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Daz ist guot, Jud! Geloubestu,
daz er ist schepfer aller creatiure,
Daz er geruochte mensche werden?
Nein! dô zweiet sich diu rede: Got ist bar
der menscheit! Nieman mich dar zu
kan bringen, der geloube ist ungehiure,,
Daz Got ie würde menschenbær,

oder von einer meid ie bürtic würde!"
Swic, schale! ob ich dich des bewær,

sol man dich brennen danne ùf einer hürde?
Nein, du solt mich niht brennen, du maht
mich sin bewæren niht!"

Daz soltu wol gehæren, bæser wiht!
Isaias sprach manic jár zît,

è Maria diu rein ie wart geborn,
von der geburt. Lâ dinen strit,
dù blinder Jud, ê dan mir werde zorn!
Got sprach zu hêrn Jèsaias:

Ein meit gebirt
ein kint!" dast war mit warre geschiht.
Dù blinder Jud gar ungeslaht,
noch sich din blindikeit mit angesiht.

Dr Singerkrieg auf der Wartburg.

Jahre 1206-1208 fällt. Nicht weniger ist die Bedingung des Kampfes offenbar eine sagenhafte Ausschmückung, die sich schon bei den Räthseln der Sphing zeigt und dem Orient sehr geläufig ist, wie ja auch Turandot den Tod derer verlangt, welche ihre Räthselaufgaben nicht lösen. Wir wollen durch diese Andeutungen nicht behaupten, daß der erwähnte Zug im Wartburgkriege von den Alten oder den Morgenländern entlehnt sei (was allerdings bei dem Zusammenhang mit dem Orient auch denkbar wäre); wir glauben vielmehr, daß er auch in ursprünglich deutschen Sagen ähnlicher Art schon vorlag und nur auf den Wartburgkrieg übertragen worden ist.

Dieser Sängerstreit nun, er mag historische Grundlage haben oder ganz erdichtet sein, bildet den Gegenstand eines Gedichts, welches unter dem Namen des Wartburger Kriegs oder auch des Singerkriegs auf der Wartburg bekannt ist, und trog der auffallenden Unmöglichkeit lange Zeit für ein dem Kampfe gleichzeitiges Erzeugniß gehalten, ja geradezu dem Wolfram von Eschenbach zugeschrieben wurde, was wohl daraus zu erklären ist, daß das Gedicht vorzugsweise diesen Sänger verherrlicht. Sprache, Inhalt, Form und Anschauungsweise thun aber zur Genüge dar, daß es erst gegen das Ende des 13. Jahrhunderts kann abgefaßt worden sein, und vielleicht ist, wie ein neuerer Forscher vermuthet, Frauenlob der Verfasser, wenn auch nicht des Ganzen, doch eines Alte Chronisten erzählen, daß einst mehrere Dich- Theils desselben; wenigstens erscheinen manche Züge ter, welche am Hofe des Landgrafen Hermann von im Wartburgkriege, die an diesen Dichter erinnern. Thüringen lebten oder zufällig an demselben ver- Das Gedicht ist nur in Bruchstücken auf uns gefammelt waren, einen Gesangstreit unter der Be- kommen, und auch diese nicht in der ursprünglichen dingung erhoben, daß derjenige, welcher für be- Anordnung; doch lassen sich zwei Haupttheile leicht fiegt erklärt würde, durch Henkers Hand sterben unterscheiden, die auch in zwei verschiedenen Strosolle. Als die Theilnehmer an diesem Kampfe wer- phenformen gedichtet sind. Der erste Theil enthält den Wolfram von Eschenbach, Heinrich den Streit der Dichter über die Vorzüge verschievon Ofterdingen, Walther von der Vo-| dener Fürsten: Heinrich von Ofterdingen erhebt gelweide, Reinmarvon Zweter, Biterolf den Herzog Leopold von Desterreich, Walther und der tugendhafte Schreiber genannt. Es von der Vögelweide dagegen den Landgrafen von sei, berichten sie ferner, Heinrich von Ofterdingen, Thüringen; die Kampfrichter entscheiden den Streit, Bürger von Eisenach, als der Besiegte erklärt wor- der mit großer Bitterkeit und nicht in Ausdrücken, den; er habe sich aber dem Richterspruche nicht fü die des „Hoves“ waren, wie Gottfried sagt, gegen wollen, weil ihm Unrecht geschehen sei, sich auf führt wurde, natürlich für Walther, der den FürKlinsor von Ungarland berufen und bei der Land- sten preist, an dessen Hof sich die Dichter befinden. gräfin Sophie, der Gemahlin Hermanns, Schuß Da ruft der arg bedrängte Heinrich von Ostervor dem Tode gesucht. Diese habe ihm dann die dingen den Zauberer Klinsor aus Ungarland zu Erlaubniß ertheilt, den berühmten Klinsor in Un- Hülfe, der in der Magie wohl erfahren ist und mit garn aufzusuchen und auf die Wartburg zu brin- | dem Teufel im Bunde steht. Dieser erste Theil, in gen, welcher auch, als er herbeigekommen, den welchem manche historische Ueberlieferungen nicht Streit friedlich geschlichtet habe. Es ist zwar al- | zu verkennen sind, ist ohne Zweifel älter als der lerdings möglich, und sogar, wie schon oben befolgende, der jedoch nicht viel sväter abgefaßt sein merkt (S. 149), nicht unwahrscheinlich, daß in den früheren Zeiten des Minnesangs ähnliche Kampfgefänge angestellt wurden, und so mögen auch am Hofe des Landgrafen von Thüringen dergleichen Statt gefunden haben; allein wenn auch angenom men werden könnte, daß ein solcher Kampf zwischen den berühmtesten Dichtern jener Zeit wirklich Statt gefunden habe, und daß er eben deswegen berühmt geworden sei, erscheint diese Thatsache offenbar schon bei den Chronisten in sagenhafter Ausbildung, da sie nicht nur Persönlichkeiten einflechten, welche nicht historisch sind, sondern auch Dichter verschiedener Zeiten zusammenstellen, wie z. B. den jüngeren Reinmar, der in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts hinabreicht, während der Kampf, an dem er Theil genommen haben soll, schon in die

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kann. In diesem erscheinen Wolfram und Klinfor als die vorzüglichsten Kämpfer; der Gegenstand des Streits ist aber nicht mehr der Preis der Fürsten, es handelt sich nun um die eigene Vortrefflichkeit der kämpfenden Sänger, welche daher die mannigfaltigsten Verhältnisse berühren, auf Tod und Leben, Unsterblichkeit und Sünde, Offenbarung und Eigenschaften Gottes, so wie auf an dere religiöse und auch auf naturgeschichtliche Dinge zu sprechen kommen, und alles dies in Form von mystischen Räthseln darstellen, worin jeder den andern zu überbieten sucht. Wenn aber behauptet wird, daß Wolfram die Glaubenstiefe vertrete, während Klinsor als Repräsentant der durch sündhafte Mittel erworbenen Wissenschaft erscheine, und man diesen mit Faust, jenen vielleicht wohl mit

Gretchen zusammenstellt, so ist dies gewiß eine in das Gedicht willkürlich gelegte Ansicht, die sich durch Nichts rechtfertigen läßt. Vielmehr ist Klinsor in allen seinen Aeußerungen ein ebenso glaubensfester Christ, als Wolfram. und weit entfernt, daß dieser als ungelehrt dargestellt werde, entfaltet er vielmehr, wie sein Gegner, eine Unmasse von Kennt nissen allerlei Art; nur in der Magie ift er unerfahren, wie er selbst gesteht, ohne daß er jedoch dem Klinsor die Kenntniß derselben zum Vorwurf mache. Es läßt sich übrigens nicht entscheiden, wie der Kampf ausgefallen sein mag, da wir den Schluß desselben nicht kennen. So viel läßt sich aber mit Bestimmtheit wohl sagen, daß dem Gedicht keine höhere Idee zu Grunde liegt, daß der zweite Theil desselben insbesondere ganz einfach eine Darstellung der damals gangbaren Kenntnisse enthalten sollte, welcher man die Form eines Gesprächs oder der zu jener Zeit in Aufnahme gekommenen und beliebt gewordenen Streitgedichte gab. Dadurch aber streift es auch, dem Dichter unbewußt, an die dramatische Form, und es kann das Gedicht daher als erster Vorläufer des Dramas angesehen werden.

Wir theilen zwei Stellen aus dem zweiten Theile des Gedichts mit. In der ersten gibi Klinsor dem Wolfram folgendes Räthsel auf: Ein Vater rief seinem Kinde, das an dem Ufer eines Sees schlief; er wollte es wecken, weil die Nacht einbrach und der Sturm die Wellen schon über den Damm des Sees warf. Aber das Kind hörte nicht; es wachte auch dann nicht auf, als der Vater ihm einen Ruthenschlag gab. Da ließ dieser sein Horn ertönen, ergriff das Kind bei den Haaren und gab ihm einen Backenschlag. Alles umsonst. Endlich warf der Vaz ter eine Keule nach ihm und sprach: Dich schüßte das gallenlose Thier Ezidemon, doch folgtest du dem Rathe des Luchses, der dich in diesen Schlaf gebracht hat." Bei diesen Worten brach der Damm zusammen, und der See verschlang das Kind. Wolfram erklärte hierauf die Parabel also: „Der Vater ist Gott, das Kind ein jeglicher Sünder; Gottes Horn sind die weisen Geistlichen. Des Sees Damm ist die Zeit, die Gott den Sündern zur Bekehrung läßt, der See sind die kommenden Jahre, die Winde find deine Lebenstage. Ezidemon ist des Menschen Schußengel, der Luchs bedeutet den Teufel. Gott straft die Menschen zuerst mit Herzeleid (dies ist der Ruthenstreich), dann, wenn dies nicht hilft, mit Krankheit (dem Backenschlag) und endlich mit dem Tode (der Keule). Er verlangt dann Reue und Beichte, und wird ihm diese nicht gewährt, so ist Höllenpein unvermeidlich.“

In der zweiten Stelle legt Klinsor ein anderes Räthsel von einem quâter mit vier essen, d. h. einem Wurf mit vier Affen, vor, welches quâter eine drien und das drie wiederum das quâter ent hält. Wolfram löst hierauf das Räthsel: die Bier sei Christus als Löwe, Ochs, Mensch und Adler (Offenbarung Johannis 4, 7) und die Drei bedeutet die Dreieinigkeit. Da Klinsor sich so überwun den sieht, droht er mit dem Teufel, den er von Toledo und selbst aus Griechenland herbeischaffen wolle, so wahr ihm Jesus, der Jungfrau Sohn, helfe.

Die Manessische Handschrift enthält ein Gemälde dieses Sängerstreits, welches wir hier unten wiedergeben. Es besteht aus zwei Feldern; im obern ist der Landgraf Hermann von Thüringen

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kint,

wache, liebez

verliuse ich dich, so wirt min jâmer niuwe." Dannoch daz kint des slåfes pflac; hort, wie der vater tæte:

er sleich hin nâher, då ez lac, mit siner hant gap er im cinen besemen slac, er sprach:,, Nu wache, kint, ez wirt ze spæte!" Dem vater wart von schulden zorn,

uz sinem munt erschalt er då ein hellez horn, er sprach:,, Nu wache noch, ein tumber tôre!“ Dâ von sin zorn im wol gezam, daz kint er bî sîm reiden valwen hare nam, er gap im einen backenslac anz ôre, Er sprach:,, Din herze ist dir vermost, ich muoz mich din enziehen; kan dich min horn niht vür getragen, und ouch der beseme, dâ mit ich dich habe geslagen,

noch hilf ich dir, wiltu dem wage empflichen."

Klinsôr ûz Ungerlant mir jach:

Der vater wider zuo dem lieben kinde sach, mit jamer er diu ougen gegen im wante;

Dà von wart sin gemüete scharf; mit einem slegel er zuo dem lieben kinde warf, er sprach:,, Nim war, den boten ich dir sante. Ezidemôn ein tier din pflac, daz was gar dâ vür næm du eins luhses rât, sunder galle, Sus brach der tam unt kam der sè mit schalle. der dich in disen valschen slåf gedrungen hât."

*) 3m Terte des Gedichts wird dagegen ausdrücklich Reinmar von Zweter als Theilnehmer genannt.

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Sint mir die sinne im herzen zam,

so wil ich dir bescheiden von des séwes tam: daz ist ein zit, daz dir Got hât gesprochen; Verwürkest aber du diu zît,

geloube mir an aller slahte widerstrît,
sô hâstu selber dir den tam zerbrochen.

Der se sint diniu komenden jâr, din tage, daz sint die winde,

din Engel ist Ezîdemôn,

der luhs den tievel diutet, der dir sûren lôn kan geben: sus, wæn ich, dine rime ich vinde.

Nu hære, ob ich iht künne spehen:

den besemen slac Got lât an vriunden dir beschehen

grôz herzeleit, daz ist sîn erstes strâfen;
Wirstu an bezzerunge schiech,
den backenslac, den merke

siech,

du wirst selber

wiltu ze lange in dinen sünden slâfen.
Des slegeles wurf, daz ist der tôt, den er
daune an dich sendet;

riuwe unde bihte er von dir gert,
wirt er der beiden vollecliche niht gewert,
din hellepin ist iemer unverendet.

2. Klinsôr.

Wolfram, ich laz dich niemer vrî,

nu sich darzuo, wes kunst darunder bezzer sì: min kunst al dine sinne muoz erschellen. Du muost ouch alliu mîniu zil,

die gründe und ouch die hohe varn, swar ich wil; Leviathan und ander sin gesellen,

Die müezent mir ein gougelspil ûz dîner kúnste machen;

semmir Jésus, der megde kint,

der uns erlôste, wir wæren anders alle blint, an dem gelouben kan mich nieman swachen.

Nu sage mir, meister, sunder haz,

wan vindet, daz man Gotes tougen vüre baz niht suochen sol, swer wesen wil bi sinne: Ein quâter mit vier essen stât,

daz ieglichez sîn gezierde sunder hât; nu hære, wie ich diz halbez sagen beginne: Daz quâter eine drien habet, sô heltet ez diu drie.

Swer nu dà vürbaz sinnen wil,

dem mac der ham wol risen uf des hirnes zil, unt wirt von allen wizzen gar der vrie.

Eschenbach.

Sô hiez ich niender Wolveram,

unt künde ich dîniu wilden wort niht machen zam, waz hülfe Sante Brandan mich, der wise?

Der in daz vinsternisse kam,

und der daz buoch von eines ohsen zunge nam, den ohsen ich dir zeinem esse prise;

Daz ander esse ist ein löuwe, ob ich ez rehte merke,

daz dritte ist ein ar, daz ist mir kunt; daz vierde ein mensche, ich rüere an dines sèwes grunt,

unt schat doch Gote niht an siner sterke.

Klinsor.

Ich wil gelouben, daz den list ein engel vindet, alde der tiuvel in dir ist. Nu hære, von Düringen vürste riche,

Ich wilz ouch aflen pfaffen klagen,. die den übelen geisten argen willen tragen, her Satanás, ob ich iu hie entwiche,

Daz kan doch balde niht geschehen; swie gerne
ir mich nu krenket,

ir müezet rumen mir daz vaz,
welt ir in minem wage iht waten vürebaz,
ich vinde noch, daz iuch ze grunde senket.
Klinsôr.

Swer dich wil haben in leijen pfliht, Wolveram, der hât der rehten wizze niht, astronomie diu ist dir gemeine;

Wiltu dichs niht gegen mich enbarn, Nasion, der tiuvel, muoz mirz doch ervarn, noch hinaht, swenne er vindet dich aleine. Semmir Jesus, der megde sun, von Dôlet ich in bringe,

ald ob er wær in Kriechenlant; er tuot mir alle dine kunst von grunde erkant: nu hüete dich, swie ich mit im gedinge.

Eschenbach.

Ich Wolveram muoz mich bewegen, swaz dû und dine tievel künste mügent gepflegen, die bringe uns her; wan ich alhie beziuge, Daz ich daz quâter rehte vant: Augustinus, der si mîn geziuk benant, und Daniel, mit dem ich niht entringe.

Jeronimus, der nam daz buoch Brandan üz siner hende,

dâ von ez kam in Schoten lant; ich vroute mich, daz ich die hohen wirde vant; er zage, swer hie den rücke vlühtic wende!

Klinsôr.

Du hast Jeronimus genant,

damite Brandane helle und erde wart bekant; wafena, waz der himel kan bedecken!

Ein engel gap dem wisen man

hinauf zu reichen scheint, welches aber ohne Zweifel aus weit früheren Zeiten stammt. Es enthält

ein buoch, dâ von er manic herzeleit gewan, do er die schrift gelas an einer ecken; Er zech den engel und daz buoch gar trüge- dieses eine Reibe zu einem Ganzen verbundener

hafter mære,

vor zorne warf erz in die gluot;

der engel sprach:,, Sit diz din ungeloube tuot, du muost ez wider holn mit maniger swære.

Volkslieder und Lieder von

ten Dichtern.

Räthsel volksthümlicher Art; daß die Lösung unmittelbar darauf gegeben ist, schadet, wie schon von Andern bemerkt wurde, der Wirkung des Ganzen nicht im Entferntesten, vielmehr hat das Lied nur dadurch die dramatisch lebendige Form erhalungenannten können, die es so anziehend macht. Manche der in diesem Gedichte enthaltenen Räthselaufgaben find auch jezt noch allgemein im Volke verbreitet. Der Name Traugemund weist zwar auf den Orient hin, da es zunächst so viel als Turkomane bedeutet, woraus dann Dragoman (d. i. Dolmetscher) wurde, welches Wort verdeutscht die Form Traugemund erhielt; doch ist der Inhalt rein deutsch und von aller fremden Einwirkung frei geblieben; es ist also anzunehmen, daß jene Benennung späteren Ur

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Wir haben schon oben (S. 30) die Bemerkung gemacht, es dürfe mit ziemlicher Gewißheit anges nommen werden, daß viele Volkslieder, die uns wegen ihrer Form und Sprache als späteren Ur fvrungs entgegentreten, aus früheren Jahrhunderten stammen, und daß sie nur durch das Volk, in dessen Munde sie lebten, dessen vollstes Eigen thum sie durch alle Wandelungen der Zeiten versprungs ist, als die Räthsel selbst. blieben, immer diejenige Sprachform erhielten, welche gerade Bestand gewonnen hatte. Da der gleichen Volkslieder in ihrer ursprünglichen Gestaltung wohl niemals oder nur selten nieder ge= schrieben oder frühere Abschriften theils mit Willen, theils durch zufällige Umstände vernichtet wurden, so ist ihre älteste Form nicht auf uns gekommen, und wir können daher selbst solche Lieder nicht hieherziehen, von denen sich etwa mit annähernder Gewißheit nachweisen ließe, daß sie schon zu den Zeiten der Minnesinger vom Volke gesungen wurden.

Doch ist uns vielleicht mehr erhalten worden, als es auf den ersten Anblick hin scheinen möchte. Unter den Liedern der Minnesinger findet sich eine nicht geringe Anzahl, welche ganz volksthümliches Gepräge an sich tragen, und die zum Theil wohl auch ursprünglich aus dem Volke hervorgegangen sein mögen. Es ist nicht undenkbar, daß die Dichter sich dieselben angeeignet und ihnen eine regelmäßigere Form gegeben, sie vielleicht auch in ihrem Juhalte künstlerischer entwickelt haben, wie es z. B. Göthe mit dem Veilchen und dem Erlkönig gethan bat. Wohl mögen auch von den frühesten Übschreibern manche ächte Volkslieder aus verschiedenen Gründen bekannten Dichtern zugeschrieben worden sein, wie denn selbst in unsern Tagen einer der bedeutendsten Forscher im Gebiete der älteren deutschen Literatur ein liebliches kleines Liedchen dem Wernher von Tegernsee aus keinem andern Grunde zugeschrieben hat, als weil derselbe einen lateinisch geschriebenen Liebesbrief, der in der Sammlung seiner Briefe enthalten ist, mit dem erwähnten Lied beschließt. Es trägt dieses aber so ganz offenbar das ächte Gepräg eines aus dem Volke hervorges gangenen Liedes, es liegt die dem Volke allein so ganz eigenthümliche schalkhafte Naivetät so unverkennbar darin, daß wir keinen Augenblick zögern, es für ein ächtes aus den frühesten Zeiten stam mendes Volkslied zu erklären (1). Auch andre von den kleinen hier unten mitgetheilten Gedichten sind gewiß reine Volkslieder; andere mögen entweder ihre ursprüngliche Form verloren haben, oder sie sind von uns unbekannten Dichtern verfaßt worden, welche dem Volke näher standen und daher auch den Einwirkungen des Volksgesangs nicht entgehen konnten oder auch nicht entgehen wollten.

Ganz volksmäßig ist das Traugemundslied (11), dessen Aufzeichnung zwar nicht über die zweite Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts

1. Das Herzens schlüsselein.
Du bist min, ih bin din,
des solt dù gewis sin.

du bist beslozzen
in mînem herzen;
verlorn ist daz sluzzelin:
dù muost immer dar inne sin.

2. Wirkung der Liebe.
Minne, weistu, wen ich meine?
minne, ez ist diu liebe aleine,
der ich mich vür eigen jach.

Minne, ez ist diu minnecliche,
minne, ez ist diu sældenrîche.
Weistu, minne, waz beschach?

Do ich jungest was bì ir,
und ich vor der lieben saz,
minne, sich, dô tæt du mir,
daz ich vor liebe niht ensprach,
und ich min selbes gar vergaz.

3. Was ist Minne?
Swaz ieman seit, waz minne si,
då ist underwilen cunterfeit bi;
sunder al eine daz ist minne:

Zwei herzen in eime sinne,
Zwei liep ein liep, und daz alsó,
daz si ir gelückes beide sint vrỏ,
Zwei leit ein leit,

dà en zwischen in kein underscheit.
Swâ man daz mac erkennen,
då mac man gerehte minne nennen.

4. Frauenzucht.

Ein wip mit wibes giete,

diu reht in wibes sinne treit ein wîplich hochgemüete,

diu wîbet sich so schône, daz ir wibheit sælde birt. Wol ir, diu sich so wibet,

daz si in rehter wibes tugent bi wibes zuht belibet! der weiz ich eine, diu des niemer vuoz verstô

zen wirt.

Diu reine minnecliche tuot
sô rehte an allen dingen; dà von ir state wibes
êre sint behuot,
und ouch ir lip
vor valsche gar; si ist
daz ich si næme, unt

sô guot,
solt ich weln ûz al der
welte ein wip.

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