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und schwerfällige doch nicht ganz unterdrückte natürlichkeit zugestanden werden; als im sechzehnten jahrhundert tiefere bekanntschaft mit den classikern anfieng und der geschmack sich reinigte, wurden die edelsten kräfte in erleichterter und gehobner nachahmung der lateinischen poesie vergeudet. damals schüttelten alle gelehrten aus ihrem ermel fliefsende hexameter, welchen nichts abgieng als nationalität und die feinheit des nachbildens, dessen anforderungen durch fortgesetzte betrachtung der classischen werke beständig gesteigert werden. solche verse vermochten nie das volk zu erquicken, nur der bildung jener zeit genug zu thun, während sich die fort oder zurückschreitende der folgenden bald wieder von ihnen abwandte. Was hätte nicht die poetische eingebung eines Eobanus Hessus, Petrus Lotichius, Nicodemus Frischlin und vieler anderer auferbauen mögen, wenn sie der muttersprache zu statten gekommen wäre. diese dichter zogen das scheinleben einer vollendeteren, unnachahmlichen form dem wahren vor, das sich auf verwildertem aber fruchtbarem boden des vaterlandes selbständig und schöpferisch erzeugt hätte. Seit, nach überlangem ringen, unsere sprache sich wieder los machte, ist die hervorbringung lateinischer gedichte billig in enge schranken gewichen, und mehr ein probstück erworbner gelehrsamkeit, oder spielende lust an dem sträuben und nachgeben einer fremden zunge als freier trieb wirksamer poesie: sie tragen nicht aus was sie erstreben und laufen gefahr aufs schnellste vergessen zu werden.

Mit den einflüssen der lateinischen sprache kreuzen und begegnen sich durch das ganze mittelalter die geschicke der einheimischen. das steigende bedürfnis verfeinerter ausdrucksweise war halb geneigt und halb gedrungen sich des fremden mittels zu bedienen. Poesie

gibt die grundlage her zu dem gedeihen aller literatur, vermag sie aber nicht allein und ohne hinzutretende geistige kraft der prosa aufzubringen. Nachdem das christenthum die noch aus heidnischer wurzel entsprossene dichtung des achten und neunten jahrhunderts *) verabsäumt oder ausgerottet hatte, muste die deutsche poesie eine zeitlang still stehn, einer pflanze nicht ungleich, der das herz ausgebrochen ist, und erst im zwölften und dreizehnten begann ihr stiel auszuschlagen: diesem fröhlichen wachsthum war dennoch abzuwelken beschieden, weil ihm keine schützende prosa zur seite trat. Als im sechzehnten jahrhundert die

deutsche prosa sich ermannte, fehlte die macht der poesie, und der neuversuchten unvollbürtigen poesie des siebzehnten war die prosa abgestorben. Endlich im achtzehnten gelang die vereinigung beider, und fortan konnte nichts mehr die blüte und frucht unsrer literatur aufhalten.

Den samen lateinischer dichtkunst trugen Italiener nach Gallien und Britannien, erst von da wurde er Deutschland zugeführt. Dracontius, Sidonius Apollinaris, Venantius Fortunatus, in etwas weiterem abstand Aldhelm und Beda reihen sich an die letzten züglinge der aussterbenden römischen poesie, namentlich an Au

*) die alliteration ist, über Sachsen hinaus, für Hochdeutschland erwiesen, und wer an der menge althochdeutscher, vorotfriedischer gedichte zweifeln will, sehe das von Reginbert im j. 821 aufgestellte verzeichnis der bücher zu Sindleozesouwa (später Reichenau), worunter: 'in vigesimo primo libello continentur XII carmina theodiscae linguae (theodisca lingua) formata. . . in vigesimo secundo libello habentur . . . carmina diversa ad docendam theodiscam linguam.' Neugart episcop. constant. p. 536, 547.550. in ihrer mufse schrieben die mönche nach mündlicher überlieferung deutsche lieder auf, gewis aus mehr als einer absicht, viel

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sonius und Claudian, man dürfte einzelne wie Boethius noch hierher oder schon dorthin zählen. am richtigsten hebt die mittellateinische poesie mit den christlichen dichtern an, und alle heidnischen fallen der römischen zu. Wer den werth der ältesten christlichen poeten in das was sie, fast ohne eignes verdienst, ererbt oder unverlernt haben, setzen will, mag es thun; mir scheint er mehr von dem stof abzuhängen, und da wo der oft liebliche Fortunatus das fränkische königsgeschlecht oder austrasische gegenden besingt, gewinnt er gleich an leben, wie Claudians ungemeine eleganz durch den leblosen inhalt seiner gedichte gedrückt, die nicht geringere des Ausonius in seiner anmutigen Mosella höher gefärbt wird. Für Deutschland *) fangen die lateinischen dichter erst seit Hrabanus Maurus an, und in den schulen zu Fulda Mainz, Sanctgallen, Constanz, Strafsburg, Tull, Prüm, Trier, Corvei, Tegernsee, Freisingen und einigen andern empfieng die kunst weitere pflege. kaum möchte es einer an feinem talent dem Walafrid Strabo zuvor gethan haben, dessen hortulus weiche verse von innigem gefühl darbietet. volksmäfsige auklänge scheinen ihm jedoch fremd.

Dafs diese auch später noch nicht verschollen waren

leicht auch zum anbau deutscher grammatik, nach Carl des grofsen beispiel (Eginbart cap. 29 inchoavit et grammaticam patrii sermonis.) Wenn ihrer schon eine einzige abtei über ein duzend verwahrte, wie viel mufs sich anderwärts des aufgezeichneten, und gar im munde des volks unaufgeschrieben, damals gefunden haben?

*) hier abgesehn von Vandalen, Gothen und Langobarden des 5. 6. 7 jh.; lateinische gedichte der africanischen Vandalen unter Thrasamund und Hilderic von Tuccianus, Etemundis und andern hat Meyers anthologie no 545. 546. 547; von dem goth. könig Sisebutus (a. 650) no 388.

und die mönche neben ihren geistlichen dichtungen. adern der einheimischen sage, welche in der gesamten nation so üppig gewuchert hatte, zu hegen strebten, bewährt unsere, mit besondrer vorliebe auf das zehnte, einigermassen auch das eilfte jahrhundert gerichtete sammlung; es macht freude dem verkannten wieder einige gunst zu bereiten. denn schwerlich steht irgend eine zeit übel berüchtigter in der geschichte unsrer literatur, sie gilt sogar für die epoche des äussersten verfalls aller kunst und wissenschaft. Wer mag sich aber einbilden, dafs unter den sächsischen und fränkischen königen, als das deutsche reich auf dem gipfel seiner macht, und in Widukind, Thietmar, Wippo, Richer, Hermann und Lambert ernster sinn für vaterländische geschichte wach war, die lateinische dichtkunst sollte ungepflegt geblieben sein? damals war die geistlichkeit rühriger, und welterfahrner als nachher, wie hätte sie die poesie unversucht gelassen? Wenn auch die deutsche sprache selbst in diesen jahrhunderten, und aus ursachen deren entwicklung nicht weiter hierher gehört, keiner fortbildung theilhaft wurde; bei dem volke musten noch ältere lieder leben, sagen in menge und fülle dauern, deren einfluss auf mönchische nachdichtung nun nicht länger wird dürfen verkannt werden.

Die drei gröfseren gedichte Waltharius, Rudlieb und ecbasis captivi, so ungleich sie sind, gehören zusammen und tragen die eigenthümlichkeit ihrer zeit in vollem mafse an sich; sie ergänzen unsere vorstellung von dem dichterischen vermögen des zehnten jahrhunderts, die wir lange nur aus Idem werke der sächsischen Hrosuith*) entnehmen konnten. Allen dreien liegt ein

*) oder Clamor validus, wie sie sich selbst übersetzt: Hrosuith für Hrôthsuith, ahd. Hruodsuind, die poesie der gandesheimer

heimischer stof unter, wie ihn die alemannische, bairische und lothringische überlieferung, vielleicht noch in deutschen liedern, an hand reichte, welchen aufzufassen die geistlichen des neunten jh. zu vornehm, gelehrt und fromm waren. die klöster und schulen, we

nigstens da wo deutsche zunge herschte, hatten im zehnten jh. mehr heiterkeit und frohen mut gewonnen. Hrabans und Walafrids *) dichtungen sind noch etwas antiker, allein streng und trocken; die des zehnten jh. vergüten neuansetzende roheit hin und wieder durch einen hauch von frische und natur, der jenen abgeht. In ihrer bedeutsamen eigenthümlichkeit wird zumal die von Rudlieb, so lückenhaft sie hervortreten muss, überraschen; vollständig erhalten würde sie gröfseres aufsehn machen als was es nur sonst in mittellateinischer poesie gibt. Zwischen Waltharius und der ecbasis besteht zufällig sogar örtliche berührung, insofern beide ihre handlung nach dem Wasgau und vermutlich ganz

nonne ist milder und scheuer als die der mönche, aber nicht ungebildet: von weltlicher sage verräth sie gar nichts mehr. lieblingsausdrücke des zehnten jh, wie quo für ut, fore für esse, potis est, tuum velle, vestrum complevi velle jocundum, sibi für illi, satagis tollere, satagis ponere, certabant se subdere, factor für deus, gaza, plasma, protoplastus, sciolus, occiduus, eous, congaudere, glomerare, bacchica munera, Camena, homullus, popellus, im versschluss eandem, eundem, mulierem, hujus, horum, im fünften fufs bedeutungsloses namque oder denique, infinitive praet. wie disposuit petiisse, jussit vixisse, posset rexisse für potuisset regere, und anderes mehr hat sie besonders mit Waltharius gemein, einige ausgesuchte alterthümliche formen, wie die pronominalen mis und tis, debrius für ebrius sind ihr eigen. Eine neue ausgabe wäre erwünscht.

*) Walafrids werk ist gut, aber unbequem, bei Canisius ed. Basnage II. 2, 184-264 herausgegeben; man sollte es mit den mehr zerstreuten gedichten Hrabans einmal besonders zusammenstellen.

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