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spr. 2, 16 nente 'nannte': lente 'vollendete': rente 'rente, ertrag'. Ettmüller ändert in nende : lende: rende. wollte man auch an nente, wofür mnd. nomede gesagt wurde, keinen anstofs nehmen, so ist doch rende ein unding. das wort lautet auch im mnd. rente, würde also mit mnd. nende: lende nicht reimen.-spr. 11, 18 meit 'jungfrau': bereit 'bereit'. mnd. würden die worte maget: bereit lauten, eine mnd. form meit in dieser bedeutung gibt es nicht. 1. 4, 11. 7, 27 hertze: kertze: smertze reimen wol mhd. und md., aber nicht mnd., da die mnd. umsetzung herte : kertse : smerte ergeben würde. Ettmüller setzt zwar kerte in den text, aber diese theoretisch (vgl. nord. kerti) mögliche form lässt sich für das mnd. weder belegen noch erweisen, vielmehr lautete das sehr häufig begegnende wort kerze oder karze (schreibungen kerse, kertse, kertze, kerce usw.). dass kerte keine mnd. form gewesen ist, muss man aus zwei gründen folgern, erstens weil die heutigen mundarten nirgends kert(e) oder kart, sondern nur kars, kartze uä. kennen, zweitens weil das wort in mnd. gedichten nie im reime erscheint, deshalb nicht, weil im mnd. gebräuchliche mit kertze reimende wörter nicht zur verfügung standen. an reimwörtern zu kerte wäre dagegen kein mangel gewesen. im grofsen Mnd. wörterbuche fehlt die form kerte mit recht. in das handwörterbuch ist sie freilich von Lübben aufgenommen, aber nur auf grund zweier stellen des Hildesheimer urkundenbuches I nr 727 to den kerten, nr 863 ene wessene kertten. diese lesungen beweisen aber gegen die gründe, aus denen die existenz des mnd. kerte geläugnet werden muss, deshalb nichts, weil an diesen stellen mit gleichem palaeographischen rechte kercen und kertcen gelesen werden könnte.-1. 5, 8 wechter: echter 'widerum' erweist die md. form wehter, mnd. heifst es wachter. 1. 6, 4 gat 'geht': lát lässt' ist md., mnd. heifst es gát oder geit: let. 1. 7, 18 gerötet: untblötet: geglotet reimen md., nicht aber mnd., da es mnd. nicht geglodet, wie Ettmüller ansetzt, sondern geglôget heifst. 1. 9, 3 lûten 'hominibus': hûten 'cavere'1 reimt md., aber nicht in der mnd. umsetzung lûden: hôden oder hûden, vgl. Nd. jahrb. 18, 149. Ettmüller schreibt zwar lôden, indem er ein mnd. lód (mhd. luot) rotte, schar' annimmt, aber weder die mnd. noch nnd. glossare haben diese annahme durch irgend einen beleg bestätigt. auch spricht dagegen, dass md. oder mhd. lût, luot, stets einen erläuternden genitiv bei sich und in der höfischen dichtung (s. Lexer s. v.) stets einen verächtlichen beisinn hat.

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Einige andere durch den reim gesicherte md. wortformen seien nur kurz verzeichnet: L. 4, 19 gefellet 'gefällt', mnd. gevallet; 4, 10 dreit trägt', mnd. draget oder drecht; 8, 35 ndt nahet', mnd. naket oder nalet; 6, 10 untfáhen, mnd. untván oder untvangen; 10, 11 lit 'liegt', mnd. ligget oder licht; 10, 12 git 'gibt',

1 richtiger ist es wol, hier huten nicht mnd. hoden, húden (ags. hêdan) 'cavere', sondern mnd. huden (ags. hydan) ‘abscondere' gleichzusetzen.

mnd. gift; 14, 1 noch:rôch, mnd. rók usw. schliesslich ist es befremdend, oder wäre es vielmehr, wenn Wizlaw nd. gedichtet hätte, dass er die diminutiva stets auf -lin, nie auf -ken bildet, und dass sich zu ist 'est' nur reime auf ist, nie auf is finden, trotzdem das mnd. is schon zu Wizlaws zeit das ältere ist überwunden hatte.

Den 3 oder 4 reimen, durch welche sich ebensoviele mnd. wortformen bei Wizlaw erweisen lassen, steht also eine unverhältnismäfsig gröfsere anzahl bindungen gegenüber, welche nur bei anwendung md. sprache reime ergaben. auch zugegeben, dass unter dem einfluss hd. vorbilder ein nd. dichter gelegentlich ein oder das andere mal ober- oder md. wortformen zu seinen reimen heranziehen konnte, so wäre es doch unbegreiflich, dass ein aus Niederdeutschland gebürtiger dichter, der in der sprache seiner heimat dichten wollte, bei weitem mehr nachweislich md. als nachweislich nd. reime gebunden haben sollte. ergibt sich also aus den reimen derselbe schluss, auf den auch nach Kuntzes zugeständnis alle gründe allgemeiner art führen, nämlich dass Wizlaw nicht in nd., sondern in md. sprache seine gedichte verfasst hat. vereinzelte nd. formen, die sich in ihnen finden, können bei einem dichter nicht befremden, der sein ganzes leben in Niederdeutschland verlebte und der das md. lediglich als erlernte sprache beherschte, die er nur zeitweilig mundlich zu üben gelegenheit fand. Berlin.

W. SEELMANN.

es

Die bibel oder die ganze heilige schrift des alten und neuen testaments, nach der deutschen übersetzung dr Martin Luthers. im auftrage der deutschen evangelischen kirchenconferenz durchgesehene ausgabe. 1 abdruck. Halle a/S., vCansteinsche bibelanstalt, 1892. XVIII, 926, 316 und 24 ss. 8°.

Diese bibel ist das ergebnis langer und mühsamer vorbereitungen, über die das vorwort berichtet: getreu der gepflogenheit unserer zeit, mit einem ungeheuern apparat möglichst wenig zu leisten, gegenüber früherer sitte, nach der éin rechter mann mehr zu stande brachte, als jetzt alle collectivarbeit. die arbeit eines solchen einzelnen hatte gesicht und character; das bezeichnende einer collectivarbeit ist verwaschenheit und inconsequenz. und das zeigt sich auch hier. nach dem vorworte ist die bisherige gewöhnliche bibelausgabe noch eine Lutherbibel und doch auch längst keine Lutherbibel mehr; diese ausgabe soll nun eine echte jetzige' Lutherbibel sein, sie macht anspruch darauf, das alte sprachgut zu hüten und doch auch seiner fortbildung zu neuem sprachgut rechnung zu tragen, ein schullesebuch, ein volkslesebuch und auch ein behältnis unsers gegenwärtigen sprach

gutes zu sein, auch rücksicht zu nehmen nicht nur auf die vielfach erstarrte schulgrammatik, sondern ebensosehr auf die flüssige grammatik der lebendigen volkssprache. dass die ausgabe leiste, was das vorwort verspricht, leugne ich entschieden; nicht einmal eine consequente stellung in ihrer revisionsarbeit nimmt sie ein; viele köche haben auch hier den brei verdorben. das kann man so zu sagen aus jedem capitel der arbeit nachweisen, und ich müste ein buch schreiben, wollte ich an jedem einzelnen beispiel dartun, was verfehlt ist. sprachlich natürlich; denn theologisch geht mich die sache nichts an. es ist nicht wahr, dass diese bibel rücksicht nimmt auf die sprachgestaltung der gegenwart: die sprache in ihr ist ein leiche. die kinder in der schule verstehn sie nicht, und das volk, soweit sie sie versteht, wird sie bespötteln. und war denn diese sprache beizubehalten notwendig? haben die herren von der kanzel sich nicht auf grund der bibelsprache eine sprache gebildet, die lebendig, würdig ist, dabei doch des altertümlichen reizes nicht entbehrt, und hoffentlich die kraft der erbauung voll ausübt? man mache doch einmal den versuch und predige in der sprache dieser bibel; man wird ja die würkung sehen. soll dem bibelleser das wort gottes lebendig entgegen quellen, so muss es auch in der lebendigen sprache geboten werden, nicht in einem gefäfs, das vor dreihundert jahren sehr schön war, nun aber weithin vermodert ist und seinen platz in einer altertumssammlung einnimmt, nicht aber für den gebrauch mehr taugt, wo es nur das wasser trübt und unschmackhaft macht. wie läppisch würkt schon die gehäufte anwendung der volleren oder breiteren verbalformen: er siehet, bescheret, lobet, du hörest, er reisete, gelernet usw. ; und man weils nicht, warum auf der andern seite zb. Matth. 17, 1 führte, Matth. 5, 2 lehrte (bei Luther füret, leret), Luc. 1, 40. 41 grüszte, hörte, hüpfte (Luther grüszet, höret, hüpfet) usw. gesetzt worden ist. Matth. 17, 3 hat Luther redten, die revidierte bibel redeten, Joh. 6, 68 Luther antwortet, die probebibel antwortete. ja, wenn die herren rücksicht nahmen auf die flüssige grammatik der lebendigen volkssprache', warum dann nicht das Luthersche redten behalten, und die form antwortet in antworte umgesetzt, wie Luthers füret in führte? das volk spricht ja doch so. und was soll die beibehaltung des relativen und correlativen so, das längst der komischen rede anheim gefallen ist? und diese beibehaltung erstreckt sich bis auf das inhaltsverzeichnis: bücher, so man apokryphen nennet; eia, wie erbaulich klinget das! nach welchen grundsätzen die herren einmal veraltete wörter bewahren, das andere mal ersetzen, ist mir immer unerfindlich. Sir. 13, 18: du lebest in groszer fahr; wer im volke versteht das noch? warum nicht gefahr, wie für fährlich gefährlich? umgekehrt: Sir. 7, 15 sei nicht schwätzig bei den alten, bei Luther sei nicht wesschaftig, andere bibeln haben waschhaftig. warum ist dieses wort durch

schwätzig und nicht durch waschhaft gegeben? da doch Sir. 10,25 der jähe wäscher beibehalten und nicht durch unbedachter schwätzer ersetzt worden ist. waschhaft wird ja verstanden und ist noch unserer classischen sprache gemäfs (die weisheit wäre also eine waschhafte mäklerin Schiller u 351 Gödeke). so könnte man seitenlang in aufzählung von inconsequenzen fortfahren; das kommt von der collectivarbeit. auch an übermäfsig feinem sprachgefühl leidet die arbeit nicht. nur ein paar beispiele, denn es verdriefst, auf schritt und tritt die schnitzer der herren aufzustechen. Sir. 9, 4 bei Luther: gewene dich nicht zu der singerin. in der revidierten bibel zu der sängerin. nun ist heutiges tages sängerin eine technische bezeichnung und sogar ein titel geworden, und in rücksicht darauf ist die änderung ganz schlimm. Ps. 3, 7 bei Luther: ich furchte mich nicht fur viel hundert tausenten. in der revidierten bibel vor viel tausenden. der Luthersche text ist übersetzung von άrò μvgiádov λαov Septuag.; lebte Luther heute, so würde er gesagt haben: ich fürchte mich nicht vor millionen. aber damals war million noch nicht verbreitet, und man brauchte statt dessen in rechnerischem sinne hundert mal hunderttausend. daran hat Luther bei seiner übersetzung gedacht. man konnte sie, da auch heute million nicht biblisch sein kann, ruhig lassen, aber man verwässert den text durch die vielen tausende. was sind uns heute tausende, wo wir täglich tausend dank und tausend grüfse bringen! Luc. 1, 39 bei Luther Maria .. gieng auf das gebirge endelich. das letzte wort muste durch ein anderes ersetzt werden, da es schon seit dem 17 jh. nicht mehr verstanden wird. die revidierte bibel nimmt eilends; so übel wie möglich; denn eilends ist bei uns noch ein wort von frisch sinnlicher bedeutung, man sieht gleichsam die füfse des eilenden sich bewegen, und diese bedeutung wohnt dem schon zu Luthers zeit verblassten endelich nicht inne; es durfte dafür nur alsbald genommen werden. auch dass man Sir. 11, 31 Luthers lockvogel auf dem kloben durch einen solchen im korbe ersetzt hat, ist traurig, wenn man auch hierfür den text der Septuag. anführen wollte; denn hier ist ein schönes, von Luther mit absicht gewähltes bild zerstört worden.

Indes ich will abbrechen, wie viel ich auch noch anführen könnte. aber soviel: eine freude hat mir diese revidierte bibel auf keiner seite gemacht. mir ists ja gleich: ich habe meine Lutherbibel, die ich lesen kann. aber das volk? und der segen des bibellesens, der immer so emphatisch betont wird? segen bei dieser sprache? möchte doch endlich einmal einer erstehn, der diese bibelrevision würklich frucht- und segenbringend vornimmt! Göttingen, am pfingsttage 1894. M. HEYNE.

Goethes Leipziger liederbuch von dr ADOLF STRACK, privatdocenten an der universität Giefsen. Giefsen, JRicker, 1893. 2 bll. Iv + xII u. 175 ss. gr. 8°.

3,60 m.

Die ersten lyrischen regungen eines genius wie Goethe verdienen, ja erheischen eindringende durchforschung, und an der hat es bisher nicht gefehlt. es muste locken, das verhältnis des dichters zur zeitgenössischen litteratur festzustellen. das ist durch Minor für die erste lyrik geschehen. dabei wurde die frage nur gestreift, wieweit der schüler der anakreontik doch schon selbständigkeit verrate und von seinen mustern abweiche. gerade sie wird nun von Strack behandelt. aber ich glaube, selbst der begeistertste Goetheverehrer, der überzeugteste Goethephilologe wird über den umfang des buches erschrocken sein. fast zweihundert engbedruckte seiten über zwanzig kleine gedichte das ist des guten etwas viel und muss die Goethephilologie wolfeilem spott aussetzen. es ist nicht zu leugnen, St. fasst manches richtiger als seine vorgänger, aber im ganzen und grofsen läuft sein buch doch auf kleine berichtigungen, vorsichtige einschränkungen und unbedeutende erweiterungen unserer kenntnisse hinaus; ich finde bei St. keine neue auffassung, keine neue formulierung der aufgabe, nur ein stärkeres ausnutzen der deutschen vorgänger Goethes, wodurch manches einzelne klarer und bezeichnender erscheint. aber jedes vündelin ist die gabe des zufalls; was fehlt, das hat St. geahnt, aber nicht zu schaffen gewagt: die feste grundlage der ganzen forschung. im anschlusse an vWaldbergs arbeiten über die renaissance- und über die galante lyrik war die geschichte der lyrik zu behandeln, neben der deutschen die fremde, besonders die französische, zu berücksichtigen, die St. stärker als bisher, aber auch nur ganz nebenbei heranzieht; nur so hätten wir ein werk erhalten, das einen bleibenden wert beanspruchen durfte. St. hat über den einzelheiten das ganze aus den augen verloren. man wird dankbar anerkennen dürfen, dass er uns manches interessante, manches förderliche beibringt, aber die gesamtauffassung ist klein und unbedeutend, die schilderung der lyrik zu beginn des 18 jhs. (s. v f) sogar einseitig und darum falsch; es mangelt die historische entwicklung. für keine der vielen einzelheiten seines buches ist vollständigkeit erreicht, sodass er uns s. 1 selbst ein neues buch ankündigt und andere noch weitere bücher gleich dem vorliegenden schreiben können, ohne dass wir zu ende kämen, weil alles nur vorarbeiten wären, denen der eigentliche abschluss, die zusammenfassung, fehlt. Roethe hat mit diesem vorwurfe (JBL п 1891. п s. 34) ins schwarze getroffen. Witkowski ist auf gutem wege für das von St. herausgegriffene thema vorangegangen, hier hätte eine habilitationsschrift mit erfolg einsetzen können.

Statt dessen hat St. die form des commentars gewählt und führt uns von gedicht zu gedicht, von vers zu vers, um alles an

A. F. D. A. XX.

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