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dass er uns eine bedenkliche Verweltlichung der hauptstädtischen Christenheit zeigt, wohl eine Folge der mindestens acht bis neun Friedensjahre!, und dass er einen weiteren höchst interessanten, bisher stets übersehenen, Quellenbeleg für die vom römischen Staate stets festgehaltene rechtliche Capacität des Judenthums bietet. Die jüdischen Ankläger des Callistus beschweren sich nämlich vor dem Tribunal des Stadtpräfekten Fuscianus darüber, dass jener Sclave es gewagt habe, ihren Gottesdienst in der Synagoge zu stören während doch die Römer ihnen gestattet hätten, öffentlich den Satzungen ihrer Väter nachzuleben.1)

6. Wenigsteus mit grösster Wahrscheinlichkeit lässt sich annehmen, dass das, was Tertullian (ad Scapulam c. IV) über die von den beiden Proconsuln Afrikas, Cincius Severus und Vespronius Candidus in Christenprocessen bekundete ausserordentliche Milde zu berichten weiss, sich unter Commodus zutrug.2) Der Erstere legte durch die Art und

1) .... Ῥωμαῖοι συνεχώρησαν ἡμῖν τοὺς πατρώους νόμους δημοσίᾳ ἀναγινώσκειν· οὗτος δὲ ἐπεισελθὼν ἐκώλυε καταστασιάζειν ἡμῶν φάσκων εἶναι χριστιανός.

2) Die Zeit, in der die genannten Staatsmänner den Proconsulat von Afrika verwalteten, lässt sich nicht ganz genau feststellen. Was Cincius Severus betrifft, so ist es zwar nicht absolut gewiss, aber doch wahrscheinlich, dass er bereits ungefähr gleichzeitig mit den zahlreichen Senatoren umgebracht wurde, die Septimius Severus nach der Besiegung des Clodius Albinus, also lange vor 200, hinrichten liess (Spart. Sept. Sev. c. 13, in fine: . . . . Cincium Severum calumniatus est, quod se veneno adpetisset, atque ita interfecit). Ob er identisch ist mit dem Pontifex Cingius Severus, der dem ermordeten Tyrannen Commodus nicht einmal die Ehre des Begräbnisses gönnte (vgl. Lampr. Commod c. 20: Cingius Severus dixit: „Iniuste sepultus est? qua pontifex dico“ etes, ist keineswegs so gewiss, als Aubé (Les chrétiens etc. S. 167) annimmt. - Vespronius Candidus begegnet uns schon im J. 193 als „,alter Consular" (vgl. Spart. Did. Julian. c. 5: ergo Pescennius Niger in Syria, Septimius Severus in Illyrico a Juliano descivere ceteros legatus est Vespronius Candidus, vetus consularis, olim militibus invisus ob durum et sordidum imperium). Warum Aubé (a. a. O.) und, wohl ihm folgend, Doulcet (S. 145) die afrikanische Statthalterschaft der beiden Staatsmänner gerade in die letzten Jahre des Commodus (190-192) versetzen, weiss ich nicht (vgl. auch meine Ausführungen in diesen „Jahrbüchern" a. a. O. S. 316f., Anm. 1).

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inter

Weise seines Verhörs den vor seinem Tribunal angeklagten Christen selbst die Antworten in den Mund, auf Grund deren sie freigesprochen werden konnten (Quanti autem praesides ... dissimulaverunt ab huiusmodi causis? ut Cincius

Severus, qui Tysdri [Tysdrus, südlich von Carthago in der Proconsularprovinz!] ipse dedit remedium, quomodo responderent Christiani, ut dimitti possent. . .).) Der Proconsul wird also nicht etwa gefragt haben: Seid ihr Christen? oder: Opfert ihr den Göttern? u. s. w., sondern wohl so: Ihr versaget doch nicht gänzlich dem Kaiser den Gehorsam? Ihr wollet doch nicht die bestehende öffentliche Ordnung stören, die Staatsverfassung untergraben? und dgl., Fragen, die die Christen mit gutem Gewissen mit Nein beantworteten und dann freigesprochen wurden. Vespronius Candidus lehnte unter Vorwänden in einem Specialfall es einfach ab, einem Christen den Process zu machen (... ut Vespronius Candidus, qui Christianum quasi tumultuosum civibus suis satisfacere dimisit). Aubé (Les chrétiens etc. S. 168 u. Anm. 1 das.) theilt drei Erklärungsarten dieser sehr schwierigen Stelle mit; am naturgemässesten scheint mir folgende sachliche Interpretation: Jener Christ wurde als solcher von heidnischen Mitbürgern angeklagt. Vespronius aber, um die ihm peinliche Processirung e limine abzuweisen, argumentirte, den eigentlichen auf die Religion bezüglichen Anklagepunkt absichtlich umgehend, etwa so: „Es handelt sich hier im Grunde nur um Streitigkeiten dieses zu Händeln geneigten Mannes mit seinen (heidnischen) Mitbürgern. Diese Sache gehört nicht vor mein Forum. Ich entlasse also den Mann; er mag selber die Zwistigkeiten mit seinen Mitbürgern ausfechten." Kluge Rücksicht auf die Marcia, die mächtige Beschützerin der Christen bei Hofe, wird wohl die beiden Beamten zu ihrer christenfreundlichen Haltung bestimmt haben. Jedenfalls lässt sich speciell bei Vespronius als Motiv nicht etwa Sinn für

1) Die Stelle von Aubé (S. 168) durchaus correct interpretirt: „,il trouva l'art d'interroger les prévenus de leur insinuer des réponses qui eussent l'air d'une satisfaction suffisante, et prononça qu'il n'y avait pas lieu de condamner“.

Humanität resp. aufrichtige Sympathie für die Christen voraussetzen, da er nach Spart. Did. Jul. c. 5, der bereits oben citirten Stelle, kein besonders empfehlenswerthes Naturell besass.

B. Diese Friedensepoche schliesst vereinzelte Bedrückungen der Christen nicht aus.

I. Allgemeines über den Fortbestand der christenfeindlichen Gesetzgebung und dessen Folgen.

1. In dem Zeitraum von 180 bis 193 erfreute sich die Christenheit des Friedens, aber diese äussere Ruhe war nur eine thatsächliche, nicht eine gesetzlich garantirte.') Im Gegentheil, die ganze so vielfach complicirte, seit Trajan fixirte, christenfeindliche Gesetzgebung bestand noch zu Recht: Noch immer waren die Anhänger des Christenthums gemäss den verschiedenen einzelnen Gesichtspunkten, nach denen es von den Heiden beurtheilt wurde, dem römischen Staate Majestätsverbrecher (maiestatis rei), Leugner der Staatsgottheiten (801, sacrilegi), Beförderer einer verbrecherischen Magie (magi, malefici), endlich Angehörige einer ungesetzlichen vom Staate nicht anerkannten Religion (religio nova, peregrina et illicita). Als maiestatis rei galten die Christen: a. als Theilnehmer an haeteriae, coetus illiciti oder nocturni, collegia illicita. Die Theilnahme an einem collegium illicitum wurde strafrechtlich dem Verbrechen des Aufruhrs gleichgeachtet (vgl. Ulpianus, de officio proconsulis l. VI, Digest. L. I. X. L VII 22). b. als doɛßeis, impii in principes wegen Weigerung, dem Numen des Kaisers zu opfern. Die als doeßeis verurtheilten Christen unterlagen folgenden Strafen der maie

1) Richtig Aubé, Les chrétiens etc. S. 13: „La tolérance sous Commode.... ne fut pas établie par décret. Elle exista de fait, non de droit etc. und S. 27: L'Église eut la paix sous Commode Mais cette paix fut alors même moins un droit qu'un fait. Nulle constitution impériale, nul édit officiellement promulgué ne la con

sacra" etc.

statis rei: „Humiliores bestiis objiciuntur vel vivi exuruntur, honestiores capite puniuntur“, vgl. Paullus, Receptae sententiae V. 29, 1. Kein Stand schützte in causa maiestatis vor Tortur; das war die continuirliche Tendenz der römischen Gesetzgebung von Octavian bis Justinian I. „Sacrilegium" galt als nahe verwandt mit „,causa maiestatis“ ‚Proximum sacrilegio crimen est, quod majestatis dicitur" heisst es bei Ulpian. Digest. l. I. ad leg. Jul. majestatis, X L III 4 und wurde daher ähnlich bestraft, nur dass gegen die „honestiores sacrilegi“ keine Folter zulässig war. Sacrilegi niederen Standes wurden entweder zum Kampfe" mit den wilden Thieren des Circus oder des Amphitheaters oder zum Kreuztode verurtheilt (f. Paull. Rec. Sentent. V. 29). Angeblich von den Christen vollzogene wunderbare Heilungen und namentlich das Institut des Exorcismus und die Religionsbücher der Christen, zumal die hl. Schrift wurden von den Heiden als Ausflüsse resp. als Beweise und Symptome einer verbrecherischen Magie gedeutet. Aus diesem doppelten Grunde konnten die Christen als,,Zauberer", wie ihre ,,magischen Schriften", dem Feuertod überantwortet, ihre ,,Mitschuldigen" aber entweder gekreuzigt oder den Bestien des Circus ausgesetzt werden: „Magicae artis conscios summo supplicio adfici placuit, id est bestis obici, aut cruci suffigi. Ipsi autem magi vivi exuruntur" sagt Paullus, Sentent. V. 23, 17. Auch die Nichtauslieferung sog. magischer Schriften war strenge verpönt: im Entdeckungsfalle wurden diese Bücher öffentlich verbrannt, und über die Schuldigen die Güterconfiscation verhängt; ausserdem traf Verbannung nach einer Insel die der Magie Verdächtigen, wenn sie zu den ,,honestiores" gehörten, die ,,hum.liores" aber mussten den Tod erleiden (vgl. Paull. Sent. V 23, 18). Weiter war das Christenthum als religio nova et illicita verpönt; unter diese Rubrik fällt wohl auch der vom jüngern Plinius (Ep. X 97) erhobene Vorwurf einer pertinacia, inflexibilis obstinatio, superstitio prava, immodica. Schon die Zwölftafel-Gesetze untersagten die religiones peregrinae (vgl. Cic. De legg. II. 8: separatim nemo habessit Deos, neve novos, sive advenas, nisi publice adscitos, privatim colunto). Nach der Gesetzgebung der römischen Kaiserzeit traf die Anhänger

einer religio nova Deportation nach einer Insel, wenn sie zu den honestiores gehörten, die Todesstrafe der Enthauptung aber, wenn sie niederen Standes waren (vgl. Paull. Sent. V 21, 2: „qui novas vel usu vel ratione incognitas religiones inducunt, ex quibus animi hominum moveantur, honestiores deportantur, humiliores capite puniuntur"; ef. Digest. 1. 30: De poenis X, L. VIII 19: si quis aliquid fecerit, quo leves hominum animi superstitione numinis terrerentur, Dwus Marcus huiusmodi homines in insulam relegari rescripsit"). Zu Recht bestand auch noch das Trajan - Rescript, welches zwar das Aufsuchen der Christen und die Berücksichtigung anonymer Anklagen verbietet, aber jeden legaliter dem Richter vorgeführten Christen vor die Alternative stellt, entweder als Majestätsverbrecher, nämlich wegen Theilnahme an einem collegium illicitum und als impius in principem wegen der Weigerung, dem Genius oder dem Numen des Kaisers zu opfern, und als Theilnehmer einer religio nova et illicita bestraft d. h. hingerichtet zu werden, oder durch Leugnen seines Christenthums und reumüthiges Opfern Verzeihung zu erlangen1). Weiter darf man, will man überhaupt sich eine vollständig klare Vorstellung der äusseren Situation der Christenheit unter Commodus machen, nicht vergessen, dass die vorconstantinische Kirche, etwa seit Trajan bis auf Decius hin, Gegenstand der fanatischen widersinnigen Wuth des heidnischen Pöbels war, der die unschuldigen Christen für alles öffentliche Unglück verantwortlich machte, den Anhängern Jesu wegen ihrer Zurückhaltung von Volksbelustigungen, die mit Idololatrie verquickt waren, bitter grollte und aus beiden Gründen häufig grausame ungesetzliche Verfolgungen veranlasste.2)

1) Vgl. Le Blant:,,Sur les bases juridiques des poursuites dirigées contre les martyrs, Comptes rendus de l'Académie des Inscr. etc.; nouvelle série“ T. II, Paris 1866 S. 358-373 (eine wahrhaft epochemachende Untersuchung!), F. X. Kraus, Roma Sotterranea, 2. Aufl., S. 46–49, Rud. Hilgenfeld, Verhältniss des röm. Staates etc. u. meinen Artikel ,,Christenverfolgungen“ a. a. O. S. 215-219, 225-227, sowie meinen ,,Claudius II." Abschn. V, S. 63–71.

2) Vgl. meine „,Christenverfolgungen“, S. 226. 228f. und sonst, sowie meinen „Claudius II." Abschn. VI u. VII, S. 71-78, die beiden entscheidenden Stellen: Tertullian. Apologet. c. 40: si Tiberis

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