Obrazy na stronie
PDF
ePub

der die gewöhnliche Nachfolge gestört haben mochte. Diese störende Ursache dürfte am natürlichsten in dem frühzeitig hervortretenden bedeutenden Talente des ältesten Sohnes Johann Josef zur Musik zu suchen sein, welcher zu der Beschäftigung des Ackermannes sich nicht verstehen wollte und alles von sich wies, was nicht auf Befriedigung der Forderungen seines Kunstdranges hinzielte. Mit dieser Annahme steht wenigstens das im Einklange was Fux in seinem Gradus ad parnassum (pag. 43) auf die Frage des Lehrers, ob sein Schüler auch wahren Beruf zur Musik in sich fühle, diesen antworten lässt. Er sagt: „Zur Zeit, als ich noch nicht im vollen Gebrauche meiner Vernunft war, wurde ich durch die Heftigkeit ich weiss nicht welchen Triebes hingerissen, es richtete sich all mein Sinnen und Trachten auf die Musik, und auch jetzt bin ich von einer beinahe wunderbaren Begierde sie zu erlernen durchglüht und wie willenlos dahin gedrängt; Tag und Nacht scheinen meine Ohren von süssen Klängen umtönt zu werden, so dass ich an der Wahrheit meines Berufes durchaus keinen Grund zu zweifeln habe". Und wenn später der Meister versichert, „es freue ihn ungemein, einen Schüler nach seinem Sinne gefunden zu haben kann man da nicht mit Grund annehmen, dass Fux in den lebenswarmen Aeusserungen des Schülers die wirklichen Empfindungen seiner eigenen Jugend zum Ausdruck gebracht habe? Vielfache Erfahrungen bezeugen es, dass der unwiderstehlich treibenden . Jugendkraft eines grossen Talentes auch die entgegenstehenden widrigen Verhältnisse weichen müssen; das Talent bricht sich Bahn und arbeitet sich empor. Dass Fux seinen unbezwingbaren Lerntrieb weder für Musik noch andere Fächer des Wissens in Hirtenfeld oder St. Marein befriedigen konnte, ist einleuchtend, es ist aber auch keine Schule weder in der ganzen Obersteiermark in einem Kloster wie zum Beispiel Reun, oder auch in Gratz bekannt, wo ein Musiktalent sich hätte bilden können. Dlabač hatte zwar die öfter nachgeschriebene Fabel in Umlauf gesetzt, Johann Josef Fux sei in Böhmen gebildet worden und habe die besten Kapellen in Deutschland, Italien und Frankreich besucht", allein das ist eine durch gar nichts

1 Histor. Künstlerlexicon für Böhmen. I. p. 436.

[ocr errors]

1

begründete Unterstellung, die jede Kraft durch die Betrachtung verliert, dass zu jener Zeit gar kein bedeutender Musiklehrer in Prag lebte, und ausserdem gibt Dlabač eine Probe seiner Glaubwürdigkeit durch die an einem anderen Orte 1 keck hingestellte Behauptung, „die Musik“ (der 1723 in Prag aufgeführten Oper Costanza e Fortezza) „sei von dem berühmten Kapellmeister Fux, der eben ein Böhme (!!) war und zuvor mehr als 20 Jahre (!!) in Prag lebte"; während in Wirklichkeit der Steiermärker Fux 27 Jahre (und gewiss viel länger) vor 1723 von Wien sich nicht entfernte. Unter den Verhältnissen jener Zeit war für Fux keine Stadt, wo er alles finden konnte, was er zur Befriedigung seines Bildungstriebes benöthigte, als die Residenzstadt Wien. Dort war ein Kaiser (Leopold I.), der die Musik leidenschaftlich liebte und fürstlich beförderte, ein Orchester, welches das Staunen Europa's erregte, und Kapellmeister, welche zugleich als Lehrer des verdientesten Rufes genossen! Ungeachtet es den Forschungen nicht gelingen wollte, einen weltlichen oder geistlichen Gönner nennen zu können, welcher auf das Talent des jungen Menschen aufmerksam geworden denselben nach Wien gebracht haben konnte, so bedarf es eines solchen Deus ex machina nicht; es genügt, dass der Ruf der Musik von Wien, der weit über die Grenzen des Reiches sich verbreitet hatte, auch in die viel näheren Gebirge Obersteiermarks gedrungen war, und die Verbindung eines kleinen Schulmeisters mit irgend einer, wenn auch obscuren Persönlichkeit in Wien konnte hinreichen, dass der Musenjüngling den Wanderstab ergriff — und, wie viele andere vor ihm und nach ihm ohne besondere Unterstützung getrost dem

Eldorado seiner Wünsche zusteuerte.

Eine Bestätigung der Annahme, dass Fux nirgend anders als in Wien seine Kunstbildung erhalten habe, finde ich in einer Stelle der Dedication des Gradus ad Parnassum. Darin sagt Fux dem Kaiser Karl VI.: „Hoc opusculum [Gradus ad parnassum] ... Tuum est origine, quia Inclytorum Antecessorum Tuorum sub Auspiciis Musica mea initium sumpsit et incrementum traxit". Sollte der Sinn dieser Worte nicht dahin gehen: „Dieses Werk

p. 132.

1 Abh. der kön. böhm. Ges. der Wissenschaften. 4. Prag 1798. Bd. 3

ist das Deinige, dem Ursprunge nach, weil durch die Unterstüzzung Deiner erlauchten Vorfahren (Kaiser Leopold I. und Kaiser Josef I.) meine Kunstkenntniss in der Musik ihren Anfang genommen, und ihr Emporkommen erhalten hat", und ohne diese allgemein gehaltene Fassung etwas anderes bedeuten, als: ich habe meinen ersten Kunstunterricht auf Kosten des Kaisers Leopold erhalten? Dies konnte entweder in früher Jugend als Cantoreisinger oder in reiferem Alter als Hofscholar-vielleicht sogar beides stattgehabt haben. Der Bedarf an musicalischen Kräften war in den Jahren 1670-1680 nicht gering; man brauchte, um die Zahl von 12-16 Kapellsängerknaben voll zu haben wegen des frühen Mutierens der Knabenstimme einen bedeutenden jährlichen Ersatz und gute jugendliche Stimmen waren gewiss wie noch heute immer willkommen. Damit war auch nach dem Mutieren die Fortsetzung der wissenschaftlichen Studien, und bei hervorragenden allgemeinen musicalischen Anlagen, die Aufnahme zum Hofscholar gewiss nicht mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Aus der 1698 erfolgten Berufung zum Hofcompositor durch Kaiser Leopold I. muss geschlossen werden, dass Fux gerade durch die Entwicklung seines Talentes in der Composition excelliert habe, und durch die früher gewährte Unterstützung dem Kaiser bekannt geworden sei. Wenn gefragt wird, bei welchem Meister der junge Fux seinen Unterricht in der Composition erhalten haben dürfte, mag zuvörderst die Strenge des Stiles in seinen Compositionen und die Forderungen die er in seinem Gradus an den Componisten stellt, auf einen deutschen Meister hindeuten. In dem eben erwähnten Zeitraume der wahrscheinlichen Lehrjahre unseres Fux hatten von den bei Hofe angestellten Kapellmeistern und Vicekapellmeistern Antonio Draghi (1674 bis 1700), Antonio Bertali († 1669) und Marcus Ebner, Organist (1657-1680) keine Hofscholaren; es bleiben daher nur Felice Sances (1654-1678) und Joh. Heinrich Schmelzer (1660–1679), welche Scholaren in der Composition bildeten. Joh. Heinrich Schmelzer stand bei den Kaisern Ferdinand III. und Leopold I. in hohen Ehren, sowohl wegen seines

1 In seinem bedeutenden Nachlasse (im Wr. Landesgerichtsarchive) werden 21 Gnadenpfennige und Ketten von verschiedenen Kaisern und fürstlichen Personen demselben ertheilt, aufgeführt.

Violinspieles, als auch wegen seiner Compositionen, obschon die grösste Zahl seiner noch vorhandenen Werke Balletmusik enthalten. Sein Ruf war aber so verbreitet, dass man ihm aus allen Gegenden Schüler zuschickte, worunter Abbé Stadler (in einer hdschr. Geschichte der Musik) besonders Christian Heinrich Aschenbrenner anführt. Dass Fux mit der Familie Schmelzer noch später in Verbindung stand, davon gibt die Trauungsmatrikel von 16961 einen sicheren Anhaltspunkt, indem unter den Zeugen bei der Vermählung des Johann Josef Fux Andreas Anton Schmelzer, Röm. Kays. Kammermusicus" der Sohn des 1680 verstorbenen Kapellmeisters Johann Heinrich Schmelzer in erster Reihe figuriert. Da man die Trauungszeugen zu jeder Zeit aus dem Kreise der nächsten Freunde zu wählen pflegte, so scheint die Annahme nicht unbegründet, dass das Freundschaftsverhältniss des Sohnes aus einer Zeit stammen könne, wo Fux im Hause des Vaters Musikunterricht genoss.

Denkbar wäre auch, dass Fux von dem berühmten Organisten Kaspar Kerl wenn nicht Unterricht doch mannigfache Anregung erhalten habe. Kerl hatte vom 1. Jänner 1675 von Kaiser Leopold I. eine Pension von 600 fl. bezogen, welche in den Rechnungen unter der Rubrik "Hofpoeten" erscheint. Am 16. März 1677 wurde er als alter Diener des Erzhauses Oesterreich zum Hoforganisten mit 50 Thalern Monatgehalt ernannt 2, und von dieser Zeit mit erhöhtem Jahresbezug von 900 fl. in Rechnung gestellt, als Hoforganist aber erst im Jahre 1680 aufgeführt. Die Anwesenheit Kerl's in Wien fällt daher noch in die Lehrjahre des jungen Fux und obschon bestimmte Andeutungen fehlen, könnte immerhin zwischen dem lernbegierigen Fux und dem gereiften tüchtigen Meister Kerl ein Verhältniss sich entsponnen haben.

Wie Fux seine Lehrjahre in der Musik verwerthet hat, davon geben seine Werke genügendes Zeugniss. Er war nicht nur mit den Forderungen seiner Zeit, sondern auch in frühere Zeiten zurückgreifend, sowohl mit der Theorie als den Werken der besten Meister wohl vertraut. Auch in andern Fächern wusste er sein Wissen zu bereichern, beispielsweise sich die Kenntniss

1 Beil. I. 1, 2. 2 Acten des Oberst - Hofmeisteramtes.

des Lateinischen und Italienischen anzueignen; und wenn auch seine Ausdrucksweise in deutscher Sprache von einer gewissen Schwerfälligkeit sich nicht losmachen kann, so sind seine Gedanken doch immer klar ausgedrückt und verrathen eine allgemeine Bildung, ja selbst Kenntniss von lateinischen Classikern, wie seine gelegentlichen Citate darthun.

Wann seine Lehrjahre aufgehört und seine selbständige musicalisch-practische Thätigkeit ihren Anfang genommen, darüber fehlt selbst für Vermuthungen ein thatsächlicher Anhaltspunkt. Wenn schon urkundlich erwiesen ist, dass er 1696 Organist bei den Schotten war, so spricht doch ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür, dass Fux nicht erst im 36. Lebensjahre seine practische Thätigkeit begonnen habe, und vielmehr einige Jahre früher entweder in seiner Anstellung bei den Schotten oder irgend anderswo seine musicalische Laufbahn eröffnet habe. Selbst seine Berufung nach Hof im Jahre 1698 weist darauf hin, dass mehrere Jahre verflossen sein mussten, ehe er seine Tüchtigkeit zu einer solchen Stelle, und den Ruf davon in den höchsten Sphären begründen konnte.

Mit dem Jahre 1696 stehen wir endlich auf dem festen Boden thatsächlicher Verhältnisse, und dürfen bis an das Lebensende unseres Künstlers ihn nicht mehr verlassen.

In dem oftgenannten Jahre 1696 war Johann Josef Fux 36 Jahre alt, wohlbestellter Organist im Gotteshaus der Pfarre zu den Schotten 14, hatte einen Gehalt von 400 fl. 2, wohnte im Schottenhofe und hatte dort wahrscheinlich auch freie Wohnung, sowie auch nicht daran zu zweifeln ist, dass er durch Unterricht oder gleichzeitige andere Musikfunctionen sein Einkommen zu erhöhen wusste. Es war begreiflich, dass er daran dachte sich einen Hausstand zu gründen. Die Trauungsmatrikel3 verrathen uns, dass er in der „Edlen, Ehr- und Tugendreichen Jungfrau Juliana Clara Schnitzenbaum" den gleichgestimmten Gegenstand seiner Wünsche fand und mit ihr am 4. Juni 1696 in der Pfarre bei den Schotten getraut wurde. Die Braut war eine geborene Wienerin, 21 Jahre alt, die Tochter des niederösterreichischen Regierungssecretarius Johann Josef Schnitzenbaum, der

1 Beil. I. 1. 2. 2 Beil. II. 3. 3 Beil. I. 1, 2. 4 Beil. I. 20-24.

« PoprzedniaDalej »