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Sprachliche Erläuterungen

zu dem

lateinischen Psalmentexte.

Von

Dr. P. Hake,

Oberlehrer und Religionslehrer an dem Gymnasium zu Arnsberg.

Abdruck aus dem Gymnasial-Programm mit dem lateinischen Texte
ausgewählter Psalmen.

Arnsberg,

Verlag von H. F. Grote.

1872.

101. f. 389

Sprachliche Bemerkungen zu dem Psalmentexte

der Vulgata.

I. Lateinischer Idiotismus der Vulgata, insbesondere des Psalteriums.

Die unter dem Namen Vulgata bekannte lateinische Bibelübersetzung hat in neuerer Zeit nicht nur auf katholischer, sondern auch auf protestantischer Seite in sprachlicher wie kritischer Beziehung eine gerechtere Würdigung und allgemeinere Beachtung gefunden. Ihrer Latinität sind im Anschluss an ältere, jetzt nicht mehr genügende Werke, wie Weitenauer's Lexic. Biblic., namentlich von Hagen, Heiss, Rönsch und Kaulen eigene sprachliche Untersuchungen gewidmet worden, deren Resultate wie für die biblische, so auch für die Sprachwissenschaft von Interesse sind. Die Sprache der Vulgata ist nach ihrem Grundcharakter die lateinische Volkssprache, nicht Afrikanismus (Wiseman, Hagen), sondern die vorwiegend auf den italischen Elementen des Lateinischen beruhende sog. lingua rustica mit ihrem naturwüchsigen und archaistischen Gepräge im Unter

schiede von der konventionellen 1. urbana, die unter dem Einflusse der griechischen Kultur und Literatur sich entwickelte und unter Augustus ihre höchste Ausbildung erreichte. Im Wesentlichen noch bei Ennius, Plautus, Terentius, Lucretius, Cato u. A. Sprache der Literatur, war sie in der Blüthezeit der klassischen Sprache das Idiom des täglichen Verkehrs, mehr oder weniger auch in den gebildeten Kreisen der römischen Aristokratie, selbst am Hofe des Augustus, während der rein klassische mündliche Ausdruck sich wohl auf die officiellen Verhandlungen im Senat und auf dem Forum beschränkte; und sie behauptete sich auch als Schriftsprache, so weit ihr der Zwang der Urbanität nicht entgegenstand, namentlich bei Verträgen des gewöhnlichen Lebens und auf Inschriften von privater Natur. In dem silbernen Zeitalter, besonders bei Petronius (c. 180 n. Chr.), und noch mehr in dem ehernen seit dem 3. Jahrh., namentlich bei den Scriptores historiae Augustae, fing sie mit dem abnehmenden Einflusse der Urbanität an wieder in der Literatur sich geltend zu machen, um sodann in die romanischen Sprachen sich umzugestalten und das Gebiet der Literatur allein zu behaupten.

Dass nicht das rein klassische Latein, sondern die alterthümliche, von Rom und Italien aus in den Provinzen verbreitete und noch in lebendiger Fortentwickelung und Bildsamkeit begriffene Volkssprache das Idiom der Bibel und der Kirche

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und so die allgemeinste Weltsprache wurde, begreift sich aus der ersten Geschichte und dem Charakter des Christenthums (vgl. Kaulen, Gesch. der Vulg. S. 130 ff.). Auch die Septuaginta, das älteste und angesehenste Vorbild einer Bibelversion (aus dem 3. Jahrh. v. Chr.), war nicht in dem klassischen, sondern in dem makedonischalexandrinischen Dialekte, der sog. diáλextos xoivý, dazu mit stark hebraisirendem Kolorit, abgefasst. Als Uebertragung schliesst sich die Vulgata nach dem Vorgange der Septuaginta möglichst wortgetreu, oft mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit, an das (griechische oder hebräische) Original an und trägt daher auch, bald mehr, bald minder, eine gräcisirende und hebraisirende Färbung. Besonders zeigt sich diese Eigenthümlichkeit in den aus der älteren lateinischen Uebersetzung (Itala) beibehaltenen Bestandtheilen der jetzigen Vulgata, den meisten deuterokanonischen Schriften des A. T., so wie auch in den von dem h. Hieronymus nur revidirten Büchern, dem Psalter und dem N. T. Auch in den selbstständigen Uebersetzungen nahm der doch so fein gebildete Hieronymus, der wie die höheren Stände seiner Zeit sprach und schrieb, keinen Anstand, manche Gräcismen und Hebraismen lexikalischer wie grammatischer Art, so wie auch oft den volksmässigen lateinischen Ausdruck statt des klassischen aufzunehmen (vgl. Hagen, Erörterungen zur Vulg. S. 5, Kaulen a. a. O. S. 137. 181. u. Handbuch S. 5 f.). Bei alledem ist die

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