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1505

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1510

Sie nam in bì der hende

den ûzerwelten degen; 1445 sie bevalh in der ritterschaft, zwelf heiden in ir gewalt.

,, Nu pflegent wol des listigen man; entrinnet er juch von hinnen,

ez muoz iu an daz leben gån!" 1450 Man vuorte den tugenthaften man vor einer keminâten hin dan.

1455

1460

1465

1470

1475

1480

1485

1490

Mit ime giene diu edele künegîn; sie sâzen bî ein ander,

sie hâten vil rede under in.

Ein kamerære zuo der frouwen sprach: ,,Ir sult gèn an iuwer gemach,

ir müget des ân angest sin, daz er uns iht entrinne:

dar an setzen ich daz houbet min.".

Diu künigin slåfen gienc,

Môrolten sie in der keminâten liez.
Bi in saz der tugenthafte man,
er seit in fremde mære

biz sie alle slåfern began.

Môrolt husten dô began,

er laschte daz ljeht, daz ùf dem tische bran;

dô sprach ein heidenischer man:

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Sag an, ein ritter edele,

war umbe hâstu daz getan?"

,,Daz wil ich dir verjehen:
ez ist âne mîne schult beschehen.
Heiz ein ander lieht her tragen,
ich gibe dir min triuwe,

da bi süln wir erst kurzwile sagen.

Heiz enzünden ein ander lieht,

diz wolde doch schône burnen niht.
Stent iuwer zwêne vor die tôr,
sô mügent ir ân angest sin,
daz nieman gât her vor."
Ê daz lieht wart brâht,
Môrolt hâte sich balde bedâht:
bi ime stuont ein kopf guldin;
dar inne schancte er tâle trunc
ûz sime guoten barellin.

Do enzündet wart daz lieht,

Môrolt sprach:,,Ir herren, dürstet iuch niht? trinket ûz disen wîn:

ez ist wîn von Kipperlant,

den liez mir diu künegin.

Ez mac dem tage nàhe sîn:
ir sülnt uz trinken disen win,
sint mir kein guot kumet ze statten
gen der edelen kunegîn.

Daz hânt ir, helde, wol vernomen,'
1495 ez muoz mir an mîn leben gân.
Hôrent, helde lobesam,

1500

sint mir daz guot niht kan gewegen, sô trinkent ùz disen wîn:

der kop sol iuwer eigen sîn!"

Dem besten gap er in in die hant,

sie trunken vaste unt sigen nider if daz lant biz an ein heidenischen man;

der hâte den kopf in der hant,

unde sach die andern alle an.

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Do sprach der heidenische man:
,War umbe hant ir diz getân,
daz ir iuch wellent slåfen legen?
Entrinnet uns der kristen,

ez gât uns allen an daz leben."

Do sprach Morolt, der listige man:
,, Sie wellent mich versuochen,
obe ich welle hinnen gân.

Blibet dir al eine dirre win;
als du in ûz getrinkest,

1515 der kopf sol din eigen sin.“

Alse balde der heiden då getranc,

ime enpfiel da der kopf und seic nider ûf daz laut.

Môrolt, der küene helt guot,

er wart von sorgen erlôst,

1520 des gewan er hôhen muot.

Er nam ein schære ûz der taschen, daz ist war;

überhalben den ôren

sneit er den zwelfen abe daz hâr; er nam ein scharsahs in die haut, 1525 er schar ieglichem ein blatte.

Nú singent messe allesant!"
Da Môrolt daz hâte getân,
er gienc zuo der porten,

unt hiez sich den tôrwehtære ûz lâu.

1530,, Ich muoz ûf den wilden sè wunderlichen balde,

vischen der künigin hêre."

Dô sprach der heidenische man: ,, Ich getar nieman uz lân

1535 biz ez morne wirdet tac;

ez verbôt mir diu künigin selbe:
vür war ich iu daz sagen mac.“
Môrolt, der helt guot,
zuo dem portenære

1540 in die keminâte sich huop:
,, Tôrwehtære, trût geselle min,
sliuze mir uf die porten,
als liep ich dir müze sin.

Wiltu hinaht wisheit sehen,

1545 ich sage dir, waz dir an dem libe
mac nu beschehen,

daz zeige ich dir an eim sterne."
Do sprac der einvaltec portenæære:
So sliuze ich dir ûf gerne!"

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1550 Die slüzzel er in die hant genam;
er gienc gen der porten,
der heidenische man.

Môrolt huop ûf einen stein, er slnoc dem armen portenære 1555 das herze in dem libe enzwei, daz er tôt viel ûf daz lant. Dar nach quam sîn frouwe ze hant; dâ wolde schrien daz wip: Môrolt warf sie mit dem selben steine 1560 ze tôt, saget uns daz liet.

Die slüzzel er ime ûz der hende nam, ûf slôz der ritter lobesam:

er gîenc gen des meres tran

vil wunderlichen balde,

1565 dâ er sin schiffelin verborgen hâte gelàu. Er trat dar in unt stiez ùf den wilden sè; dâ swebet er biz an den tac, biz daz erwachete der künee hêre. Der frouwen quam mære ze hant, 1570 daz die heiden beschorn wæren

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Also sprach die frouwe wol getân:

Nu wartent, ir helde lobesam, bringent mir wider den listigen man; 1585 drizic marc des rôten goldes

süln ir von mir ze lône hân!"

Dâ giengen an die kiele hin dan vünfzic heidenischer man. Dâ was ein herzoge, hiez Marsilian, 1590 der ilte wunderbalde

nách Mörolten üf des meres trận.

E sin Morolt wurde gewar, do wâren sie des wilden meres vier milen zuo ime gevarn;

1595 der vil listige man, der schilhte sin schiffelin abe des wilden meres strâm.

Er stiez aber under den gürtel sîn mit silberin reifen ein kleinez barellin; ûz gâhete der tugenthafte man,

1600 er sprach:,,Der tievel hat alle die stûden hin, die hie umbe die wazzer solden stân!"

Nâch ime îlte diu heidenische diet,
Môrolt kunde sich verbergen niht:
sie viengen den tugentlichen man,

1605 sie bunden in alsô sère,

daz im daz bluot zu den nægelen ûz ran. Die heiden lacheten sich ùf den wal; zwêne ritter îlten hie ze tal,

sie vuoren über den wilden sê:

1610 dô seiten sie die mære

der edelen künigin hère.

Dô gap sie in zuo botenbrôt

einen vèhen mantel, was durhsticket mit golde rôt;

drîzec mare wolde sie den andern geben,

1615 wan sie Môrolten bræhten,

den ûz erwelten degen.

Die naht begunde sîgen an;

der schiltwahte phlågen

zwelf heidenische man;

1620 Môrolten man gebunden sach

biz an den ersten slåf.

Gerne müget ir hæren, wie er sprach: ,,Wellent ir mir læsen diu bant, ich hân erkündet vil der lant,

1625 ich wolde iu vrömede mære sagen,

waz ich in der heidenschaft grôzes liden hân vertragen."

Vier die besten lôsten im diu bant,

er seite in manege åventiure ze hant,
biz daz sie dürsten began;

1630 her vor zôch er sin barellin;

an den munt sazte ez der vürste lobesan. Er tet in sine liste kunt:

durch sine kele quam nie ein einziger trunc; er sprach:,, Ir hêrren, dürstet iu iht,

1635 số trinket hie nâch lust,

ir trinket besseres trankes niht."

Dem besten gap er ez in die hant:

Sie trunken vaste unt seigen nider ûf daz lant. Der in also sère bant, 1640 Môrolt mit sinem swerte, er im sin houbet abe swang.

Daz soltu ze eime botenbrôde haben: ich wil din kleider selbe

vor die künigin tragen!"

1645 Der vil listige man,

er nam die einleve bî den hâren.

Unde zôch sie von dem zwelften hin dan über daz gevilde breit,

der stolze degen unverzeit,

1650 über den berc in daz tal;

er roufte sie alsô sère, daz sie an dem
houbte wurden kal.
Er nam ein schære ûz der taschen, daz
ist war;

überhalben den ôren

sneit er in abe daz hår:

1655 er nam ein scharsahs in die hant, er schar ieglichem ein blatte.

,,Nu singent messe allesant!" also sprach der listige man. Diz mohte ein bischof niht hân getân; 1660 wæren gewihet dise helede balt, sie besängen wol ein wîtez münster, ir stimme ist sô manecvalt.

Als daz Môrolt hâte getan, er huop sich zuo dem mere,

1665 då er sin schiffelin hâte gelån.

Er trat dar inne unt stiez ûf den sê:

då vuorte er des kamerærers kleider
vor die künigin hère.

Sin hâr was krûs und ouch dà bî val, 1670 sin antlitze was dem kamerære glich über al. Môrolt, der listige man,

schilhte sin schiffelin schône

gên der burc hin dan

vil wunderlichen balde

1675 über des wilden meres strom.

Sin schiffelin liez er under dem berge stân,

unt huop sich gen der porten

unde hiez sich inne lån.

Ich kome über den wilden sè,

1680 Môrolt ist gevangen:

ich wil ez sagen der künigin hère.“ Die porten wurden ùf getân: Morolt wart in die burc gelân. Do er vor die künigin gienc, 1685 der künec und daz gesinde

ine vür den kamerære enphieng.

,,Nu sage uns von dem listigen man!" ,, Hèrre, dâ hân wir in gevangen, er kan nimmer komen von dan; 1690 ich bant in uf dem wilden sê, daz er lûte mort schrè.

Im ran daz bluot ze den nagelen ûz; wir weln in senken an des meres grunt, dô muoz er nu wonen ze hûs;

1695 dar umbe, edele künegin lobesan,
ir dürfet vor ime nit me in sorgen stân."
Künec Pharô sprach:,, Sô wil ich mich
slåfen legen."

Dô hiez die bette bereiten
Môrolt der ûz erwelte degen.

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1765 einen nacketen kappelân;

er nam in bi dem beine

unt zôch in verre dar hin dan.
,,Wol ûf, ir nackete kappelàn,

gênt hin zuo der kirchen metten singen!

1705 er nam in eime kopf den tålentrunc in die 1770 Lånt mich zuo der frouwen gân,

1710

1715

1720

hant.

Er kniete vor den künec rich, unde ouch vor die künigin glich, unt trancte sie beide mit vliz, da sliefen sie sicherlich.

Die kappelan wolden dannen gân, Môrolt bat sie stille stån,

er gap in den selben tranc: sie trunken alle

unt seigen nider zuo der want. Môrolt, der küene helt guot, die zwelf kappelân er ùf gehuop, er truoc sie zeiner steinen want; er schrancte sie über ein hûfen gegen ein ander allesant.

Künec Pharô er abe dem bette nam,

er leite in zuo der wende

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dem künige sneit er abe daz hår;

er nam ein scharsahs in die hant,

1735 er schor ime ein blatten,
und den andern allesant.

Da daz Môrolt hâte getân,
er huop sich zuo dem mere,
då er sîn schiffelin hâte gelân;

1740 er trat dar inne unde stiez uf den sê,
dâ swebete er den tac, biz daz erwachete
der künic here.

Dar nach er ein wîle stille lac:
vür war ich iu daz gesagen mac,
biz daz er sich baz versan:

1745 dâ wolde der künic minnen,
dâ begreif er den jungen kappelån.

Dâ daz der kappelân bevant,
zesamen twanc er sine hant,
er gap ime einen ôreslac

1750 mit so ganzen kreften,

daz er ein wile stille lac.

Da ime der ôreslac vergienc,
der künic Pharô niht enliez,
er sprach:,, Edele künigin hère,

1755 ir sint gewesen siben jâre bî mir,
unt getâtent mir daz nie mère."

Da er die kutte ane ime sach, gerne müget ir hæren, wie er sprach: Welher tievel hât mir geleit dise kutte an?

1760 Hie ist sicherlich gewesen Môrolt, künec Salmanes man!"

Da Pharô, der heidenische man, zuo dem bette wolde gấu,

dà vant er bi der frouwen

iuwer naht ist besser gewesen, dan mîu: ich lac dort ûf der herten erden, und ir hie bî der künegîn." Der kappelân dâ ûf gespranc: 1775 Pharô gienc dâ au daz bette, die wile was nit lanc.

1780

1785

Dâ slief noch die frouwe wol getân; dâ sprach der künec Pharô:

,,Ir möhtet tåling wol ûf stân!“

Da sie ime under die ougen sach, gerne müget ir hæren, wie sie sprach: ,, Ir sint unmâzen zorn,

richer künec Pharô:

welher tievel hât dich geschorn?"

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Daz hât diu Gotes stimme getân: wir süln die sünde buezen,

die wir an Salman hân getân!“

In der burc huop sich ein lûter schal:
Môrolt sanc ûf dem wilden sê,

1790 daz diu burc nâch ime erhal.

Als Pharô die stimme vernam,
er stuont ûf von dem bette,
er gienc an eine zinne stàn:
Môrolt, stolzer degen,

1795 habe eine kleine wile stille,

daz dich gesehe diu künigin hêre!“
Då sprach der listige man:

,, Ich mac niht lenger hie bestân!

Waz wiltu erbieten Salmane, dem bruoder min?

1800 Ich wil varn gên Jerusalem,

ich wil heim über mer;

ich sende dir Salman und ein kreftic her."
Môrolt wolde dannen varn;
der riche künec Pharô,

1805 der hiez ez wol bewarn:

ê dan ez Morolt wurde gewar,

dà was er mit vier unt zwenzic galènen

umb varn.

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605

dâ sluogen in die winde ze Jerúsalem in die habe.

2. Aus dem zweiten Morolt.
Dar nåch in kurzen zîten
der künec quam mit hundert ritern
und hate daz wilt gejeit;

von den sinen wart ime geseit:

,, Herre, hie wonet iuwer gumpelman, 610 Morolt, der vil klaffens kan."

Er sprach:,,Nu rîtent über die strâze,
ich wil sehen, in welher maze

er si trùric oder frô."
Danwert kèret der künic dô
615 unt reit über des hûses swelle;
er ruofte:,,Wà bistu nù, geselle?
wer ist mit dir in dime hûs?"
Môrolt antwurt ime her ûz:

Daz ist anderthalp man und ein roshoubet, 620 dar umbe sô là mich unertoubet :

ich sagen dir ouch hin wider,

die ein gent ùf, die andern gent nîder."
Der künic vrâgete in mère,
wå sin vater wère?

625 Er sprach:,, Er ist, als ich wene,

unt macht uz eime schaden zwêne.“
,,War ist dîne muoter kumen?“

Si tuot ir gevadere solichen vrumen,
den si ir nie mêr wider tuot,
630 die wile dirre werlt stât."

,,Wâ ist din bruoder? daz sage mir." Für war ich sage dir,

er sitzet bi dem zune dort unde stiftet manegen mort." 635,, Sô dir Got, nu sage mè,

wie ez umbe din swester stè?“
,, Si sitzet ûzen riunelich,

unde beschriet ir vröude jâmerlich." Der künic sprach:,, Bescheide mich; 640 wan ich ne hân verstanden dich; du hâst gesprochen sider:

die ein gent ûf, die ander nider; sag an, wie sol ich daz verstan?" Bônen ich zuo dem viure hân: 645 die ein ùf tribent zuo wal,

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die andern tribent hin zuo tal."

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Ouch hâstu gesprochen alsus,

hie si anderthalp man in dem hús und ein roshoubet då bî;

650 sage mir, wie diu mære si?"

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Prüeve selbe, wie dem ist:

dù selbe halp in dem hûse bist,

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und ich zemål, daz ist anderthalp man, und din roshoubet; waz wiltu dan?" 655,, Dù sprachest vort, als ich wene, .

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din vater machete ûz eime schaden zwêne; wie mac daz iemer gesin?" Môrolt sprach: Der vater min hât ein velt mit korn gesât, 660 daz volc einen wec dar umbe hat gemachet, den stopfet der tumbe: nù machent sie zwêne dar umbe." ,, Der warheit soltu mir verjehen, wie diner muoter si geschehen, 665 daz si ir gevateren tete;

sage mir, wie was diu rede?"
,, Ir gevatere lac unde starp;
min muoter daz mit trûwen warp,

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So zahlreich auch die Dichtungen sind, welche hier besprochen werden sollen, so große Verschiedenheiten sie in Anschauungsweise, Darstellung, Juhalt und Umfang darbieten; so haben sie wiederum so vieles Aehnliche, und sie stimmen in wesentlichen Punkten so genau überein, daß sich dieselben doch leicht in einem Gesammtbilde auffassen lassen, in welchem selbst diejenigen Gedichte nach einigen der wesentlichsten Beziehungen erklärt erscheinen, welche sich am meisten von dem allgemeinen Charakter der höfischen Erik entfernen. Dieser Charakter ist aber nichts Anderes, als der Charakter des Ritterthums selbst, welches seine poetische Darstellung in der Epik in noch viel entschiedenerer Weise gefunden hat, als im lyrischen Minnegesang. Wir haben geschen, daß die ritterliche Bildung vorzugsweise aus dem Bestreben hervorgegangen war, die größt möglichste Vollkommenheit und Schönheit der äußeren Form zu erringen; daß eben deshalb die Lyrik der ritterlichen Dichter nicht sowohl auf allseitige Darstellung der mannigfaltigen Gefühle und Empfindungen, deren das menschliche Herz fähig ist, gerichtet war, sondern vielmehr auf die äußerlich mannigfaltige und schöne Darstellung einiger we uigen Empfindungen; daß es ihr weniger auf die Tiefe und Innigkeit des Gefühls, als auf eine durch Form und Sprache glänzende Darstellung desselben ankam; daß endlich den dargestellten Empfindungen, selbst wenn sich dieselben zur Leidenschaft steigerten, keine innere Wahrheit zu Grunde lag, daß vielmehr die Liebe und die den Frauen erwiesene Verehrung ganz conventioneller Natur waren, welche von der höfifchen Sitte und Bildung so unbedingt vorgeschrieben wurden, als irgend eine andere Seite des hösischen oder ritterlichen Betragens. Dies, Alles findet sich auch in der hösischen Epik im höchsten Grade vereinigt. Schöne Sprache und feine, geglättete Darstellung zeichnet die .epischen Gedichte der Zeit nicht weniger aus, als die lyrischen, und wenn sich in der Form die reiche Mannigfaltigkeit nicht findet, die wir an den lyrischen Dichtungen bewundert haben, so ist dies eine natürliche Folge der epischen Gattung, welcher nur eine einfache Form zusagt. Doch haben die bessern Dichter auch die einfachen Reimpaare, in denen die epischen Werke geschrieben sind, mit einer großen Meisterschaft behandelt, und nicht bloß im Reim großen Reichthum und überraschende Gewandtheit bewiesen, sondern auch die verschiedenen Kunstmittel mit seltenem Glücke angewendet, von denen schon früher die Rede war (f. o. S. 27). Die Eintönigkeit der Lyrik wiederholt sich auch im Eros; während die ly rischen Dichter in immer neuen Weisen die Minne

besingen und die Verehrung der Frauen anpreisen, stellen die epischen Dichter das Nämliche dar, indem sie immer neue Begebenheiten und Situationen erfinden, an denen diese stets wiederkehrenden Gedanken zur Anschauung gebracht werden. Da aber die größten Thaten, welche uns die Dichter | von ihren Helden berichten, nicht um ihrer selbst willen erzählt werden, da dieseThaten keine größere das Menschenherz in seinen Tiefen ergreifende Idee zur | Unterlage haben, wie etwa Vaterlandsliebe, Rachsucht oder Ehrgeiz; da selbst die nach Abenteuern | ausziehenden Ritter nicht eigentlich aus unwider stehlicher Kampfluft und aus Thatendrang Abenteuer aufsuchen, sondern vielmehr nur, um durch irgend eine auffallende That die Dame ihres Her zens zu verherrlichen; so ist es begreiflich, daß alle Begebenheiten, welche in ihrer Gesammtheit die Handlung eines Gedichtes bilden, doch immer vereinzelt da stehen, und sie nicht durch innere Nothwendigkeit, sondern nur durch mehr oder weniger geschickt erfundene äußere Verhältnisse mit einander verbunden werden. Freilich sind die einzelnen Begebenheiten, namentlich bei den besseren Dichtern, mit großer Gewandtheit erzählt; aber der Mangel an Kunst der Composition zeigt sich auch darin, daß fie in der Darstellung des Einzelnen durchaus das Wichtige von dem Unwichtigen nicht unterscheiden, daß fie untergeordnete Begebenheiten mit der näm lichen Ausführlichkeit darstellen, als diejenigen Verhältnisse, welche den weiteren Verlauf der Handlung bestimmen. Die größern epischen Gedichte entbehren meistens der wahren künstlerischen Einheit, és find gerade die berühmtesten in der That nichts Anderes, als Biographieen, in welchen nicht nur das Leben des Helden von seiner Geburt bis zu seinem Tode erzählt, sondern auch in nicht geringer Ausführlichkeit das Leben seines Vaters und sogar wohl auch seines Großvaters mitgetheilt wird, ohne daß jedoch diese vorangeschickten Berichte in der That von wesentlichem Einfluß auf die Schicksale der Hauptperson wären. Wie viel höher steht in die ser Beziehung das aus dem Volke erwachsene Nibelungenlied, das, obgleich nicht immer mit Geschicke aus einer größeren Anzahl ursprünglich vereinzelter Lieder zusammengeseßt, demungeachtet in seinen einzelnen Theilen weit inniger verbunden erscheint, als die gepriesenen Meisterwerke eines Wolfram oder Gottfried.

Wenn zu diesem allem noch hinzukommt, daß die höfischen Epiker ihre Dichtungen beinahe ohne Ausnahme nach französischen Vorbildern bearbeiteten, daß sie nicht bloß den Stoff aus der Fremde holten, sondern ihren Werken bestimmte ausländische Dichtungen zu Grunde legten, so scheint es beinahe, als ob die so sehr gerühmte Vortrefflichkeit der deutschen Epiker des Mittelalters auf ein sehr geringes Maaß zurückgeführt werden müßte. Allein gerade der Umstand, der ihren Ruhm am meisten zu beeinträchtigen, ihr Talent am meisten in Frage zu stel len scheint, trägt wesentlich dazu bei, dasselbe in seinem größten Glanze zu zeigen. Denn wenn auch jeder einzelne Dichter ein ausländisches Werk zum nächsten Führer hatte, und er aus demselben so wohl den Stoff, als die poetische Entfaltung des selben entnahm, so zeigten bei weitem die Meisten hiebei eine so große Selbstständigkeit der Behandlung, wie sie nur bei einem wahren Talent erscheinen konnte. Ihre Bearbeitungen der fremden Vor

bilder sind nichts weniger als Uebersezungen oder freie Nachbildungen; es sind vielmehr, so weit es sich mit einiger Sicherheit beurtheilen läßt, vollständige Umgestaltungen, die ihre Quellen in den wesentlichsten Punkten übertreffen, unter welchen wir_namentlich die den Deutschen eigenthümliche Kunst tieferer Charakterzeichnung hervorheben, wels che sich vor Allem in dem lebendigeren Ergreifen der Seelenzustände kund gibt. Ucberhaupt find die mannigfaltigen Schattenseiten, welche wir in den obigen Zeilen dargestellt haben, weit weniger auf Rechnung der Dichter zu seßen, als dem Zeitgeiste und der ganz verfehlten Richtung desselben zuzuschreiben. So könnte man die Dichter sogar wegen der Wahl ihrer Stoffe und ihrer Nachbildung fremder Werke entschuldigen, da die meisten durch die Fürsten und Herren, von denen sie abhingen, dazu ausdrücklich veranlaßt wurden, wie sie denn ihre schöne Sprache nur deswegen durch Einmischung französischer Wörter und Redensarten verunstalteten, weil sie diese Unfitte an den Höfen allgemein verbreitet fanden, und durch Nachahmung derselben bei ihren fürstlichen Gönnern Wohlge= fallen erregten.

Wenn auch die hier oben entwickelten Züge die höfischen Epiker und ihre Werke im Allgemeinen und Ganzen charakterisiren, so lassen sich doch unter ihnen mancherlei Abstufungen unterscheiden, die ihren Grund nicht weniger in der Zeit, als in der besondern Eigenthümlichkeit der einzelnen Dichter haben. Die früheren Werke sind in Sprache und Form noch ziemlich roh, doch zeigt sich in ihnen beinahe durchgehends mehr inneres Leben und Selbstständigkeit der Auffassung; das volksthümliche Element überwiegt noch die ritterliche Ausartung. Hieher gehören vor Allem die Werke Heinrichs des Glichesären, der Pfaffen Konrad und Lamprecht. In den späteren dagegen entwickelt sich immer mehr die kunstmäßige Behandlung; die Sprache wird edler, der Reim reiner und reicher, es tritt größere Gewandtheit der Darstellung hervor, die sich insbesondere in der lebendigeren Schilderung und Ausmalung der Zustände und Begebenheiten zeigt, wodurch die Dichtungen auch größere epische Breite gewinnen. Die kunstmäßigere Behandlung des Evos begann mit Heinrich von Veldeck; es erreichte in Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach und Gottfried von Straßburg seine höchste Blüthe. Die nachfolgenden Dichter lehnten sich beinahe ohne Ausnahme an diese vier großen Vorgänger, und ahmten sie bewußt oder unbewußt nach, ohne sie jedoch zu erreichen. Sie stehen jenen insbesondere darin nach, daß bei ihnen die epische Breite zur Weitschweifigkeit wird – ein Fehler, von dem übrigens auch ihre großen Vorgänger nicht frei zu sprechen sind, und der zunächst in dem Hang zum Reflectiren seine Quelle hatte. Und wie dieser Hang sich zuerst vorzüglich in Wolframs Dichtungen zeigt, so ist auch die Sucht zu allegorisiren, die sich in den sväteren Dichtern immer mehr ausbildet, zum Theil aus Wolframs Vorgang zu erklären. Die bedeutendsten uuter den spätern Erikern sind: Wirnt von Gravenberg, Konrad Flecke, der Stricker, Rudolf von Ems und Konrad von Würzburg. Ein Gedicht, welches von Gottfried von Straßburg als sehr bedeutend gepriesen wird (f. unten bei Gottfried die betreffende Stelle), der,, umbehanc“ von

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