manches zu entdecken war, half man sich durch Logogriphen. Wer einen glücklichen, folgereichen Gedanken hatte und ihn nicht gleich offenbaren wollte, gab ihn versteckt in einem Worträtsel ins Publikum. Späterhin legte man dergleichen Entdeckungen bei den Akademien nieder, um der Ehre eines geistigen Besitzes gewiß zu sein; woher denn bei den Engländern, die, wie billig, aus allem Nutzen und Vorteil ziehen, die Patente den Ursprung nahmen, wodurch auf eine gewisse Zeit die Nachbildung irgendeines Erfundenen verboten wird. Der Verdruß aber, den die Präokkupation erregt, wächst höchst leidenschaftlich: er bezieht sich auf den Menschen, der uns bevorteilt, und nährt sich in unversöhnlichem Haß. Plagiat nennt man die gröbste Art von Okkupation, wozu Kühnheit und Unverschämtheit gehört und auch wohl deshalb eine Zeitlang glücken kann. Wer geschriebene, gedruckte, nur nicht allzu bekannte Werke benutzt und für sein Eigentum ausgibt, wird ein Plagiarier genannt. Armseligen Menschen verzeihen wir solche Kniffe; werden sie aber, wie es auch wohl geschieht, von talentvollen Personen ausgeübt, so erregt es in uns, auch bei fremden Angelegenheiten, ein Mißbehagen, weil durch schlechte Mittel Ehre gesucht worden, Ansehn durch niedriges Beginnen. Dagegen müssen wir den bildenden Künstler in Schutz nehmen, welcher nicht verdient, Plagiarier genannt zu werden, wenn er schon vorhandene, gebrauchte, ja bis auf einen gewissen Grad gesteigerte Motive nochmals behandelt. Die Menge, die einen falschen Begriff von Originalität hat, glaubt ihn deshalb tadeln zu dürfen, anstatt daß er höchlich zu loben ist, wenn er irgend etwas schon Vorhandenes auf einen höhern, ja den höchsten Grad der Bearbeitung bringt. Nicht allein den Stoff empfangen wir von außen, auch fremden Gehalt dürfen wir uns aneignen, wenn nur eine gesteigerte, wo nicht vollendete Form uns angehört. Ebenso kann und muß auch der Gelehrte seine Vorgänger benutzen, ohne jedesmal ängstlich anzudeuten, woher es ihm gekommen; versäumen wird er aber niemals, seine Dankbarkeit gelegentlich auszudrücken gegen die Wohltäter, welche die Welt ihm aufgeschlossen, es mag nun sein, daß er ihnen Ansicht über das Ganze oder Einsicht ins Einzelne verdankt. Posseß Nicht alle sind Erfinder, doch will jedermann dafür gehalten sein; um so verdienstlicher handeln diejenigen, welche, gern und gewissenhaft, anerkannte Wahrheiten fortpflanzen. Freilich folgen darauf auch weniger begabte Menschen, die am Eingelernten festhalten, am Herkömmlichen, am Gewohnten. Auf diese Weise bildet sich eine sogenannte Schule und in derselben eine Sprache, in der man sich nach seiner Art versteht, sie deswegen aber nicht ablegen kann, ob sich gleich das Bezeichnete durch Erfahrung längst verändert hat. Mehrere Männer dieser Art regieren das wissenschaftliche Gildewesen, welches wie ein Handwerk, das sich von der Kunst entfernt, immer schlechter wird, je mehr man das eigentümliche Schauen und das unmittelbare Denken vernachlässigt. Da jedoch dergleichen Personen von Jugend auf in solchen Glaubensbekenntnissen unterrichtet sind und im Vertrauen auf ihre Lehrer das mühsam Erworbene in Beschränktheit und Gewohnheit hartnäckig behaupten, so läßt sich vieles zu ihrer Entschuldigung sagen, und man empfinde ja keinen Unwillen gegen sie. Derjenige aber, der anders denkt, der vorwärts will, mache sich deutlich, daß nur ein ruhiges, folgerechtes Gegenwirken die Hindernisse, die sie in den Weg legen, obgleich spät, doch endlich überwinden könne und müsse. Usurpation Jede Besitzergreifung, die nicht mit vollkommenem Recht geschieht, nennen wir Usurpation; deswegen in Kunst und Wissenschaft im strengen Sinne Usurpation nicht stattfindet: denn um irgendeine Wirkung hervorzubringen, ist Kraft nötig, welche jederzeit Achtung verdient. Ist aber, wie es in allem, was auf die Menschen sittlich wirkt, leicht geschehen kann, die Wirkung größer, als die Kraft verdiente, so kann demjenigen, der sie hervorbringt, weder verdacht werden, wenn er die Menschen im Wahn läßt oder auch wohl sich selbst mehr dünkt, als er sollte. Endlich kommt ein auf diese Weise erhaltener Ruf bei der Menge gelegentlich in Verdacht, und wenn sie sich darüber gar zuletzt aufklärt, so schilt sie auf einen solchen usurpierten Ruhm, anstatt daß sie auf sich selbst schelten sollte: denn sie ist es ja, die ihn erteilt hat. Im Ästhetischen ist es leichter, sich Beifall und Namen zu erwerben: denn man braucht nur zu gefallen, und was gefällt nicht eine Weile? Im Wissenschaftlichen wird Zustimmung und Ruhm immer bis auf einen gewissen Grad verdient, und die eigentliche Usurpation liegt nicht in Ergreifung, sondern in Behauptung eines unrechtmäßigen Besitzes. Diese findet statt bei allen Universitäten, Akademien und Sozietäten. Man hat sich einmal zu irgendeiner Lehre bekannt, man muß sie behaupten, wenn man auch ihre Schwächen empfindet. Nun heiligt der Zweck alle Mittel, ein kluger Nepotismus weiß die Angehörigen emporzuheben. Fremdes Verdienst wird beseitigt, die Wirkung durch Verneinen, Verschweigen gelähmt. Besonders macht sich das Falsche dadurch stark, daß man es, mit oder ohne Bewußtsein, wiederholt, als wenn es das Wahre wäre. Unredlichkeit und Arglist wird nun zuletzt der Hauptcharakter dieses falsch und unrecht gewordenen Besitzes. Die Gegenwirkung wird immer schwerer: Scharfsinn verläßt geistreiche Menschen nie, am wenigsten, wenn sie unrecht haben. Hier sehen wir nun oft Haß und Grimm in dem Herzen Neustrebender entstehen, es zeigen sich die heftigsten Äußerungen, deren sich die Usurpatoren (weil das schwachgesinnte, schwankende Publikum, dem es nach tausend Unschicklichkeiten endlich einfällt, einmal für Schicklichkeit zu stimmen, dergleichen Schritte beseitigen mag) zu ihrem Vorteil und zu Befestigung des Reiches gar wohl zu bedienen wissen. EINZIGES GEISTREICHES WORT [Zur Morphologie. Zweiten Bandes erstes Heft. 1823.] H ERR Dr. Heinroth in seiner "Anthropologie", einem Werke, zu dem wir mehrmals zurückkommen werIden, spricht von meinem Wesen und Wirken günstig, ja er bezeichnet meine Verfahrungsart als eine eigentümliche: daß nämlich mein Denkvermögen gegenständlich tätig sei; womit er aussprechen will, daß mein Denken sich von den Gegenständen nicht sondere, daß die Elemente der Gegenstände, die Anschauungen in dasselbe eingehen und von ihm auf das innigste durchdrungen werden, daß mein Anschauen selbst ein Denken, mein Denken ein Anschauen sei-welchem Verfahren genannter Freund seinen Beifall nicht versagen will. Zu was für Betrachtungen jenes einzige Wort, begleitet von solcher Billigung, mich angeregt, mögen folgende wenige Blätter aussprechen, die ich dem teilnehmenden Leser empfehle, wenn er vorher, Seite 387 genannten Buches, mit dem Ausführlichern sich bekannt gemacht hat. In dem gegenwärtigen wie in den früheren Heften habe ich die Absicht verfolgt: auszusprechen, wie ich die Natur anschaue, zugleich aber gewissermaßen mich selbst, mein Inneres, meine Art zu sein, insofern es möglich wäre, zu offenbaren. Hiezu wird besonders ein älterer Aufsatz, "Der Versuch als Vermittler zwischen Subjekt und Objekt", dienlich gefunden werden. Hiebei bekenn ich, daß mir von jeher die große und so bedeutend klingende Aufgabe: "Erkenne dich selbst!" immer verdächtig vorkam, als eine List geheim verbündeter Priester, die den Menschen durch unerreichbare Forderungen verwirren und von der Tätigkeit gegen die Außenwelt zu einer innern falschen Beschaulichkeit verleiten wollten. Der Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in sich und sich nur in ihr gewahr wird. Jeder neue Gegenstand, wohl beschaut, schließt ein neues Organ in uns auf. Am allerfördersamsten aber sind unsere Nebenmenschen, welche den Vorteil haben, uns mit der Welt aus ihrem Standpunkt zu vergleichen und daher nähere Kenntnis von uns zu erlangen, als wir selbst gewinnen mögen. Ich habe daher in reiferen Jahren große Aufmerksamkeit gehegt, inwiefern andere mich wohl erkennen möchten, damit ich in und an ihnen, wie an so viel Spiegeln, über mich selbst und über mein Inneres deutlicher werden könnte. Widersacher kommen nicht in Betracht, denn mein Dasein ist ihnen verhaßt; sie verwerfen die Zwecke, nach welchen mein Tun gerichtet ist, und die Mittel dazu achten sie für ebenso viel falsches Bestreben. Ich weise sie daher ab und ignoriere sie, denn sie können mich nicht fördern, und das ists, worauf im Leben alles ankommt; von Freunden aber laß ich mich ebenso gern bedingen als ins Unendliche hinweisen: stets merk ich auf sie mit reinem Zutrauen zu wahrhafter Erbauung. Was nun von meinem gegenständlichen Denken gesagt ist, mag ich wohl auch ebenmäßig auf eine gegenständliche Dichtung beziehen. Mir drückten sich gewisse große Motive, Legenden, uraltgeschichtlich Überliefertes so tief in den Sinn, daß ich sie vierzig bis funfzig Jahre lebendig und wirksam im Innern erhielt; mir schien der schönste Besitz, solche werte Bilder oft in der Einbildungskraft erneut zu sehen, da sie sich denn zwar immer umgestalteten, doch ohne sich zu verändern, einer reineren Form, einer entschiednern Darstellung entgegen reiften. Ich will hievon nur die "Braut von Korinth", den "Gott und Bajadere", den "Grafen und die Zwerge", den "Sänger und die Kinder" und zuletzt noch den baldigst mitzuteilenden "Paria" nennen. Aus obigem erklärt sich auch meine Neigung zu Gelegenheitsgedichten, wozu jedes Besondere irgendeines Zustandes mich unwiderstehlich aufregte. Und so bemerkt man denn auch an meinen Liedern, daß jedem etwas Eigenes zum Grunde liegt, daß ein gewisser Kern einer mehr oder weniger bedeutenden Frucht einwohne; deswegen sie auch mehrere Jahre nicht gesungen wurden, be |