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unabhängig. Die Regierung hat die Befugniß nicht, im Namen des Staates auf einen Gewinn mit der Möglichkeit der Zahlungsunfähigkeit zu speculiren. Kein Factor der Gesetzgebung darf für sich allein über den Credit und die Hülfsmittel des Landes verfügen. Wenn man der Regierung die Befugniß zugesteht, künftig fällige Anleihen ohne Zustimmung des Landtages vorzeitig zu kündigen, so räumt man ihr die Verfügung über den Credit und die Hülfsmittel des Landes ein. Bei der günstigsten Finanzlage könnte ein Finanzminister durch eine vorzeitige Kündigung die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit heraufbeschwören, und die Nothwendigkeit, diese Gefahr abzuwenden, artet in einen Zwang gegen den Landtag aus, Hülfsmittel anzuweisen oder Anleihen zu bewilligen. Gibt die jetzige Kündigung des Herrn v. d. Heydt noch nicht den augenfälligen Beweis dieses Sazes, so braucht man blos, um des Beispiels willen, den Fall zu denken, daß der Finanzminister nächstens für gerathen hielte, den Zinsfuß auf drei Procent zu erniedrigen. Dann würde sicher der allergrößte Theil der Gläubiger die Rückzahlung verlangen, die Zahlungsmittel aber würden fehlen, und der Staatsbankrott würde nur durch erzwungene Geldbewilligungen seitens des Landtages abzuwenden sein. Ob drei oder vier Procent ist in Hinsicht auf das Staatsrecht vollständig gleich.

Nach der Verfassung gibt es nur Einen Weg, die Speculation auf Gewinn durch Herabsetzung des Zinsfußes zu unternehmen: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaushaltsetat gebracht werden." (Art. 99.) Die Kündigung einer Anleihe ist eine für das Jahr, in welches die Fälligkeit verlegt wird, im voraus zu veranschlagende Ausgabe. Sie gehört als solche in den außerordentlichen Etat als einmalige Ausgabe. Ihr entspricht dann die Einnahme aus den zu convertirenden Schuldscheinen zusammen mit einer Anleihe, welche gleichzeitig auf den Rest bis zur Höhe der ganzen gekündigten Summe zu gewähren ist. Dann ist die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit abgewendet, dann ist die neue Verbindlichkeit von den Factoren der Gesetzgebung übernommen, welche über den Credit und die Mittel

Lasker, Zur Verfassungsgeschichte.

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des Landes zu verfügen berechtigt sind; dann ist das Gefeß und nicht die königliche Verordnung die Quelle der Verpflichtung; dann endlich ist die Vorschrift der Verfassung erfüllt, welche alle Einnahmen und Ausgaben des Staates zum Gegenstande gefeßlicher Regulirung macht.

Die Gesetze vom 7. December 1849 und vom 7. März 1850, in welchen die Anleihen der Jahre 1852 und 1850 bewilligt sind, begründen keine Abweichung von der allgemeinen Regel. Die Fest= setzung der Bedingungen für den Abschluß der Anleihen ist allerdings der Regierung stillschweigend überlassen. *) Aber die Vollmacht ging nur auf den Abschluß und hörte auf, sobald dieses Geschäft vollzogen war. Der Staat mußte alle Verpflichtungen respectiren, welche die Regierung beim Abschluß des Geschäftes für ihn übernahm; für spätere Veränderungen hat die Regierung keinen Auftrag erhalten. In den durch königliche Verordnungen vom 7. Mai 1850 und vom 28. November 1851 aufgestellten Bedingungen ist dem Staate das Recht vorbehalten, vom Januar 1857 ab den Tilgungsfonds über das versprochene Minimum hinaus zu verstärken. Durch diesen Vorbehalt hat der Staat den Gläubigern gegenüber die Befugniß sich ausbedungen, die Anleihe in einer kürzern Frist, als nach dem Ergebniß des Amortisationsminimums, abzutragen. Wer in Zukunft als Organ des Staates die Verstärkung des Amortisationsfonds anordnen, wer die dazu erforderlichen Mittel anweisen soll, darüber entscheidet der Vorbehalt nicht. Vielmehr ist die allgemeine Regel vollgültig ge= blieben, wonach Verfügungen dieser Art nur allen Factoren der Gesetzgebung gemeinschaftlich zustehen. Es haben also weder die Gesetze der Regierung die Vollmacht gegeben, noch hat die Regierung sich die Befugniß vorbehalten **), in Zukunft von den einmal festgesetzten Zahlungsbedingungen abzugehen. Eine vollgültige Kündigung ist eine Veränderung der Zahlungsbedingungen. Aus

*) Das Gesetz aus dem Jahre 1849 schreibt nur im Allgemeinen eine angemessene Amortisation, das aus dem Jahre 1850 einen Amortisationsfonds von mindestens Einem Procent jährlich vor.

**) In den Verordnungen hat schon um deswillen über diese Frage nicht entschieden werden können, weil diese Gesetzesstoff ist.

ihr folgt die rechtsverbindliche Verpflichtung für den Staat, im Finanzjahre 1862 dreißig Millionen statt fünfmalhunderttausend Thaler zu verausgaben. Die Regierung ist aber weder befugt, noch ermächtigt, das gegenwärtige Finanzjahr zu einer Ausgabe zu verpflichten, welche weder durch ein Gesetz begründet, noch im Etat veranschlagt ist. Die von ihr vorgenommene Kündigung kann also nicht rechtsgültig sein.

Ich habe absichtlich von der weiten Perspective abgesehen, welche die einseitige Rentenconversion durch die Regierung in po= litischer Hinsicht eröffnet. Sache des nächsten Landtages dürfte es sein, auch die politische Seite zu erwägen und die Finanzwirthschaft des Staates gegen einseitige Eingriffe der Regierung zu wahren. Ich habe mich um so lieber auf die Rechts erörterung beschränkt, als die Frage auf einem Gebiete liegt, auf welchem Privatrecht und Staatsrecht hart aneinander stoßen.

5. Was geschicht, wenn das Etatsgeseh nicht zur Vereinbarung gelangt?

Mit einer Geldfrage hat die Verwickelung unserer öffentlichen Verhältnisse begonnen, an der Finanzfrage muß die Lebensfähigkeit der Verfassung und der beharrliche Sinn des Volkes sich bewähren. Die Finanzcontrole ist der Eckstein der populären Macht, ihre gewissenhafte Ausübung die vornehmste Aufgabe der Volksvertretung. Weises Sparen ist eine nationalökonomische Tugend, leichtfertige Ausgaben bedrohen den Wohlstand, aber eine fahrlässige Controle untergräbt die Freiheit. Den ärgsten Fehler der abgetretenen liberalen Minister finde ich darin, daß sie die thatsächliche Umordnung des Heeres vor Bewilligung der Kräfte und Mittel durch die Volksvertretung nicht verhindert, sogar gefördert haben. Die liberale Mehrheit der vorigen Legislaturperiode hat ihre Pflicht versäumt, als sie sich die thatsächlichen Zustände über den Kopf wachsen ließ, mit ihren einstweiligen Bewilligungen nachhinkte und die endgültige Regelung auf eine Zukunft verschob, der sie doch keine besseren Mittel der Abwehr zu überweisen wußte. Aus

der schwer belasteten Erbschaft des vorlegten Hauses zieht das heutige seine Schwäche und seine Stärke. Die Finanzcontrole ist auf dem abschüssigen Wege zur Scheinbefugniß, das Abgeordnetenhaus muß ihm wieder Wesen geben. Alle anderen politischen Forderungen und Wünsche treten vor diesem Ziele zurück. Siegt hier das constitutionelle Princip, so gilt es dann nur, den Sieg in richtiger Weise zu verfolgen, um unsere Verfassung von jedem absolutistischen Beisaß zu säubern. Solange dieser Sieg nicht gesichert ist, haben andere Erfolge nur den Werth schnell wechselnder Tagesereignisse.

In der That, wir sind an einen Wendepunkt gelangt, zu welchem der widerspruchsvolle Gang unserer Verfassungsentwickelung führen mußte. Wie die gegenwärtigen Minister sich zu verhalten gedenken, ist noch unbekannt. Aber die äußerste Reaction, die doch bisher allein ihnen die meisten Sympathien zugewendet hat, drängt zum Staatsstreich. Zwar verleugnet sie das Wort, doch will sie das Wesen. Freilich will sie keinen Staatsstreich mit Kanonen und Bajonneten; wie sollte sie im tiefen Frieden diese Waffen gegen einen Gegner verwenden, dessen einzige Waffe das Recht ist. Auch räth sie nicht zu einer offenen Verleugnung der Verfassung, denn auch sie hat ihren Antheil an der vielgeschmähten Staatsordnung, welche ihr das Herrenhaus eingebracht hat. Die Reaction hat von jeher in Preußen die kleinen Mittel und sicheren Wege vorgezogen, und heute räth sie zu derselben Taktik, welche sich unter Westphalen erprobt hat. Die Verfassung selbst soll ihren liberalen Theil verschlingen; die Befugniß zu einer wirksamen Controle der Finanzen soll weginterpretirt werden. Die „juristische Streitfrage" wird aus dem klarsten Wortlaut hervorgezaubert, und die Auslegung führt zu dem überraschenden Resultat, daß einem Verfassungsgesetze die entgegengesetzte Bedeutung von dem beigelegt wird, was sein Wortlaut verkündet.

Das wichtigste Geschäft, an welchem alle Factoren der Gesetzgebung, nur in verschiedener Weise mitwirken, ist die Versorgung des Staatshaushalts. Seit dem Jahre 1820 herrscht in Preußen die gesetzliche Regel, daß die wirklichen Bedürfnisse des Staates die Ausgaben jedes einzelnen Jahres und diese wiederum die Ein

nahmen desselben Jahres bestimmen sollen. Die constitutionelle Staatsordnung hat die Regelung der Ausgaben und Einnahmen der gesetzgebenden Gewalt übertragen. Drei gesonderte Geschäfte treten innerhalb dieser Regelung hervor, und für jedes derselben hat die Verfassungsurkunde die leitenden Grundsätze vorgezeichnet. Die Finanzgewalt hat: erstens, die Staatsbedürfnisse zu prüfen und gewisse Ausgaben als nothwendig zu bezeichnen; zweitens, die Verwendung von Mitteln zur Befriedigung der anerkannten Bedürfnisse zu gestatten; drittens, die vorhandenen Einnahmequellen zu unterhalten oder neue zu gewähren. Diese drei Geschäfte wirken zwar auf einander bestimmend ein, fallen aber nicht zusammen. Ihr Zusammenhang besteht darin, daß im gutgeordneten Haushalt alle Bedürfnisse zur Befriedigung gelangen und die Einnahmen genau nach den Ausgaben bemessen werden sollen. Das ist die Aufgabe des jährlich zu vereinbarenden Etatgesetzes. Für jedes Finanzjahr müssen die Einnahmen und Ausgaben in Form eines Gesetzes im voraus veranschlagt werden, und das Resultat der Veranschlagung ist, daß die bezeichneten Ausgaben aus den bezeichneten Einnahmen bestritten werden dürfen. Die Regierung ist mit der Verwaltung des Haushalts beauftragt, und das Etatgesetz bildet ihre Vollmacht und Instruction. Auf Grund desselben ist sie ermächtigt und verpflichtet, die angewiesenen Einnahmequellen zu benutzen, und aus den gewonnenen Einnahmen, sowie aus den sonst zugewiesenen Mitteln die anerkannten Bedürfnisse in Höhe der veranschlagten Ausgaben zu befriedigen. Wenn und solange das Etatsgesetz nicht zu Stande gekommen ist, fehlen der Regierung Vollmacht und Instruction zur Verwaltung des Haushalts. Sie würde in solchen Fällen zur Erhebung von Einnahmen ebenso wenig, wie zur Verwendung von Staatsmitteln und Bestreitung von Ausgaben befugt gewesen sein, wenn nicht die Verfassung in Betreff eines Theiles der Einnahmen eine Abweichung von der Regel angeordnet hätte. Im Art. 109 ist nämlich der Regierung ein für allemal die Vollmacht ertheilt, die bestehenden Steuern und Abgaben, insofern sie nicht auf Zeit bewilligt sind, fortzuerheben, bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden. Aber diese Vollmacht macht es der Regierung noch in keiner Weise mög

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