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I.

Der Sinn für Naturschönheiten bei den
Deutschen in der Ritterzeit.

Eine Darstellung aus der Gemüthswelt.

Von

M. Christian Adolph Pescheck,

Diaconus in Zittau.

Unter allen Alterthümern gewähren die aus der Gemüthswelt bei Weitem das meiste Interesse. Dennoch aber schenkt man denen, welche nur geistig zu erfassen sind, gewöhnlich weit weniger Aufmerksamkeit, als solchen, welche man mit Händen greifen kann. Wenn irgend ein Stück von der Bekleidung, dem Schmucke oder den Waffen derer uns vorkäme, welche ein halbes Jahrtausend früher lebten; wenn wir einen bemoosten Leichenstein entdeckten, der bis ins 13te Jahrhundert zurückginge: so würden wir, wie billig, für die Aufbewahrung solcher Gegenstände Sorge tragen und, wenn uns Jemand nach dem Zwecke solcher Sammlung fragte, sagen, dafs wir nicht blofs Alterthümler wären, sondern jene Gegenstände nur als Mittel achteten, um daraus den Grad der Cultur, die Gewohnheiten, die Sinnesart verflossener Jahrhunderte zu erkennen.

Wozu wir aber durch Realalterthümer nur mittelbar gelangen, dazu führen uns unmittelbar und vollkommner jene Zeugnisse von der Denk- und Sinnesart, von den Gefühlen und von den Sitten der Väter, welche in den Resten des Nachlasses ihres Gemüthslebens liegen. Keine Alterthümer sprechen unser eigenes Gemüth in so hohem Grade an, als diejenigen schriftlichen Ueberreste der Vorzeit, welche die Denk

und Empfindungsweise derselben offen darlegen und uns ihre Gemüthswelt aufschliefsen. Wo wäre diefs mehr der Fall, als in lyrischen Gedichten? Eine uns ziemlich fern liegende Zeit in jener Hinsicht zu betrachten, reizt uns besonders der Contrast.

Die kräftige Ritterzeit, namentlich das in den meisten Hinsichten so rohe 13te Jahrhundert beut uns bekanntlich so viel Zartes dar, dafs wir oft nicht wenig überrascht werden.

Der nicht unbedeutende Schatz von lyrischen Gedichten, der sich aus der Deutschen Vorzeit, besonders aus dem 13ten Jahrhundert erhalten hat, aber lange in Bibliotheken unbenutzt geblieben und erst im vorigen und in diesem Jahrhunderte, unter Bodmers, Myllers, Büschings, von der Hagens, Docens, Jacob Grimms, Gräters, Benecke's, Tiecks, Glöckle's, Uhlands, Lachmanns, Schottky's und Anderer Vermittlung, durch Druck und Erklärung allgemein zugänglich geworden ist, hat im Ganzen beim Deutschen Publicum den Eingang noch nicht gefunden, den er wohl verdiente, und weder kritische Ausgaben noch Nachbildungen haben diese Gedichte genug empfohlen.

Mag auch das Urtheil über den Werth jener denkwürdigen Reste ungleich seyn: so Viel ist gewifs, dafs die Altdeutschen Gedichte, als ächte und reiche Quellen der Geschichte der Ideen, Empfindungen, Bestrebungen und Sitten, von gröfstem Werthe und in ihnen Fundgruben eröffnet sind, die man lange noch nicht erschöpft, ja, die man kaum angefangen hat recht zu benutzen. Die Geschichte fast jeder Wissenschaft und Kunst, jedes Zweiges der menschlichen Thätigkeit kann aus ihnen gewinnen, ihres überaus grofsen Werthes für die Geschichte der Deutschen Sprache, den schon längst Adelung, Jacob Grimm und Andere gewürdigt haben, zu geschweigen.

Es sind auch von mir bereits einige Versuche gemacht worden, historischen Gewinn aus jenen Quellen zu schöpfen und hervorzulegen. Das Gebiet der religiösen Bildung der Deutschen Völker im 13ten Jahrhunderte habe ich aus den Minnesängern, die zu diesem Zwecke noch Niemand benutzt hatte, dargelegt in Stäudlins und Tzschirners Archiv für alte

und neue Kirchengeschichte, Bd. 4 St. 3 (Leipzig, 1820) S. 465 bis 554 1). Es ist zwar diese Arbeit nicht-theologischen Lesern so gut wie verborgen geblieben: doch liegt darin ein wichtiger, allgemein interessanter Beitrag zur Deutschen Culturgeschichte, und es wurde die Altdeutsche Religionssprache hier zum ersten Male ermittelt und ans Licht gezogen.

Beiträge zur Geschichte der Kreuzzüge aus den Minnesängern theilte ich in demselben Archive Bd. 5 St. 2 (1822) S. 386 bis 3992) mit. Dieselben unterscheiden sich von andern Beiträgen zu dieser Geschichte theils dadurch, dafs sie Worte von Kreuzfahrern selbst enthalten, theils, dafs sie nicht sowohl Thatsachen, als Betrachtungen und Empfindungen bei den Kreuzzügen darlegen, folglich Alterthümer aus der Gemüthswelt geben.

In Büschings wöchentl. Nachrichten für Freunde der Geschichte, Kunst und Gelahrtheit des Mittelalters, B. 2 (Breslau 1816) S. 218 ff. 269 ff. 393 ff., wurden von mir Bemerkungen zur Deutschen Bildungsgeschichte aus den Minnesängern niedergelegt, in denen ich fortgefahren seyn würde, wenn es nicht einen Zeitraum von vielen Jahren hindurch an einer dazu geeigneten Zeitschrift gefehlt hätte.

In sprachlicher Hinsicht wurden jene Gedichte mehr benutzt und bearbeitet. Diefs konnte mich jedoch nicht abhalten, auch auf meine Weise zu solchem Zwecke beizutragen, indem ich ein Verjüngungslexicon der Deutschen Sprache anlegte3), d. h. ein Verzeichnifs solcher Altdeutschen Wörter, welche eine Verjüngung, eine Wiederaufnahme verdienten. Eine Probe davon ist bereits von mir mitgetheilt in Gräters Zeitschrift Idunna und Hermode, 2. Jahrg. (Breslau 1813) S. 13 ff. (Schöne Deutsche Wörter aus älterer Zeit), welche auch

1) Der religiöse Glaube der gebildeten Laien in Deutschland und die altdeutsche Religionssprache in den Zeiten des Mittelalters, namentlich im dreyzehnten Jahrhunderte. Aus neuen Quellen.

2) Ein kleiner Beytrag zur Geschichte der Kreuzzüge, aus gleichzeitigen, noch unbenutzten Quellen.

3) Nach einem Vorschlage A. W. Schlegels, in den Heidelbergischen Jahrbüchern der Literatur für Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst, 3. Jahrg. (1810) 3. H. S. 103 – 105.

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