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heit so umzugestalten, als ob der Gesetzesstandpunkt Princip und Norm des religiösen Bewusstseins bliebe. Zum Beweis dafür weist H. darauf hin, wie Paulus zumal im Römerbrief mit den alten Kategorieen der Rechtfertigung und der göttlichen Strafgerechtigkeit, die doch mit der Negation des Gesetzesstandpunktes jeden Sinn verloren hätten, wirthschafte.

Allein für den Kundigen kann doch darüber kein Zweifel bestehen, dass, wenn auch die paulinische Theologie in den Bahnen pharisäischen Denkens sich bewegt cfr. die sog. juridische Fassung und Begründung der Rechtfertigung und Versöhnung im Römerbrief- und dadurch in Widersprüche sich verwickelt, oder für uns unhaltbare Positionen aufstellt, dass dies doch nur der in dieser Form nicht wesentliche Unterbau für seinen durchaus gesetzesfreien Standpunkt, nur die durch seinen Entwickelungsgang bedingte zufällige Schaale gewesen ist, in welcher die Substanz seiner über den gesetzlichen Standpunkt weit hinausgeschrittenen religiösen Weltanschauung und religiösen Bewusstseins, die Auffassung des religiösen Verhältnisses als eines gotteskindschaftlichen, gefasst war. Ist aber dies das Wesentliche im paulinischen Evangelium, so ist wieder nicht einzusehen, inwiefern Paulus als Stifter der neuen und gesetzesfreien Religion bezeichnet werden könne. Denn Jesus selbst ist in Wahrheit schon so weit vom Gesetzesstandpunkt entfernt, dass er nicht nur eben jenes Gotteskindschaftsverhältniss als die adäquate Form des religiösen Verhältnisses fordert, sondern vor- und urbildlich dasselbe in seiner Person und seinem Leben darstellt.

Heterosoterisch aber nennt H. das paulinische Christenthum, weil in demselben das Verhältniss zu Christo als Kern und Wesen der Religion figurire und Christus an die Stelle des Objekts des religiösen Verhältnisses trete. Dies sei der sachliche Fehler, welcher bei Paulus dem fundamentalen Verhältniss zu Christo anhafte; denn damit werde neben und trotz des bereits erreichten monotheistischen Universalgottes ein Mensch wäre es auch ein pneumatisch verklärter, aber doch nur ein Mensch zum wesentlich centralen Objekt des religiösen Verhältnisses gemacht. Und zugleich sei dies das Haupthinderniss für die weitere Pro

paganda des Christenthums, wie die gänzliche Erfolglosigkeit der christlichen Mission der letzten Jahrhunderte, besonders unter nichtchristlichen und doch gebildeten Völkern dies beweise. Am Letzteren ist, obwohl H. die Erfolge der christlichen Mission etwas zu gering taxirt, doch viel Wahres. Wie viel am Ersteren (heterosoterisches Christenthum), das werden wir unten sehen. Zunächst folge die Bemerkung, dass dieser religiöse Widerspruch des paulinischen Christenthums nämlich ein Mensch das wesentliche centrale Objekt des religiösen Verhältnisses - nach H. seine Ueberwindung durch eine Modification der paulinischen Christologie forderte. Entweder, sagt er, blieb das Glaubens- und Liebesverhältniss zu Christus der Kern der neuen Religion, dann musste auch das Objekt desselben in die Stelle Gottes rücken, oder der Messias Jesus blieb ein fürbittender Mensch, so musste das Verhältniss zu ihm zur blossen Vorstufe herabgesetzt und das Wesen des religiösen Verhältnisses als unmittelbare Gotteskindschaft ausgeführt und durchgebildet werden. Mit dem Sieg der letzteren (arianischen) Richtung wäre aus dem Christenthum nie etwas Anderes als eine neue Gesetzesreligion nach Art des Islam geworden. Warum das, ist doch nicht recht verständlich. Deshalb aber drängte die Entwickelung, einem „,richtigen" Gefühl folgend, von der paulinischen zur kirchlichen Christologie. Durch letztere ist der dem paulinischen Christenthum noch anhaftende religiöse Widerspruch beseitigt und auf blosse logische Widersprüche und historische Fiktionen zurückgeführt worden, welche dem religiösen Bewusstsein als solchem keinen Anstoss mehr geben. -Mit diesem Zugeständniss könnte unsere Orthodoxie wohl zufrieden sein. Aber es ist, fährt H. fort, eine andere Schwierigkeit stehen geblieben, welche das christliche Religionssystem über sich selbst hinaus, zu einer neuen und höheren Stufe des religiösen Bewusstseins drängen musste. Dadurch nämlich, dass das religiöse Objekt (der Christusreligion) vergottet war, ist Christus in eine Transcendenz gerückt worden, in welcher er dem Gläubigen zwar wohl Gegenstand der vertrauenden Hingebung und dankbaren Liebe sein kann, aber doch immer nur ein Gegenstand der Sehn

sucht, nicht des Besitzes bleibt. Christus ist nicht mehr Immanenzprincip und damit auch nicht Princip des Neuen Lebens.

Je mehr indessen die Person Christi ins Jenseits gerückt war, um so mehr machte sich das Bedürfniss geltend, den Geist zwischen Christus und dem Gläubigen im Interesse des Immanenzprincips einzuschalten. Er blieb auch das Bindeglied zwischen Gott und Mensch, so lange er als unpersönliches Princip gedacht wurde; sobald er aber selbst personificirt wurde, konnte dem Bedürfniss der Vermittelung nicht mehr Genüge geschehen. In der katholischen Kirche trat an seine Stelle die Kirche; der Protestantismus hat nun zwar wohl Christus wieder als einzigen Mittler proklamirt, aber die Hauptsache wurde nun wieder die unio myst., die direkte Besitznahme des Gläubigen durch den persönlichen Christus, welche aus psychologischen Gründen, wie H. meint, nur als magisch dämonische Besessenheit und natürlich damit als etwas Unmögliches bezeichnet werden muss. - Aber wie? ist denn Joa. 10, 38; 14, 10; Gal. 2, 20; Ich lebe, doch u. s. w., ist Ps. 73, 23; Jesaias 57, 15 u. s. w. auch als magisch dämonische Besessenheit zu bezeichnen?

Doch hier setzt die Religion des Geistes, d. h. die letzte, höchste Stufe im Entwicklungsgange des religiösen Bewusstseins ein. Der supranaturale persönliche Gott war ja in die Transcendenz einer unendlichen Ferne gerückt und bedurfte eines Bindegliedes. Dies war im Christenthum Christus; weil er aber als Erlöser persönlicher Mittler wurde, bedurfte es eines neuen Mittelgliedes zwischen ihm und den Menschen, dies wurde der Geist; weil aber auch er personificirt wurde - zum Zweck seiner Denaturirung! -, musste auch er seinen Zweck verfehlen. Statt nun, was ja am nächsten läge, die beiden letzten Glieder richtig zu deuten und zu stellen und den in die Transcendenz entrückten Gott zugleich als immanenten zu denken, macht H. kurzen Process, wirft alle drei weg und setzt an ihre Stelle den absoluten unpersönlichen Geist, der das religiöse sittliche Princip des neuen Lebens sei.

Was ist denn nun aber dieser absolute unpersönliche Geist, der reines Immanenzprincip sein soll? Er ist das

absolute Prius der Natur, antwortet H., aber doch ist die Natur wieder das teleologische Mittel seiner Selbstverwirklichung, seines Zusichselberkommens. Das ist das bekannte widerspruchsvolle Hegel'sche Absolute, das sein soll und doch erst wird, ein ὕστερον πρότερον oder das Lichtenberg'sche Messer. Wie ist doch ein Prius vorzustellen, das da und nicht da ist, das sich vielmehr erst selbst verwirklichen und heraufschaffen muss, nicht anders als sich Münchhausen an den Haaren aus dem Sumpf herauszieht? Und was soll ein absoluter Geist sein, der eines anderen bedarf, um zu sich selbst zu kommen, der also nicht ist und doch wieder existirt? Hier begegnen wir bei H. jenem Hegel'schen Taschenspielerkunststück wieder, das in der Konstruktion des Begriffes und seiner Verwechselung mit der Sache selbst besteht (s. Trendelenburg, log. Unters. 1. A. I, S. 88). Wie steht es nun aber auf dem Standpunkte der Religion des Geistes mit der Realisirung des geforderten religiösen Verhältnisses? Ein wahres religiöses Verhältniss setzt offenbar stets zwei real, nicht blos begrifflich differente, wie andererseits auf einander bezogene Wesen, Gott und Mensch, voraus. Es fordert also ebenso die Transcendenz Gottes und das relative Fürsichsein des Menschen wie die Immanenz des Einen im Anderen. Nun redet H. wohl auch davon, dass der Geist nicht blos immanent, sondern immer zugleich auch transcendent sei, transcendent nämlich insofern, als er dadurch, dass er einem bestimmten Individuum einwohnt, nicht im Geringsten verhindert ist, noch unendlich vielen anderen Individuen einzuwohnen. Aber ist denn diese Transcendenz des Geistes eine wahrere und werthvollere als die des von H. verworfenen Theismus? Das religiöse Verhältniss zum Absoluten wird damit nichts Anderes als ein Verhältniss zu den endlichen Individuen, in welchen das Absolute mir transcendent ist. Ein Verhältniss zu endlichen Geistern kann aber Alles sein, nur nicht ein religiöses. Nun kann zwar eingeworfen werden, das religiöse Verhältniss ist eben hier nicht ein Verhältniss zu den vielen anderen Individuen, sondern zu dem Absoluten, das ihnen, wie mir, immanent ist. So scheint es, aber ist in Wahrheit doch anders.

Denn die menschlichen Persönlichkeiten, welche in dem religiösen Verhältnisse stehen, sind ja nach H. nicht volle, wahre Menschen dem absoluten Geist, sondern der göttliche Geist und die an und für sich noch keine Persönlichkeit darstellende menschliche Natur verschmelzen sich zu einer Einheit, aus welcher sich die specifisch menschliche Persönlichkeit erst entwickelt (s. S. 620). So kann also das religiöse Verhältniss jedenfalls nicht ein Verhältniss zu einem transcendenten Absoluten ausser mir sein. Aber es kann nicht einmal von einer wahren Immanenz desselben, wie sie doch der Theismus hat, die Rede sein. Denn das Absolute kann, wie H. selbst sagt, niemals in das Endliche (ganz) eingehen und ist zu keiner Zeit ganz in dasselbe eingegangen, weil es sich ja erst in einer zeitlichen Entwickelungsreihe selbst realisirt. Nur ein unendlich kleiner Grad seines Vermögens ist es, mit welchem es dem Einzelnen gegenwärtig ist. So ist es in Wahrheit doch nicht immanent, und kann es nicht sein, auch aus dem Grunde, weil ein getheiltes, zu einer minimalen Portion abgeschwächtes, verendlichtes Absolute sich selbst widerspricht. Es zeigt sich hier, wie mir scheint, klar, dass mit der Aufhebung der wahren Transcendenz des Absoluten auch die wahre und volle Immanenz verloren geht. Und so lange Hartmann in seiner Religion des Geistes und der Immanenz keine bessere Immanenz zu Stande bringt als die genannte, hat er kein Recht, über den Theismus sich in einer Weise auszulassen, wie er es thut.

Was will es nun besagen, wenn H. behauptet, dass, wenn der immanente göttliche Geist ein constituirendes Element der menschlichen Persönlichkeit bildet, damit sowohl das Erlösungsprincip als das Princip des neuen Lebens dem Menschen innerlich und eigenwesentlich, das eine ein autosoterisches, das andere ein autonomes Princip sei? Der endliche Geist weiss sich doch als natürlicher im Widerspruch und Zwiespalt mit dem göttlichen. Dies ist die allgemeinste Erfahrung, auf welcher die Nothwendigkeit einer Versöhnung und Erlösung beruht. Wie soll er sich aber selbst erlösen und versöhnen? „Der göttliche Geist ist ja mit der mensch

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