um so bequemer geschehen kann, da noch Stoff genug übrig ist, gegenwärtige kleine, nur vorläufige Abhandlung zu erläutern und weiter auszuführen. Es wird alsdann nicht nötig sein, einen so gemessenen Schritt wie gegenwärtig zu halten. Ich werde manches Verwandte herbeiführen können, und mehrere Stellen, aus gleichgesinnten Schriftstellern gesammlet, werden an ihrem rechten Platze stehen. Besonders werde ich von allen Erinnerungen gleichzeitiger Meister, deren sich diese edle Wissenschaft zu rühmen hat, Gebrauch zu machen nicht verfehlen. Diesen übergebe und widme ich hiermit gegenwärtige Blätter. I Von den Samenblättern 10. Da wir die Stufenfolge des Pflanzenwachstums zu beobachten uns vorgenommen haben, so richten wir unsere Aufmerksamkeit sogleich in dem Augenblicke auf die Pflanze, wo sie sich aus dem Samenkorn entwickelt. In dieser Epoche können wir die Teile, welche unmittelbar zu ihr gehören, leicht und genau erkennen. Sie läßt ihre Hüllen mehr oder weniger in der Erde zurück, welche wir auch gegenwärtig nicht untersuchen, und bringt in vielen Fällen, wenn die Wurzel sich in den Boden befestigt hat, die ersten Organe ihres oberen Wachstums, welche schon, unter der Samendecke verborgen, gegenwärtig gewesen, an das Licht hervor. II. Es sind diese ersten Organe unter dem Namen Kotyledonen bekannt; man hat sie auch Samenklappen, Kernstücke, Samenlappen, Samenblätter genannt und so die verschiedenen Gestalten, in denen wir sie gewahr werden, zu bezeichnen gesucht. 12. Sie erscheinen oft unförmlich, mit einer rohen Materie gleichsam ausgestopft und ebensosehr in die Dicke als in die Breite ausgedehnt; ihre Gefäße sind unkenntlich und von der Masse des Ganzen kaum zu unterscheiden; sie haben fast nichts Ähnliches von einem Blatte, und wir können verleitet werden, sie für besondere Organe anzusehen. 13. Doch nähern sie sich bei vielen Pflanzen der Blattgestalt; sie werden flächer, sie nehmen, dem Licht und der Luft ausgesetzt, die grüne Farbe in einem höhern Grade an, die in ihnen enthaltenen Gefäße werden kenntlicher, den Blattrippen ähnlicher. 14. Endlich erscheinen sie uns als wirkliche Blätter, ihre Gefäße sind der feinsten Ausbildung fähig, ihre Ähnlichkeit mit den folgenden Blättern erlaubt uns nicht, sie für besondere Organe zu halten, wir erkennen sie vielmehr für die ersten Blätter des Stengels. 15. Läßt sich nun aber ein Blatt nicht ohne Knoten und ein Knoten nicht ohne Auge denken, so dürfen wir folgern, daß derjenige Punkt, wo die Kotyledonen angeheftet sind, der wahre erste Knotenpunkt der Pflanze sei. Es wird dieses durch diejenigen Pflanzen bekräftiget, welche unmittelbar unter den Flügeln der Kotyledonen junge Augen hervortreiben und aus diesen ersten Knoten vollkommene Zweige entwickeln, wie z. B. Vicia Faba zu tun pflegt. 16. Die Kotyledonen sind meist gedoppelt, und wir finden hierbei eine Bemerkung zu machen, welche uns in der Folge noch wichtiger scheinen wird. Es sind nämlich die Blätter dieses ersten Knotens oft auch dann gepaart, wenn die folgenden Blätter des Stengels wechselsweise stehen; es zeigt sich also hier eine Annäherung und Verbindung der Teile, welche die Natur in der Folge trennt und voneinander entfernt. Noch merkwürdiger ist es, wenn die Kotyledonen als viele Blättchen um eine Achse versammlet erscheinen und der aus ihrer Mitte sich nach und nach entwickelnde Stengel die folgenden Blätter einzeln um sich herum hervorbringt, welcher Fall sehr genau an dem Wachstum der Pinusarten sich bemerken läßt. Hier bildet ein Kranz von Nadeln gleichsam einen Kelch, und wir werden in der Folge bei ähnlichen Erscheinungen uns des gegenwärtigen Falles wieder zu erinnern haben. 17. Ganz unförmliche einzelne Kernstücke solcher Pflanzen, welche nur mit einem Blatte keimen, gehen wir gegenwärtig vorbei. GOETHE XVI 10. 18. Dagegen bemerken wir, daß auch selbst die blattähnlichsten Kotyledonen, gegen die folgenden Blätter des Stengels gehalten, immer unausgebildeter sind. Vorzüglich ist ihre Peripherie höchst einfach, und an derselben sind so wenig Spuren von Einschnitten zu sehen, als auf ihren Flächen sich Haare oder andere Gefäße ausgebildeter Blätter bemerken lassen. II Ausbildung der Stengelblätter von Knoten zu Knoten 19. Wir können nunmehr die sukzessive Ausbildung der Blätter genau betrachten, da die fortschreitenden Wirkungen der Natur alle vor unsern Augen vorgehen. Einige oder mehrere der nun folgenden Blätter sind oft schon in dem Samen gegenwärtig und liegen zwischen den Kotyledonen eingeschlossen; sie sind in ihrem zusammengefalteten Zustande unter dem Namen des Federchens bekannt. Ihre Gestalt verhält sich gegen die Gestalt der Kotyledonen und der folgenden Blätter an verschiedenen Pflanzen verschieden, doch weichen sie meist von den Kotyledonen schon darin ab, daß sie flach, zart und überhaupt als wahre Blätter gebildet sind, sich völlig grün färben, auf einem sichtbaren Knoten ruhen und ihre Verwandtschaft mit den folgenden Stengelblättern nicht mehr verleugnen können; welchen sie aber noch gewöhnlich darin nachstehen, daß ihre Peripherie, ihr Rand nicht vollkommen ausgebildet ist. 20. Doch breitet sich die fernere Ausbildung unaufhaltsam von Knoten zu Knoten durch das Blatt aus, indem sich die mittlere Rippe desselben verlängert und die von ihr entspringenden Nebenrippen sich mehr oder weniger nach den Seiten ausstrecken. Diese verschiedenen Verhältnisse der Rippen gegeneinander sind die vornehmste Ursache der mannigfaltigen Blattgestalten. Die Blätter erscheinen nunmehr eingekerbt, tief eingeschnitten, aus mehreren Blättchen zusammengesetzt, in welchem letzten Falle sie uns vollkommene kleine Zweige vorbilden. Von einer solchen sukzessiven höchsten Vermannigfaltigung der einfachsten Blattgestalt gibt uns die Dattelpalme ein auffallendes Beispiel. In einer Folge von mehreren Blättern schiebt sich die Mittelrippe vor, das fächerartige einfache Blatt wird zerrissen, abgeteilt, und ein höchst zusammengesetztes, mit einem Zweige wetteiferndes Blatt wird entwickelt. 21. In eben dem Maße, in welchem das Blatt selbst an Ausbildung zunimmt, bildet sich auch der Blattstiel aus, es sei nun, daß er unmittelbar mit seinem Blatte zusammenhange oder ein besonderes, in der Folge leicht abzutrennendes Stielchen ausmache. 22. Daß dieser für sich bestehende Blattstiel gleichfalls eine Neigung habe, sich in Blättergestalt zu verwandeln, sehen wir bei verschiedenen Gewächsen, z. B. an den Agrumen, und es wird uns seine Organisation in der Folge noch zu einigen Betrachtungen auffordern, welchen wir gegenwärtig ausweichen. 23. Auch können wir uns vorerst in die nähere Beobachtung der Afterblätter nicht einlassen; wir bemerken nur im Vorbeigehn, daß sie, besonders wenn sie einen Teil des Stiels ausmachen, bei der künftigen Umbildung desselben gleichfalls sonderbar verwandelt werden. 24. Wie nun die Blätter hauptsächlich ihre erste Nahrung den mehr oder weniger modifizierten wässerichten Teilen zu verdanken haben, welche sie dem Stamme entziehen, so sind sie ihre größere Ausbildung und Verfeinerung dem Lichte und der Luft schuldig. Wenn wir jene in der verschlossenen Samenhülle erzeugten Kotyledonen, mit einem rohen Safte nur gleichsam ausgestopft, fast gar nicht oder nur grob organisiert und ungebildet finden, so zeigen sich uns die Blätter der Pflanzen, welche unter dem Wasser wachsen, gröber organisiert als andere, der freien Luft ausgesetzte; ja sogar entwickelt dieselbige Pflanzenart glättere und weniger verfeinerte Blätter, wenn sie in tiefen feuchten Orten wächst, da sie hingegen, in höhere Gegenden versetzt, rauhe, mit Haaren versehene, feiner ausgearbeitete Blätter hervorbringt. 25. Auf gleiche Weise wird die Anastomose der aus den Rippen entspringenden und sich mit ihren Enden einander aufsuchenden, die Blatthäutchen bildenden Gefäße durch feinere Luftarten, wo nicht allein bewirkt, doch wenigstens sehr befördert. Wenn Blätter vieler Pflanzen, die unter dem Wasser wachsen, fadenförmig sind oder die Gestalt von Geweihen annehmen, so sind wir geneigt, es dem Mangel einer vollkommenen Anastomose zuzuschreiben. Augenscheinlich belehrt uns hiervon das Wachstum des Ranunculus aquaticus, dessen unter dem Wasser erzeugte Blätter aus fadenförmigen Rippen bestehen, die oberhalb des Wassers entwickelten aber völlig anastomosiert und zu einer zusammenhängenden Fläche ausgebildet sind. Ja es läßt sich an halb anastomosierten, halb fadenförmigen Blättern dieser Pflanze der Übergang genau bemerken. 26. Man hat sich durch Erfahrungen unterrichtet, daß die Blätter verschiedene Luftarten einsaugen und sie mit den in ihrem Innern enthaltenen Feuchtigkeiten verbinden; auch bleibt wohl kein Zweifel übrig, daß sie diese feineren Säfte wieder in den Stengel zurückbringen und die Ausbildung der in ihrer Nähe liegenden Augen dadurch vorzüglich befördern. Man hat die aus den Blättern mehrerer Pflanzen, ja aus den Höhlungen der Rohre entwickelten Luftarten untersucht und sich also vollkommen überzeugen können. 27. Wir bemerken bei mehreren Pflanzen, daß ein Knoten aus dem andern entspringt. Bei Stengeln, welche von Knoten zu Knoten geschlossen sind, bei den Zerealien, den Gräsern, Rohren, ist es in die Augen fallend; nicht ebensosehr bei andern Pflanzen, welche in der Mitte durchaus hohl und mit einem Mark oder vielmehr einem zelligen Gewebe ausgefüllt erscheinen. Da man nun aber diesem ehemals sogenannten Mark seinen bisher behaupteten Rang neben den andern inneren Teilen der Pflanze, und wie uns scheint mit überwiegenden Gründen, streitig gemacht*), ihm den scheinbar behaupteten Einfluß in das Wachstum abgesprochen und der innern Seite der zweiten *) Hedwig, in des Leipziger Magazins drittem Stück. |