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die vorpaulinische Zeit und die urchristlichen Kreise verlegt, rein unbegreiflich ist. Nach ihm müsste man sich eine so vage, farblose Vorstellung von den specifischen Lehren derselben machen, dass ihr Märtyrermuth und ihre Bekehrungserfolge gleich unbegreiflich wären, ja dass sie selber, die den gewaltigen Eindrücken aus dem Erdenleben ihres Herrn so nahe standen, zu psychologischen Räthseln für uns werden.1) Sollten wir dies Räthsel annehmen, so müssten anderweitig zwingende Gründe dafür, dass unser Brief in der urapostolischen Zeit entstanden ist, sprechen. Sind solche nicht vorhanden, dann nöthigt uns der Charakter des Briefs, jedes direkte Verhältniss desselben mit der urapostolischen Zeit zu leugnen.2)

Rücken wir aber über die Grenze des ,,Urchristenthums" hinaus, so können wir in der Zeit des Paulus keinen Raum finden. Da Paulus auch in den palästinensischen und syrischen Christengemeinden mindestens gekannt war und dort Stellungnahme provociren musste, so ist in dieser alle Christengeister bewegenden Werdezeit ein Brief eines doch jedenfalls angesehenen und Autorität besitzenden Christen undenkbar, der nicht irgendwie davon Zeugniss ablegte. Denn ebenso war durch Paulus die spekulative Verwerthung der geschichtlichen Grundthatsachen des Lebens Jesu in den lebhaftesten Fluss gebracht und die Versöhnung der Menschen mit Gott in Christus in den Mittelpunkt des Christenthums als die die Geister beherrschende Idee gestellt worden; wie andererseits

1) Wenn Beyschlag (S. 148 f.) unsern alle Spekulationen über Jesu Person und Wort ignorirenden Verfasser sich nicht nach Pauli Auftreten denken kann und ihn deswegen vor Paulus schreiben lässt, so fragt sich doch, ob ein Christ vor Paulus die noch ungelösten Räthsel der Erscheinung Christi, zumal die alle beschäftigenden Thatsachen des Todes und der Auferstehung, des Aergernisses und des Felsengrundes des Messiasglaubens einfach ignoriren konnte, oder ob dies nicht allein denkbar ist, wenn jene Räthsel eine Lösung gefunden haben und also wenigstens für eine überwiegend aufs Praktische gerichtete Individualität aus dem Vordergrund des Interesses zurücktreten konnten.

2) Den Brief verlegen in die vorpaulinische Zeit: Weiss, Beyschlag, Huther, Thiersch, Hofmann, Mangold u. a.

die eminent praktische Frage über die Stellung zum alttestamentlichen Gesetz bei Juden- und Heidenchristen die Tagesfrage bilden musste, nachdem sie durch die paulinische Heidenmission brennend geworden war. Beides konnte in der paulinischen Zeit von keinem christlichen Schriftsteller, der mit Interesse in seiner Zeit lebte, einfach ignorirt werden 1), das zweite aber doppelt nicht von einem so besonders praktisch gerichteten und so feurigen Geiste, wie ihn unser Brief verräth.2)

Ueberdies könnte die Stelle 2, 14-26, in der paulinischen Zeit geschrieben, nicht anders, denn als Polemik gegen das paulinische Evangelium aufgefasst werden.3) Aber kann eine Polemik gegen das Grunddogma des Paulus, um welches sich damals der Streit drehte, so beiläufig abgemacht sein, in einem einer anderen Mahnung (2, 1-13) nur als Erläuterung beigegebenen Abschnitt? Musste sie, einmal unternommen, nicht zum Hauptzweck und Mittelpunkt des Briefes gemacht werden? Jedenfalls aber musste der Polemiker doch von dem alttestamentlichen vouos und dessen soya, deren rechtfertigende Kraft Paulus bestritt, und nicht von soya der Nächstenliebe reden. Sodann müssten wir ihm ein in jener Zeit unverzeihliches und für einen Mann, der es wagen darf, an die

1) Vgl. Beyschlag (S. 140 f.),,Auch ein gegen die paulinische Denk- und Lehrart noch so ablehnend sich verhaltender judenchristlicher Standpunkt konnte, nachdem überhaupt einmal eine Lehre von Christo und von Christi Tod im Unterschied von blosser Lehre Christi mit Bewusstsein aufgestellt und aufgenommen worden war, mit nichten in dem Stadium einer Nichtbesinnung über das Räthsel seiner Person und seines Kreuzes bleiben."

2) Diese Schwierigkeit steigert sich noch, wenn der Brief, wie später gezeigt wird, nicht an geschlossene judenchristliche Gemeinden gerichtet sein kann, die ausserhalb Palästina's in der paulinischen Zeit anzunehmen überdem eine beinahe unmögliche Hypothese ist. Vgl. Beyschlag, a. a. O. S. 137, den gerade die Unmöglichkeit, judenchristliche, von den durch Paulus angeregten Fragen noch unberührte Gemeinden in der paulinischen Zeit anzunehmen, in die vorpaulinische Zeit zurückzugehen drängt.

3) Dies weist Grimm, a. a. O. S. 380-82 gegen G. W. Schmidt, welcher den Brief in die Zeit nach Beginn der paulinischen Mission verlegt und doch eine Polemik leugnet, treffend nach.

Christenheit einen belehrenden und mahnenden Brief zu schreiben, unbegreifliches Missverständniss der paulinischen Grundbegriffe zutrauen.1) Ferner ist es überhaupt in jener Zeit, doppelt aber bei einem Schriftsteller, der, wie wir sehen werden, direkte literarische Anlehnungen nicht liebt, unwahrscheinlich, dass die Polemik gegen ein System sich, wie in modernen literarischen Fehden, an eine Stelle aus einem paulinischen Gemeindeschreiben knüpfen und der dort gebrauchten Formel eine andere und dann doch wiederum nicht der bestrittenen Formel genau entsprechende Formel entgegenstellen würde (2, 24 gegen Röm. 3, 28); vielmehr würde die Polemik gewiss einen praktischen, vielleicht auch persönlichen Charakter tragen; sie würde die Nothwendigkeit, Unentbehrlichkeit, Göttlichkeit des Gesetzes erweisen oder Paulus und seine Heidenmission angreifen. Endlich mit Grimm2) die auffallende Heimlichkeit dieser Polemik dadurch zu erklären, dass ein so kühner und scharfer Polemiker, welcher vor einem,, avошлε Zevε" nicht zurückschreckte, ,,sicher nur aus Scheu vor dem hohen Ansehen des von ihm bestrittenen Apostels dessen Namen nicht genannt" hat, ist psychologisch unwahrscheinlich bei einem so geraden und strengen Charakter.3)

1) Hiezu sind Holtzmann (Bibell. S 184.) und Grimm (a. a. O. S. 382) ohne Bedenken bereit.

2) A. a. O. S. 382.

3) Vgl. auch Beyschlag (S. 122 ff.), der, wenn auch mit anderem Zweck, mit zutreffenden Gründen die Möglichkeit in dem Abschnitt 2, 14 ff. eine Polemik gegen Paulus zu finden hestreitet. Ebenso leugnen eine Polemik Weiss, Mangold, (Bl. S. 631 f.), Ritschl (Rechtf. u. Vers. II., 1. Aufl. S. 277 f), Harnack (Pastor Hermae 77. prolog. LXXV. A. 4), Sieffert, (Herzogs R. E. 2. A. Art. J. S. 476 f.) Dagegen sehen ausser den Tübingern eine Polemik im Briefe Holtzmann, Grimm, Hilgenfeld, Immer, Schenkel (Christusbild der Ap. S. 114 f.) Nach Hilgenfeld und Schenkel soll auch Kap. 3, nach Hilgenfeld sogar 4, 1-10 gegen Paulus resp. Pauliner gerichtet sein. Die Gründe selbst mögen reden: „Aus dem 3. Kap. geht hervor, dass der Brief paulinische Lehrer in Rom bekämpft, deren Zungenund Streitfertigkeit Jacobus züchtigen will und an denen er tadelt, dass sie eine Ehre in ihren Prahlereien suchen." (Schenkel). Hilġf. vergleicht die Warnung vor zu vielen Lehrern 3, 1 mit den Stellen in den Jahrb. f. prot. Theol. X.

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Wohl aber bildet die paulinische Geistesarbeit die unentbehrliche und nachweisbare Voraussetzung unseres Briefs. Gewiss, wenn überhaupt ein Judenchristenthum, so repräsentirt er ein freieres, vergeistigtes Judenchristenthum.1) Diese Vergeistigung, wenn denn unser Brief nichts als eine solche sein soll, ist nach den Vorgängen, die Paulus Gal. 2 erzählt, vor und ohne Pauli Einfluss nicht denkbar. Dass die Christen neugeboren seien, dass ihr Gesetz ein Gesetz der Freiheit sei, konnte ein ächter alter Judenchrist nicht lehren, ohne sich mit dem Gesetz des alten Bundes ausführlich auseinanderzusetzen. Ebenso ist eine so starke Betonung der TOTIS als Wesen und Grundlage des Christenthums, zumal bei dem Begriffe, welchen sie in unserem Briefe zu bekommen auf dem Wege ist, unbegreiflich, wenn nicht vorher eine TOTIS mit vollerem Begriff diese principielle Stellung sich errungen hatte. Endlich ist das Zurücktreten des Todes Christi, dieses σκανδαλον und dieser μωρια, nur erklärlich wenn ihm endgiltig durch eine richtige Werthung dieser Charakter genommen war, wie dies durch Pauli Lehre erst mit entscheidender Klarheit geschah.

So sind denn auch literarische Beziehungen zwischen unserem und den paulinischen Briefen nicht zu leugnen. Erklären sich die von Holtzmann, a. a. O. S. 187, Z. f. w. Th. 82, S. 292 aufgezählten paulinischen Formeln 2) auch aus Clementinen, dass keiner lehren dürfe, ehe er die Schrift gelernt und in Jerusalem geprüft worden sei. In Jac. 3, 13—18 sieht er die Weisheit Pauli von 1. Kor. 2, 7 f. bekämpft; liegt da nicht 2. Kor. 2, 1-5. 3, 18 ff. als Parallele viel näher? Jac. 4, 1 soll mit Bezug auf das Bekenntniss Pauli Röm. 7, 23 angedeutet sein, dass Paulus der eigentliche Ruhestörer sei. Die Versuche von Hengstenberg und Nitzsch, eine völlige Uebereinstimmung zwischen Jacobus und Paulus zu beweisen, sind durch Mangold-Bleek S. 635 ff. und die Luthers Urtheil treugebliebenen antikritischen Gelehrten Delitzsch (Hebr. 5 f. S. 579). Strobel (Z. f. luth. Th. 57. S. 365), Kahnis (luth. Dogm. I. 61. S. 356) genugsam widerlegt.

1) Grimm; Holtzmann.

2) Δικαιούσθαι εκ πίστεως oder εκ νομου. (Hier ist Mangold's Meinung,,der Gebrauch und die Bedeutung des Wortes dizaιovr im Sinne des Paulus bei Jacobus erklärt sich, weil diesem, wie jenem dieselbe alttestamentliche Stelle (gen. 15, 6) das Wort und seine Be

der Beherrschung der damaligen Diction in den Gemeinden durch die paulinischen Ausdrücke, so beweisen die Stellen1) 1, 3 (Röm. 5, 3), 1, 13 (1. Kor. 10, 13), 1, 22 (Röm. 2, 13), 2, 5 (1. Kor. 1,27f.), 2, 21 (Röm. 4, 3), 2, 24 (Röm. 3, 28), 4, 1 (Röm. 7,23) 4, 4 (Röm. 8, 7), 4, 12 (Röm. 2, 1. 14, 4) eine literarische Bekanntschaft des Verfasserts mit den Paulusbriefen selbst. Aber es ist sehr zu bemerken, wie unbedeutend diese Beziehungen sind, wie sie nur in dunklen Reminiscenzen, so 1, 13. 2, 5. 2, 21, oder in gedächtnissmässig festgehaltenen Einzelausdrücken bestehen, diese letzteren sämmtlich nur aus dem Römerbrief, so 1, 3. 1, 22. 2, 24. 4, 1. 4, 12, dagegen nie eine paulinische Lehre förmlich übernehmen, resp. citiren, auch 2,24 nicht, wo die Uebereinstimmung der Worte mit Gal. 2, 16, Röm. 3, 12 nur eine annähernde ist. Wir gewinnen hieraus den Eindruck, dass unser praktischer Paränetiker, der von Natur

deutung nahegelegt hat" (S. 638 f.) eine sehr kühne Hypothese, aber ein unbegreiflicher Zufall wäre es, wenn sogar Jacobus ebenso wie später Paulus den Satz gen. 15, 6 in der Formel dizaiova dai εx σTε zusammen gezogen hätte. Es bleibt trotz Beyschlag's Appellation an die urchristliche noontɛia (S. 118) eine bemerkenswerthe Thatsache: „Der Ausdruck Sıxaιovv vom Urtheil Gottes über den Menschen findet sich, mit Ansnahme der einzigen Stelle Mt. 12, 37, in der ganzen griechischen Bibel nur bei Paulus und dem Pauliner Lucas. Und da Paulus als Schöpfer der specifisch-christlichen religiösen Sprache mit Recht allgemein anerkannt ist, so wird man ihm auch die Bildung der fraglichen Redensart zu verdanken haben.“ Grimm, S. 383), ελευθερία, παραβάτης, τελειν τον νομον, καρπος δικαιοσύνης, μελη (als Sitz der επιθυμια und der Sünde), παραλογίζεςθαι, ολόκληρος, μη πλανάσθε, αλλ'ερει τις.

1) Vgl. auch Holtzmann, Z. f. w. Th. 82. S. 292. Wir lassen hier diejenigen bei Seite, die unser Brief mit 1. Petr. gemeinsam hat, da diese nichts beweisen können. Vielleicht hat Mangold auch Recht, wenn er лoining voμov (1, 22) von 1. Macc. 2, 67 ableitet (640. A.) Vielleicht kann auch 2, 10 und Gal. 5, 3 einem rabbinischen Lehrsatz entstammen, den Paulus antithetisch für seine Zwecke benutzt, Jacobus aber umdeutend in positiver Weise übernommen hat. Bei der ganz verschiedenen Verwendung des Gedankens ist dies wahrscheinlicher, als eine directe literarische Beziehung beider Stellen. Die im Text aufgezählten Parallelen aber sind durch die Bemerkungen von W. G. Schmidt, S. 173 nicht entkräftet. Auch Bleek fand eine Berücksichtigung von Gal. und Röm. „nicht unwahrscheinlich“.

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