GEBIRGE [Zur Naturwissenschaft überhaupt. Ersten Bandes erstes Heft. 1817] V Was ich dort gelebt, genossen, Karlsbad VOR geraumen Jahren verweilte ich einen glücklichen Sommer an der heißen Heilquelle in Gesell schaft des edlen, für Kunst und Wissenschaft immer tätigen v. Racknitz, an dessen Freundschaft und Umgang ich der vergnüglichsten Belehrung genoß. Er hatte schon bedeutende Kenntnisse des Mineralreichs aus der ersten Hand empfangen; die Akademie in Freiberg wirkte mächtig auf Sachsen, auf Deutschland; unser umsichtige junge Fürst hatte Karl Wilhelm Voigt dorthin gesandt, um sich theoretisch und praktisch zu solchen Geschäften auszubilden. Auch ich ward veranlaßt, mich in dem anorganischen Reiche umzusehen, dessen Teile sich aufzuklären schienen und auf dessen Ganzes man mit mehrerem Zutrauen hinzuschauen wagte. Hier am Orte fühlte ich nun zuerst, welche große Gabe auch der geselligen Unterhaltung durch eine solche aufkeimende Wissenschaft mit geprüften Freunden sowie mit Neubekannten gegeben sei. In freier Luft, bei jedem Spaziergang, er führe nun durchs ruhige Tal oder zu schroffen wilden Klippen, war Stoff und Gelegenheit zu Beobachtung, Betrachtung, Urteil und Meinung; die Gegenstände blieben fest, die Ansichten bewegten sich aufs mannigfaltigste. Nötigte ein widerwärtiges Wetter die Naturfreunde ins Zimmer, so hatten sich auch da so viele Musterstücke gehäuft, an denen man das Andenken der größten Gegenstände wieder beleben und die auch den kleinsten Teilen zu widmende Aufmerksamkeit prüfen und schärfen konnte. Hiezu war der Steinschneider Joseph Müller auf das treufleißigste behülflich; er hatte zuerst die Karlsbader Spru delsteine, die sich vor allen Kalksintern der Welt vorteilhaft auszeichnen, in ihrer eigentümlichen Schönheit und Mannigfaltigkeit gesammelt, geschnitten, geschliffen und bekannt gemacht. Daneben versäumte derselbe nicht, auch auf andere geologische Denkwürdigkeiten seine Aufmerksamkeit gleichfalls zu richten; er verschaffte die merkwürdigen, aus dem verwitternden Granit sich ablösenden Zwillingskristalle und andere Musterstücke der an mannigfaltigen Erzeugnissen so reichen Gegend. Die Briefe, welche hierauf der scharfblickende, bedächtige, genaue, emsige v. Racknitz an den lebhaft umherschauenden, beobachtenden, erläuternden, erklärenden, meinenden und wähnenden v. Veltheim schrieb und drucken ließ, dienten mir bei wiederholtem Besuch jener Urgegend zum festen Anhaltspunkte, und ich entfernte mich niemals von dem geliebten Ort ohne Gewinn an Belehrung und Bildung. Nach einem Zwischenraum so mancher Jahre verfügte ich mich wieder dahin; ich fand die Gegend immer dieselbe, so auch den wackern Müller, an Tagen älter, in ununterbrochener Jünglingstätigkeit: er hatte seine Studien über die ganze Gegend ausgedehnt und seine Sammlung vom Grundgebirge an durch alle Übergänge bis zu den pseudovulkanischen Erscheinungen verbreitet. Er teilte mir einen schriftlichen Aufsatz mit, dessen Redaktion er wünschte; wir kamen über eine gewisse Anordnung überein, wie sie in dem nachstehenden Verzeichnis beliebt ist, und so wurden auch die Gedanken dieses braven Mannes, insofern ich sie mir aneignen konnte, mit meinen Überzeugungen verschmolzen, der daraus entsprungene Aufsatz, unter Teilnahme und Mitwirkung des Doktor Riemer, der mir in ästhetischen und wissenschaftlichen Arbeiten viele Jahre treulich beigestanden, auf der Stelle verfaßt und abgedruckt. Diese wenigen Blätter gaben zeither den Besuchenden Fingerzeige, wornach sie die Gegend beschauen und sich nach eigner Sinnesweise daran belehren könnten. Möge nun auch dies erneuerte Denkmal einer von mir immer treulich fortgesetzten Bemühung nicht ohne Nutzen für unsere Nachreisenden bleiben. Joseph Müllerische Sammlung Die Felsen und Berge, von denen man sich in Karlsbad umgeben sieht, bestehen, was ihre Gipfel betrifft, sämtlich, die meisten aber auch bis zu ihrem Fuß herab, aus Granit, welcher feinkörnig (1, 2) und grobkörnig (3, 4) in mancherlei Abwechslung vorkommt. Große Teile rhombischen Feldspates zeigen sich auffallend in der grobkörnigen Art. Sie deuten sowohl ihrer innern Struktur als äußern Form nach auf eine Kristallisation, welche sich bald entschiedener ausspricht. Denn es gibt große Massen des Karlsbader Granits, worin man vollkommene Kristalle, und zwar von sehr komplizierter Bildung, antrifft (5). Es sind Doppelkristalle, welche aus zwei in- und übereinander greifenden Kristallen zu bestehen scheinen, ohne daß man jedoch den einen ohne den andern einzeln denken könnte. Ihre Form ist durch Beschreibung nicht wohl vor die Einbildungskraft zu bringen, man kann sich solche aber im ganzen als zwei ineinander gefügte rhombische Tafeln vorstellen (6, 7, 8). Die größten, welche wir aufgefunden, sind drei Zoll lang und drittehalb Zoll breit, die kleinsten etwa von der Länge eines Zolls und in gleichem Verhältnisse breit; wiewohl auch bei größeren und kleineren öfters Länge und Breite miteinander übereinkommt. Sie sind in den Granit innig verwachsen, und insofern er nicht verwitterlicher Art ist, geben sie den Platten desselben, dergleichen hier als Trittsteine vor den Häusern liegen, ein schönes porphyrartiges Ansehen, besonders wenn sie vom Regen abgespült worden. Will man sie in den Granitblöcken kennen lernen, so steige man hinter dem Hammer den Dorf- und Waldweg hinauf. Von ihrer eigentlichen merkwürdigen Bildung aber würden wir keinen deutlichen Begriff haben, wenn der Granit, der sie enthält, nicht manchmal dergestalt verwitterte, daß die Umgebung zu Sand und Grus zerfiele, die Kristalle selbst aber fest und unverändert zur Freiheit kämen; wobei jedoch zu beobachten ist, daß sie bald aufgelesen werden müssen, weil auch sie durch Zeit und Witterung zerfallen, wenigstens brüchig werden. Kennen wir sie nun in ihrer einfachen Doppelgestalt, so finden wir sie auch miteinander auf vielfache Weise verbunden. Teils ist Tafel auf Tafel aufgewachsen, teils sind mehrere unregelmäßig zusammengehäuft. Manchmal sind zwei solcher Doppelkristalle in Kreuzform innig vereint. Sehr selten erscheinen sie zu weißer Porzellanerde verwittert. Auch die kleinern Bruchstücke, die man von ihnen findet, behalten noch immer das Ansehen und die Eigenschaften des Feldspates. Hierauf legen wir, um mehrerer Mannigfaltigkeit willen, Musterstücke entfernterer Granitarten bei, als von Fischern (9), von Dallwitz (10) und eine sonstige Abänderung (11). Nach diesem zieht ein feinkörniger Granit, der an mehreren Orten des hiesigen Gebirges vorkommt, unsere Aufmerksamkeit an sich. Er hat eine rötliche Farbe, die an den Lepidolith erinnert, und zeigt auf dem frischen Bruche kleine braunrote Flecken (12). Beobachtet man diese näher und an mehreren Beispielen, so wird man bald gewahr, daß auch hier eine Kristallform angedeutet ist. Verwittert nun gar das Gestein bis auf einen gewissen Grad, so findet man, indem man es auseinander schlägt, völlig ausgebildete Kristalle, jedoch mit der Eigenheit, daß sie nur mit einem Teile aus dem Gestein hervorragen, der andere aber in demselben fest verwachsen bleibt (13); wie uns denn kein völlig loser, vollständiger Kristall der Art jemals vorgekommen. An Gestalt gleichen sie jenen ersterwähnten Doppelkristallen des Feldspates; nur überschreiten sie selten einen Zoll, die gewöhnlichsten erreichen kaum einen halben. Ihre Farbe ist ursprünglich braunrot, die sich auch wohl äußerlich gegen das Violblaue zieht; doch gehn sie öfters in eine weiße Porzellanerde über (14). Zerschlägt man ein Stück dieses Gesteins, das man von einer ganz frischen Stelle, welche im Steinbruche erst entblößt worden, weggenommen, so findet man den Bruch der Kristalle stets vollkommen rot. Erleidet aber dieses Gestein den Einfluß der Witterung, so fängt die Veränderung von außen an, da, wo die Kristalle mit dem Muttergestein zusammenhängen, und zieht sich nach und nach gegen das Innere. Die rote Farbe verschwindet und macht der weißen Platz, welche den ganzen Kristall endlich durchdringt, der nun aber auch zugleich seine Konsistenz verliert und beim Zerschlagen des Steins seine Form nicht mehr entschieden behalten kann. Untersucht man ferner die Mannigfaltigkeit der Karlsbader Granite, so findet man mehrere Stellen, welche auf ein Talkartiges hindeuten. Die grüne Farbe zeigt und verbreitet sich durch das Gestein, und an den Ablösungen läßt sich ein glänzendes Festes beobachten, das man für nephritisch ansprechen möchte. In einem gewissen Granit, der an mehreren Orten zwischen dem andern ansteht und oft einen roten, von Quarzkörnern durchsäten Feldspat enthält, wobei der Glimmer kaum merklich ist, finden sich Kristalle den vorbeschriebenen ähnlich, der Größe nach nie einen Zoll erreichend, an Farbe gelbgrünlich, übrigens von völlig specksteinähnlichem Ansehn (15). Wie nun die grüne Farbe dem ganzen Gestein angehört, so scheint sie auch ursprünglich den Kristallen eigen zu sein: denn sie bleiben sich unter allen Umständen gleich und lassen sich nicht wie jene roten auf dem Übergang in einen andern Zustand, in eine andere Farbe betreffen und beobachten. Fest und vollkommen sowohl als verwittert und zerbröckelt, behalten sie ihre grüne Farbe und das specksteinartige Ansehn. Niemals erreichen sie die Größe eines Zolls; doch lassen sie uns jene obenerwähnte kristallische Doppelgestalt bei dem Maß von drei Linien noch deutlich genug erblikken (16). Wir verlassen nunmehr diese Kristallisationen und suchen den Feldspat auf, wie er auch als Masse zwischen und neben dem Granit gefunden wird. Der schönste zeigt sich in der Dorotheen-Aue als Gang; seine Flächen spiegeln sehr lebhaft, seine Farbe zieht stellenweise aus dem Fleischroten ins Grünliche, und man durfte ihn daher gar wohl mit der Adularia vergleichen (17). Weniger edel, doch rein und mächtig, tritt er bei Dallwitz neben und unter dem Granit in großen Massen hervor (18). Er verwandelt sich in dem Porzellanfeuer zu |