Obrazy na stronie
PDF
ePub

2. Quellen.

Wie über die person Freidanks, so ist Franz Pfeiffer auch hinsichtlich des charakters der Bescheidenheit in entschiedenen gegensatz gegen W. Grimm getreten. faßt dieser dieselbe als ein in sich zusammenhangendes, planvoll ausgearbeitetes gedicht, in welchem 'nur 200 zeilen sich auch bei andern finden' vgl. Haupt zeitschr. 11, 210, so ist jener geneigt, sie nur nur als sammelwerk, als blütenlese von sentenzen, sprüchen und sprichwörtern gelten zu laßen. den vollständigen beweis dafür aber hat er nicht angetreten, sondern überläßt diesen der zukunft. genaue untersuchung dieser streitfrage war also eine der wichtigsten aufgaben bei einer neuen ausgabe. ich habe mich mit vollkommenster unbefangenheit an dieselbe begeben, da ich in keiner schule banden liege und beide, W. Grimm und Fr. Ffeiffer, hoch achte, also daß es mir, als ich meine arbeit begann, ganz gleichgiltig war, auf welche seite die entscheidung fallen möchte. übrigens hat die ansicht Pfeiffers zuerst Lachmann in einem briefe an W. Grimm v. 31. dec. 1827 vgl. Scherer Deut. stud. 1, 34. anm. ausgesprochen, indem er sagt: 'Freidank hat, denke ich, wenig sprüche selbst gemacht, sondern er fand sie vor, teils prosaisch, teils schon versificiert, nur gewis meistens nicht streng gereimt, wie auch noch spätere schreiber kürzere reime hineinsetzten, so wie sie gangbar waren.'

Die erste frage muß sein, ob Freidank überhaupt gelehrte bildung beseßen habe. fast ganz abgesprochen wird ihm solche von Koberstein, welcher - grundriß 1, 272. d. meint, Freidank sei am wenigsten unter den verfaßern der größeren und berühmteren spruch- und sittengedichte mit gelehrter bildung ausgestattet gewesen, ja vielleicht habe er gar nicht einmal lesen können, und deshalb müsten wir die Bescheidenheit als das reinste werk der damaligen volksweisheit betrachten. er führt also die ansicht W. Grimms, welcher den rechten weg zwar vor sich sah und mit halbem fuße betrat, aber wegen der vorgefaßten meinung von der einheit Walthers und Freidanks nicht weiter verfolgte, consequent fort und treibt sie auf die spitze. einen grund jedoch für seine behauptung bringt er in keiner weise bei.

und es

möchte schwer sein, einen solchen triftiger art zu finden, da Freidank selbst sich 72, 6 u. a. m. auf die sprüche Salomos u. a. beruft und nach 81, 3. 4. den spruchstreit dieses trägers der höheren weisheit mit dem klugen narren Morolf kannte, auch seine belesenheit mindestens in der bibel, und zwar der vulgata, seine bekanntschaft mit den lateinischen fabeldichtern, Catos distichen, Idisor, abgesehen von anderem, was ich einstweilen dahingestellt sein laße, aus seinem werke sich unwiderleglich ergibt. solche belesenheit aber ist im 13. jahrh. gelehrte bildung, auf die auch Freidanks stand als eines vagus rythmicus hinweist. ob er auch in lateinischer sprache gedichtet habe, was sich nach Rudolfs von Ems worten vermuten läßt, darauf ist hier kein gewicht zu legen, enthalten doch die anderen gründe des beweises genug. das erkennt auch W. Grimm an, leugnet daher Freidanks gelehrte bildung nicht und gibt ihr nur keine große ausdehnung. er handelt davon und von den quellen einiger sprüche in der I. ausg. einl. s. LXXIII CXI, wozu vgl. Üb. Freid. s. 8 ff. dort führt er zuerst die aus der bibel entnommenen stellen auf, deren er 19 aufzählt, gibt zu, die eingefügten fabeln seien, wie man im voraus schließen dürfe, nicht von Freidanks erfindung, und läßt endlich unter der überschrift 'Überlieferung' die volksmäßigen mit jenem übereinstimmenden sprüche aus früheren, gleichzeitigen und späteren denkmälern folgen. dabei, sagt er, sei es meist deutlich, immer wenigftens wahrscheinlich, daß kein äußerer zusammenhang gewirkt habe; weder habe Freidank die früheren entlehnt, noch sei er quelle der späteren gewesen, sie seien vielmehr aus gemeinschaftlichem boden in verschiedener gestalt hervorgewachsen. darüber, ob sprüche aus lateinischen autoren entnommen seien, äußert sich Grimm a. a. o. s. CV also: 'einiges, das wol aus dem römischen altertume stammt, mochte längst ins leben übergegangen sein und ist schwerlich aus der quelle selbst geholt. aus Catos distichen kann ich nur einen einzigen spruch (2, 10. Fr. 80, 26.) anführen.'

Demnach weift Grimm auf zwei quellen ganz bestimmt hin: 1) die bibel und zwar nach dem texte der vulgata (einl. s. LXXVI), 2) die bereits volksmäßigen sprüche. eine dritte quelle, das römische altertum, deutet er nur als möglich an. es fragt sich

daher, einmal, ob Freidank außer diesen auch die älteren d. h. in beziehung auf die zeit der abfaßung der Bescheidenheit älteren deutschen denkmäler, sodann, ob er jene nur in dem von Grimm zugegebenen maße benutzt habe. jenes muß ich behaupten,

dieses bestreiten.

Betrachten wir zuerst die sprüche religiösen inhalts, so sind deren nur sehr wenige, welche sich nicht ganz bestimmt unmittelbar an einen biblischen spruch anlehnen; ja für manchen spruch Freidanks laßen sich nach der weise, wie dieser seine quellen behandelt, verschiedene biblische sprüche als quelle annehmen, so daß man in verlegenheit kommt zu sagen, welchen er im sinne gehabt habe. ich habe daher in solchen fällen denjenigen, welcher den gedanken Freidanks am präcisesten ausdrückt, aus der Vulgata ausgeschrieben, parallele sprüche nur bemerkt. jedoch ganz abgesehen von diesen, geben die anmerkungen den sprechenden beweis, daß viel mehr als 19 sprüche der bibel entnommen sind. daß W. Grimm deren nur so wenige angegeben, hat seinen grund wol darin, daß er nur ganz bekannte bibl. sprüche, die fast ein jeder als bibl. reminiscenzen bei sich führt, herangezogen hat, daß er doch wol in der bibel nicht so belesen war, als die sache forderte, und daß er die allerdings sehr mühsame und selbst mit einer guten bibl. concordanz sehr zeitraubende arbeit des nachschlagens verschmäht hat. ich habe nun freilich nicht alle sprüche gezählt, welche bestimmt auf die bibel als quelle zurückweisen, da ihrer faft zu viele und sie überall zerstreut sind; aber daß ihrer viel mehr als 19 sind, beweisen schon die bei Grimm im I. abschnitte von gote vereinigten sprüche, deren mehrzahl ich in der bibel nachgewiesen habe. andere sprüche religiösen inhalts sind sicher kirchenvätern oder religiösen schriften entnommen, wie mir aus den sprüchen, die von der sünde handeln, klar geworden ist, deren manche ihre quelle in der dem Augustinus zugeschriebenen schrift de vera et falsa poenitentia haben. auch Hieronymus war viel gelesen, und zu Freidanks zeit auch des Bernhardus Clarevallensis sermones und quinque libri de consideratione; aus diesen und andern büchern, die mir nicht zu gebote stehen, läßt sich wol noch mancher spruch belegen.

[ocr errors]

Daß die in der Bescheidenheit sich findenden, zuweilen nur angedeuteten fabeln, so wie die auf die tierwelt bezüglichen sprüche, in welchen wir hin und wieder, auch wenn sie nicht ausgesprochen oder nur angedeutet ist, die beziehung auf menschliche verhältnisse oder anspielungen auf zeitbegebenheiten annehmen dürfen, nicht von Freidanks erfindung seien, hat Grimm zugegeben, und vermag ich auch andere als die von ihm bezeichneten quellen, nemlich für die fabeln den Aesop, für die tiersprüche den Isidor (etymol. lib.) und den deutschen Physiologus, nicht anzugeben. nur dem kann ich nicht beistimmen, daß Freidank die disciplina clericalis des Petr. Alfonsus nicht gekannt habe (einl. s. LXXIX.); denn abgesehen von der fabel vom maulesel, Fr. 141, 14., die sich zu sehr an dessen darstellung anschließt, finden sich doch auch andere sprüche in der Bescheidenheit (z. b. 22, 12 ff., 131, 9. 10 u. a., vgl. die anmerkungen), die sich zu eng an die discl. cler. anlehnen, als daß man nicht annehmen sollte, sie sei ebenfalls eine quelle für Freidank gewesen, dem bei seiner gelehrten bildung und seiner vorliebe für die spruchliteratur das weit verbreitete werk dieses um ein jahrhundert älteren schriftstellers sicher nicht unbekannt geblieben war.

Was nun diejenigen sprüche anlangt, von denen Grimm zugibt, daß sie vielleicht aus dem römischen altertum stammten, aber meint, sie seien zu Freidanks zeit wol längst ins leben übergegangen, also schwerlich aus der quelle selbst geholt; so ist allerdings ein strenger beweis der unmittelbaren entlehnung schwieriger, als bei den aus der bibel entlehnten oder den fabeln. allein wenn außer zweifel steht, daß Freidank mit der bibel wol vertraut war, auch den lateinischen Aesopus und Isidors werk kannte, so ist der schluß vollkommen gesichert, daß er der lateinischen sprache überhaupt mächtig war, also die gelehrte bildung seiner zeit besaß, zu welcher die kenntnis der lateinischen literatur gehörte, wenn auch in beschränkterem maße, da sie in größerem umfange nicht so leicht zugänglich war. die anlehnung von 80, 26. 27. an Catos distichen 2, 10., ein buch von weitester verbreitung und benutzung im deutschen mittelalter vgl. Zarncke Deutscher Cato s. 1. hat Grimm bereits zugegeben; aber zu

[ocr errors]

diesem einen spruche finden sich noch manche andere derselben quelle entlehnte s. anmerkungen daher ist die annahme wol berechtigt, daß gar viele sprüche viel mehr, sei es unmittelbar oder mittelbar, lateinischen autoren entlehnt, als daß sie bereits gemeingut des volkes gewesen seien. um zu einem bestimmten ergebnisse zu gelangen, bin ich gerade wie bei den der bibel entlehnten sprüchen, obgleich die arbeit noch mühsamer war, jedem einzelnen spruche teils in den lateinischen schriftstellern selbst, teils in adagiensammlungen, so weit mir dieselben von der des Erasmus an zu gebote standen, nachgegangen. das ergebnis habe ich in den anmerkungen niedergelegt und hoffe, daß darnach niemandem mehr zweifelhaft sein werde, Freidank habe ferner einen sehr großen teil seiner sprüche aus lateinischen autoren geschöpft. dabei gebe ich jedoch mit bezug auf Terent. eun. 41. Nullum est iam dictum, quod non sit dictum prius gern zu, daß mancher gedanke uralt ist und zu Freidanks zeit schon längst gemeingut war; denn wir finden denselben sowol in der bibel, als auch in schriften der Griechen und Römer, und man kann bei dem einen und anderen zweifelhaft sein, welche stelle Freidanks quelle gewesen sei. nur drängt sich die bemerkung auf, daß wenn ein spruch Freidanks sich eben so wol an die bibel als an einen lateinischen autor anlehnt, er jener doch näher tritt als diesem. auch muß ich bei manchem spruche zweifelhaft laßen, ob er unmittelbar aus dem lateinischen autor oder aus der abgeleiteten quelle lateinischer spruchsammlungen geschöpft sei, die neben Catos distichen bereits umliefen, mir aber nicht zugänglich waren. indessen das ist auch eine frage von untergeordnetem werte, und ich hielt mich berechtigt, von der abgeleiteten quelle abzusehen und Freidanks sprüche auf die ursprüngliche zurückzuführen. weiter aber durfte ich nicht gehen, etwa daß ich die untersuchung noch mehr rückwärts bis zu den Griechen geführt hätte, aus deren philosophen, rednern und dichtern die Lateiner so sehr vieles geschöpft haben. es würde mit hilfe des buches von Leutsch und Schneidewin (Corpus paroemiographorum graecorum. Götting. 1839/41) nicht schwer gewesen sein, zahlreiche griechische sprichwörter, die von den deutschen nicht um ein haar verschieden sind, oder aus

« PoprzedniaDalej »