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Vor einigen Jahren faßte der Gemeindeausschuß der kgl. Stadt Brür den Beschluß, ein localhistorisches Museum zu gründen. Bei der Ausschau nach berühmten Persönlichkeiten, welche aus Brür hervorgegangen sind und durch irgend ein Erinnerungszeichen an ihr Leben und Wirken in dem neuen Museum vertreten sein sollten, trat mir unter 1. anderen ganz zufällig das Bild einer gelehrten Dichterin des 16. Jahr

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Elisabeth Johanna Weston.

Eine vergessene Dichterin des 16. Jahrhunderts.

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Von

Ant. Rebhann, f. f. Professor.

hunderts ins Gedächtniß zurück, welche wohl wenigen mehr bekannt sein dürfte, wiewohl sie eine der gefeiertsten Erscheinungen ihrer Zeit gewesen war. Es ist die Dichterin Elisabeth Johanna v. Weston. Ihre Wiege stand allerdings in der völkerreichen Hauptstadt des meerumschlungenen Albion, insofern sie aber im zartesten Alter nach Böhmen verschlagen, mit ihrem ganzen reichen Erfahrungsleben, mit aller ihrer Gelehrsamkeit in dem Boden unserer engeren Heimat wurzelt und Brür die Stätte ist, wo in dem von ihrem Vater neu erworbenen Heim durch eine sorgfältige, außergewöhnliche Erziehung der Grund zu ihrer Größe gelegt wurde, kann sie mit Recht nicht nur zu unseren vaterländischen Frauen gezählt, sondern auch ratione domicilii eine Tochter unserer Stadt genannt werden. Durch die folgenden Zeilen soll das Bild der berühmten Dichterin der Gegenwart einigermaßen wieder näher gebracht und insbesonders den lieben Brürern zu dauerndem Gedenken vorgeführt werden. Elisabeth Johanna Weston entstammte einem alten adeligen Geschlechte aus der Grafschaft Surrey in England. Ueber das Datum ihrer Geburt wurde anfänglich lange gestritten. Einige deutsche und englische Biographen verlegten dasselbe in den Anfang der Regierung der großen Elisabeth, was entschieden ein Irrthum ist. Denn schon aus mehreren Stellen ihrer 1602 zum ersten Male im Drucke erschienenen Werke und insbesondere aus einem Halbverse eines "In Zoilum" gerichteten Gedichtes, in welchem sie von sich sagt, daß sie im 20. Lebensjahre stehe (Bis mihi lustra duo currunt....") geht klar hervor, daß sie um das Jahr 1582, also 24 Jahre nach dem Regierungsantritte der berühmten

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Tochter Heinrichs VIII. geboren worden sei. Nun besigen wir aber noch
andere Zeugnisse, welche über jeden Zweifel sicherstellen, daß ihr Geburts-
jahr das Jahr 1582 und der Tag, an welchem sie in London das Licht
der Welt crblickte, der 2. November dieses Jahres war. Diese Zeugnisse
sind: ihre Grabinschrift im Kreuzgange des Thomasklosters in Prag, 1) die
auf ihren Todestag und ihre Lebensdauer bezügliche Bemerkung, welche
der Latinist Theod. Schoffer seinem ihr am Tage ihres Hinscheidens ge-
widmeten poetischen Nachrufe beifügt, 2) und das Vorwort, weiches Bald-
hofen seiner im Jahre 1602 veranstalteten Ausgabe ihrer Gedichte
an den Leser vorausschickt.) Sie mußte aber schon in frühester
Jugend ihr Vaterland verlassen. Ihr Vater, der uns als geistreich, aber
auch als leichtlebig geschildert wird, mußte figlicher Affairen halber 4)
England verlassen, um sein Leben oder wenigstens seine Freiheit zu
retten". Er begab sich sammt seiner Familie anfangs nach Frankreich,

1) Das Epitaphium lautet: „D. O. M. S. B. M.

Elisabethae Joannae Westoniae,

Nobilitate patriae praeclara Britanniae,
Seculi nostri Sulpitiae,

Cui nomen dant litterae illibati

Minervae floris

Suadae decoris,
Musarum delicii,

Foeminarum exempli.

Penes quam Daedala natura omnia ingenii bona, judicii dona, praeter
Sexum adminiculum esse voluit. Joannes Leo Isenacensis, Illustris.
Duc. B. Ns. et Lun. nec con Princ. Anhalt. Cons. et Agentis in Aula
Caesarea Conjugi suavissimae, piae, atque incomperabili plurimis cum
lacrimis D. Vixit annos XXX et III, Septimanas, septem liberorum mater
extitit, tres filias super terram liquit, quatuor filios sub terram ante se
condidit. Obiit Pragae XXIII Novembr. A. CIƆIƆCXII. Hic pietatis honos,
haec sunt pia vota mariti, Hunc titulum mentis servat sibi fama super-
stes." (Schottky: Prag, wie es war und wie es ist. II. B. S. 76.)
2) A. C. 1612. d. 23 Nov. aetat. 30 & 3 Septiman.

3) Ad Minervam si appelleret, non sociam, sed aevi sui miraculum exci-
peret: quippe hujus aetatis Virginem quae annum vigesimum nondum
adtigit.

4) „impliqué dans quelques affaires épineuses" (Biographie Universelle An-
cienne et Moderne XLIV. Bd.) Diese Affairen werden uns nirgends näher
bezeichnet. Es ist indessen mehr als wahrscheinlich, daß der Vater unserer
Dichterin, der ein eifriger Katholik war, als solcher wie viele andere seiner
Standesgenossen gegen die mit Elisabeth in England zur Herrschaft gekom-
mene religiös-politische Richtung conspirirte. Siehe darüber auch Dobrowskys
Journal: „Neue Literatur" Prag. 1772. S. 162.

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das er ebenso unstet durchzog wie bald darauf Italien, und kam endlich (in welchem Jahre, ist unbekannt!) nach Böhmen. Nach kurzem Aufenthalte in Prag, wo es ihm gelang, die Freundschaft und den Schuß des Peter Wok von Rosenberg, des damals mächtigsten und einflußreichsten Adeligen Böhmens, zu erwerben, ließ er sich in Brüg, wo er ein Haus und ein Landgut käuflich an sich brachte, zu dauerndem Aufenthalte nieder. Es ist mir leider bis jetzt nicht gelungen, dieses Landgut oder das Haus, in welchem Elisabeth Weston mit ihrem um 2 Jahre älteren Bruder Johann Franziskus erzogen wurde, ausfindig zu machen.1) Die Erziehung, welche Beide genossen, war eine gelehrte. Hatte Elisabeth schon während ihres Aufenthaltes in Frankreich und in Italien zu ihrer englischen Muttersprache die wälsche (franz. u. ital.) erlernt, so eignete sie sich in Brür auch noch die deutsche und böhmische Sprache an. Ein gelehrter Mann, Johann Hammon, 2) unterrichtete sie und ihren Bruder überdies im Latein, der Sprache, in der bekanntlich damals Dichter und Gelehrte fast ausschließlich schrieben, und Elisabeth brachte es in derselben schon in kurzer Zeit so weit, daß sie die römischen Dichter mit Leichtigkeit lesen konnte.3) Diese weckten den in ihr schlummernden Genius, und an ihnen und vor allen an dem schicksalsverwandten Ovid bildete sie sich selbst zur vortrefflichen Dichterin aus. Die Dichtkunst blieb fortan ihr angenehmster Zeitvertreib.

Ihr Vater, noch von England her das gute Leben gewohnt, lebte auch in Brüx und in Prag, wohin er sich von dort aus öfters begab, noch einige Zeit auf noblem Fuße („dans la magnificence"... Bibgr. Univ.). Dabei stürzte er sich aber in Ausgaben, welche seine Mittel weit überstiegen. Diese waren einstens nicht unbedeutend, aber schon beim Verlassen der Heimat war ein großer Theil seines Vermögens verloren ge

1) Die Sterbematrikeln reichen bekanntlich nicht bis in jene Zeit. Aber auch ein
Einblick in das auf dem hiesigen Kreisgerichte aufliegende, bis in jene Zeit
zurückreichende Brürer Grundbuch, das nun allerdings auf Vollständigkeit
keinen Anspruch erheben darf, gab mir die gesuchte Aufklärung nicht. Ebenso
erfolglos waren die Nachforschungen, welche Herr Prof. Dr. Neuwirth für
mich in der Prager Landtafel anzustellen die Güte hatte.
2) Die damalige, nach sächsischem Muster eingerichtete Brürer Schule, an
welcher Johann Hammon wirkte, erfreute sich gleich den Schulen von Eger,
Schlaggenwald, Kaaden, Friedland u. a. eines sehr guten Rufes.

3) Baldhofen schreibt in dem Vorworte seiner 1602 veranstalteten Ausgabe ihrer
Gedichte Lectori Amico: linquas cum Anglâ, quae ipsi vernacula est, ad
unquem callet quinque: Germanicam purissime; Bohemicam expeditissime;
Italicam elegantissime; Latinam doctissime.

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gangen, und die folgenden Jahre galten durchaus nicht der Sammlung.
So kams, daß er sich von jüdischen Wucherern zu hohen Zinsen Geld
ausleihen mußte, und dieser Schritt sollte für seine Familie der verhäng-
nißvollste seines Lebens werden. Ohne seine Verhältnisse geordnet zu
haben, raffte ihn ganz unerwartet im Herbste des Jahres 1597 der Tod
dahin, während die Seinigen im tiefsten Elende zurückblieben. Ohne Schuß
und selbst zu schwach, dem Drängen der zahlreichen Gläubiger zu wider-
stehen, mußten Mutter und Tochter Johann, ihr Bruder, befand sich
auf der Hochschule in Ingolstadt ruhig zusehen, wie man ihnen auf
einmal alle ihre Habe entriß, wie man Haus und Landgut ihnen ver-
kaufte, ohne daß der Ueberrest von den getilgten Schulden der Witwe
ausgezahlt worden wäre. Des nothwendigsten Unterhaltes beraubt, mußten
Mutter und Tochter oftmals Hunger leiden. Es ist nackte Wahrheit, was
wir in einer der vielen Episteln voll herzzerreißender Klagen, welche
Elisabeth seitdem an Rudolf II. dichtete, lesen:

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Quae tulimus, non sunt versu memoranda Maronis:
Restat adhuc gemitus, res & egena domi.
Pauperies aliquot fecit didicisse per annos
Esuriem, curas, frigora acerba, sitim.

Recht und Hilfe war vom Kaiser allein zu erwarten, dessen Herzensgüte und Milde trog aller Verlästerungen seiner Gegner ebenso bekannt waren, wie seine Liebe zu den Musen. Um nun dem kaiserlichen Hofe näher zu sein, begaben sich Beide, Mutter und Tochter, entweder noch Ende 1597 oder spätestens im Anfange des Jahres 1598 nach Prag. Aber wie Zutritt erlangen zu einem Monarchen, der theils aus natürlicher Neigung zur Zurückgezogenheit, theils aus anerzogener Schen die Menschen floh, der sich vor dem Verkehre mit seinen Unterthanen in seinem Laboratorium und seinen Galerien einsiedlerisch abschloß und sogar von seinem Beichtvater, wenn er Beichte ablegte, nicht gesehen werden wollte? Auch besaßen die Unglücklichen keinen Freund am Hofe, der ihnen den Weg zu dem Herzen des „guten Herrn", wie der Kaiser allgemein hieß, gebahnt hätte. Peter Wok v. Rosenberg, der den Exilirten in den ersten Jahren Stüße und Rath gewesen, war beim Kaiser in Ungnade gefallen, seitdem er sich dem verhaßten Protestantismus in die Arme geworfen. So dauerte auch in Prag das Elend der Beiden noch eine Zeit fort, indem sich keine Gelegenheit bieten wollte, dem Kaiser ihre Klagen vorzubringen. Ihr Vertrauen und ihre Hoffnung auf ihn blieben nichtsdestoweniger unerschüttert:

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Caesaris est clemens animus; sed Caesaris aurem
Subducunt votis invida fata meis

Sed Deus has etiam nubes absterget iniquas;
Atque serena mei Caesaris ora dabit.

Ille mea columen vitae est, ille anchora; tandem
Speratâ faciet me statione frui. (An ihren Bruder.)

In dieser traurigen Lage bereiteten der Mutter die außerordentlichen Talente der Tochter die einzige Erleichterung. Daß sie das Französische, Deutsche, Tschechoslawische und ihre Muttersprache mit gleicher Leichtigkeit sprach, 1) ist ja schon erwähnt worden. Doch nicht so sehr diese polyglotte Seite ihrer reichen, herrlichen Anlagen, als vielmehr ihre in der Sprache Ovids mit Eleganz und tadelloser Reinheit aus warmer Empfindung hingehauchten elegischen Verse, schwermuthsvolle Boten ihrer traurigen Lage und ebenso viele treue Zeugen ihrer unbegrenzten Liebe zu ihrer Mutter, „welcher jene Brot einbringen sollten", zogen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sie.

Neben bloßen Bewunderern stellten sich an ihrer Seite auch aufrichtige Freunde ein, die fest entschlossen waren, dem Kummer der Armen ein Ende zu machen. In erster Linie nahm sich ein geborener Brüger, der gelehrte Domherr zu Prag, Berthold Pontanus von Braitenberg, 2) unserer hilflosen und von aller Welt verlassenen Frauen, die er von Brür aus kannte, großmüthigst an. Er sorgte nicht nur für ihren Unterhalt, sondern verschaffte ihnen auch Freunde und Gönner sowohl bei Hofe als unter dem Adel. Die vorzüglichsten darunter waren der Kanzler Zdenko Adalbert v. Lobkowiz, Philipp de Monte, kaiserlicher Hofcapellmeister, Niklas Majus, Appellationsrath und Vorsteher der Bergwerke in Joachimsthal, den Westonia oft ihren zweiten Vater nennt, Johann Barvitius, kaiserlicher Geheimschreiber uno Heinrich von Pisnig, Vicekanzler von Böhmen. Heinrich von Pisnih gab den beiden Unglücklichen eine Zufluchtsstätte in seinem Hause und versorgte sie überdies mit dem Nothwendigsten. Gleichzeitig bemühte er sich, die gerechte Sache der Unglücklichen bei dem Kaiser zu betreiben, d. h. zu bewirken, daß ihnen jener Theil des väterlichen Vermögens, welcher nach Abzahlung der Schulden übrig geblieben und bisher von der Mutter vergeblich reclamirt worden

1) Nach Dobrowskys Journal: „Neue Literatur“ Prag 1772, S. 172 war fie überdies des Griechischen kundig.

2) Nicht zu verwechseln mit dem um wenige Jahre älteren, gleichfalls aus Brüy stammenden hochberühmten Jesuitenpater Jakob Pontanus (recte Spanmüller.) Mittheilungen. 32. Jahrgang. 3. Heft.

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