war, zurückerstattet werde. Er war es auch, welcher den Oberstkanzler Zdenko v. Lobkowiß auf die Sache aufmerksam machte; dieser trug sie dem Kaiser vor, der dann den ganzen Rechtshandel dem Oberlandesrichter Adam v. Sternberg mit dem Auftrage übergab, den Armen. Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Nichtsdestoweniger zog sich der Proceß noch - mehrere Jahre in die Länge. Im Jahre 1600 traf sie ein neuer ganz unerwarteter Schlag. Am 4. November dieses Jahres starb nämlich ihr Bruder Johann Franziskus, ein Jüngling von hohen Gaben, in Ingolstadt, woselbst er bisher mit bestem Erfolge studirt hatte. Das dritte Buch ihrer gesammelten Werke (Prager Ausgabe 1606) enthält ein Stück des Briefwechsels der beiden Geschwister aus der Zeit von 1597-1598 darunter befindet sich auch ein Brief aus Brür de dto. 26. Juli 1597 in welchem sich die große Liebe, die beide Geschwister umschloß, ein herrliches Denkmal geschaffen. Mutter und Tochter hatten gehofft, daß er ihnen einstens eine Stüße und ein anderer Vater werden werde. Nun hatte der unerbittliche Tod diese Hoffnung mit einemmale für immer zerstört. Ungebrochen aber blieb die dichterische Kraft Westonias, die, in der Schule des Unglücks gereift, sich mit jedem neuen Schmerze in immer edleren Trieben entfaltete. Auch jest nach dem Tode ihres Bruders goß sie ihren Schmerz aus in die versöhnende Form der Poesie. („In Obitum Ejusdem Epitaphium. Ad Lectorem.") Schon verbreitete sich das Ansehen ihres poetischen Talentes in ganz Deutschland, Holland, Italien, und die hervorragendsten Gelehrten der damaligen Zeit, wie Scaliger aus Leyden, Lipsius in Löwen und Paulus Melissus in Heidelberg traten mit ihr in Correspondenz. Der Lettere, das Haupt der Poeten seiner Zeit, der „Dichterkönig“ wie er hieß überschickte ihr im Jahre 1601 nach dem Brauche damaliger Zeiten den poetischen Lorbeerkranz und krönte sie in Vollmacht eines Comitis Palatini zur Dichterin. Einer ihrer Freunde, der gelehrte schlesische Edelmann G. M. v. Baldhofen, ließ ihre Poesien drucken, welche dem Kaiser Rudolf II. gewidmet wurden. " Im Jahre 1603, kurz nachdem ihre Werke die Presse verlassen hatten, vermählte sie sich mit Johann Leon, Rechtsgelehrten und Agenten am kaiserlichen Hofe, den nichts als der schöne Geist und die erhabenen Tugenden", welche Westonia besaß, bewogen, sie zur Lebensgefährtin zu wählen. Damit hatte ihre prekäre Lage ein Ende erreicht. Auch ihr Rechtshandel fand damals einen für sie günstigen Abschluß, worauf gewiß auch die Widmung ihrer Gedichte fördernd eingewirkt hatte. Auch ist bekannt, daß sich selbst der englische König Jakob I., dessen im Jahre 1603 erfolgten. Regierungsantritt Westonia in Prosa wie in Versen panegyrisch begrüßt hatte, bei Kaiser Rudolf II. eigenhändig für ihre Angelegenheit verwendete. In diese Zeit fällt ihr im zweiten Buche ihrer gesammelten Werke enthaltenes Gedicht: De nomine Jesu, das wie folgt, beginnt: Verte stylum mea Musa . Carmine lugubri non fata sinistra delebis, Nec mihi difficilem sollicitabis opem. Seit ihrer Vermählung verstummen allmählich alle Nachrichten über ihr weiteres Schicksal, woraus ihr Biograph in der Biographie Universelle den Schluß zog, daß sie bald nach ihrer Verheiratung gestorben sei. Merkwürdiger Weise reicht auch ihr Briefwechsel, soweit er uns erhalten, nicht über das Jahr 1603 hinaus. Gleichwohl wissen wir zuverlässig, daß sie noch 9 Jahre glücklich an der Seite ihres ihr aufrichtigst und liebevoll ergebenen Gatten lebte. Am 23. November 1612 schloß ihr ein sanfter Tod die Augen. Ihre sterbliche Hülle liegt in dem Kreuzgange des Thomasklosters auf der Prager Kleinseite. Unter den Leidtragenden, welche sich um die Bahre der entschlummerten Dichterin scharten, fand sich geistig auch Christ. Theodor Schoffer ein, der bekannte neulateinische Dichter, um in einem kurzen Epiloge ihrer vom Moderhauche des Grabes unerreichbaren Unsterblichkeit Herold zu sein. Seine Verse, in welchen er zunächst Britanniens Volk und dann den gesammten Dichterstaat auffordert, des herzerschütternden Ereignisses in Trauer zu gedenken, lauten wie folgt: Sindone ferali, nunc tempora; fana cupresso Occidit antiquae stirpis generosius astrum A. C. 1612. d. 23. Nov. aetat. 30 & 3 Septiman. Auch ihr dichterischer Mund verschloß sich seit ihrer Vermählung gänzlich. Wenigstens brachte er nichts Nennenswerthes mehr hervor. Aus ihrer Ehe mit Leon stammten 7 Kinder. 4 Söhne waren ihr im Tode vorausgegangen, 3 Töchter überlebten sie. Ueber deren Schicksal ist uns nichts bekannt. Niemand berichtet uns auch, wann die Mutter Westonias, mit der sie den Becher des Elends bis zur Neige geleert, gestorben sei. Es ist wahrscheinlich, daß sie noch, vor ihr in die Gruft sank, daß aber auch ihr das Haus, in welches ihre Tochter als Gattin Leons einzog, noch einige Jahre ein Hafen der Ruhe und des Friedens war, daß das ungetrübte Eheglück, welches ihre Tochter mit dem Gatten verband, auch auf ihren Lebensabend seinen erheiternden Schein warf. Die ausnehmenden Tugenden Westonias ernteten das höchste Lob ihrer Zeit. Sämmtliche Schriftsteller damaliger Zeit stimmen darin überein, daß sie ihr Unglück mit mehr als männlicher Standhaftigkeit ertragen. Sie finden nicht Worte genug, zu loben ihre Sittsamkeit und Eingezogenheit, ihre Bescheidenheit im Umgange und die fromme Andacht, mit der sie ihre Religion ausübte. Josephus Scaliger nennt sie ein miraculum virtutum. Vor ihrer Gelehrsamkeit und ihrem praktischen Talente gar gerathen sie in förmliche Entzückung. Hier mögen vor Allem die Verse Plaz finden, die einstens M. v. Baldhofen unter ihr Portrait geschrieben. Sie sind offenbar an den Beschauer gerichtet, der nicht zürnen solle, wenn es dem Bilde an Lebenstreue gebricht. Denn was Suada, Venus und die Chariten ihrer Sprache verliehen, das Gefühl, womit Virtus, die Mufen und Phoebus selbst das fromme Herz ihr belebt das zu malen, sei kein Sterblicher fähig. Alles an ihr sei göttlich, und sterblich nichts! Westonia ad vivum si non expressa, favebis, Qui melius posset pingere, nemo fuit. Suada, Venus, Charites, linqua testantur in una; Omnia plena Deo! nihil heic mortale! figuram Derselbe M. von Baldhofen nennt sie an einer anderen Stelle ein Wunder seiner Zeit; Daniel Heinsius: Deabus aequalem, Petrus Lotichius, Balth. Caminaeus und Johannes Gernandus eine neue, die zehnte Muse; Nicolaus Majus und ihr Gemahl die vierte Grazie; der berühmte fränkische Ritter und Dichter Paulus Melissus eine Minerva und den Augapfel der Musen. Unter den Gelehrten Böhmens waren es vorzugsweise der schon genannte Prager Domherr Barth. Georg Pontanus v. Braitenberg, dann Georg Carolides von Karlsperga, Joh. Campanus und Paulus Stransky, die sie ihres Geistes wie ihrer Tugenden wegen verehrten, und unter den Gelehrten außerhalb des Königreiches neben den schon genannten Scaliger, Lipsius und Melissus noch Heinsius aus Leyden. und Dousa v. Nortwick und Cattendyk. Und selbst diese Männer überlebte noch ihr Ruhm. Evelyn weist ihr in seinen Numismata einen der ersten Pläge unter den gelehrten Frauen an und auch Philipps erwähnt sie ehrenvoll in seiner Biographie de femmes poëtes. Nicht minder lobend rennt sie Eberty in seinem Cabinet gelehrter Frauen (1706). Johann Christoph Kalkhof veranstaltete noch im Jahre 1723 in Frankfurt am Main eine neue Ausgabe -die leßte 1) ihrer Werke. Wer möchte leugnen, daß von den feurigen Lobeserhebungen ihrer zeitgenössischen Verehrer mitunter manches übertrieben und von purer Höflichkeit eingegeben sei; nichtsdestoweniger trägt sie, mit den übrigen gekrönten Dichtern ihrer Zeit verglichen, den dichterischen Lorbeerkranz, den ihr der Dichterkönig P. Melissus 1601 auf's Haupt sezte, mit Ehren. Alle ihre Dichtungen zeichnen sich durch correcte Sprache und correcten. Versbau aus, sowie im Allgemeinen auch durch Leichtigkeit, Harmonie und Vornehmheit des Tones und der Gedanken.2) Ihre Klagen über das 1) Alle Bemühungen um ein Exemplar dieser Ausgabe, die mit einer biographischen Skizze eingeleitet gewesen sein soll, waren vergeblich. Selbst die Frankfurter Stadtbibliothek, an die ich mich wandte, besigt kein Exemplar. 2) Folgendes Gedicht sei als Probe ihrer Art zu dichten beigefügt. Sie vergleicht in demselben ihr Schicksal mit dem des Ovid: Sors tua, Naso, tuae pretium artis, plurima mecum De proprio voluit participare malo. Cujus in haec tandem creverunt agmina vires, Effundi solitas ut superent lacrimas. Duco reluctantes extrema per omnia Musas: Torqueor, et miseri quaerens solamina casus, Ultima enim primi repetens documenta libelli Eventus video fati utriusque pares. Dum mea me in similem rapuerunt tempora sortem Qui te Sarmaticas mensis projecit in oras, Missus in exilium, freta per diversa luisti Exul ego hic dudum peregrinae supplico terrae Te piger hospitio profugum rigor excipit ursae. Unglück und die Dürftigkeit ihrer Familie, die gänzliche Verlassenheit ihrer Mutter, die Härte, den Neid und die Rücksichtslosigkeit ihrer Feinde sind erhebend und rührend zugleich. Die Zornesröthe treibt es uns in's Gesicht, wenn wir sehen müssen, wie die berechtigtesten Ansprüche jahraus jahrein ungehört blieben und sich nirgends ein Richter findet, der durch gerechten Spruch die Thränen unschuldig Leidender trocknete. Ihre Epigramme sind geistreich und wigig. Freilich fehlet dem Salze die Galle auch nicht. Es scheint, als ob sie Martial, dem großen Meister dieses Dichtungsgenres, geflissentlich auch auf seinen schlimmen Wegen folgen wollte. Schalkhaft, nein! boshaft muthen uns jene Epigramme an, in welchen sie von dem ihr gleichfalls huldigenden Latinisten Heller Rechenschaft fordert wegen eines Hexameters von sieben Füßen, der sich in eines seiner Gedichte eingeschlichen. In zwei anderen Epigrammen aber, Judaeus mercator und De Baptisatis Judaeis schießt sie, ein echtes Kind ihrer unduldsamen Zeit, mit jeder Zeile einen giftigen Bolzen ab gegen die Parias der Gesellschaft ihrer Zeit. Ihre Werke sind unter dem Titel: Parthenicon Elisabethae Joannae Westoniae, Virginis nobilissimae, poëtriae florentissimae linquarum plurimarum peri Arctophylax nostro non multum a vertice distat: |