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den thatsächlichen Bestand eines Ortes mit dem Namen Vogelweide.') Und das genügte ihm, seine ursprüngliche, mit Heftigkeit verfochtene Ansicht von Walthers fränkischer Herkunft 2) ohneweiters aufzugeben und sich für ihn als Tiroler auszusprechen. Geistreich, wie immer, verstand er auch diese seine Hypothese zu stüßen; wir kommen darauf zurück. Trogdem war er weit entfernt davon, behaupten zu wollen, die damit aufgeworfene Frage endgiltig gelöst zu haben. Klug und bescheiden schloß er seine bezüglichen Ausführungen mit den Worten: „Ohne mir einzubilden, durch die vorstehende Untersuchung Walthers Heimat mit unumstößlicher Gewißheit festgestellt zu haben, glaube ich doch, daß nun für Tirol gewichtigere Gründe als für jedes andere deutsche Land sprechen."

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Nicht mit derselben gerade bei Pfeiffer unerhörten Reserve wurde dieser Gedanke von Anderen aufgegriffen. Seine Wirkung in Tirol war die eines zündenden Funkens. Die Theilnahme, die freudige Zustimmung, ja die Begeisterung, mit der er dört in allen Schichten der Bevölkerung begrüßt, bearbeitet und verwerthet wurde, muß um so bedingungsloser anerkannt werden, als die hervorgerufene Bewegung sogar von einer Seite getheilt und selbst zum besten Theil geleitet wurde, die sonst einem freisinnigen, kaisertreuen, geschworenen Gegner päpstlicher Ueberallmacht, einem Ghibellinen vom Schlage Walthers, eben nicht sonderlich gewogen zu sein pflegt: von clericaler, ultramontaner Seite.

In einheimischen und fremden Blättern, so im „Tiroler Volksblatt", im Boten für Tirol und Vorarlberg", in der „Neuen Freien Presse", in der ,,Allgemeinen Zeitung", wie „Im neuen Reich" u. s. w., plaidirten Johann Haller, G. Dahlke, J. V. Zingerle, Julius Ficker, Johannes Schrott und Andere für jene neue Idee mit einer Liebe zur Sache, einer Wärme der Hingebung, die sich, wie nicht geleugnet werden mag, die allgemeine Sympathie im Sturme eroberte. Pfeiffers Entdeckung wurde nur dahin modificirt, daß als das Geburtshaus Walthers ein zweiter wiederaufgefundener tiroler Vogelweidhof, der „Innervogelweiderhof", auch Schrotthof genannt, am Layener Ried bei Waidbruck an der Eisack, betrachtet werden wollte. Am 3. October 1874 fand unter massenhafter Betheiligung vor diesem Hofe eine Festfeier statt und wurde an demselben eine Gedenktafel angebracht. Es folgten ähnliche Feste in Klausen, Bozen, Innsbruck, Brixen, fast in jedem größeren Orte Deutsch-Tirols. Ein Walther-Denkmal-Comité wurde gebildet, und in relativ kurzer Zeit

1) Pfeiffer a. a. O., Einleitung, S. XXV fg.

2) Pfeiffer, Über Walther von der Vogelweide (1860).

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erhob sich in Bozen ein schönes, prächtiges Standbild Walthers von der Vogelweide, dessen Enthüllung am 15. September 1889 mit allen gebührenden Ehren vollzogen wurde. Seither gilt Walther ziemlich allgemein als Tiroler.

Das Comité hatte seine Thätigkeit nicht auf die Errichtung eines steinernen Denkmals beschränkt; es war auch literarisch überaus rührig. Unter seinen Publicationen beansprucht das Schriftchen P. Patrik Anzolettis zur Heimatfrage Walthers von der Vogelweide" 1) widerspruchslos die meiste Beachtung, schon darum, weil es, wie dies kurz zuvor eine Abhandlung J. V. Zingerles) gethan hatte, Alles und Jedes, was über den angeregten Gegenstand bis dahin geschrieben und gesprochen worden, nochmals übersichtlich zusammenfaßt.

Der Verfasser beginnt mit einem für seine Vorgänger just nicht sehr schmeichelhaften Lobe: „Neben höchstem Phrasengeklingel, von Parteischwindel und giftigem Romhasse eingegebenen Gekläffe ist doch manches treffende und schöne Wort über Walther gesprochen worden." Uebrigens auch für ihn sind Alle einig in dem Preise des Sängers, der „in seinen Liedern und Sprüchen das getreueste Abbild des zwölften Jahrhunderts in seinem Ausgange und des dreizehnten in seinem Beginne der Nachwelt hinterlassen." Und dieser Sänger ist höchst wahrscheinlich ein Tiroler." „Höchstwahrscheinlich," wird wiederholt, „denn mit absoluter Gewißheit es zu behaupten, ist noch keinem nüchternen Untersucher der Frage beigekommen.“ Mit anderen Worten an anderer Stelle: „Weder in Franken, das dem Dichter schon seit 1220 eine zweite Heimat geworden war, noch in Desterreich, das er wenige Jahre früher verlassen, oder in jenen Gegenden von der Sau bis an die Mur, von dem Po bis an die Drave, von Elbe und Rhein bis zum Ungarland, die sein Fuß vielfach durchstreift hatte, stand des Minnesängers Vaterhaus; vielmehr tritt Tirol nachdem auch der Glaube an seine schweizerische oder böhmische Heimat längst aufgegeben wurde — nicht ohne Grund mit dem Anspruch auf die Wiege des großen Mannes hervor."

Den Kern der Nachweisung für jenes „Höchstwahrscheinlich“ bildet die mitgetheilte Hypothese Pfeiffers. In zwei Umständen fand Pfeiffer eine beiläufige Bestätigung dieser Hypothese. Die Lieder Walthers find in den verschiedenen Handschriften zum Theil mit denen anderer Sänger

1) Bozen 1876. Verlag des Walther-Denkmal-Comités.

2) Germania, herausgeg. von C. Bartsch, Bd. XX (1875), S. 257 fg. u. Vergl. auch „Im neuen Reich“, IV (1874), 1. Bd., S, 459 fg.

271 fg.

vermischt worden, insbesondere mit solchen Reinmars des Alten, Ulrichs von Singenberg und Leutolts von Säben. Pfeiffer erklärt dies zunächst daraus, daß wenigstens die ersten Beiden der Genannten „mit Walther in nähern, jedenfalls geistigen, wahrscheinlich auch persönlichen Beziehungen gestanden haben." Und so „dürfte", meint Pfeiffer, die theilweise Vermischung ihrer Lieder „vielleicht auch in Bezug auf den Dritten nicht ganz zufällig sein, sondern aus einem ähnlichen Verhältnisse Beider hergeleitet werden." Die v. Säben aber waren ein altes, angesehenes tiroler Geschlecht. Zwar herrscht über Leutolts Lebenszeit durchaus keine völlige Sicherheit, doch: waren Walther und Leutolt wirklich Zeitgenossen und Nachbaren Vogelweide lag mit Seven (Säben) im selben Thale, nur wenige Meilen davon entfernt so konnte zwischen Beiden leicht ein persönlicher Verkehr, ein gegenseitiger Antrieb und Wetteifer im Gesange stattgefunden und zugleich Anlaß gegeben haben, daß ihre gleichzeitig und in derselben Gegend entstandenen Lieder in den Aufzeichnungen der Fahrenden vermengt und unter falschem Namen sind eingetragen worden.“ .. „In Tirol herrschte überhaupt um die Wende des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts und bis über die Mitte des legten hinaus eine rege Sangeslust, und nicht unansehnlich ist die Zahl der Sänger, die das kleine Land hervorgebracht hat."

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So weit das eine Argument. Das zweite knüpft an das bereits erwähnte und noch öfter zu erwähnende, unstreitig schönste und gedankenreichste aller Gedichte Walthers an, dessen Entstehung nahezu einstimmig in des Dichters legte Lebensjahre verlegt wird:

owê war sint verswunden alliu mîniu jâr!

Mit ergreifenden Worten schildert Walther seinen Besuch im Lande der Kindheit. „Lag des Dichters Heimat in Tirol," fügt Pfeiffer hinzu, „so wissen wir dann genau, bei welcher Gelegenheit er sie wiedersah." Walther befand sich bei dem kleinen Kreuzheere, das im Juni 1228 dem Kaiser aus Deutschland nach Apulien zuzog. Man kennt zwar nicht den Weg, den dieses Heer genommen; mehr als wahrscheinlich aber ist, daß es die alte Straße über den Brenner eingeschlagen, durch das Eisack- und Etschthal, auf der die deutschen Kaiser in der Regel ihre Römerzüge zurücklegten. Dieser Fahrt „verdanken wir auch Walthers Schwanengesang, in welchem sich, der Sonne gleich vor ihrem Untergange, die ganze Kunst, Tiefe und Innigkeit des großen Dichters noch einmal in ihrer vollsten Pracht und Schönheit offenbart."

Mit Emsigkeit trägt Anzoletti herbei, was diese beiden Anhaltspunkte stärken und stüßen könnte. Mit Recht wird daran erinnert, welche

Bedeutung dem Lande, von dem hier die Rede, zu der Zeit, die hier in Betracht kommt, im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte, gegen heute zukam. „Die Lage Tirols in seinem Uebergang von Deutschland nach Italien gab diesem Land in dem damaligen römisch-deutschen Kaiserthum eine ganz bevorzugte Stellung; die Kreuzfahrten, die beständigen Römerzüge, der fortwährende Verkehr mit dem Süden, durch kirchliche, politische und mercantile Verhältnisse hervorgerufen, übten auf die zu beiden Seiten der Brennerstraße haufenden Adelsgeschlechter den größten Einfluß und machten besonders die Eisack mit den drei wichtigen Punkten Brixen, Säben und Trient zur Stromader eines reich pulsirenden Lebens."

Die Umrisse der Naturbilder, die Walther in seinen Liedern entwirft, werden Strich für Strich auf die vorbezeichnete Gegend bezogen. Es stimmt die lichte, im Frühling geröthete Haide des Minnesängers mit dem Layener Ried, dessen Wiesengründe graue Felsenkuppen und weißrindige Birken bekränzen; fort und fort singt unten die Nachtigall auf blühender Linde; Jahr für Jahr sprossen Blumen und Klee auf dem Grasboden der Halde." Auch „fließende Brunnen" fehlen nicht, „der Strom im festgemauerten Bett." Nur der See wird vermißt; in meilenweiter Entfernung rings um den Innervogelweiderhof gab es und gibt es keinen See. Jedoch das Fenster der Wohnstube des Hofes wird noch gegenwärtig durch ein Bild eingerahmt, „das auf Baumästen und traubenreichen Rebenranken eine Schaar bunter Vögel zeigt." Außer dem Hofe selbst erinnern Namen wie „Waidbruck", die „Tenne" u. s. w. an die einst dort bestandene Vogelweide.

Man forschte weiter und fand im Layener Taufbuche zum Jahre 1575 den Namen „Walter Vogelweider." Nach allgemeiner Sage, wurde eruirt, stand ehemals, im 12. Jahrhundert, um Layen herum dichter Wald, doch schon um das Jahr 1280 nicht mehr: ein Beleg für die Klage des Dichters bei seiner Wiederkehr in die Heimat:

bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt u. s. w.

Genug, um zu resumiren:1)

„1. Keine andere vorgebliche Heimat Walthers kann sich mehr halten, seit auf den Schrotthof am Layener Ried hingewiesen ward; es streitet auch keine andere mehr um die Ehre, sein Geburtsort zu sein; keine liegt feinen bekannten Wanderungen und Aufenthaltsorten so ferne, daß er sie nicht öfters ohne Mühe hätte besuchen können; keine liegt so hart am Wege der Kreuzfahrer, die nach Italien ziehen.

1) Anzoletti a. a. D., 77 fg.

2. Die Hypothese hat keine bedeutenden Gegner mehr aufzuweisen; die Gründe der Gegner ließen sich alle unschwer widerlegen.

3. Es treffen auffallend viele Umstände zusammen, den Vogelweidhof unbestreitbar zur Geburtsstätte Walthers zu adeln:

Der Name Vogelweide in Waidbruck, Vogelstrich, Vogeltenne, Inner- und Außer-Vogelweide;

der Name Walther im Taufbuch Lahens noch im 16. Jahrhundert, wo er sonst auch in dieser Gegend nicht mehr gefunden wird; der Innervogelweiderhof als Edelsig um jene Zeit erwiesen; das wie weiland fließende Wasser, also ein sich stets gleichbleibender größerer Fluß, die Eisack;

der ausgehauene Wald, das neu angebaute Feld" u. s. w. Das Uebrige sind zumeist Wiederholungen.1)

O. Redlich gab eine Urkunde heraus, datirt vom 23. December 1431, mit welcher „Stephlein von Vogelwayd gesessen in Layaner pharr“ ein gewisses Lehen empfing „nach lehensrecht vnd nach lanndsrecht“, womit bewiesen zu sein scheint, daß dieser Stephan von Vogelweid einem ritterlichen Geschlechte angehört, also der Hof ein „ritterlicher Ansiz" gewesen. Der Herausgeber glaubte daraus den Schluß ziehen zu dürfen, ,,daß der Vogelweiderhof im Layener Ried die einzige Stätte dieses Namens ist, die den ganzen Standes- und Lebensverhältnissen des großen Sängers entsprochen haben kann.“2)

Zunächst kein Wort einer Kritik an alledem. Der Zweck vorliegender Zeilen ist kein kritischer oder auch nur polemischer; sie wollen positives Material vorlegen. Jedoch auch uns ist, was man die Waltherfrage zu nennen pflegt, so wenig gleichgiltig wie irgend einem Deutschen. Auch wir erkennen an, daß, je größer der Dichter war, um dessen Herkunft es sich handelt, es seinen Landsleuten zu um so größerer Pflicht gemacht wird, ihn festzuhalten und solche Ehre nicht fahren zu lassen.“ Wir erlauben uns hiemit, zunächst nur im eigenen bescheidenen Namen, die Erflärung abzugegeben, daß wir „den Glauben an Walthers böhmische Heimat" keineswegs „aufgegeben;“ daß nach unserer Anschauung aller

1) Eine zweite Abhandlung von P. Patriz Anzoletti, Walther von der Vogel-
weide und der Inner-Vogelweider-Hof (Bozen 1889), beschränkt sich auf den
Versuch einer eingehenden Widerlegung der den obigen Thesen entgegengesetten
Ansicht W. Wilmanns', ohne im Wesentlichen ein neues Argument bei-
zubringen.

2) Mittheilungen des Instituts für österreich. Geschichtsforschung, redig. von E.
Mühlbacher, XIII. Bd. (1892), S. 160 fg.

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