenn er den Kuss erreicht, dann will er wieder etwas wünschen; 52 in Gedanken hält er die allerbeste umfangen, 53 und oft genug wird unverhohlen diese höchste Gunst gefordert. Wenn sie ihn fragt was Minne sei, von der er so viel rede, so verheisst er sies zu lehren, wenn sie eine Weile mit ihm allein sein wolle. 54

Die überschwänglichen Liebesversicherungen konnten mit Recht Zweifel an der Echtheit der Empfindungen wecken; und so verwahrt sich Hadloub gegen solche Bedenken, weil er gesund und gar nicht kränklich aussehe; 55 ihr seid zu feist,' sagt ein anderer, 'wäre euch euer Liebesgram Ernst, ihr wäret lange todt. 56 Es begreift sich, dass bei so überströmendem Lobe die Frauen etwas precios werden mussten, und mit ihren Liebhabern sich allerlei Spott erlaubten: Tanhauser zählt eine Menge unmöglicher Dinge auf, die seine Geliebte von ihm verlange, ehe sie ihn erhöre. 57 Ebenso erklärlich ist, dass die Männer ihrerseits die Launen satt bekamen, und mit der Dame wechselten: nach lange erlittenem Unrecht entschliesst der Sänger sich sie zu verlassen, und wünscht, dass sein neues Werben ihm besser als sein früheres glücke. 59 Hartmann will von ritterlichen Frauen nichts mehr wissen, bei denen er nichts gewinne als dass er müde werde vom langen Stehen, und zieht es vor die Zeit mit armen Weibern besser zu vertreiben. Steinmar aber, dem seine Geliebte nicht lohnen will, beschliesst die Freuden des Herbstes zu preisen. 61

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Die letzte Erwähnung, in der die Liebe ironisch behandelt wird, gehört der Zeit des Verfalles an; aber die Klagen über denselben beginnen schon im zwölften Jahrhundert. Walther klagt, dass Unfuge die Herrschaft erlangt und dass darum sein Singen nicht mehr so minniglich wie einst erklinge; 62 und der tugendhafte Schreiber nennt nicht Minne, sondern Unminne, was jetzt käuflich sei und Minne heisse. 63 Eine Jungfrau betrauert den Untergang der alten Zeit; jetzt nenne man einen treuen Liebhaber nur spöttisch ein argez minnerlîn.64 Walther von Metz wünscht, es möchten treue und falsche Minner

äusserlich

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