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mäßige Verbesserungen verlangt wurden neben der beharrlichen Forderung, daß die Landgemeinden und höheren Verbände in dem Geiste der Städteordnung organisirt würden. Im Jahre 1818 wurde durch ein Gesetz (vom 24. Juli) der schlimmste Misbrauch, das Recht des Kreistages, Ausgaben zu beschließen und die Kreiseingesessenen dadurch zu verpflichten, beseitigt. Auf allen Kreistagen waren der Adel und die Rittergutsbesitzer in der Mehrzahl, die Vertretung der Städte und der Landgemeinden ganz gering an Zahl und Einfluß. Nichtsdestoweniger hatte der Mehrzahl der Kreistagsmitglieder, welche auch an Grundbesitz und Vermögen einen geringeren Bruchtheil auszumachen pflegte, das Recht zugestanden, Ausgaben für den Kreis zu beschließen, den Nutzen nach Ermessen zu vertheilen und die beiden anderen Stände mit, meistens den weit größten Theil der Kosten bezahlen zu lassen. Dieser Misbrauch wurde in dem vorläufigen Gesetz vorweg aufgehoben. Die Verfassung und die kurz darauf erlassenen beiden Ordnungen für die Gemeinde und für die höheren Verbände (vom 11. März 1850) erfüllten die übrigen Wünsche. Die Verfassung gewährleistete (Art. 105) eine für den ganzen Staat gemeinsame Organisation der Gemeinden, Kreise, Bezirke und Provinzen, und als Grundsätze für dieselbe: selbständige Verwaltung und Wahlkörperschaften. Die Gemeindeordnung beseitigte das Chaos in den Dorfverwaltungen, verwirklichte die Aufhebung der Gutsobrigkeit und gutsherrlichen Polizei, stellte eine der Form nach einheitliche Glicderung über das ganze Land her und verband mit derselben eine weise Achtung vor den besonderen Ortsbedürfnissen, indem sie jeder Gemeinde die Bildung einer besonderen Verfassung und die Schöpfung eines ihr allein gehörigen Statuts gestattete; in dem Statut durfte allen den Grundideen der Gemeindeverfassung nicht zuwiderlaufenden Ortseigenthümlichkeiten Rechnung getragen werden. Die Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung bestätigte die nach Zuhalt der Verfassung bereits erfolgte Aufhebung der älteren Gefeße über Kreis- und Provinzialstände und schuf Wahlversammlungen für die höheren Verbände, in welchen die Gemeinden eine mit Freiheit der Bewegung gepaarte Centralisation erhielten, andererseits gegen eine allzu scharf ausgleichende Centralisation in der

Verwaltung des Gesammtstaates geschützt wurden. Die Anzahl der Vertreter in den Kreis- und Provinzialversammlungen war nicht gering, das Wahlrecht mäßig doch nicht ängstlich beschränkt; die Verhandlungen sollten öffentlich geführt werden. Hier war ein Feld für die Talente und Fähigkeiten in allen Abstufungen, eine Vorschule zu dem höchsten Berufe der Volksvertretung. Hier war Gelegenheit, reifende Erfahrung zu sammeln, zu staatsmännischer Einsicht sich heranzubilden, und das Volk konnte die Befähigten kennen lernen. Bei allen Mängeln in dem Einzelnen der beiden Gesete darf man sagen, daß sie die Idee der preußischen Politik aus dem Jahre 1808 zur Ausführung brachten und Preußen aus einem losen Verbande von Provinzen in einen organisch einheitlichen Staat verwandelten.

Die Reaction erklärte die beiden Gesetze für eine Ausgeburt der Revolution, und im Programm zum Bruche mit der Revolution standen dieselben an der Spiße der Proscriptionsliste. Um auf dem Verfügungswege die Kraft der Geseze zu untergraben und die thatsächliche Wiederherstellung der alten Zustände vorzubereiten, misbrauchte Herr von Westphalen das Zutrauen, welches die Kammern bei der Abfassung der Gefeße der Regierung geschenkt hatten, auf eine unerhörte Weise. Die Durchführung der Gemeindeordnung mußte einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Vertretungen der höheren Verbände konnten erst nach jenem Zeitpunkte gebildet' werden. Einzelne vorübergehende Bestimmungen waren für die Zwischenzeit nothwendig; in gleicher Weise waren Behörden erforderlich, welche bei der Ausführung der Gesetze mitwirken sollten. Der Minister des Innern erhielt die Vollmacht, die vorübergehenden Bestimmungen zu erlassen und die Behörden für die Ausführung des Gesetzes über die höheren Verbände zu bezeichnen. Mit diesem Mandat in der Hand machte der Minister den kürzesten Weg zur Zerstörung beider Geseze. Er befahl in einem Ministerialerlasse den Oberpräsidenten, die Provinziallandtage einzuberufen. Für die Gesetzmäßigkeit dieser Maßregel berief er sich auf seine Vollmacht. Er dürfe die Behörden benennen, welche inzwischen die Stelle der zukünftigen Provinzialvertretungen einzunehmen hätten, und obschon der Art. 66 des Gesetzes vom 11. März 1850 ausdrücklich sagt: „Alle Gesetze über die Kreis- und Provinzialstände

sind aufgehoben“, obschon sein Vorgänger Herr von Manteuffel in Ausführung des obenerwähnten Mandats durch einen Circularerlaß andere Organe für die bei der Ausführung der Gesetze nothwendigen Vertretungen der Kreise und Provinzen bezeichnet hatte, legte Herr von Westphalen die Gesetze doch dahin aus, daß die Provinziallandtage noch rechtsbeständig und die alten Gesetze einstweilen noch anwendbar wären. Gegen die möglichen Wahlverweigerungen, unvollzähligen Versammlungen und Proteste traf er willkürliche Anordnung, und wo es noththun würde, dispensirte er im voraus auch von den Vorschriften der alten Gesetze. Natürlich führten alle Oberpräsidenten und Unterbeamten den Befehl des Ministers aus. Wahlberechtigte Gemeinden leisteten Widerstand; man half sich mit Minderheitswahlen und ohne ihre Wahlen. Die Provinziallandtage traten zusammen; ein reiches Material wurde ihnen zur Berathung und Beschlußfassung vorgelegt, darunter auch die Aufforderung zu Gutachten über den Werth der beiden Gesetze vom 11. März 1850. In der Kammer zur Rede gestellt, fügte Herr von Westphalen zu den bereits erwähn ten Gründen einen neuen hinzu, indem er rundweg erklärte, daß er die neuen Ordnungen und ihr Princip für verderblich hielte und daß es seine Meinung wäre, zu der ständischen Gliederung und zur Interessenvertretung zurückzukehren. Die von ihm beabsichtigten, auf ständischer Grundlage beruhenden Gefeße kamen nicht zu Stande; aber er gelangte ohne sie zu seinem Ziele. Unter dem 19. Juni 1852, länger als 2 Jahre nach dem Erlasse der Gesebe, befahl eine vom Gesammtministerium gegengezeichnete königliche Verordnung, daß mit der Einführung der Gemeindeordnung und der Bildung der höheren Verbände nicht weiter vorzugehen. Der Minister des Innern wurde beauftragt, das Weitere zu veranlassen und die nothwendigen Anordnungen zu treffen. Sofort erklärte dieser sämmtliche alten Gesetze, Statuten und Verordnungen über die Verfassung der Gemeinden für gültig und wirksam. Sich selbst behielt er die Entscheidung vor, ob die neue Gemeindeordnung, wo sie genügend vorbereitet wäre, hier und da eingeführt werden sollte. Seinen Beamten trug er auf, den durch seinen Ausspruch wiederhergestellten Gesezen volle Autorität zu verschaffen.

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Nebenher fiel ein anderes Vorrecht für die Gutsherren ab. Art. 114 des Staatsgrundgesetzes enthielt die Uebergangsbestimmung: „Bis zur Emanirung der neuen Gemeindeordnung bleibt es bei den bisherigen Bestimmungen hinsichtlich der Polizeiverwaltung." Nun war zwar die Gemeindeordnung schon am 11. März 1850 emanirt, ihre verzögerte Durchführung und deren spätere Unterbrechung konnte die Thatsache nicht mehr rückgängig machen; Herr von Westphalen aber konnte dies durch eine neuerfundene Auslegung des Wortes Emanirung". Diese sei für jede einzelne Gemeinde besonders zu bestimmen und falle mit der öffentlichen Bekanntmachung zusammen, daß die neue Gemeindevertretung gebildet sei; für die Gemeinden, in welchen diese Bekanntmachung noch nicht geschehen, sei die Gemeindeordnung noch nicht emanirt, bestehe also die gutsherrliche Polizei noch fort. Auch diese wurde überall eingeführt, wo sie der Gutsherr übernehmen wollte; aufgehoben blieb sie nur, wo der Gutsherr die Kosten scheute und die Polizeigewalt zurückwies. Die gefeßliche Sanction der königlichen Verordnung folgte nach. Ein Gesetz vom 27. Mai 1853 hob die in der Verfassung enthaltenen Grundzüge für die Gemeindeordnung und die Ordnung der höheren Verbände (Art. 105) auf und sette das allgemeine Versprechen an die Stelle, daß die Vertretung und Verwaltung der Gemeinden, Kreise und Provinzen durch besondere Geseze näher bestimmt werden sollen. Ein anderes Gesetz von demselben Tage hob die beiden Ordnungen vom 11. März 1850 endgültig auf, stellte die alten Städteordnungen, Landgemeinde-, Kreis- und Provinzialverfassungen wieder her und versprach besondere provinzielle Geseze zur Fortbildung. Gleichzeitig fiel auch das Gesetz (vom 24. Juli 1848), welches den Kreistagen das Recht entzog, die Ausgaben für den Kreis festzusehen und die Kreiseingesessenen dadurch zu verbinden.

In dem Entwurf zu dem Gesetz, welches alles dies bewirkte, waren die Worte,,Kreis- und Provinzialstände“ nicht gebraucht und die hierauf bezüglichen Gesetze nicht direct benannt. Man wollte diejenigen unter den Abgeordneten nicht abschrecken, welche gern der Regierung freie Hand ließen, aber auch ihr die Verantwortlichkeit aufbürdeten und nicht selbst als Urheber eines Verfassungsbruches erscheinen wollten. Nicht jedem Ab

geordneten war die Kühnheit der Leiter zuzumuthen oder gar die herausfordernde Rücksichtslosigkeit des Herrn von Westphalen. Von einer anderen Anzahl war ohne ungeheueren Druck die Zustimmung nur dann zu erwarten, wenn ihnen möglich gemacht wurde, im Geheimen unter dem Gesetze sich etwas anderes zu denken, als was die Regierung beabsichtigte, was sie in provisorischen Maßregeln als ihre Absicht bereits angedeutet hatte und was sie auszuführen willens war. Darauf hatte die Regierung in der Wortfasfung des Entwurfes Rücksicht genommen. Die Kammern thaten einen weiteren Schritt zur Wahrung ihres Gewissens, welcher einem Protest gegen Ständewesen und Standesvorrechte gleichkam. Sie fügten an die Wiederherstellung der alten Gesetze, Ortsverfassungen und Statuten die Clausel: soweit sie mit den Bestimmungen der Verfassungsurkunde nicht im Widerspruche stehen und durch die im Art. 1 erwähnten Gesetze nicht beseitigt sind". Die Regierung lic sich die Fuge gefallen, obschon diese einerseits die Kraft des Gesetzes vom 24. Mai 1853 in seinen wesentlichsten Punkten in Frage stellt, andererseits in einem unauflösbaren Widerspruche mit diesem Gesetze selbst steht. Im Art. 1 sind nämlich die beiden Ordnungen vom 11. März 1850 und das Gesetz vom 24. Juli 1848 crwähnt. Wie soll nun das Gesetz, welches sich lediglich damit beschäftigt, ein Recht der Kreisstände (wegen Feststellung von Ausgaben für den Kreis) zu beseitigen, aufgehoben werden und die Beseitigung jenes Rechtes dennoch gültig bleiben? Wie sollten die alten Kreis- und Provinzialverfassungen, welche auf dem Princip der ständischen Privilegien beruhen, mit dem Art. 4 der Verfassungsurkunde auszuföhnen sein, der alle Standesvorrechte abgeschafft hat und deren Wiedereinführung verbietet? Was war durch die Ord nungen vom 11. März 1850 beseitigt? Die Kammern wußten ja, was der Minister des Innern Interpretation dieser Gesetze nannte, daß nämlich noch nichts von den alten Gesetzen aufgehoben wäre; sie wußten, daß der Minister des Innern die ganze Staatsregierung zu seiner eigenthümlichen Jurisprudenz bekehrt hatte. Vom legislativen und juristiichen Standpunkte aus ist dieses Gesetz, wie es uns vorliegt, ein unerklärlich Ding. Sein Verständniß muß aus dem politischen Gebiete hergeholt werden. Der Kampf sollte nicht

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