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ART MECHITA 33.

IV.

Schilderung eines Besuchs auf St. Lazaro bei den Mechitaristen.

Nebst

einer Darstellung des Lebens Mechitars und der wesentlichsten Einrichtungen und Erfolge seiner Stiftung, nach dem Englischen des Alexander Goode*).

Von

M. Wilhelm Adolph Lampadius, Katecheten an der Peterskirche und Mitgliede des historisch-theologischen Seminariums zu Leipzig.

Mit Mechitars Bildnisse.

Es war in den letzten Tagen des Septembers 1839 während meines Aufenthaltes in Venedig, als ich, um auszuruhen von einer Schwelgerei in Kunstgenüssen, wie sie wohl in dem an Kunstschätzen aller Art so üppig ausgestatteten Venedig sehr verzeihlich seyn dürfte, beschlofs, dem Kloster der Armenier auf dem kleinen Eilande St. Lazaro meinen längst beabsichtigten Besuch abzustatten. Zunächst allerdings war es nur ein poëtisches Interesse, was mich trieb, diesen Ort zu besuchen. Ich wollte das Kloster sehen, in welchem das leidenschaftlich bewegte und erschütterte Herz eines grofsen Dichters einige Ruhe gefunden hatte, jenes Herz, welches die Welt verachtete, weil es sie nicht zu reformiren vermochte; ich wollte die Zelle sehen, in der Lord Byron, für einige Zeit seinen Riesengedanken und abenteuerlichen Planen entsagend, sich gegen das Jahr 1816 mit dem ehrwürdigen Vater Pascal Aucher eingeschlossen hatte, um mit dessen Beihülfe das Armenische zu studiren und sowohl eine Armenisch-Englische Gram

2) A Brief account of the Mechitaristican Society founded on the Island of St. Lazaro. Venice printed at the press of the same Armenian Academy, 1835. 62 S. kl. 8. Unter der am 1. Juni Venedig geschriebenen Zueignung an Pascal Aucher ist unterzeichnet: Alexander Goode. Mit einer Abbildung Mechitars und von St. Lazaro.

1825 zu

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matik zu schreiben, als mehrere Armenische Werke ins Englische zu übersetzen. Wie angenehm ich überrascht wurde, in diesem Kloster den blühendsten Sitz ächt wissenschaftlicher Cultur zu finden, werden die geneigten Leser vielleicht nicht ohne Interesse vernehmen, vielleicht auch nicht ohne Interesse mich für einige Augenblicke auf der Fahrt dorthin begleiten.

Ich wohnte zu Venedig in der Luna, einer Locanda (einem Gasthause) in der nächsten Nähe des Marcusplatzes, welche wegen ihrer angenehmen Lage, mäfsiger Logispreise und ziemlicher Reinlichkeit immer noch den Reisenden empfohlen zu werden verdient. Von dort aus miethete ich mir eine der stets in der Nähe haltenden Gondeln mit zwei rüstigen Ruderern, und bald safs ich, nach Venetianischer Sitte rückwärts eingestiegen, in dem schwarz ausgeschlagenen Fahrzeuge, das, beflügelt von dem Wetteifer meiner wackern Gondeliere, pfeilschnell über die Lagunen dahinglitt. Wir passirten zuerst die liebliche Kirche Santa Maria della Salute, welche in Folge eines Gelübdes des Senats während einer Pest im Jahre 1630 von Longhena erbaut worden, dann das Kloster und die Kirche S. Giorgio Maggiore, und steuerten hierauf, mehr rechts uns wendend, zunächst nach einer kleinen etwas weiter entfernten Insel, auf welcher das Irrenhaus sich befindet, ein, wie es scheint, sehr wohl angelegtes, mit einem grofsen Garten versehenes Gebäude. Als wir um die Mauer dieses Gartens herumbogen, stellte sich plötzlich S. Lazaro meinen Blicken dar, das wir binnen Kurzem erreichten. Schon das Aeufsere des Klosters ist sehr einladend. Kirche und Klostergebäude sind zierlich, aber doch einfach und solid aus roth und weiss angetünchten Backsteinen erbaut, was dem Ganzen ein ungemein heiteres Ansehen giebt. Ein kleiner Garten stöfst daran, über dessen ziemlich hoher Mauer freundlich blühende Oleander, traubenschwere Weinranken und die dunkelgrünen Blätter und Früchte des Feigenbaumes winkten. Des Meeres smaragdgrüne Wellen bespülen unmittelbar die Stufen, die zu dem Eingange des Klosters führen. Die Gondel legte an. Ich sprang munter heraus und zog die Klosterglocke. Der Pförtner, ein stattlicher Mann, der aber nicht das mindeste Klösterliche_an sich trug, liefs nicht lange auf sich warten, und auf mein Begehren, mich im Kloster umzusehen, überwies er mich einem freundlichen jungen Manne in der schwarzbraunen Ordenstracht, der sich mir als den vom Kloster bestellten Führer anbot. Da ich ihm freistellte, ob wir die Unterhaltung Lateinisch, Franzö sisch oder Italienisch führen wollten: so wählte er das Französische. Er war übrigens ein geborner Grieche, aus Constantinopel

Zuerst betraten wir die kleine einfache, aber höchst ge

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schmackvolle nette Kirche, welche sehr wohlthätig gegen die überladene Pracht anderer Venetianischen Kirchen absticht. Eine gute Copie der berühmten Madonna von Sassoferrato ist ihre Hauptzierde. Von hier geleitete mich mein Führer in die Occidentalische Bibliothek, welche in einem gleichfalls sehr netten Saale in rings an den Wänden befindlichen Glasschränken aufgestellt ist. In der Mitte steht die Büste des Stifters der ganzen Anstalt, Mechitar. Hier findet man das Gediegenste aus allen Sprachen und Zweigen der Abendländischen Literatur, namentlich viele gute historische und philosophische Werke. Unmittelbar an diesen Saal stöfst das Zimmer für die Orientalische Bibliothek, deren Hauptschatz_400 Manuscripte sind. Als Merkwürdigkeiten zeigte mir mein Führer ein sehr sauber gearbeitetes Armenisches Manuscript der Bibel mit allerliebsten kleinen Gemälden, deren Farben noch aufserordentlich frisch waren, und ein Gebetbuch oder eine Sammlung von 24 ursprünglich Armenisch geschriebenen Gebeten in 24 Sprachen. Mein Führer versicherte mir, dieses Buch sey nicht nur im Kloster selbst abgefafst, sondern auch gedruckt*). Kann man nun auch nicht recht einsehen, wozu dieses Buch dienen möchte: so ist es doch ein sehr achtungswerther Beweis von der Sprachgelehrsamkeit der Mechitaristen. Da mein Führer meine Freude an diesem Resultate der Wissenschaftlichkeit seines Klosters bemerkte: so machte er mich noch auf manches Andere aufmerksam, was ich allerdings hier nicht gesucht hätte, z. B. auf Armenische Uebersetzungen von Miltons verlorenem Paradiese, von Gessners Idyllen, Campe's Robinson Crusoe. Bei dieser Gelegenheit wurde ich von meinem Führer über den Zweck der Anstalt überhaupt belehrt, und ich bekenne, dadurch mit der gröfsten Achtung gegen dieselbe erfüllt worden zu seyn. Das Kloster ist nämlich eine Art von wissenschaftlicher Akademie für ganz Armenien. Hier werden theils Ausgaben älterer Armenischen Bücher, Uebersetzungen anderer Schriften ins Armenische und neue Armenische Werke besorgt, theils werden junge Leute gebildet, die, je nach ihrer Befähigung, entweder im Kloster zurückbleiben, um selbst wieder Doctoren zu werden (ein Ehrentitel, den der Vorsteher

*) Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dafs hier die von Pascal Aucher 1823 herausgegebenen Gebete (Preces S. Niersis Clajensis, Armeniorum Patriarchae, viginti quatuor linguis editae) gemeint seyen. Vgl. Nierses Klaietsi, Armenischer Patriarch im zwölften Jahrhundert, und dessen Gebete. Von D. Gottlieb Mohnike, in der Zeitschr. f. die hist. Theol., B. 1 St. 2 (1832) S. 67 ff. Der Herausgeber.

Zeitschr. f. d. histor. Theol. 1841. I.

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des Klosters selbst verleiht und auf den das Kloster sehr Viel zu halten scheiat), oder sich eben daselbst schriftstellerischen Arbeiten widmen, oder als Missionare nach Armenien geschickt werden, um an Ort und Stelle die Cultur ihres Volkes zu fördern.

Wir besuchten hierauf einige von den Lehrsälen, Allerdings gehörten die Lectionen, denen ich eben beiwohnen konnte, nicht gerade zu den für die Bildung einflussreichsten; man lehrte in dem einen Saale Geographie, in dem andern Französisch: aber Alles, was ich sah und hörte, erfüllte mich mit dem Behagen, das ein wissenschaftlich gebildeter Mensch allemal in einer Anstalt empfinden wird, die von einem ächt wissenschaftlichen und humanen Geiste durchwebt ist. Betragen und Leistungen der Schüler schienen gleich musterhaft; eben so angenehm war das zwanglose, freundliche Benehmen der Lehrer, mit dem sie den Eintretenden bewillkommneten und den Scheidenden entliefsen. Eine gleich grofse Befriedigung gewährte auch der Anblick des mit den trefflichsten Instrumenten ausgestatteten physikalischen Kabinets. Zuletzt geleitete mich mein Führer auf meinen ausdrücklichen Wunsch noch in die Celle von Pascal Aucher, dem Lehrer Byrons. Nie habe ich in meinem Leben eine angenehmere, leutseligere Gesichtsbildung gesehen. Als ich ihn Italienisch anreden wollte, unterbrach er mich und sagte heiter lächelnd:,,Sprechen Sie nur Deutsch", worauf denn zu meiner grofsen Ueberraschung die Unterhaltung in meiner Muttersprache geführt werden konnte. Er erzählte nun Manches von Lord Byron, meinte, aber unter Anderm, es sey ihm zwar eine grofse Ehre gewesen, Lehrer des edlen Lords seyn zu dürfen, doch habe er sich auch bisweilen ein Wenig vor ihm gefürchtet, weil er doch oft etwas gar zu Wildes in seinem Wesen gehabt habe. Im Gegensatze dazu berichtete er auch von einigen anderen Gästen des Klosters, den Deutschen Professoren Windischmann und Neumann, die unter seiner Leitung das Armenische studirt hätten. Ungern trennte ich mich von dem liebenswürdigen Manne; ich mufste aber das Gespräch gewaltsam abbrechen, um nicht etwa durch mein aufgeregtes Reden die friedlichen Bewohner der übrigen Cellen in ihren Arbeiten zu stören.

Ehe ich das Kloster verliefs, besuchte ich noch die Druckerei, wo ich mich mit eigenen Augen überzeugte, dafs die Ausstattung der dort gedruckten Bücher den besten Englischen Arbeiten dieser Art kaum Etwas nachgiebt. Druck und Papier waren vortrefflich. Während meiner Anwesenheit druckte man eben ein von einem der Doctoren des Klosters verfafstes metaphysisches Werk. Zum Abschiede geleitete mich mein Führer noch in den freundlichen Klostergarten. Während ich die

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