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der neuen censurbestimmungen, also etwa 1798, zurückgeht setzt die kritische untersuchung der quellen des Laufener Don Juan ein: Tirso de Molinas drama von 1630 (T), die Commedia dell' arte von 1657 (C), Dorimond (D) und Villiers (V) als vertreter des verschollenen dramas Gilibertis (G) von 1652, die ballette von Gluck und Schröder und zuletzt den text da Pontes (P) hat W. in knappen, manchmal zu knappen umrissen skizziert, um alsdann das Laufener volksschauspiel (L) und die puppenspiele das Augsburger (A), die beiden Engelschen (E, E), das niederösterreichische (N), das Strafsburger (St), das Ulmer (U) und das Wiener (W) mit diesen vorgängern und unter einander zu vergleichen. das ergebnis seiner um- und vorsichtigen untersuchungen fasst W. dahin zusammen, dass der Laufener text ein getreuerer vertreter der haupt- und staatsaction vom Don Juan ist als die puppenspiele, dass aber die hauptunterschiede zwischen L und einem teile der puppenspiele nur durch die annahme von zwei verschiedenen alten stücken zu erklären sind, von denen sich das eine mehr an Tirso und die Commedia dell' arte, das andere mehr an Giliberti anlehnte; hauptsächlich vertrete E diese zweite fassung, aber in einer sehr viel jüngeren, auch sprachlich modernisierten, gestalt als L die erste fassung. von den anderen fassungen hielte sich A mehr zu L, St mehr zu E; N und W, wol auch E2 stünden in der mitte, U dagegen zeigte kaum noch eine spur vom eigentlichen Don Juan-drama. der kritiker wird gerade in so schwierigen filiationsfragen sich hüten müssen, zweifelhafte vermutungen um eben solche zu vermehren oder gar mit falscher sicherheit zu übertrumpfen, zumal wenn nicht nur eine menge von mittelgliedern, wie hier sicherlich viele deutsche fassungen, sondern vor allem ein hauptglied selbst, Giliberti, fehlt; er wird. aber nie darauf verzichten dürfen, in den sich bietenden lücken den kritischen hebel einzusetzen, mag dadurch auch eine scheinbare sicherheit, die er selbst nicht ersetzen kann, zerstört werden.

Zwei einwände sind gegen W.s schlussurteil zu erheben: in dem einen fall handelt es sich um die wertung von E gegen St, im zweiten um die stellung von L zu den puppenspielen. bei der schätzung von E scheint W. zu gunsten von Engels urteil auf eine principielle prüfung verzichtet zu haben: aber Engel ist auch hier nur ein zwar höchst willkommener, aber unkritischer dilettant, der sein eigenes gut blind überschätzt, und W. selbst findet in seinen kritischen bemerkungen eine reihe von unterschieden zwischen E und St, die ihn auf den vorzug von St vor E hätten führen können. bei einer durchgeführten collation der beiden puppenspiele ergibt sich, dass E und St durchgehends, oft seitenlange, wörtliche übereinstimmungen zeigen und abgesehen von den, auch durch W. aufgewiesenen, später eingelegten lazzi sich hauptsächlich durch verschiebungen der scenenfolge unterscheiden. da sie mithin im engsten verwantschaftlichen A. F. D. A. XX.

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verhältnis stehn müssen, so ist die frage, wer von beiden die gröfsere familienähnlichkeit besitzt, leicht durch eine gegenüberstellung ihres ahnen zu entscheiden, den W. mit recht in dem verschollenen Giliberti oder dessen repraesentanten D und V sucht. beide enthalten im ersten teil eine scene zwischen Don Juan, seinem bedienten und Don Alvaros: in E ist Don Alvaros der vetter Don Juans, in St der vater, in E folgt die scene auf Don Juans nächtlichen besuch bei Donna Amarillis, in St geht sie ihm voraus; nicht nur in den erwähnten und andern einzelheiten, vor allem in der scenenfolge stimmt G, worauf als quelle W. selbst hinwies, zu St gegen E. im zweiten teil des stückes tritt in St Don Philipp, der bräutigam der Donna Amarillis, auf und wird von Don Juan, der ihn als einsiedler vermummt teuscht, alsbald erstochen; nachher kommt eine schäferin und eine prinzessin, die Don Juan überfällt. in E kommt erst eine schäferin, dann Donna Amarillis selbst, auf das geschrei der überfallenen mädchen eilt Don Philipp herbei, der zwar Don Juan trotz seiner verkleidung erkennt, aber durch seine geheuchelte bufsfertigkeit geteuscht und dann erstochen wird in V hier weicht D völlig ab, so bleibt zb. Don Philipp am leben geschieht auch zuerst die ermordung und zwar genau unter den umständen von St, später erst verführt Don Juan eine schäferin, während ihre schwester entflieht. natürlich hat auch St mancherlei geändert, so zb. im schlusse sich dem Faustspiel genähert: vgl. meine bemerkungen Anz. xvin 126, mit denen W. in seiner gleichzeitig entstandenen arbeit s. 148 zusammentrifft. bei der textlichen gleichwertigkeit der beiden stücke beweisen diese zwei beispiele von scenischer übereinstimmung zwischen St und G entschieden die überlegenheit von St über E, soweit eine absolute wertung überhaupt möglich ist.

Diese schätzung von St als echterem repraesentanten seiner gattung ist auch wichtig für die stellung von L gegenüber den den puppenspielen. zunächst freilich kommt es darauf an, L und St in ihrem verhältnis zu den ausländischen quellen zu untersuchen. stellen wir kurz zusammen, was W. für die abgeschlossene zusammengehörigkeit von L und A und den einfluss von T und C anführt: erstens die audienzscene, zweitens die briefscene, drittens das fehlen der Alvarosscenen. für die audienzscene hat W. selbst die möglichkeit anderer quellen aufser T und C zugegeben. für die briefscene ist besser auf C als auf T zu verweisen, weil die umstände der überreichung, was aus W.s auszügen allerdings nicht zu ersehen ist, dort viel genauer stimmen; hier mag auch, ohne weitere schlussfolgerung, erwähnt werden, dass C ebenso wie L, St, E, E2, während das ganze stück in prosa gehalten ist, zum schluss den der hölle verfallenen Don Juan seine empfindungen in versen ausdrücken lässt (vgl. CastilBlaze, Molière Musicien 1 200f). das fehlen der Alvarosscenen, von vornherein als negatives ein sehr precäres scheidemittel gegen

die übrigen stücke, stellt sich als falsches kriterium heraus durch einen späteren fund W.s, den er selbst zur untersuchung nicht mehr ausnützen konnte: der s. 150 f abgedruckte nachtrag bringt einen monolog des hanswursts, worin vor der ermordung Don Alfonsos der von Don Juan am eigenen vater verübte mord erwähnt wird. dies weist nicht nur auf die in T und C nicht enthaltenen Alvarosscenen, sondern sogar auf eine fassung derselben, wie sie sonst nur die jüngeren spiele N, W und U, abweichend von ihrer quelle Giliberti, bieten. man ist zu der annahme berechtigt, dass hier jene regierungscensur, die von den stücken an erster stelle 'moralität überhaupt oder einzelne socielle tugenden insbesondere zb. elternliebe, kindesliebe' verlangt (vgl. s. 62f), zerstörend eingegriffen hat. so bleibt für einen principiellen unterschied von L und A und für den einfluss von C oder gar von T nur wenig übrig. unzweifelhaften und unmittelbaren einfluss von G auf L dagegen hat W. selbst für die einsiedlerscenen und die ermordung Don Philipps festgestellt. nicht besprochen hat er jedoch die stadtwachescene von L und daher nicht hervorgehoben, dass hier L eine scene mit G bewahrt hat, die St und E, die doch zu G gehören, nicht besitzen: deutlicher als W.s auszug zeigt der text selbst, dass V bereits hanswurst sich als polizeiobersten vor der wache gebärden lässt. in V, also in G wahrscheinlich, hätte W. auch die sonst vermisste entsprechung zu den worten des sterbenden Don Pietro (L 308 ff) finden können. L zeigt also einen so starken einfluss von G, dass die einwürkung von T und C sich nicht damit vergleichen lässt. ich möchte nach allem auf das urteil zurückgreifen, das W. selbst im anschluss an seine darstellung von G ausgesprochen hat: im wesentlichen erscheint L identisch mit G, es fehlt nur im ersten act die scene zwischen Don Juan und Don Alvaros (doch s. o.), der ganze vierte act (der oben besprochene überfall der mädchen mag auch der censur zum opfer gefallen sein) und einige zwischenhandlung des letzten actes (auch die puppenspiele haben sie nicht); die exposition ist anders. die abweichung der exposition bleibt also der einzige grundunterschied, und er muss wol aus überarbeitung des ursprünglichen stückes nach C erklärt werden. die annahme einer doppelten urgestalt für die gruppen L und St, die hiernach nicht notwendig erscheint, hätte W. auch ohnehin noch besonders begründen müssen gegenüber der tatsache, dass die stücke beider gruppen schlagende übereinstimmungen in den komischen scenen zeigen, die er in den trefflichen concordanzen der anmerkungen am schlusse behandelt, von der untersuchung aber leider ausgeschlossen hat. aufser L, St, E und dem von W. richtig untergebrachten A besitzen wir nur noch eine vollständige fassung: N. an diesem erst neuerdings aufgezeichneten, L landschaftlich am nächsten stehnden stück haben wir vielleicht eine dritte form der éinen ursprünglichen fassung. W. hat N,

ohne sich deutlicher auszusprechen, in die mitte zwischen beide gruppen gestellt. wenn man nicht, dank W.s anfangs erwähnter besprechung (Anz. xIII 54 ff), bereits wüste, dass in den arg zerspielten stücken der Kralikschen sammlung viel echtes altes gut steckt, so würde man durch die in L und N fast identische gereimte stichomythie zwischen Don Juan und dem geist auf die vermutung geführt werden, dass wir in dieser niederösterreichischen fassung, die abgesehen von der exposition, die auf St und E hinweist, meist mit L stimmt, eine allerdings durch und durch zersetzte ableitung jener fassung haben, aus der auch L und St

stammen.

Sowol durch diese betrachtung wie durch die oben begründete erhebung von St über E, die einen vergleich dieser gruppe mit L weit günstiger gestaltet, als er bei W. erscheint, sinkt L in seiner stellung; aber auch wenn seine unbedingte superiorität über St nicht zu erweisen ist, bleibt es die älteste niederschrift des volksschauspieles vom Don Juan, und W.s verdienst bleibt es, endlich die grundlage für seine erforschung gegeben zu haben. die krone seiner arbeit ist natürlich die veröffentlichung der dichtung selber, die, mit aller akribie hergestellt, in den fufsnoten neben conjecturen die uns Norddeutschen schwer entbehrlichen sprachlichen erläuterungen bringt. zum schlusse sei dem wunsche ausdruck gegeben, dass W. seine verheifsene fortsetzung solcher publicationen bald ausführen und es also in einer leichten variation des prologs, mit dem er diesmal von der einleitung zum drama übergieng, bald heifsen möge:

der vorhang rolle auf, es soll
das zweite spiel beginnen.

Berlin, im märz 1893.

SZAMATÓLSKI.

Geschichte der gelehrtheit von C.M.Wieland seinen schülern dictiert. herausgegeben von LUDWIG HIRZEL. [Bibliothek älterer schriftwerke der deutschen Schweiz. hsg. von JBÄCHTOLD und FVETTER. II serie, 3 heft.] Frauenfeld, JHuber, 1891. XII und 81 ss. 8°. - 2 m. Auf Wielands paedagogische tätigkeit hat LHirzel durch den neudruck des ältesten lehrplanes im Arch. f. littgesch. 11, 377 ff die aufmerksamkeit wider gelenkt. Funcks veröffentlichungen in seinen Beiträgen zur Wieland-biographie 1882 zeigten, dass W.s paedagogische theorie über die privatkreise der Schweiz hinaus ansehen genoss (vgl. Funck in der Festschrift der badischen gymnasien, gewidmet der universität Heidelberg zur feier ihres 500 jährigen jubiläums. Karlsruhe 1886. s. 121. 132). im anschluss an beide habe ich im Arch. f. littgesch. 12, 595 ff mich über W.s lehrabsichten und den äufseren verlauf seiner Schweizer würksamkeit ausgesprochen, dann VJL 2, 579 ff die rede veröffentlicht, die er seinen Züricher schülern zum abschiede gehalten hat. immerhin

sind wir trotz der kenntnis seines lehrplanes und dieser rede über seine würkliche leistung als lehrer noch schlecht unterrichtet.

Man müste die ansichten des zwanzigjährigen studenten denn schon 1753 entwarf er den 1756 im manuscript fertig gestellten und darnach ohne wesentliche änderungen 1758 gedruckten akademieplan zunächst an denen der Schweizer paedagogen messen, um zu erfahren, ob etwas eigenes sich darunter findet. ich denke besonders an JGSulzer, dessen anfänglicher lebenslauf (er war auch privatlehrer, vgl. Hirzel an Gleim über Sulzer den weltweisen 151 ff) W. wol überhaupt als ideal vorschwebte. für die äufsere einrichtung der akademie wäre eine genauere kenntnis des studienplanes in Klosterbergen erwünscht, als die bisher gefundenen acten (vgl. HHolstein, Neue jahrbücher f. phil. u. paed. bd. 132 s. 597 ff; bd. 134 s. 167 ff) uns gewähren. es wäre verdienstlich, wenn ein historiker der paedagogik sich einmal dieser sache annähme, ohne sich von Lessings, zum teil ungerechter, kritik irre machen zu lassen. von der älteren zeit müsten die fäden bis zur erziehung der weimarischen prinzen fortgesponnen werden. denn wenn auch W.s gesichtskreis sich inzwischen bedeutend erweiterte, seine philosophie sich unter dem einflusse Zimmermanns und des Warthäuser kreises veränderte, was gewis nicht ohne würkung auf seine paedagogischen absichten blieb, so steht doch sicher die jüngere lehrtätigkeit in zusammenhang mit den älteren erfahrungen. dazwischen liegt die gleichfalls zu beachtende kathedrale und private würksamkeit an der universität Erfurt, über die wir durch Boxberger auch nicht genügend aufgeklärt sind (Jahrbb. der Erfurter akad. 1870, n. f. h. 6., s. 88 ff); noch jahre nach seinem abgange von Erfurt soll W. auf Dalbergs geheifs einen grofsen bericht zur sanierung jener universität verfasst haben, dessen authenticität mir nicht dem inhalte, aber der überlieferungsform der hs. nach bedenklich ist1.

Je weniger durchsichtig bisher diese für W.s person und auch für W.s dichtung - denn er wollte fast immer ein lehrender poet sein wichtige seite seines wissens und treibens ist, desto willkommener sind veröffentlichungen wie die vorliegende und die dabei vom hsg. weiter verheifsene. Hirzel hat die nachschriften, welche W.s Züricher schüler Ott nach W.s dictat von der 'Geschichte der gelehrtheit' und von der 'Grundlegung der christlichen religion' anfertigten, in händen und die erstere aus d. j. 1757 stammende als vorläufer der zweiten, ein jahr jüngeren nun dem drucke übergeben. es ist keine frage, dass dies jene hefte sind, die Konrad Ott schon 1795 publicieren wollte, was W. verdriefslich verhinderte (Arch. f. littgesch. 12, 603). H. vermutet mit grund, dass es wol kein zufall sei, wenn gerade diese teile des unterrichtes und keine andern dictate sich erhalten haben

1 eine copie des nicht eigenhändigen umfangreichen manuscriptes besitze ich; bei anderer gelegenheit soll das schriftstück erleutert werden.

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